1 Vorstellungsrede von Christian Lindner MdL als Kandidat

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Vorstellungsrede von
Christian Lindner MdL
als Kandidat für den Bundesvorsitz der FDP
auf dem a.o. Bundesparteitag in Berlin am 7. Dezember 2013
(bearbeitete Mitschrift)
Liebe Freundinnen und liebe Freunde,
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weil Deutschland nicht auf Dauer von den Mutlosen regiert werden darf, die
Gefälligkeitspolitik zu Lasten der Zukunft machen;
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weil die FDP wieder die Partei der verantwortungsbewussten und
freiheitsliebenden Bürgerinnen und Bürger werden muss, die diesem Maßstab in
Inhalt, Stil und Umgang untereinander auch selbst wieder entspricht;
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und weil ich nicht tatenlos zusehen kann, wie andere Parteien den Versuch
unternehmen, sich unserer liberalen Idee zu bemächtigen, um sie danach zu
verfälschen und zu verformen,
deswegen bewerbe ich mich heute als Parteivorsitzender unserer FDP.
I.
Die Mission ist klar: Wir kämpfen dafür, dass die Millionen Menschen, die den Staat als
Partner und nicht als Vormund wollen, die auf die Soziale Marktwirtschaft vertrauen und auf
den Rechtsstaat setzen, im Jahr 2017 wieder eine liberale Stimme in unserem Parlament
haben.
Geben wir uns keinen Illusionen hin: Das ist ein weiter Weg. Er ist gesäumt von
Widerständen, von Rückschlägen und Enttäuschungen. Deshalb kann diesen Weg keiner
alleine gehen. Wir können diesen Weg nur gemeinsam bewältigen. Wir können nur
gemeinsam erreichen, was wir alle wollen: nämlich Deutschland wieder mutig nach vorne zu
bringen und der FDP den Respekt zurück zu erarbeiten, den diese große Partei verdient hat.
Heute gehen wir zusammen den ersten Schritt.
Die Niederlage vom 22. September, sie ist eine historische Zäsur. Wir haben heute in der
Debatte viele Aspekte einer Aufarbeitung gehört. Manche teile ich, andere nicht. Aber die
Art, wie wir diese Debatte geführt haben, ist bereits Teil der Wiederaufrichtung der FDP.
Denn wir haben die Schuld nicht bei Einzelnen gesucht oder gar bei anderen. Die Partei der
Eigenverantwortung hat sich heute selbst ihrer Niederlage gestellt – und das ist ein
Zeichen unserer ungebrochenen Stärke und Selbstachtung.
Gerade weil wir so selbstkritisch sind, dürfen wir auch sagen, dass wir in den vergangenen
vier Jahren Gutes bewirkt haben bei Arbeit, bei soliden Finanzen, bei Bildung und bei
Gesundheit. Insbesondere haben wir in Regierungsverantwortung in schwierigster Zeit
Europa zusammengehalten. Und deshalb können wir sagen: Die FDP ist ihrer
staatspolitischen Verantwortung gerecht geworden.
Deshalb können wir die Große Koalition jetzt für das kritisieren, was sie tut, oder für das, was
sie unterlässt. Das ist auch unser Auftrag. Wenn die Große Koalition mehr Staat beschließt,
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die linksgrüne Opposition im Bundestag, sie wird nur noch mehr Staat fordern. Wenn die
Große Koalition die Umverteilungsmaschine anwirft, dann wird die linksgrüne Opposition
sagen, dass noch nicht alle Unterschiede eingeebnet worden sind. Und wenn die Große
Koalition neue Bürokratie schafft, dann wird die linksgrüne Opposition sagen, dass die
Fesseln für die Menschen noch nicht eng genug sitzen. Es gibt im Deutschen Bundestag
keine Stimme mehr, die dem entgegensteht. Es gibt im Deutschen Bundestag keine Partei
mehr, die zuerst auf die Kräfte der Bürgergesellschaft, zuerst auf die Freiheit und die
Eigenverantwortung setzt – und erst danach nach dem Staat ruft. Also ist dies nun unsere
Aufgabe. (Die FDP ist die eigentliche Opposition – zeitweise außerhalb des
Parlaments.)
II.
Das aber ist nur der erste Auftrag, den wir haben. Der zweite Auftrag, er richtet sich an uns
selbst. Ich habe seit der Bundestagswahl über 600 Zuschriften erhalten. Und aus einer will
ich zitieren. Ein Mittelständler schrieb mir: „Ich trage eine Mitschuld daran, dass die FDP
erstmals nicht im Deutschen Bundestag vertreten sein wird. Denn obwohl ich eine liberale
Partei für erstrebenswert und notwendig halte, habe ich der FDP meine Stimme verweigert.
Nur so ist ein Neustart möglich.“
Das sind harte Worte. Sie zeigen, dass die Menschen eine liberale Kraft in Deutschland
wollen. Wir aber sind in den vergangenen vier Jahren unseren eigenen Ansprüchen nicht
immer gerecht geworden. Und deshalb ist die Aufgabe, den Menschen wieder zu sagen,
wofür wir stehen, woran wir festhalten und was wir neu denken.
Für mich ist unser Koordinatensystem klar:
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Die FDP ist und bleibt die Partei der Marktwirtschaft, denn wer Fortschritt will, muss
den Menschen wirtschaftliche Freiheit und fairen Wettbewerb geben. Wir wissen
besser als andere Parteien: Es ist der Markt, der die Pfosten einschlägt, an denen
dann das soziale Netz aufgehangen werden kann.
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Wir sind und wir bleiben die Partei der Bürgerrechte, weil wir nicht vom Staat her
denken, sondern von der Würde des Einzelnen.
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Hier ist eben von Konstantin Kuhle in der Aussprache gefragt worden, was das denn
sei „Bürgerlichkeit“. Wir sind und wir bleiben eine bürgerliche Partei, weil wir Respekt
vor dem Privateigentum, vor der privaten Lebensführung und der Privatsphäre haben –
das heißt Bürgerlichkeit.
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Wir sind und wir bleiben die Partei der Leistungsgerechtigkeit, weil Fleiß, Talent und
Risikobereitschaft einen Unterschied machen dürfen.
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Wir sind und bleiben eine europäische Partei. Und deshalb werden wir auch
bestimmte Strukturdefizite in Europa klarer ansprechen, weil Europa
marktwirtschaftlicher, bürgernäher und demokratischer werden muss, damit es die
Zukunft hat, die wir für unseren Kontinent wollen.
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Wir sind eine für alle Menschen offene Partei – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem
Einkommen oder ihrem Beruf.
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Und vor allen Dingen: Wir sind und bleiben eine gesamtdeutsche Partei, denn wir
haben in unserer Geschichte nicht umsonst für die Deutsche Einheit gekämpft
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Mit diesem politischen Koordinatensystem sind wir das gegen Gegengewicht zu den
Besitzstandswahrern in Deutschland. Aus dieser politischen Positionierung können wir mit
Selbstbewusstsein den Menschen entgegentreten und ihre Fragen beantworten:
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Der Naturwissenschaftlerin, die sich anstrengen muss für ihren Erfolg, die aber dann
feststellt, dass von ihren Gehaltserhöhungen vor allen Dingen der Fiskus profitiert –und
die trotzdem keine verlässlichen, qualitätsvollen Betreuungsangebote für ihre Kinder
findet. Der Frau will ich sagen: Wir behalten die Belastungsgrenze von Bürgern und
Betrieben im Blick. Auf der andern Seite wollen wir den Staat schlank machen, damit er
in seinen Kernaufgaben wie Bildung und Betreuung durch die Ergebnisse seiner
Tätigkeit wieder überzeugt und Autorität hat.
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Was sagen wir dem Jugendlichen ohne Schulabschluss? Wir sagen ihm nicht, wie
andere Parteien, dass wir ihm das staatliche Taschengeld erhöhen. Aber dass wir für
ihn in der Praxis funktionierende Qualifikationsangebote wollen, damit er aus seinem
Leben selbst etwas machen kann und nicht dauerhaft von anderen alimentiert werden
muss.
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Und was sagen wir dem Mittelständler, was sagen wir dem Handwerksmeister, der
über alltägliche Bürokratie stöhnt, sich aber auf der anderen Seite schutzlos den
entfesselten Gewalten der internationalen Kapitalmärkte ausgeliefert sieht? Ihm sagen
wir, dass wir seine Handlungsfähigkeit, dass wir allen ehrlichen Kaufleuten ihre
Handlungsfähigkeit sichern wollen. Aber wir sagen auch, dass die Partei von Otto Graf
Lambsdorff eine Partei der Ordnung des Marktes ist. Die Partei von Otto Graf
Lambsdorff, für sie ist jeder einzelne Mensch systemrelevant, aber niemals eine
einzelne Bank oder ein einzelnes Unternehmen, weil das Haftung und Wettbewerb und
alles, wofür Marktwirtschaft steht, aushebelt.
Nicht jeder in Deutschland teilt unsere Werte. Nicht jeder in Deutschland hat unser
politisches Koordinatensystem und findet sich in diesem wieder. Das ist nicht schlimm. Wir
sind eine plurale Gesellschaft. Und die FDP, sie muss nicht fürchten, bekämpft zu
werden für das, wofür wir stehen. Die FDP muss nur fürchten für nichts zu stehen.
Jetzt wollen ja plötzlich alle anderen Parteien auch liberal sein. Sigmar Gabriel hat das
gesagt. Heute am Tag auch Olaf Scholz. Die Grünen sprachen davon, sie wollen die Partei
der Freiheit sein – gerade wollten sie noch unsere Ernährungsberater sein. Aus der CDU gibt
es solche Stimmen. Man wartet nur darauf, dass Gregor Gysi den Liberalismus auch noch
für die Linkspartei entdeckt. Die verwechseln Liberalismus mit Beliebigkeit.
Deshalb sollten wir erkennen, was wir aus diesen Versuchen anderer Partei, plötzlich liberal
zu sein, lernen können: Das es da offensichtlich ein Milieu in unserem Land gibt: Millionen
Menschen, die liberal denken und liberal fühlen – das haben die anderen erkannt. Deshalb
bemühen die sich jetzt um diese Marktlücke. Sie wollen sie ausfüllen, sie wollen unseren
Platz einnehmen. Und uns empfiehlt dagegen mancher, wir sollten jener
nationalökonomischen Bauernfängertruppe, der AfD, hinterher jagen. Wir wären verrückt,
wenn wir unseren Platz aufgeben würden, den die anderen wollen: Wir sind die Partei von
wirtschaftspolitischer Vernunft, einer gesellschaftspolitischen Großzügigkeit und
Liberalität und einer klaren europäischen Gesinnung. Würden wir auch nur einen
Zentimeter in Richtung der Eurohasser gehen, wir würden unsere ökonomische Kompetenz
verlieren – aber vor allen Dingen unsere Seele.
III.
Jetzt gibt es – das ist auch hier heute zum Ausdruck gekommen, und das sehe ich, wenn ich
bei Facebook mitlese – in der FDP unterschiedliche Akzentsetzungen. Es gab sie immer. Es
gibt die eher Wirtschaftsliberalen. Es gibt die Bürgerrechtsliberalen. Es gibt die Gruppe der
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theoretisch engagierten Libertären. Und alle gehören sie zur großen liberalen Familie dazu.
Alle gehören Sie dazu.
Ich warne davor, dass wir uns Flügeldiskussionen in der FDP einreden lassen. Es gibt
unterschiedliche Akzentsetzungen, es gibt unterschiedliche Perspektiven – aber in der FDP,
es gibt in ihr doch keine Flügel. So wie die Idee der Freiheit unteilbar ist, so ist auch die
FDP unteilbar. Würden wir es anders sehen, dann würden wir doch denen Recht geben, die
in Wahrheit Teile des Liberalismus längst in anderen Parteien beheimatet sehen. Nein, es ist
eine Lehre aus unserer Geschichte, aus der Geschichte liberaler Parteien seit dem 19.
Jahrhundert: Es gibt nur einen politischen Liberalismus, er ist in der FDP zuhause. Freiheit
verpflichtet – auch zu Gemeinsamkeit.
Ja, wir wollen eine vielfältige Gesellschaft. Wir haben Respekt vor anderen Meinungen und
wir wollen die Pluralität. Nicht immer sind wir diesem gesellschaftspolitischen Anspruch in
unserem inneren Umgang miteinander gerecht geworden. Es ist heute schon angesprochen
worden. Da wurde manches hinter vorgehaltener Hand über den Parteifreund gesagt. Mal
waren die Führungskräfte „Hosianna“ und dann wieder „Kreuziget ihn“. Das bringt uns nicht
weiter – und das muss enden.
Ich will hier ganz offen sagen, mir sind Parteifreunde, die offen Kritik äußern, offen ihre
Meinung sagen lieber. Wie beispielsweise unser Freund Holger Zastrow aus Sachsen, der
klar eine Position vertritt. Er hat beispielsweise dieser Tage in einem Interview gesagt, er
empfiehlt für die außerparlamentarische Opposition „Machete statt Florett, Stammtisch statt
Talkshow, Straße statt Feuilleton“. Ich habe Respekt vor seinem Rat – aber ich werde ihn
nicht befolgen, weil ich glaube, dass wir uns dann kleiner und enger machen, als wir sind.
Außerparlamentarische Opposition heißt für mich Machete UND Florett, Stammtisch UND
Talkshow, Straße UND Feuilleton. Neiden wir uns unsere unterschiedlichen Möglichkeiten
nicht.
Wir stehen vor einer großen Aufgabe. Und wir sind 57.000 Individualisten. Also lasst uns die
unterschiedlichen Möglichkeiten und Argumente eines jeden einzelnen Mitglieds nutzen. Wir
sollten sie nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir sollten unsere Möglichkeiten lernen
zu addieren, gerade in der Zeit der außerparlamentarischen Opposition.
Alte Rechnungen, taktische Stellungsdebatten und Eitelkeiten – sie bedeuten nichts mehr
angesichts der Größe der Herausforderung, vor der wir stehen, vor der Verantwortung, die
wir haben. Ab heute muss gelten: Greift der politische Gegner einen von uns an, dann
bekommt er es mit der gesamten FDP zu tun.
IV.
Unser gemeinsames Ziel ist es, 2017 die FDP in den Deutschen Bundestag zurückzuführen.
Und auf dem Weg dahin jede einzelne Wahl als einen wichtigen Meilenstein zu betrachten –
beginnend mit den Kommunal- und den Europawahlen.
Ich biete einen Geist der Partnerschaft an, der von jedem Neumitglied bis zum
Parteivorsitzenden reicht. Denn jetzt kommt es mehr denn je auf jede und jeden Einzelnen
an. Deshalb sollten wir auch unsere Parteistrukturen überdenken und unseren Mitgliedern
mehr Mitsprachemöglichkeiten einräumen.
Heute aber fragen sich Millionen Menschen, die im Prinzip die FDP wollen, welches Signal
von diesem Bundesparteitag ausgeht. Sie haben vielleicht im Vorfeld befürchtet, dass wir
uns zerstreiten könnten wie andere Parteien. Aber wir haben in der Aussprache gezeigt: Die
Zeit der Trauerarbeit in der FDP ist zu Ende – ab heute bauen wir vom Fundament aus
neu auf. Für dieses Signal bitte ich Sie und Euch um Unterstützung.
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