|FOKUS| 3 Druck auf den Getreidesektor wächst Der Bund will die Schweizer Mühlen vermehrt der ausländischen Konkurrenz aussetzen. Darunter leiden auch die Getreideproduzenten. Von Roland Wyss-Aerni Die Schweizer Getreidebauern mussten schon in den letzten Jahren stetig sinkende Zölle und damit auch sinkende Preise akzeptieren. Per 1. Juli 2009 hat der Bund eine weitere Senkung der Getreidezölle um vier Franken pro 100 Kilogramm beschlossen. Die Getreidepreise sinken noch stärker: In den Richtpreisverhandlungen der Branchen- Die Weizenpreise sinken stetig, für die Getreidebauern bleibt immer weniger Geld in der Tasche. (lid) organisation Swiss Granum einigte man sich und unter dem Druck des Bundesamtes für auf Richtpreise einige. Mit dieser Vorgabe letzte Woche nach zähen Verhandlungen Landwirtschaft (BLW) darauf, die beste Wei- einigten sich Produzenten und Abnehmer zenqualität auf einen Preis von 51 Franken in diesem Jahr zumindest auf einen Richt- Grenzschutz für Getreide und Mehl pro 100 Kilogramm, ganze 10.50 Franken preis beim Top-Weizen – im Gegensatz weniger als die letztjährigen 61.50 Franken zum Vorjahr, als bei den Richtpreisen für wy. Zölle bei Getreide und Mehl werden während der Ernte. „Dieser Zollabbau und die Zeit ab dem 1. Oktober 2008 beim seit einigen Jahren kontinuierlich abge- die zusätzlich gesunkenen Preise auf dem Brotgetreide keine Richtpreise gefunden baut, damit sinken auch Rohstoffpreise internationalen Getreidemarkt gefährden wurden. zugunsten der Backwarenhersteller. den Schweizer Getreidebau”, sagt Fritz Der Druck auf die Schweizer Mühlen Der Getreidezoll beträgt per 1. Juli noch Glauser, Präsident des Schweizer Getreide- kommt vor allem aus Süddeutschland, wie 23 Franken pro 100 Kilogramm Weizen. produzentenverbandes (SGPV). „Wir sind Oliver Schnyder, Geschäftsführer der Dach- Für den Grenzschutz beim Mehl wird besorgt, dass die Anbaufläche und die Zahl organisation der Schweizer Müller (DSM), dieser Betrag mal 1,33 gerechnet, das der Getreideproduzenten weiter zurückge- erklärt. Deutsche Mühlen, um ein Viel- ergibt 30.66 Franken. Dieser Faktor hen.” faches grösser als die Schweizer Betriebe, kommt zustande, weil aus 100 Kilogramm Getreide 75 Kilogramm backfä- würden sich derzeit sehr für den Schweizer Markt interessieren und die Importeure mit higes Mehl entstehen. Dazu kommt ein Konkurrenz aus Süddeutschland Standortschutz für die Mühlen von 20 Dass die Getreidepreise nun viel stärker mithalten können, wenn der Mehlzoll im Franken. Zusammengezählt ergibt sich sinken sollen als die Zölle, begründen die Oktober sinkt”, sagt Schnyder. „Bei zu ho- ein Mehlzoll von 50.60 Franken. Dieser Müller mit zusätzlichem Druck aus dem hen Getreidepreisen ist das nicht möglich.” Mehlzoll soll ab 1. Oktober in Kraft Ausland. Denn auch ihr Grenzschutz, der Die Mühlen profitieren zwar zusätzlich zum treten, bis dann gilt der alte Zoll von 65 Zoll für Mehl, wird vom Bund gesenkt. Mehlzoll von einem Verarbeitungszuschlag Franken. Bis zum 1. Juli des letzten Zwar nicht auf 1. Juli, wie ursprünglich vor- von 20 Franken pro 100 Kilogramm. Ange- Jahres hatte der Mehlzoll 143 Franken gesehen, sondern erst auf 1. Oktober. Als sichts der eklatanten Grössenunterschiede betragen. Bedingung für diese Verschiebung ver- zwischen Schweizer Mühlen und EU-Müh- langte das BLW aber, dass die Branche sich len und dem höheren Kostenumfeld sei Nr. 2922 vom 8. Juni 2009 tiefen Angeboten locken. „Da müssen wir Sämtliche Artikel sind unter lid.ch zu finden. Der Abdruck ist unter Angabe der Quelle frei. |FOKUS| 4 dieser Zuschlag notwendig, sagt Schnyder Transparenz in die Preisbildung bringen. stoff sei wieder etwas billiger, aber ver- (siehe auch Kasten). Die konkreten Richtpreisverhandlungen glichen mit der Situation im Jahr 2006 vor Eine Ungleichheit sieht er auch in der selber seien nun Sache der Branchenpart- der Preishausse seien die Produktionsko- Tatsache, dass beim Getreide zwar die ner gewesen, da mische sich das BLW nicht sten immer noch höher. Auch bei den Ma- Menge, die zu tiefen Zöllen importiert wer- ein. Im Gegensatz zum DSM ist Pidoux der schinen sei es schwierig, kurzfristig Geld zu den könne, durch ein Importkontingent be- Meinung, dass die 20 Franken Standort- sparen. Der Getreideproduzentenverband schränkt ist, beim Mehl hingegen beliebige schutz für die Schweizer Mühlen angemes- fordert deshalb nach wie vor eine Kompen- Mengen importiert werden können. Umso sen seien. sation der zurückgehenden Erlöse beim wichtiger seien inländische Getreidepreise Brot- und Futtergetreide durch höhere Di- Direktzahlungen als Kompensation für die Mühlen, die mit den ausländischen Preisentwicklungen korrelierten. Getreidebauernpräsident rektzahlungen. BLW-Mann Pidoux reagiert zurückhalFritz Glauser tend: Die Direktzahlungen für das Jahr Mehr Transparenz stört es besonders, dass die Getreidepreise 2009 seien schon festgelegt und nicht an Martin Pidoux, beim BLW für den Ackerbau nun drastisch sinken, die Produktionsko- Kulturen gekoppelt. Man habe zu wenig zuständig, bedauert, dass der Getreidepreis sten der Bauern aber fast unverändert hoch Futtergetreide und in manchen Jahren auch nun so stark sinke. Mit der Bedingung, dass sind. „Die Düngerpreise sind zwar inzwi- zu viel Brotgetreide. „Ein Anbaubeitrag für eine Einigung auf Richtpreise zustande- schen etwas gesunken, aber der grösste Brotgetreide wäre deshalb nur schwer be- kommen müsse, bevor die Mehlzollsen- Teil der Düngermengen wurde noch zu den gründbar”, sagt Pidoux. Aber die Türe kung entschieden würde, seien alle Beteili- höheren Preisen gekauft”, sagt er. Beim schliessen wolle man nicht: „Bis jetzt hat gten im April einverstanden gewesen, sagt Pflanzenschutz seien einzelne Mittel etwas die Branche keinen Vorschlag gemacht. er. Damit wolle das BLW ein Minimum an günstiger geworden, und auch der Treib- Wäre es der Fall sein, würde er geprüft.” ZAHLEN | KURVEN SCHWEIZER ESSEN WIEDER MEHR BROT Brot- und Backwarenkonsum pro Person und Jahr QUELLE: BLW; © GRAFIK: Bruno Wanner, LID; www.lid.ch 60 50 Kilogramm 40 30 20 10 0 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2 2007 Herr und Frau Schweizer assen in den letzten 20 Jahren rund 50 Kilogramm Brot pro Jahr. In den letzten Jahren ist der Konsum wieder leicht angestiegen. Am höchsten war er im Jahr 1990 mit 53,6 Kilogramm, am tiefsten 1995 mit 46,4 Kilogramm. Nr. 2922 vom 8. Juni 2009 Sämtliche Artikel sind unter lid.ch zu finden. Der Abdruck ist unter Angabe der Quelle frei.