Mechanik unterrichten Tipps aus der Fachdidaktik Univ.-Prof. Dr. Martin Hopf Universität Wien Österreichisches Kompetenzzentrum für Didaktik der Physik Das typische Problem der Unterrichtsvorbereitung • • • • • Morgen geht’s los Wie soll ich es machen? Welche Geräte habe ich in der Sammlung? Wie machen es die Kolleg/innen? Welches Schulbuch ist vorhanden? Besser: • Was ist mein Ziel? Einzelarbeit • Was ist mein Ziel für den Mechanikunterricht? Unser Ziel • Verständnis der Newtonschen Mechanik • In kleinerem Umfang: – Methodenreicher Unterricht – Interessensorientierter Unterricht Das Problem • Mechanik ist wirklich schwierig! Schülervorstellungen • Schülerinnen und Schüler kommen mit stabilen Vorstellungen in den Unterricht. • Diese Vorstellungen sind oft nicht mit physikalischen Vorstellungen vereinbar. • Physikunterricht muss diese Vorstellungen berücksichtigen! Gruppenarbeit Ein Körper bewegt sich auf der dargestellten Bahn. Dabei wächst seine Schnelligkeit auf dem halbkreisförmigen Teil der Bahn gleichmäßig von 10 m/s auf 12 m/s an. Berechnen Sie für diesen Abschnitt der Bewegung a) die Durchschnittsgeschwindigkeit und b) die Durchschnittsbeschleunigung. (Setzen Sie der Einfachheit halber = 22/7) (Lösung: 7 m/s nach unten bzw. 77 m/s² nach links) Ausweg: Didaktische Rekonstruktion Kattmann, Duit, Gropengießer & Komorek, 1998 Aber: • Praktisch nicht von einzelnen Lehrpersonen zu leisten; • Fertige, als wirksam nachgewiesene Unterrichtskonzeptionen zu: – Optik – Wärmelehre – Elektrizitätslehre mit Potential – Elektrizitätslehre mit Energie – Quantenphysik – Mechanik Mechanikunterricht • Lehrplanänderung in Bayern: Verschiebung der Newtonschen Mechanik von 11. Klasse in 7. Jahrgangsstufe • Lehrkräfte (und Schulbuchautoren) waren stark ge- (über?) fordert; • Klar definierte Problemstellung an Physikdidaktik: Wie sollen wir das machen? • Daher: Ideale Gelegenheit für eine größere Entwicklungsund Forschungsarbeit • Material ist leicht übertragbar auf andere Klassen Traditionelle Sachstruktur • • • • • • • • • • Geschwindigkeit v = x/t Beschleunigung a = v/t Kraft Trägheit Kräftegleichgewicht F = ma Wechselwirkungsprinzip Gravitation und Fallbeschleunigung Hookesches Gesetz Kräfteaddition und -zerlegung Alternative: Dynamischer Zugang zur Mechanik • 2D - Betrachtung der Geschwindigkeit von Anfang an • Dynamischer Einstieg in die Mechanik • Verwendung der Kraftstoßgleichung F t m v • Allgemeine Rahmenvorstellung: „Von nichts kommt nichts…“ bzw. „Ohne Einwirkung keine Änderung…“ Einwirkung auf die Bewegung führt zu Änderung in der Geschwindigkeit Materialentwicklung • Schülertext • Experimente • Videoaufnahmen (auch in Superzeitlupe) • Videoanalysen • Simulation • Arbeitsblätter Einführung in die Mechanik Wie setze ich das in Unterricht um? • Vorschlag fürs erste Mal: Unterrichten Sie es so, wie es in unserem Schülertext vorgesehen ist. (Grundsätzlich rate ich von diesem Vorgehen aber ab!!!) Überblick • Beschreibung von Bewegungen • Tempo • Geschwindigkeit als gerichtete Größe • Zusatzgeschwindigkeit ( Δv ) • Die Newtonsche Bewegungsgleichung: – Je länger die Einwirkung, desto größer Δv – Je größer die Masse, desto kleiner Δv – Je größer die Einwirkung, desto größer Δv • Zusammen: F t m v • Wechselwirkungsprinzip •Kraftarten (Gravitation, Reibung) •Kräfteaddition, - gleichgewicht Beschreibung von Bewegungen Stroboskopbilder Tempo und Geschwindigkeit Zusatzgeschwindigkeit Beispiele Dann erst: 1D-Bewegungen Einwirkung/Kraft Einwirkungsdauer Masse Alles zusammen: Newtonsche Bewegungsgleichung F t m v Wechselwirkungsprinzip Kraftarten Geschichte der Idee • Immer wieder vorgeschlagen (Jung 1972, 1981) • Entwicklung für Unterricht (Wiesner, Engelhardt, 1983) • Weiterentwicklung unter verschiedenen Aspekten (Wodzinski 1996, Rincke 2008, Schüller 2007 u.v.m.) Vergleichende Studie Forschungsfragen: • Wie beurteilen Lehrkräfte das Mechanikkonzept? • Wie realisieren Lehrkräfte das Mechanikkonzept? • Wie verstehen Jugendliche das Mechanikkonzept? • Inwiefern beeinflusst die Gesamtintervention die kognitiven und nicht-kognitiven Variablen der Lernenden im Bereich der Newtonschen Mechanik (nachhaltig)? • Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen der Akzeptanz des Mechanikkonzeptes durch die Lehrkräfte und dem Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler? Qualitative Ergebnisse • Lehrkräfte orientieren sich an den jeweiligen Lehrbüchern; • Lehrkräfte sind mit dem neuen Konzept sehr zufrieden und wollen auch zukünftig so unterrichten; • Umgang mit der Pfeilnotation bei der Geschwindigkeit bereitet den Lernenden keine Schwierigkeit. • Der Zusammenhang zwischen Kraft, Masse, Einwirkdauer und Zusatzgeschwindigkeit wurde von fast allen interviewten Schüler/innen verstanden. • Quantitative Konstruktionen von Zusatz- und Endgeschwindigkeit können die Hälfte der Schüler/innen durchführen. • Interviewte Schüler/innen verwenden die Bewegungsgleichung zur Argumentation. 2 Items zum zweidimensional-dynamischen Konzept: Höchst signifikanter Unterschied mit großer Effektstärke (d=1,30) 2 Items zum traditionellen Konzept: Kein signifikanter Unterschied 13 Items zum Grundverständnis Höchst signifikanter Unterschied mit mittlerer Effektstärke (d=.56) • Kaum Unterschiede bei: – Drittes newtonsches Axiom – Senkrechter Wurf nach oben • Größte Unterschiede bei: – Geschwindigkeit als Ortsänderung – Superposition von Geschwindigkeiten – Richtung von Kräften für Bewegungsänderung Individuelle Lehrkräfte Interaktionseffekt zwischen Gruppe und Geschlecht • In Kontroll- und Treatmentgruppe sind die Jungen den Mädchen in Vorwissen hoch bzw. höchst signifikant überlegen. • Unterschiede bleiben in der Kontrollgruppe bestehen oder wachsen. • In Treatmentgruppe nach Unterricht keine signifikanten Unterschiede. Nutzen • Empirisch als wirksam nachgewiesenes Material: – Schülertext – Experimentiervorschläge – Handreichungen • Vielleicht mittelfristig: Aufnahme in Lehrpläne usw. • Alles Material online verfügbar: http://thomas-wilhelm.net Ausführlicher in: Verena Tobias: Newton‘sche Mechanik im Anfangsunterricht. Die Wirksamkeit einer Einführung über zweidimensionale Dynamik auf das Lehren und Lernen. Studien zum Physik- und Chemielernen, Band 105, Logos-Verlag, Berlin, 2010 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Univ.-Prof. Dr. Martin Hopf Österreichisches Kompetenzzentrum für Didaktik der Physik Porzellangasse 4/2/2, 1090 Wien, Österreich [email protected]