][AN1U[§ Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit Interdisciplinary Research Group Science, Technology and Security Arbeitsbericht Working Paper IANUS 4/1998 Wolfgang Sender Ethische Aspekte prospektiver Technikbewertung: Das Beispiel Kernfusion Antrittsvorlesung im Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt IANUS - Technische Universität Oarmstadt - Hochschulstraße 10 0-64289 Oarmstadt, Germany Tel.: 061 51/164368 (Sekretariat) - Fax: 0 61 51/16 6039 Mail: IANUS @hrzpub.th-darmstadt.de - Internet: http://www.th-darmstadt.de/zelianus Wolfgang Bender Ethische Aspekte prospektiver Technikbewertung: Das Beispiel Kernfusion 1. Der Arbeitskontext der Überlegungen Die Überlegungen, die ich Ihnen heute vortragen möchte, stehen im Zusammenhang eines längeren interdisziplinären Arbeits- und Diskursprozesses, an dem viele der hier Anwesenden beteiligt sind. In diesem Prozeß ging und geht es um die Entwicklung von ethischen Beurteilungs- und Gestaltungskriterien, die in die Technikforschung und -bewertung eingebracht werden sollten. Natürlich lag dies in meinem Interesse als Sozialethiker. Das Wichtigste aber war doch, daß ich von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Disziplinen immer wieder angefragt und herausgefordert wurde. Einer der ersten Versuche, solche Kriterien zu benennen und auch zu konkretisieren, fand seinen Niederschlag in einem Text mit dem Titel "Menschen- und gemeinwohlgerechte Softwareentwicklung". Dieser Entwurf wurde weiterentwickelt im Rahmen des jetzt schon viele Jahre laufenden Lehrprojekts "Sozialorientierte Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologie", an dem Informatiker, Pädagogen, Psychologen, Soziologen und Sozialethiker gleichermaßen beteiligt sind. Die Ausformung der Kriterienkataloge zu einem "Strukurmodell ethischer Urteilsbildung" fand vor allem im Rahmen des interdisziplinären Projekts "Ethische Kriterien bei Unternehmensentscheiungen im Bereich Biotechnologie/Gentechnik" statt, in dem Mitglieder des Instituts fur Biochemie, des Instituts für Theologie und Sozialethik und des Zentrums fur Interdisziplinäre Technikforschung (ZIT) zusammenarbeiten. Dieses Strukturmodell - um es nur ganz kurz zu erläutern - geht von einem problemorientierten Ansatz der Technikbewertung aus, fragt also zuerst nach dem menschlichen oder gesellschaftlichen Problem, das gelöst werden soll, und der entsprechenden Zielsetzung des HandeIns. Inwieweit Zielsetzungen ethisch gerechtfertigt werden können, soll anhand der Leitkriterien von Erhaltung und Entfaltung der Menschheit überprüft werden. In einem zweiten Schritt werden die Mittel, vor allem auch die technischen Mittel, die zur Problemlösung beitragen können, benannt und mit den Kriterien der Human-, Sozial-, Umwelt- und Zukunftsorientierung konfrontiert. Hier ist dann auch die technikinduzierte Bewertungsdiskussion zu führen.(l) Das Strukturmodell ethischer Urteilsbildung spielte gleichzeitig eine Rolle in verschiedenen Projekten in der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (lANDS), zum Beispiel in dem Projekt "Verantwortbare Energieversorgung für die Zukunft"(2), dem Projekt "Endlagerung oder Langfristzwischenlagerung atomarer Abfälle" und jetzt vor allem in dem Projekt 1 "Neue Nukleartechnologien zwischen Naturwissenschaft und Ethik", zu dem natürlich auch die Auseinandersetzung mit der Kernfusion gehört. Der Kontakt mit den Frankfurter Kollegen aus Theologie und Sozialethik fand im Rahmen des dort betriebenen Projekts "Ethische Kriterien für die Bewertung von Unternehmen" statt, dessen Ergebnis in Gestalt des "Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens" vorliegt und einen vergleichbaren Kriterienkatalog enthält, in dem das Kriterium der Kulturverträglichkeit eine hervorragende und uns anregende Rolle spielt.(3) Auch die, die am Institut rur Theologie und Sozialethik im Lauf der letzten Jahre studiert haben und hier anwesend sind, haben ihren Anteil an meinen Überlegungen. Sie haben - gerade weil sie durch ihr technisches Hauptfach die entsprechende Kompetenz besitzen - mich immer wieder durch ihre Fragen herausgefordert und mich auch dazu gebracht, die ethischen Probleme in einer verständlichen Sprache zu formulieren. Dabei ist mir die Warnung Theodor W. Adornos durchaus gegenwärtig. Danach muß, wer der Demoralisierung entgehen will, ,jeden Rat, man solle auf Mitteilung achten, als Verrat am Mitgeteilten durchschauen".(4) Es ist mir wichtig, diese Zusammenhänge in Erinnerung zu rufen. Ich stehe in diesen vielfältigen Diskursprozessen und verdanke ihnen mehr, als sich ermessen läßt. Darur möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen, die daran beteiligt waren und sind, danken. Damit kann ich zu dem Gegenstand dieser Vorlesung kommen: zur Frage der Kernfusion und ihrer Bewertung unter ethischen Aspekten. 2. Warum die Kernfusion ein wichtiger Gegenstand für die Technikbewertung ist.(S) Warum befassen wir uns - wir, d.h. eine Arbeitsgruppe von IANUS in Kooperation mit dem Öko-Institut Darmstadt in einem interdisziplinären Technikbewertungsprojekt überhaupt mit der Kernfusion? Es ist doch frühestens nach 2050 mit Energie aus der Fusion zu rechnen, - wenn überhaupt. Denn noch ist weder sicher, daß die Kernfusion technisch machbar, noch daß sie industriell umsetzbar ist. Warum also machen wir trotzdem die neuen Nukleartechnologien und damit auch die Fusion zum Gegenstand eines Forschungs- und Diskursprojekts? Ich nenne fünf Gründe. a) Das Energieproblem stellt eine der größten und schwierigsten Herausforderungen rur Politik, für die Gesellschaft und ihre Mitglieder, rur Wissenschaft und Technik dar. Bei seiner Analyse sind zunächst drei harte Fakten zu berücksichtigen: * Die gegenwärtige Art der Energiegewinnung ist mit unerwünschten Folgen verbunden: die Nutzung fossiler Brennstoffe mit einem hohen Ausstoß von Kohlendioxyd und anderen treibhausrelevanten Gasen, die Kernspaltenergie mit radioaktiver Strahlung bei der Gewinnung des Urans, bei Reaktorunfällen, bei der Entsorgung und auch beim normalen Betrieb. 2 * Der Energieverbrauch ist in den Ländern der Erde sehr unterschiedlich. Länder mit einem extrem niedrigen Verbrauch - z.B. Bangladesh oder einige Länder Afrikas - stehen Industrieländern mit extrem hohem Energieverbrauch gegenüber. Hinzu kommen Länder, die eine sehr expansive Energiepolitik begonnen haben und in den nächsten Jahrzehnten weiterbetreiben werden, z.B. Indien und vor allem China. * Die Weltbevölkerung wächst weiter an. Bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts werden 9 bis 10 Milliarden Menschen die Erde bewohnen und über die lebensnotwendige Energie verfügen wollen. Drei weitere Umstände sind bei der Beschreibung des Problems zu berücksichtigen: * Der Energieverbrauch steht in einem deutlichen Zusammenhang mit Lebensformen. Der hohe Energieverbrauch in den Industrieländern ist u.a. abhängig von Konsumgewohnheiten z.B. Ernährungsweisen, Wohnkomfort, Mobilitätsansprüchen. Die Änderung dieser Konsumgewohnheiten könnte nicht unerheblich zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen. Gewohnheiten erweisen sich allerdings als sehr resistent. Deshalb ist es eine offene Frage, ob es in den Industrieländern zu veränderten Lebensstilen kommen wird. Eher ist zu erwarten, daß sich die Lebensstile in den Entwicklungsländern denen in den Industrieländern anpassen. * Die Entwicklung der Weltgesellschaft ist durch die Ungleichzeitigkeiten zwischen Industrienationen, Schwellenländern, Entwicklungsländern mit höherem Industrialisierungstempo und den ärmsten Ländern bestimmt. Es ist noch nicht abzusehen, in welcher Weise sich die Globalisierung der Märkte und die Internationalisierung der Unternehmen auf die ärmsten Entwicklungsländer - z.B. auf dem afrikanischen Kontinent - auswirken wird, ob sie von der Entwicklung abgekoppelt werden oder nicht. * Bislang war die gesellschaftliche Entwicklung an die Erhöhung des Energieverbrauchs gekoppelt. Inzwischen hat sich in einigen Industrienationen deutlich gezeigt, daß diese Koppelung nicht notwendig sein muß. Offen ist allerdings die Frage, in welchem Ausmaß eine Entkoppelung gelingen kann. Bezüglich der Entwicklungsländer wird man beachten müssen, daß eine Verringerung des Bevölkerungswachstums nicht ohne Erhöhung des Energieverbrauchs möglich sein wird; d.h. dort ist vorerst an eine Entkoppelung nicht zu denken. Das ist also - in groben Umrissen - das Problem, vor dem diejenigen stehen, die bei der Technikbewertung von einem problemorientierten Ansatz ausgehen wollen.(6) Aufgrund dieser Problembeschreibung läßt sich die folgende Zielsetzung formulieren: Sicherstellung einer nachhaltigen und gerechten Energieversorgung bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts und darüber hinaus. Diese Zielsetzung ist an dem allgemein anerkannten normativen politischen Konzept des "sustainable development" orientiert und läßt sich angesichts der ethischen Leitkriterien Erhaltung der Menschheit in ihren natürlichen und kulturellen 3 Lebenszusammenhängen und der individuellen und sozialen Entfaltung (Selbstbestimmung, Kommunikation, Partizipation) rechtfertigen. Will man der Gefahr von Energieverteilungskämpfen vorbeugen, indem man die Situation in den Entwicklungsländern verbessert und gleichzeitig den Energieverbrauch in den Industrieländern einschränkt und in den Schwellenlänern drosselt, ergibt sich für die Jahrzehnte von 1990 bis 2050 - so sieht es die Mehrzahl der Szenarien - eine Steigerung des Bedarfs an Primärenergie, wobei aber aus ökologischen Gründen die Belastung der Atmosphäre durch Treibhausgase drastisch verringert und die Gefahr umwelt- und gesundheitsgefährdender radioaktiver Strahlung beseitigt werden muß. Angesichts eines so komplexen und schwierigen Problems und eIner überlebensnotwendigen Zielsetzung sind alle in Frage kommenden Mittel, auch alle technischen Mittel, die der Erreichung des Ziels dienlich sein können, zu prüfen und zu vergleichen. Dazu gehören auch die neuen Nukleartechnologien, darunter die Kernfusion, auch wenn sie - im günstigsten Fall - erst nach 2050 zur Verfügung stehen werden. Jedenfalls verspricht die Kernfusion - im Vergleich zu den fossilen Energieträgern eine kohlendioxydarme und - im Vergleich zur Spaltenergie - eine sicherere, mit radioaktiven Abfällen geringerer Gefährlichkeit belastete, nahezu unbegrenzt verfügbare Energieversorgung.(7) b) Die zweite begründende Überlegung muß zu dieser ersten als notwendige Ergänzung hinzugefügt werden. Sie bezieht sich auf den ethischen Gesichtspunkt der intergenerationellen Gerechtigkeit und besagt, daß wir durch unsere heutigen Handlungen oder Unterlassungen die Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume kommender Generationen nicht einschränken, sondern eher erweitern sollten. Das heißt: wir sollten auch die Option Kernfusion für nachfolgende Generationen offenhalten. Dabei werden unterschiedliche Abstufungen diskutiert, wie man dieses Prinzip, eine Option offenzuhalten, verwirklichen könnte. Die niedrigste Stufe wäre die, daß man in einem Land auf eigene Aktivitäten verzichtet, im Wissen darum, daß anderwärts an der Kernfusion weitergearbeitet wird; man würde diese Entwicklungen verfolgen, um sich gegebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt an ihnen zu beteiligen. Eine nächste Stufe bestünde darin, die Grundlagenforschung begrenzt weiter zu betreiben, um einem naturwissenschaftlichen und technischen Fadenriß vorzubeugen. Eine dritte Stufe würde vorsehen, die Forschungen weiterzutreiben bis zum Nachweis der technischen Machbarkeit der Kernfusion in einem Experimentalreaktor, während die vierte Stufe das Ziel hätte, die industrielle Realisierbarkeit und ihre ökonomischen Rahmenbedingungen in Reaktorprototypen zu prüfen. Ich kann die einzelnen Abstufungen hier nicht weiter verfolgen, will aber sagen, daß ich mich - unter Bedingungen, die noch genannt werden - für die dritte Art von Option entscheide. 4 c) Es reicht allerdings nicht aus, das Prinzip von den offenzuhaltenden Optionen ins FeId zu ruhren, um sich allein unter Berufung darauf rur die weitere Forschung und Entwicklung der Kernfusion einzusetzen. Allein schon mit Rücksicht auf die begrenzten finanziellen Ressourcen ist es gar nicht möglich, alle Optionen, die wir offenhalten möchten, auch tatsächlich offenhalten zu können. Es müssen also speziellere Gründe genannt werden, warum die Kernfusion unter diesen offenzuhalten Optionen sein sollte. Ein solcher Grund ist die Unsicherheit der Prognosen bezüglich des Energiebedarfs bis 2050 und darüber hinaus sowie bezüglich des in diesen Zeiträumen erreichbaren Energiemixes aus erneuerbaren Energien, kohlendioxydärmeren fossilen Energien und Kernspalt- bzw. Kernfusionsenergien. Insbesondere die folgenden Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen: * Zumindest auf längere Sicht muß auf die Nutzung fossiler Brennstoffe aus zwei Gründen verzichtet werden: ihre Verbrennung stellt eine nicht mehr tolerierbare Belastung der Atmosphäre dar; die begrenzten Vorräte müssen wichtigeren Nutzungen zugeruhrt werden. * Die Kernspaltungsenergie ist wegen der begrenzten Uranvorräte längerfristig nicht zukunftsfähig; die Brütertechnologie, die eine wesentlich längere zeitliche Reichweite ermöglichen könnte, wird wegen der erheblichen Probleme mit Funktionsfähigkeit, Sicherheit und folglich auch Wirtschaftlichkeit nicht weiter verfolgt; wenn sich ein katastrophenfreier Leichtwasserreaktor als realisierbar und wirtschaftlich erweisen sollte, wären die kostengünstig auszubeutenden Uranvorräte - ohne eine Steigerung der installierten Kraftwerkskapazität - in etwa einem Jahrhundert aufgebraucht.(8) * Es ist nicht sicher, daß die erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 und darüberhinaus einen so hohen Anteil an der Energieversorgung übernehmen, daß sie allein die fossilen Brennstoffe ersetzen können.(9) Außerdem ist bislang keine Solartechnik in der Lage, den Bedarf großer Ballungszentren, den Bedarf an Prozeßwärme in der Industrie decken und die Energie-Grundlast sicherstellen zu können. Da sich zur Zeit nicht abzeichnet, wie bestimmte energierelevante Gegebenheiten der Industriegesellschaft, z.B. die voranschreitende Urbanisierung, die energieintensive Industrie, die globale Mobilität, verändert werden können, ist unter den möglichen Mitteln einer langfristigen Sicherung der Energieversorgung die Nutzung neuer nuklearer Technologien zu erwägen und über die Bedingungen ihrer verantwortbaren Gestaltung nachzudenken. Wer dafür plädiert, die Option z.B. rur die Fusionsenergie offenzuhalten, muß sich allerdings bewußt sein, daß ihre technische Realisierbarkeit weder in einem Experimentalreaktor noch gar in einer Großanlage erwiesen ist, daß noch unklar ist, welches Reaktorkonzept - Plasma-Magnetfeld-Einschluß (Tokamak, Stellarator) oder Trägheitsfusion - die bessere Lösung darstellt und daß die Weiterentwicklung der Fusionstechnik außerordentlich hohe Investitionssummen erfordert, die sich dann 5 noch vervielfachen, wenn man sich nicht von vornherein auf nur eInen Weg festlegen, sondern die verschiedenen Konzepte prüfen will. Bei den Schwierigkeiten und offenen Fragen, denen sich der Fusionsweg zusammen mit anderen neuen nuklearen Konzeptionen - gegenübersieht, müssen alternative Szenarien weiter verfolgt und die Weiterentwicklung vorhandener und beherrschter, risikoarmer Technologien mit Priorität gefördert werden. Dies ist eine der Bedingungen für das Offenhalten der Option Fusion, von denen ich vorher gesprochen habe. d) Ein weiterer Grund, warum wir uns mit neuen nuklearen Technologien beschäftigen, hängt mit unserem Konzept einer prospektiven Technikbewertung und einer prospektiven Ethik zusammen.(IO) Bisher befaßten sich Technikbewertungen fast ausschließlich mit bereits entwickelten und eingeführten Technologien. Das Beispiel der Diskussion über die Risiken der zivilen Nutzung der Kernspaltenergie liegt auf der Hand. Solche Bewertungsprozesse haben ihre Bedeutung und sind unverzichtbar~ Sie haben aber auch ihre Grenzen, insofern sie es mit einer weitgehend fertigen Technologie zu tun haben, die durch die in der Diskussion erarbeiteten Berwertungsgesichtspunkte kaum noch geändert werden kann. So geriet die Technikbewertung leicht in die Situation zu spät gekommenen Warners. Deswegen bedarf es einer prospektiven Technikbewertung. Sie will bereits im Stadium der anwendungsorientierten Forschung einsetzen und im Dialog mit allen an einem Projekt Beteiligten und interessierten Disziplinen Bewertungskriterien entwickeln und präzisieren. Gerade weil der kommunikative Bewertungsprozeß bereits die frühen Phasen einer Technologieentwicklung begleitet, können die Bewertungskriterien Einfluß auf die Gestaltung einer Technik gewinnen. Die Berwertungskriterien werden zu Gestaltungskriterien. Die Kernfusion ist eine Technologie, die sich noch mitten im Stadium der Forschung und Entwicklung befindet. Hier lassen sich also Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln, inwieweit es gelingen kann, sich in diesem Stadium auf Gestaltungskriterien in einem diskursiven Prozeß zu einigen, und inwieweit es möglich ist, daß diesen Kriterien dann auch tatsächlich bei der Technikgestaltung Rechnung getragen wird. An dieser Stelle ist unser interdisziplinäres Forschungsinteresse angesiedelt. e) Der zu spät gekommene Bewertungsdiskurs ist ein Grund dafür, daß der dringend notwendige gesellschaftliche Diskurs über die künftige Energieversorgung vorsichtig gesagt - ins Stocken geraten ist. Daraus läßt sich ersehen, daß prospektive Technikbewertungsprozesse für Industriegesellschaften eine besondere Bedeutung haben. Sie werden nur überlebensfähig bleiben, wenn über die technologischen Entwicklungen und über die technologiebedingten Veränderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens ein breiter Konsens erreicht und gesichert werden kann. Dies wird dann gelingen, wenn rechtzeitig ein breiterer gesellschaftlicher Diskurs über Verantwortbarkeit und Wünschbarkeit neuer 6 Technologien geführt wird, wenn also über die Überzeugung von der AkzeptabiIität einer Entwicklung ihre gesellschaftliche Akzeptanz begründet werden kann. Damit ist das gesellschaftspolitische Interesse benannt, das wir mit dem Forschungs- und Diskursprojekt verbinden. Damit sollte das Wichtigste über die Gründe, warum die Kernfusion ein sinnvoller Gegenstand für prospektive Technikbewertung sein kann, angesprochen sein. Ich möchte nun für die, die sich nur sehr am Rande mit neuen nuklearen Technologien befassen konnten, in aller Kürze auf den bisherigen Weg der Fusionsforschung, den ihren gegenwärtigen Stand und ihre Perspektiven eingehen. 3. Die Kernfusion: der bisher zurückgelegte Weg, der gegenwärtige Stand und die Perspektiven Bereits im Jahr 1952 wurde in der Sowjetunion - unter Beteiligung von Andrej D. Sacharow das Konzept eines Fusionsreaktors erfunden, der mit dem Kürzel Tokamak - rür Toroidalnaya Kamera Magnitnaya Katuschka - bezeichnet wird. Der Name bringt zum Ausdruck, wie man eines der schwierigen Probleme der Kernfusion zu lösen gedachte, das Problem des Plasma-Einschlusses. Die Elemente nach dem heutigen Stand der Dinge die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium befinden sich im vierten Aggregatzustand, dem Plasmazustand. Dieser ist dadurch charakterisiert, daß sich durch Erhöhung der Temperatur die im gasförmigen Zustand noch intakten Atome in Elektronen und Atomkerne (Ionen) auflösen. Dieser Zustand ist einerseits außerordentlich instabil, andererseits kann es gerade in ihm - bei weiterer Energiezufuhr - zur Verschmelzung von Deuterium und Tritium zu Helium kommen, wobei enorme Energien freigesetzt werden. Die Instabilität des Plasmas stellt die Fusionstechnik vor die schwierige Aufgabe, das Plasma unter Verschluß zu halten - es einzuschließen -, für eine gleichmäßige Verteilung der Bestandteile des Plasmas zu sorgen und die chaotische Dynamik des Plasmas so zu steuern, daß Plasma-Abrisse vermieden werden. Der so beschriebene Plasmaeinschluß ist die Voraussetzung dafür, daß der Fusionsprozeß eingeleitet werden kann. Beim Tokamak wird das Plasma in einem toroidalen Gefäß mit Hilfe von Magnetfeldern eingeschlossen und durch ebensolche Felder in einem gleichmäßigen Zustand gehalten.(11) Das Prinzip des Plasma-Einschlusses war also bereits 1952 bekannt. Bei der Eröffnung der ersten Genfer Atomkonferenz 1955 wurde die Zuversicht geäußert, innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte die technischen Probleme zu lösen, die einer kontrollierten Freisetzung von Fusionsenergie noch im Wege stehen.(12) Inzwischen wissen wir, daß aus einem 20- oder 25jährigen Projekt ein Jahrhundertprojekt geworden ist. Die Schwierigkeiten, die Plasmaphysik und -technik zu lösen hatten, erwiesen sich als ungleich größer als ursprünglich erwartet. In Kenntnis dieser 7 Schwierigkeiten ist der bis heute erreichte Stand beachtlich und auch ein Grund, die weitere Forschung und Entwicklung nicht vor dem Nachweis der technischen Machbarkeit der Fusion in einem Experimentalreaktor abzubrechen. Ich gehe auf andere Konzepte der Fusionsforschung und -technik nicht ein, sondern zähle nur einige der wichtigsten Stationen der Tokamakentwicklung bis zur Gegenwart auf. 1958 wurde die Europäische Atomgemeinschaft gegründet und das erste Euratom-Forschungsprogramm aufgelegt. Zwei Jahre später wurde das Institut rur Plasmaphysik (IPP) in Garching eröffnet, das heute als Max-Planck-Institut ein Großforschungszentrum mit ca. 1000 MitarbeiterInnen, darunter ca. 250 WissenschaftlerInnen ist und u.a. über einen Tokamak verrugt. Der Bau eines europäischen Tokamak, des "Joint European Torus" (JET) wurde 1972 beschlossen und 1983 bei Oxford in Betrieb genommen. Inzwischen gilt der JET als das erfolgreichste Fusionsexperiment, besonders nachdem 1991 zwei Entladungen einer Deuterium-Tritium-Mischung durchgeführt wurden. Dabei konnte bei einer Entladungsdauer von 2 Sekunden eine Durchschnittsleistung von 1 Megawatt erzielt werden.(13) Der nächste Schritt der Weiterentwicklung - damit bin ich auch schon bei den Perpektiven - ist durch die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) mit dem Projekt eines "International Thermonuclear Experimental Reactor" (ITER) auf den Weg gebracht worden, dessen Bau 1995 seitens der USA, der EU sowie von Japan und Rußland beschlossen worden ist. Die Beschlüsse über den Standort des ITER und seine Finanzierung stehen noch aus und werden vor 2002 nicht erwartet. Frühestens um 2015 bis 2020 könnten die Ergebnisse des ITER vorliegen. Bei positivem Ausgang des ITER-Experiments könnte dann die Fusionsenergie in die Planungen einer Energieversorgung über 2050 hinaus einbezogen und mit der Planung eines Demonstrationsreaktors, der auch über Turbinen und Generatoren zur Stromerzeugung verfugen würde, begonnen werden. Nach 2050 wäre dann mit dem Bau kommerzieller Reaktoren zu rechnen.(14) Ich nenne, den Rückblick und Ausblick abschließend, einige der offenen Fragen, die möglicherweise mit dem ITER gelöst werden könnten: Welche Materialien sind die geeignetsten rur die sogenannte erste Wand? Wie geartet sind die radioaktiven Belastungen dieser Materialien durch den Betrieb des Reaktors und welche Entsorgungsfragen stellen sich? Wie kann der aufgrund der radioaktiven Belastung regelmäßig erforderliche Austausch der ersten Wand technisch und mit der notwendigen Sicherheit bewerkstelligt werden? Wie kann die rur einen Dauerbetrieb nötige Energie zur Verrugung gestellt werden und in welchem Verhältnis steht sie zum Energiegewinn durch die Fusion? Mit der Lösung all dieser Probleme hängen die Fragen der Wirtschaftlichkeit des Fusionsweges engstens zusammen.(15) 8 4. Bewertungs- und Gestaltungskriterien für Kernfusionsreaktoren a) Sachkriterien Bei den Bewertungskriterien wird unterschieden zwischen Sachkriterien und ethischen Kriterien.(16) Sachkriterien beziehen sich auf die technische Güte eines Werkzeugs, einer Maschine, einer großtechnischen Anlage oder eines Systems und auf ihre wirtschaftlich angemessene Realisierbarkeit. Die Einhaltung der Sachkriterien ist empirisch nachprüfbar und ihre graduelle Berücksichtigung meßbar. Sachkriterien sind Funktionsfähigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Sie sind notwendige Kriterien, aber nicht hinreichende Kriterien für die ethische Urteilsbildung. Funktionsfähigkeit, Sicherheit Die Sachkriterien von Funktionsfähigkeit und Sicherheit sind als Gestaltungs- und Bewertungskriterien für Technologien, auch für neue Nukleartechnologien, allgemein anerkannt. Funktionsfähigkeit ist das technische Gütekriterium schlechthin. Sie ist gegeben, wenn ein zur Erreichung eines humanen bzw. gesellschaftlichen Ziels benötigtes technisches Mittel herstellbar, im Gebrauch oder Betrieb wirkungsgvoll, zuverlässig und dauerhaft ist und insgesamt den Qualitätsanforderungen genügt. Die Erfahrungen mit technischen Geräten, Anlagen und Systemen in den letzten Jahrzehnten haben dazu geführt, das Kriterium der Sicherheit, das eigentlich in der Funktionsfähigkeit mit enthalten ist, besonders hervorzuheben. Ein Höchstmaß an Sicherheit muß gewährleisten, daß Risiken des laufenden Betriebs, Unfall- sowie Mißbrauchrisiken und damit Gefahren fur Leib und Leben einzelner Menschen sowie für die gesellschaftiche Ordnung und ihren Bestand ausgeschlossen werden können. Funktionsfähigkeit und vor allem auch Sicherheit können in unterschiedlichen Graden verwirklicht werden. Bei der Diskussion über den Umfang der Sicherheitsanforderungen sollte die Nebenfolgenminimierungsregel herangezogen werden, die besagt: Der Einsatz eines technischen Mittels zur Erreichung eines ethisch gerechtfertigten Ziels ist nur dann sittlich erlaubt, wenn die mit ihm verbundenen negativen Folgen auf das technisch geringstmögliche Maß gebracht werden. Dieser Regel korrespondiert auf der rechtlichen Ebene z. B. das sogenannte Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung, die für die Genehmigung kemtechnischer Anlagen maßgebend ist.(17) Auch das novellierte deutsche Atomgesetz von 1994 trägt der Nebenfolgenminimierungsregel Rechnung, indem es die Katastrophenfreiheit von Kernreaktoren fordert. (18) Die Gewährleistung von Sicherheit und ihr glaubhafter Nachweis sind eine wichtige Voraussetzung dafür, die gesellschaftliche Akzeptanz für ein technisches Projekt zu geWInnen. 9 Die Funktionsfähigkeit eines Fusionsreaktors muß, wie schon gesagt, erst nachgewiesen werden. Bezüglich der Sicherheit werden sich Vorteile gegenüber der Kernspaltung, aber auch gegenüber der Trägheitseinschlußfusion ergeben. Problematisch ist die Verwendung von Tritium. Deswegen wäre eine DeuteriumDeuterium-Fusion anzustreben. Wirtschaftlichkeit Unter den Bedingungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ein weiteres, aus dieser Wirtschaftsordnung sich ergebendes Sachkriterium zu berücksichtigen: das Kriterium der Wirtschaftlichkeit. Es umfaßt betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aspekte. Es verlangt einerseits die realistische Einschätzung der Kosten eines technischen Mittels, also auch die Verrechnung der externen Kosten, zum anderen eine Abwägung zwischen dem erwarteten gesellschaftlichen Nutzen und der ökonomischen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit darf nicht verfrüht in die Bewertungsdebatte eingeführt werden. Zuerst ist eine optimale Gestaltung einer Technik anhand der vorher besprochenen Sachkriterien und der noch zu erläuternden ethischen Kriterien zu entwerfen. Danach erst kann die Frage nach den Kosten geklärt und über die Modalitäten·der Finanzierbarkeit nachgedacht werden. Dennoch ist schon jetzt festzuhalten: Die Kosten für die Forschung und Entwicklung bis hin zu einem kommerziell nutzbaren Fusionsreaktor werden außerordentlich hoch sein. Bislang hat die Europäische Union 15 Milliarden DM für die Förderung der Fusion ausgegeben. Die Kosten bis zum Bau eines kommerziellen Reaktors in etwa 60 Jahren werden zur Zeit auf etwa 60 Milliarden DM in der EU geschätzt; dies bedeutet einen jährlichen Betrag von 1 Milliarde DM in der EU, wovon die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig 400 Millionen DM jährlich trägt. Die weltweit entstehenden Kosten werden auf 150 Milliarden DM beziffert. Es handelt sich also um ein Projekt, das nur in internationaler Zusammenarbeit möglich und vertretbar ist. b) Ethische Kriterien Im Kontext von Technikbewertung sollen die ethischen Kriterien notwendige Zusammenhänge in dem Beziehungsfeld von Technik einerseits und Mensch, Gesellschaft und Natur andererseits herstellen. Ich unterscheide vier solche Kriterien: die Humanorientierung, die Sozialorientierung, die Umweltorientierung und die Zukunftsorientierung. Durch ihre Beachtung soll sichergestellt werden, daß die Technik ihre Aufgabe als Mittel zur Verbessening menschlicher und gesellschaftlicher Lebensverhältnisse realisiert oder wiedererhält. Im Unterschied zu der eingebürgerten Ausdrucksweise, die nur von Verträglichkeit, 10 z.B. von der Sozialverträglichkeit, spricht, wählen wir den Ausdruck "Orientierung". Dadurch wird es möglich, zwei Aspekte zu unterscheiden: die Verträglichkeit, also die Nicht-Schädlichkeit, eines technischen Mittels und seine Förderlichkeit. Konzentriert man sich ausschließlich auf die Verträglichkeit, begibt man sich in die Gefahr, die Kriterien zu niedrig anzusetzen und nicht deutlich genug darauf zu insistieren, daß technische Mittel der Erhaltung und Entfaltung menschlichen Lebens dienen sollen.(19) Allerdings sind diese Kriterien noch weitgehend unbestimmt. Sie sagen bis jetzt nur, daß das Beziehungsfeld Technik-Mensch, Technik-Gesellschaft und Technik-Natur in der Weise zu beachten sei, daß den Menschen, der Gesellschaft, der Natur nicht geschadet, sondern daß sie geschont und gefördert werden. Sie näher zu bestimmen ist also eine unerläßliche, wenn auch komplizierte Aufgabe. Sie kann dadurch gelöst werden, daß einerseits gezeigt wird, auf welche ethischen Prinzpien und Normen sich Human-, Sozial-, Umwelt- und Zukunftsorientierung beziehen, und nach der anderen Seite - dem technischen System - hin, konkretisiert wird, welche Gestaltungsanforderungen zu stellen sind. Die ethischen Kriterien befinden sich in der Mitte zwischen den ethischen Prinzipien und Normen auf der einen und den technischen Gestaltungskriterien auf der anderen Seite. Diese Zusammenhänge werden näher erläutert, wenn ich auf die einzelnen Kriterien eingehe. Zuvor fuge ich noch eine zusätzliche Bemerkung allgemeinerer Art ein: Einige dieser ethischen Prinzipien und Normen haben Rechtsgültigkeit erlangt, in manchen Fällen bis zum Verfassungsrang; zu letzteren zählen vor allem die Achtung der menschlichen Würde und die Grundrechte. Im Hinblick auf diese kann die Verfassungsverträglichkeit einer technischen Entwicklung überprüft und eingeklagt werden.(20) Über viele ethische Prinzipien und Normen sowie ihre Interpretation herrscht allerdings kein Einvernehmen. Gegebenenfalls lassen sich in Diskursen Verständigungen über sie erreichen oder jedenfalls Kompromisse anstreben. Humanorientierung Das Kriterium der Humanorientierung bezieht sich auf das Zuordnungsverhältnis der Menschen als Individuen und der Technik. Humanverträglich ist ein technisches Mittel, wenn weder sein intendierter Einsatz noch seine unbeabsichtigten sonstigen Wirkungen die Qualität des individuellen Lebens sowie die personale Identität und Integrität beeinträchtigen. Humanförderlich ist ein Mittel, wenn Gesundheit, leibliches und seelisches Wohlbefinden, Freiheit, Selbstbestimmung und Kreativität unterstützt und die Kontingenz des Menschen geachtet wird. Durch das Kriterium der Humanorientierung soll bei der Gestaltung einer Technik einer Reihe von ethischen Einzelnormen, die weitgehend anerkannt sind, zur Geltung verholfen werden: dem Schutz und der Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden wie auch der personalen Identität, Integrität und Kreativität des 11 Menschen, der Achtung seiner Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit, aber auch seiner körperlichen, psychischen und geistigen Kontingenz. Diese Nonnen stellen Konkretisierungen zweier allgemeiner ethischen Prinzipien dar: Niemanden schädigen, sondern soweit wie möglich helfen.(21) Und: Jede Person als Zweck, d.h. als sich selbst bestimmende, achten, sie niemals nur als Mittel zu gebrauchen, d.h. sie zu funktionalisieren, zu instrumentalisieren, zu entfremden.(22) Eine Technik, die diesen Kriterien und· Nonnen Rechnung trägt, kann als menschengerechte Technik gelten.(23) Im Hinblick auf einen zu konstruierenden Fusionsreaktor wie auch andere Nukleartechnologien werden Kriterien wie Gesundheit und leibliches Wohlbefinden im Zusammenhang der Risikodiskussion, Kriterien wie Freiheit und Selbstbestimmung zum Beispiel im Zusammenhang der aus Sicherheitsgründen notwendigen Personenüberprüfungen diskutiert werden. Ich gehe hier nur auf einen Aspekt ein, der bislang in der Bewertungs- und Gestaltungsdiskussion wenig Beachtung findet: das Kriterium der körperlichen, psychischen und geistigen Kontingenz.(24) Unter körperlicher, psychischer und geistiger Kontingenz ist der Umstand zu verstehen, daß jeder Mensch seine Grenzen hat: Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit, Grenzen der psychischen Belastbarkeit, Grenzen, die ihm durch zeitweise oder chronische Krankheiten gesetzt werden, Grenzen der Reaktionsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, des Gedächtnisses, der Übersicht und der Intelligenz. Diese Kontingenz kann ausgenutzt werden, um Menschen gefügig zu machen und sie zu demütigen, - durch körperliche Züchtigung und Folter, durch seelischen Druck oder geistige Verachtung. In unserem Zusammenhang muß auf einen anderen Gesichtspunkt besonders hingewiesen werden. Techniken müssen so gestaltet werden, daß die mit ihnen umgehenden Menschen weder permanent noch nur in besonders kritischen Situationen ihre seelischen und geistigen Grenzen vorgeführt bekommen, sondern daß sie angesichts ihrer Unzulänglichkeiten ihJe Selbstachtung wahren können. Bei der Softwaregestaltung wird dies unter dem Kriterium der Benutzerfreundlichkeit diskutiert. Das Problem der Benutzerfreundlichkeit wird erheblich verschärft, wenn das bedienende Personal es mit einer Technik zu tun hat, die nicht fehlertolerant ist, bei der Folgen von Bedienungsfehlern nicht in jedem Fall rückgängig gemacht werden und eventuell zu schweren Katastrophen führen können. Wie kann also eine hochkomplexe Technik in einer Weise gestaltet werden, daß sie den menschlichen Begrenztheiten Rechnung trägt? Wie kann gewährleistet werden, daß diese Technik den für sie verantwortlichen Menschen wenigstens im Team überschaubar und handhabbar bleibt? Die Vorgänge bei den Reaktorkatastrophen von Harrisburgh und Tschernobyl zeigen, daß die dort installierten Reaktortechniken weder fehler- noch benutzerfreundlich sind. Die Vertreter der Kernfusion können demgegenüber darauf verweisen, daß Fusionsreaktoren inhärent sicher sind, d.h. aufgrund ihrer Physik ein Unfall von der Größenordnung der Kernschmelze gar nicht entstehen kann.(25) In 12 diesem Sinn ist der Fusionsreaktor fehlertoleranter und deshalb auch benutzerfreundlicher als die bis heute bekannten Spaltreaktoren. Mit dieser zweifellos wichtigen Feststellung allein sollte man sich allerdings nicht zufrieden geben, sondern zum Beispiel im Hinblick auf den Umgang mit dem radioaktiven Stoff Tritium oder auf den zum normalen Betrieb gehörenden Austausch der radioaktiv gewordenen Materialien der ersten Wand fragen, ob bei der Gestaltung der Technik der höchstmögliche Grad an Benutzerfreundlichkeit angestrebt worden ist. Was das Tritium betrifft, wäre dies nur durch den - prinzipiell wahrscheinlich möglichen, aber jetzt noch nicht realisierbaren - Verzicht zu erreichen. Bezüglich der Strukturmaterialien kann das Problem erst zu einem späteren Zeitpunkt erörtert werden, wenn man genauer weiß, welche Materialien und in welchem modularen baukastenähnlichen - Aufbau verwendet werden sollen. Sozialorientierung Mit dem Kriterium der Sozialorientierung wird das Zuordnungsverhältnis von Technik und Gesellschaft in den Blick genommen. Sozialverträglich ist eine Technik, wenn ihr Gebrauch keine Schäden oder Nachteile fUr menschliche Gesellschaften mit sich bringt. Sozialf6rderlich ist sie, wenn sie das gemeinsame menschliche Leben verbessern hilft. Unter dem Aspekt der Sozialorientierung sind folgende ethischen Leitideen zu berücksichtigen: Gerechtigkeit, Gleichheit, Partizipation, Frieden. Sie finden ihren Ausdruck in ethischen Normen wie: Gesellschaftliche Güter sollen unter Berücksichtigung der Bedürfnislagen gleich verteilt werden. Ebenso sollen Freiheitschancen und Einflußmöglichkeiten auf die Gestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Zusammenlebens gleich verteilt sein.(26) Friedliches Zusammenleben soll gefördert und die Anwendung von Gewalt auf die Sicherung dieses Zusammenlebens beschränkt werden. Ich mache hier nur eine Bemerkung zum Gerechtigkeitsaspekt und eine zweite zum Friedensthema. Bezogen auf die hier erörterte Fusionstechnik ergibt sich, was den Gerechtigkeitsaspekt betrifft, ein ambivalentes Bild. Einerseits werden Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden gefördert, wenn durch den Einsatz dieser Technik in einigen Ländern eine ausreichende und gerechtere Energieversorgung der ganzen Weltbevölkerung möglich wird und so energiebedingte Konflikte vermieden werden können. Andererseits handelt es sich um eine Technik, deren Entwicklung und Anwendung höchstes wissenschaftliches und technisches Know-how erfordert, über das nur die hochentwickelten Industrienationen verfUgen. Das technologische Gefälle und damit die Ungleichheit zwischen den Ländern könnte auf diese Weise verfestigt werden. Dies kann nicht im Sinn des Kriteriums der internationalen Verträglichkeit sein, auf das sich bereits 1980 die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu Energiefragen geeinigt hatte.(27) Ich komme zur zweiten Bemerkung, die sich auf Zusammenhänge zwischen friedensethischen Postulaten und Gestaltungsanforderungen an Reaktortechniken 13 bezieht. In der neueren Friedensethik ist Übereinstimmung darüber erzielt worden, daß der Einsatz atomarer Waffen sittlich nicht vertreten werden kann. Was aber den Besitz oder die Abschaffung der Waffen betrifft, gehen die Meinungen auseinander. Die einen argumentieren, daß aus einer Ablehnung ihres Einsatzes auch deren vollständige Abschaffung zu folgern sei, zumal ja auch eine abschreckende Wirkung nur glaubhaft zu machen sei, wenn man die Bereitschaft zum Einsatz habe. Die anderen verweisen auf die Verrugbarkeit der atomaren Waffen, d.h. auf die Möglichkeit, sich selbst nach der Abschaffung wegen des vorhandenen wissenschaftlich-technischen Know-how in kürzester Frist wieder in ihren Besitz zu bringen, was angesichts immer wieder auftretender politischer Instabilitäten eine extreme Gefahr für den Frieden darstelle; unter solchen Bedingungen sei Friedenssicherung ohne atomare Abschreckung, ohne den durch internationale Verträge vereinbarten Atomwaffenbesitz weniger Länder, nicht möglich.(28) Beide friedensethischen Parteien müssen allerdings daran interessiert sein, daß durch die zivile Reaktortechnik die Herstellung atomarer Waffen bzw. ihre horizontale wie vertikale Verbreitung nicht ermöglicht oder begünstigt wird. Dazu ist das Konzept der Proliferationsresistenz von Kernreaktoren entwickelt worden. Es strebt an, die zivilen Nukleartechnologien - wenn schon nicht proliferationssicher - so doch widerständiger gegenüber militärischen Nutzungsmöglichkeiten zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, sind Spaltreaktoren, die waffengrädiges Material erbrüten, besonders problematisch. Das Fusionskonzept, das mit dem Trägheitseinschluß arbeitet, kann die Weiterentwicklung der Wasserstoffbombentechnik und damit die vertikale Proliferation fördern. Im Vergleich dazu läßt sich die Magneteinschlußfusionstechnik als proliferationsresistenter bewerten. Wird allerdings der Weg der Deuterium-TritiumFusion weiter verfolgt, dann ist sie nicht resistent genug, da Tritium ein wichtiges Material rur die Erhöhung der Sprengkraft von Atomwaffen ist. Es zeigt sich also wieder, daß bei der weiteren Forschung und Entwicklung der Tritium-Problematik ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist.(29) Umweltorientierung Das Kriterium der Umweltorientierung bezieht sich auf das Zuordnungsverhältnis von Mensch bzw. Gesellschaft, Technik und Natur. Umweltverträglich sind diejenigen Mittel, die in dem genannten Beziehungsfeld keine Schäden hervorrufen bzw. eingetretene oder verursachte Schädigungen mindern oder beseitigen. Umweltf6rderlich sind Techniken, die das Beziehungsverhältnis verbessern. Dieses Beziehungsfeld ist sehr komplex, da Wechselverhältnisse zu berücksichtigen sind. Es ist ja nicht so, daß Technik und Natur oder Technik und Gesellschaft klar voneinander abgegrenzt oder das Beeinflussungsverhältnis nur in einer Richtung z.B. die Technik beeinträchtigt die Natur - bestimmt werden könnte. Selbstverständlich haben wir es mit einer kultur- und technikbestimmten Natur - mit einer "zweiten Natur" im Unterschied zu einer unberührten "ersten Natur", der wir in 14 eigener Anschauung fast nicht einmal mehr im tropischen Urwald und wissenschaftlich bald auch nicht mehr im Genom begegnen werden - zu tun, die aber umgekehrt die Rahmenbedingen rur kulturelle und technische Gestaltung setzt - bis hin zu der Möglichkeit, dem rücksichtslosen "homo faber" die Lebensgrundlage zu entziehen, sich also zu einer "dritten Natur" - nach dem Verschwinden des "homo sapiens" - weiterzuentwickeln. Nimmt man als weitere zu berücksichtigende Größe die Gesellschaft, hinzu, so bestimmt einerseits die Gesellschaft die Technik und den Umgang mit der Natur, wie andererseits aber auch die Formen der Gesellschaften z.B. die "industrielle" oder die "postindustrielle" Gesellschaft - technikbedingt sind und naturabhängig bleiben.(30) Die ethische Bewertung der umweltrelevanten Fakten ist zunächst abhängig von der umweltethischen Konzeption, die vertreten wird. Grob lassen sich drei Konzepte unterscheiden, die zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen führen: das religiöse Konzept einer "Ehrfurcht vor dem Leben", das biozentrische oder kosmozentrische Konzept eines "Eigenrechts der Natur" und das anthropozentrische Konzept, das Kosmos, Erde und Natur als Lebensraum und Lebensgrundlage des Menschen achten und bewahren will.(3!) Aus pragmatischen Gründen sollte man von dem anthropozentrischen Konzept ausgehen, um über konkretere umweltethische Normen Einigung erzielen zu können. Solche umweltethischen Normen sind u.a.: Die lebensgefährdenden oder lebensbeeinträchtigenden Belastungen der natürlichen Umwelt müssen verringert werden. Es dürfen keine neuen menschenverursachten Gefahrenquellen in die Natur eingeführt werden. Im Hinblick auf unsere prinzipiell wie faktisch begrenzten Kenntnisse der komplexen und empfindlichen ökologischen Zusammenhänge muß der Grundsatz äußerster Vorsicht gelten, der die möglichen negativen Folgen einer Handlung - z.B. die radioaktive Belastung durch Kernreaktoren - mit den möglichen negativen Folgen der Unterlassung dieser Handlung - z.B. die Belastung der Atmosphäre durch Treibhausgase - abwägt und sich vor allem auf die Suche nach Alternativen begibt, die aus einem solchen Handlungsdilemma herausführen können.(32) Diese ethischen Normen können im Hinblick auf die Reaktortechniken konkretisiert werden durch die Berücksichtigung folgender Gestaltungskriterien: Beitrag zu Erreichung von Klimaschutzzielen, Verringerung absehbarer Langzeitfolgen. Was den Klimaschutzziele angeht, so sind nukleare Technologien - im Vergleich zur Nutzung fossiler Energieträger - positiv zu bewerten; die Ökobilanz der Fusionstechnik im Vergleich zu den erneuerbaren Energieträgern ist noch genauer zu prüfen. Wenn allerdings aufgrund der Komplexität der Technik und der Höhe der Kosten die Fusionsreaktoren nur in den hochindustrialisierten Ländern, deren Energiebedarf in den nächsten Jahrzehnten sinken wird, installiert werden sollten, die sich entwickelnden Länder mit ihrem enorm anwachsenden Energiebedarf dagegen verstärkt auf die fossilen Energieträger setzen müßten, könnte kaum mehr von einem relevanten Beitrag der neuen Nukleartechnologien zur Erreichung notwendiger Klimaschutzziele die Rede sein. 15 Bezüglich der Minimierung der Langzeitfolgen ist festzustellen, daß bei der Magneteinschlußtechnik keine langlebigen radiotoxischen Substanzen, die eine Lagerung über Zeiträume erforderlich machen, die den Rahmen menschlichen Zukunftsdenkens und menschlicher Zukunftsplanung sprengen, entstehen werden. Insofern fällt der Vergleich mit den Spaltreaktoren günstig aus. Sollten also tatsächlich die anfallenden radioaktiven Strukturmaterialien nur über begrenzte Zeiträume - etwa wenige hundert Jahre kontrolliert gelagert werden müssen, könnte das Kriterium der Verringerung der Langzeitfolgen als erfüllt angesehen werden. Darüber ist jedoch beim jetzigen Stand von Forschung und Technik noch keine Aussage möglich.(33) Zukunftsorientierung Das Kriterium der Zukunftsorientierung fordert, Human-, Sozial- und Umweltorientierung nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die nahe und ferne Zukunft zu überprüfen. Zur Zukunftsorientierung gehört die Beachtung der folgenden Normen: Der Nachwelt dürfen keine Probleme hinterlassen werden, deren Lösung uns heute noch nicht bekannt ist. Die Lebens- und Gestaltungschancen kommender Generationen dürfen nicht geschmälert werden. Im Sinn von Zukunftsförderlichkeit geht es - in Analogie zur elterlichen Verantwortung - um die Wahrung und Verbesserung der Lebensmöglichkeiten künftiger Generationen.(34) Das Problem der Langzeitfolgen wurde soeben unter dem Aspekt der Umweltorientierung behandelt. Die Gestaltungschancen künftiger Generationen sind weiter oben thematisiert worden, als begründet wurde, warum die Option für die Kernfusion offengehalten werden sollte. In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, daß die auf die verfügbaren Uranvorräte angewiesene Kernspaltenergie längerfristig nicht zukunftsfähig ist, während die Nutzung der Kernfusion dem Kriterium der nachhaltigen Rohstoffnutzung - was die Fusionsmaterialien Deuterium und Tritium betrifft - gerecht werden könnte.(3 5) c) Verhältnis von Sachkriterien und ethischen Kriterien So sinnvoll es ist, Sachkriterien und ethische Kriterien zu unterscheiden, so wenig lassen sie sich klar voneinander trennen. Dies konnte schon im Vorhergehenden auffallen: Bei dem Sachkriterium der Sicherheit wurde auf die ethische Nebenfolgenminimierungsregel, beim ethischen Kriterium der Umweltorientierung auf das Sicherheitskriterien des Klimaschutzes und der Minimierung von Langzeitfolgen Bezug genommen. Man kann den Zusammenhang anhand eines bekannten Beispiels klarmachen: Um dem Sachkriterium der Sicherheit Rechnung zu tragen, gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Verordnungen, die Grenzwerte für bestimmte Stoffe in Nahrungsmitteln, im Wasser und in der Luft festlegen, um die Gesundheit - d.h. die Lebenssicherheit - von Menschen nicht zu gefährden. Die Sicherheitsbedürfnisse einzelner Menschen und gesellschaftlicher Gruppen im 16 Hinblick auf ihre Gesundheit müssen mit der in Grenzwerten objektivierten Sicherheit nicht übereinstimmen, sie können darunter liegen oder weit über sie hinausgehen. Und selbst bei der Festlegung solcher Grenzwerte spielen unterschiedliche Vorstellungen eines guten und gesunden Lebens eine Rolle und führen zu unterschiedlichen Grenzwertangaben, wie z.B. nach der Katastrophe von Tschernobyl hinsichtlich der tolerierbaren Werte radioaktiver Belastungen zu beachten war. Man wird also die in Maß und Zahl fixierten Sicherheiten immer wieder im Hinblick aufdie normativen Ansprüche von Menschen und Gesellschaften beziehen müssen, sie überprüfen und ggf. ändern, wie auch umgekehrt - sei es unter mißlichen "Sachzwängen" oder auch aufgrund verbesserter technischer Möglichkeiten - normative Erwartungen verändert werden können. 4. Ausblick: Die Fortführung des Energiediskurses Ich komme zu einigen Schlußbemerkungen, die auf weitere Aufgaben hinweisen sollen. Erstens: Das Kriterienkapitel meiner Ausführungen konzentrierte sich - in technikinduzierter Betrachtung - auf einen bestimmten Fusionsweg, nämlich die Magneteinschlußfusion des Tokamakkonzepts. Dabei zeigte sich, daß eine Reihe wichtiger Fragen noch offen ist, die zum großen Teil erst im Lauf der weiteren Forschung und Entwicklung geklärt werden können. Darüber möchten wir vor allem mit den Mitgliedern des Instituts für Plasma-Physik in Garching weiter im Gespräch bleiben. Zweitens: Nicht behandelt wurden andere Konzepte fortgeschrittener Nukleartechnologien wie die angeblich katastrophensicheren Weiterentwicklungen des Leichtwasserreaktors, der Entwurf eines inhärent sicheren Hochtemperaturreaktors, die Trägheitseinschlußfusion, an der vor allem in den USA gearbeitet wird, oder die Pläne rur Beschleunigergestützte Systeme (Accelerator Driven Systems - ADS), die eine Umwandlung von Plutonium in weniger oder nicht radioaktive Stoffe bei gleichzeitiger Energiegewinnung versprechen. Verfolgt man einen problemorientierten Ansatz von Technikbewertung, müssen auch diese Konzepte in die Betrachtung einbezogen werden. In einem ersten Anlauf ist dies auch bei dem Fachgespräch "Neue Nukleartechnologien zwischen Naturwissenschaft und Ethik" Mitte März· 1998 an der TUD geschehen. Diese Aufgabe wird weitergeruhrt werden in einer Technikbewertungsstudie über fortgeschrittene Nukleartechnologien, die der Schweizer Wissenschaftsrat in Auftrag gegeben hat und die von Mitgliedern der lANDS-Gruppe in Zusammenarbeit mit dem ÖKOInstitut Darmstadt erarbeitet wird. Drittens: Der problemorientierte Ansatz macht es darüberhinaus notwendig, die erneuerbaren Energien in die Bewertung einzubeziehen, um die wichtigsten Wege zur Lösung des Energieproblems besser miteinander vergleichen zu können. Bislang stehen sich die beiden Lager - die Vertreter der nur regenerativen Lösung und die der nuklear-regenerativen Strategie - gegenüber, ohne daß eine Bewegung in Richtung 17 eines gemeinsam vertretbaren Konzepts erkennbar wäre. Allererste Ansätze zaghafter Bewegungsbemühungen waren immerhin bei dem erwähnten Workshop oder bei der Frühjahrskonferenz des Arbeitskreises Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zu erkennen. Wir planen ein weiteres Fachgespräch in angemessener Frist, bei dem die Vergleichsdiskussion geführt werden soll. Viertens: Der Zustand des öffentlichen Energiediskurses ist in höchstem Maß beunruhigend und beklagenswert. Er findet zur Zeit gar riicht statt. Diejenigen, die bereit sind, sich um seine Wiederbelebung zu bemühen, gehören unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen an: sie kommen als forschungspolitisch Engagierte aus politischen Parteien, sie arbeiten z.B. im Wuppertal-Institut, im Öko-Institut oder auch in kirchlichen Akademien, sie finden sich in interdisziplinär arbeitenden Hochschulgruppen oder in hochschulübergreifenden Projekten wie auch in Großforschungseinrichtungen und in Unternehmen. Der Wunsch wäre, unter ihrer Beteiligung ein breiteres Netzwerk zustande zu bringen, um auf diese Weise dazu beizutragen, daß die Blockaden überwunden, der Energiediskurs wiederbelebt und die richtigen Fragen - fatale Engführungen vermeidend - auf seine Tagesordnung gesetzt werden. Anmerkungen (l) Bender, Wolfgang - Platzer, Katrin - Sinemus, Kristina: On the Assessment of Genetic Technology: Reaching Ethical Judgements in the Light of Modern Technology. In: Science and Engineering Ethics, 1 (1995), S.21-32. (2) Vgl. Bender, Wolfgang (Hrsg.): Verantwortbare Energieversorgung für die Zukunft. THD Schriftenreihe Wissenschaft und Technik 71. Darmstadt 1997. (3) Hoffmann, Johannes - Ott, Konrad - Scherhorn, Gerhard: Ethische Kriterien für die Bewertung von Unternehmen. Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden. Frankfurt a.M.: IKO 1997. (4) Adorno, Theodor W.: Minima Moralia. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1969. S. 128f. (5) V gl. Jonas, Hans: Warum die Technik ein Gegenstand für die Ethik ist: Fünf Gründe. In: Lenk, Hans - Ropohl, Günter (Hrsg.): Technik und Ethik. Stuttgart: Reclam 1993 (2. Aufl.). S. 81-91. (6) Zum Unterschied zwischen dem technikinduzierten und problemorientierten Ansatz von Technikbewertung vgl. Verein Deutscher Ingenieure (VDI): Technikbewertung - Begriffe und Grundlagen. Erläuterungen und Hinweise zur VDI-Richtlinie 3780. VDI Report 15, 1991. (7) Vgl. Rebhan, Eckhard: Heißer als das Sonnenfeuer. Plasmaphysik und Kernfusion. München: Piper 1992. S. 403-489. - Hein10th, Klaus: Die Energiefrage. Bedarf und Potentiale, Nutzung, Risiken und Kosten. Braunschweig: Vieweg 1997. S. 271-282. (8) Vgl. Nuclear Energy Agency, OECD: nuclear energy data 1997. S. 24-27. Stützt man sich auf die dortigen Angaben, läßt sich daraus eine grobe Abschätzung ableiten: Die Uran-reserven werden auf ca. 4 000 000 t beziffert, der jährliche Bedarf an Uran mit ca. 50 000 t angegeben. Dies bedeutet eine Reichweite von ca. 80 Jahren. - Die Angaben über die zeitliche Reichweite von Natururan gehen bei den Autoren weit auseinander. Nach K. Hein10th reichen die Vorräte zur Deckung eines jährlichen Weltbedarfs in Höhe von 50000 t für Leichtwasserreaktoren in Gesteinslagerstätten sogar einige 1000, im Meerwasser einige 10000 Jahre; vgl. a.a.O., S. 219. In den letzten Jahren ist zunehmende Zurückhaltung gegenüber Zeitangaben über die Reichweite der Vorräte zu beobachten, weil die Ausbeutung oder Nichtausbeutung von Uranlagerstätten wesentlich von den entstehenden 18 Kosten abhängt. Insgesamt bleibt aber die Feststellung, daß die Reichweite von Wasserstoff ungleich größer ist als die von Natururan. (9) In dieser Frage stehen sich die Positionen der Vertreter regenerativer-nichtnuklearer Energiesysteme und die Vertreter nuklear-regenerativer Energiesysteme nach wie vor gegenüber. Vgl. hierzu Forum für Zukunftsenergien (Hrsg.): Langfristige Aspekte der Energieversorgung. Folgerungen und Kriterien für die Energiepolitik heute. Schriftenreihe des Forums, Band 40. Bonn 1997. (10) Vgl. Bender, Wolfgang: Zukunftsorientierte Wissenschaft - Prospektive Ethik. In: Wobus, Anna - Wobus, Ulrich - Parthier, Benno (Hrsg.): Stellenwert von Wissenschaft und Forschung in der modernen Gesellschaft - Handeln im Spannungsfeld von Chancen und Risiken. In: Nova Acta Leopoldina. Neue Folge, Nr. 297, Bd. 74. Halle: Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina 1996. S. 39-59. - Vgl. auch das Konzept der innovativen Technikbewertung in: Ropohl, Günter: Ethik und Technikbewertung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1996. S. 259-283. (11) Vgl. Rebhan, Eckhard: Heißer als das Sonnenfeuer. Plasmaphysik und Kernfusion. München: Piper 1992. S. 57-95.262-312. (12) A.a.O., S. 82. Wörtlich sagte der indische Atomphysiker H. Bhaba: "Die technischen Probleme sind gewaltig, aber ... ich wage die Voraussage, daß sich eine Methode finden wird, mit der sich innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte kontrolliert Fusionsenergie freisetzen läßt." (13) Vgl. A.a.O., S. 450-453. (14) Hier beziehe ich mich auf Äußerungen von Friedrich Wagner vom Institut für Plasmaphysik in Garching bei dem Fachgespräch "Neue Nukleartechnologien zwischen Naturwissenschaft und Ethik" vom 11-14. März 1998 an der TUD. (15) Vgl. Hein10th, Klaus: Die Energiefrage. Bedarf und Potentiale, Nutzung, Risiken und Kosten. Braunschweig: Vieweg 1997. S. 281f. (16) Bender, Wolfgang - Platzer, Katrin - Sinemus, Kristina: On the Assesssment of Genetic technology: Reaching Ethical Judgements in the Light of Modem Technology. In Science and Enineering Ethics, 1 (1995), S. 21-32. - Zur neueren Kriteriendiskussion, soweit sie auf Energietechnologien bezogen ist, vgl. Korff, Wilhelm: Die Energiefrage. Entdeckung ihrer ethischen Dimension. Trier: Paulinus 1992. S. 23-26. - Hein10th, Klaus: a.a.O., S. 121-125. - Forum für Zukunftsenergien (Hrsg.): Langfristige Aspekte der Energieversorgung. Folgerungen und Kriterien für die Energiepolitik heute. Schriftenreihe des Forums, Band 40. Bonn 1997. S. 13-17. Kröger, Wolfgang: Sustainable Development of Energy Supply. Vortrag bei der Int. Conf. On Environment and Surviva! of Nuclear Energy, 27.-29. Okt. 1997, Washington (Ms.). Der Autor gehört dem Paul ScheITer Institut, CH-5232 Villingen PSI, an. - Liebert, Wolfgang: Aspekte prospektiver Technikbewertung: Das Beispiel neuer Nukleartechnologien. Vorstellung eines Kriterienentwurfs. Vortrag bei dem Fachgespräch "Neue Nukleartechnologien im Spannungsfeld von Naturwissenschaft und Ethik" (Ms.) Vgl. Anrn. 14. (17) Strahlenschutzverordnung, § 28, Abs. 1. (18) Atomgesetz mit Verordnungen. Baden-Baden: Nomos 1995 (19. Aufl.) (19) Vgl. Langenheder, Wemer: Konzepte sozialorientierter Technikgestaltung. Gesellschaft für Informatik, Fachbereich 8. Rundbrief 1,35-42. (20) Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten der Projektgruppe Verfassungsverträgliche Technikgestaltung (Provet) in Darrnstadt. Vgl. Hammer, Volker Pordesch, Ulrich - Roßnagel, Alexander: KORA. InfoTech, Jg. 5 (1993), Heft 1. S. 21-24. (21) Vgl. Schopenhauer, Arthur: Über die Grundlage der Moral. In: ders. Zürcher Ausgabe. Werke in zehn Bänden. Band VI. Zürich: Diogenes 1977. S. 252-270. (22) Vgl. Kant. Immanuei: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: ders.: Werke in zehn Bänden. Band 6. Darrnstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983. S. 61. (23) Vgl. Blich, Ivan: Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. Reinbek: Rowohlt 1975. - I. Blich führt den Begriff der konvivialen oder lebensgerechten Gesellschaft und als 19 Leitbegriff der Technikbewertung und -gestaltung das konviviale Werkzeug ein. Was "menschengerecht" ist, ist auch "konvivial", dem Zusammenleben der Menschen förderlich, oder wie Blich unter Bezugnahme auf den spanisch-mexikanischen Ausdruck "convivencialidad" erläutert - auf "die Fülle des Miteinanderlebens" bezogen. (24) Vgl. Podlech, Adalbert: Art. 1 GG (Schutz der Menschenwürde). In: Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Band 1. Reihe Alternativkommentare. Gesamtherausgeber RudolfWassermann. Neuwied: Luchterhand 1984. S. 288-291. - Unter den fünf Bedingungen der Wahrung der Menschenwürde nennt A. Podlechdie "Achtung der körperlichen Kontingenz des Menschen". Sein Text erlaubt es, die psychische Kontingenz miteinzubeziehen. Mir erscheint es sinvoll, die geistige Kontingenz hinzuzufügen. (25) Damit ist noch nicht gesagt, daß der Fusionsreaktor katastrophenfrei im Sinn des deutschen Atomgesetzes ist; danach dürfen keine Unfälle mit radioaktiver Strahlung nach außen entstehen, die die Evakuierung der Bevölkerung notwendig machen. Es kann bis jetzt nicht völlig ausgeschlossen werden, daß bei einem Plasmaabriß durch Verkettung von Umständen eine derartige Situation auftreten könnte. (26) Vgl. Hastedt, Heiner: Aufklärung und Technik. Grundprobleme einer Ethik der Technik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991. S. 252f. - H. Hastedt formuliert fünf Prinzipien der Technikbewertung, die sich Freiheits- und Verteilungsprinzip der Theorie der Gerechtigkeit von lohn Rawls orientieren. (27) Vgl. Deutscher Bundestag: Bericht der Enquete-Kommission "Zukünftige Energiepolitik". BTDrucksache 8/4341. Bonn 1980. (28) Vgl. Nerlich, Uwe - Rendtorff, Trutz (Hrsg.): Nukleare Abschreckung - Politische und ethische Interpretationen einer neuen Realität. Baden-Baden: Nomos 1989. - Henrich, Dieter: Ethik zum nunklearen Frieden. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1990. - Bender, Wolfgang: Wege zum dauerhaften Frieden. IANUS-Arbeitsbericht 13/1992. S. 35-65. (29) Vgl. Colschen, Lars - Kalinowski, Martin: Die Kontrolle der militärischen Nutzung von Tritium. In: Müller, Erwin - Neuneck, Götz (Hrsg.): Rüstungsmodemisierung und Rüstungskontrolle. Baden-Baden: Nomos 1991. S. 123-145. - Dies.: Tritium. Ein Bombenstoff rückt ins Blickfeld von Nichtverbreitung und nuklearer Abrüstung. In: Informationsdienst für Wissenschaft und Frieden, Ig. 9, Heft 4/1991. S. 10-14. - Kalinowski, Martin B.: Uncertaintyand Range of Alternatives in Estimating Tritium Emissions from Proposed Fusion Power Reactors and their Radiological Impact. IAEA Technical Committee Meeting on "Developments in Fusion Safety", 7-11 lune 1993 at Tornoto, Canada. In: Journal ofFusion Energy, 12 (1993), S. 392-395. Ders.: Wie sauber stellen TA-Studien die Fusionsenergie dar? Das Beispiel der Tritiumemissionen. In: TA-Rundschau, Nr. 111994, S. 3-7. - Ders.: The Role of Tritium within a Verified Cutoff of Fissile and Fusionable Materials Production. In: Liebert, Wolfgang - Scheffran, lürgen (Hrsg.): Against Proliferation - Towards General Disarmament. Proceedings of the First INESAP Conference at Mülheim in August 1993. Münster: Agenda 1995. S. 61-64. (30) Vgl. Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Modeme. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986. S. 107-112. (31) Vgl. Ott, Konrad: Ökologie und Ethik. Ein Versuch praktischer Philosophie. Tübingen: Attempto 1993. (32) Vgl. u.a. Spaemann, Robert: Technische Eingriffe in die Natur als Problem der politischen Ethik. In: Bimbacher, Dieter (Hrsg.): Ökologie und Ethik. Stuttgart: Reclam 1980. 8.180-206. (33) Vgl. Liebert, Wolfgang: Aspekte prospektiver Technikbewertung: Vorstellung eines Kriterienentwurfs für nukleare Energiesysteme. Beitrag zum Fachgespräch "Neue Nukleartechnologien zwischen Naturwissenschaft und Ethik", Darmstadt, 11.-14. März 1998. Manuskript. (34) Vgl. Rawls, lohn: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979. - 1. Rawls diskutiert ausdrücklich das Problem der Gerechtigkeit zwischen den Generationen. In seine 20 Konstruktion des Urzustandes nimmt er die Bestimmung, daß die Mitglieder im Urzustand Geschlechterlinien repräsentieren und deswegen die Rechte mehrerer Generationen berücksichtigen müssen. Dies geschieht im zweiten Grundsatz der Gerechtigkeit in Form des gerechten Spargrundsatzes.(S. 166-174. 319-327. 336f. (35) Siehe Anm. 32. Ausgewählte Literatur Altner, Günter: Auf der Suche nach einer neuen ökologischen Ethik. Grundsätze und Perspektiven. In: Scheidewege, Jg. 27 (1997/98). S. 305ff. Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des Deutschen Bundestages (Hrsg.): Mehr Zukunft für die Erde. Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz. Bonn: Economica 1995. Gleich, Arnim von: Der wissenschaftliche Umgang mit der Natur. Über die Vielfalt harter und sanfter Naturwissenschaften. Frankfurt a.M./New York: Campus 1989. Hastedt, Heiner: Aufklärung und Technik. Grundprobleme einer Ethik der Technik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991. Hein10th, Klaus: Die Energiefrage. Bedarf und Potentiale, Nutzung, Risiken und Kosten. Braunschweig: Vieweg 1997. Henssen, Hermann: Energie zum Leben. Die Nutzung der Kernkraft als ethische Frage. München: Bonn aktuell 1993. Korff, Wilhelm: Die Energiefrage. Entdeckung ihrer ethischen Dimension. Trier: Paulinus 1992. Kümmel, Reiner: Energie und Kreativität. Die Entwicklung von Arbeit und Wohlstand. Stuttgart/Leipzig: Teubner 1998 (im Druck). Liebert, Wolfgang: Sind Hoffnungen auf neuartige nukleare Zukunftstechnologien berechtigt? In: ders. - Schmithals, Friedemann (Hrsg.): Tschernobyl und kein Ende? Argumente für den Ausstieg. Szenarien für Alternativen. Münster: agenda 1997. S. 230-245. Meyer-Abich, Klaus Michael - Schefold, Bertram: Wie möchten wir in Zukunft leben. Der 'harte' und der 'sanfte' Weg. München: Beck 1981. Meyer-Abich, Klaus Michael: Praktische Naturphilosophie. Erinnerungen an einen vergessenen Traum. München. Beck 1997. Rebhan, Eckhard: Heißer als das Sonnenfeuer. Plasmaphysik und Kernfusion. München: Piper 1992. Ropohl, Günter: Ethik und Technikbewertung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1996. Anlagen Das Jahrhundertprojekt Kernfusion. Zeittafel Tokamak. Skizze Strukturmodell ethischer Urteilsbildung VDI-Richtlinie: Werte im technischen Handeln Klaus Hein10th: Kriterien für eine verträgliche Bereitstellung und Nutzung von Energie Forum für Zukunftsenergien: Anforderungen an Energiesysteme Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden Heiner Hastedt: Fünf Prinzipien als Kriterien der Technikbewertung 21 Das Jahrhundertprojekt Kernfusion. Zeittafel 1952 1953 1955 1958 1960 1972 1975 1983 1990 1991 1991 1995 Erfindung des Tokamak in der Sowjetunion unter Beteiligung von Andrej D. Sacharow (Toroidalnaya Kamera Magnitnaya Katuschka) Dwight D. Eisenhower: Programm "Atoms for Peace" Bundesrepublik Deutschland: Einrichtung eines Atomministeriums W. Heisenberg stellt Antrag auf Förderung von Forschungen zur Kernfusion Aufbau der Forschungszentren Karlsruhe und Jülich Zweite internationale Atomkonferenz in Genf: Aufhebung der Geheimhaltung, Freigabe der Ergebnisse der Fusionsforschung Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, erstes Euratom-Fusionsprogramm Institut für Plasmaphysik in Garching (seit 1971 MPI und Großforschungszentrum mit ca. 1000 MitarbeiterInnen, darunter ca. 250 WissenschaftlerInnen) Beschluß zum "Joint European Torus" (JET), Standort Abington bei Oxford Vergleichbare Projekte in den USA und Japan TEXTOR (Toroidal Experiment für Technology Oriented Research) der Kernforschungsanlage Jülich) Inbetriebnahme des JET Inbetriebnahme eines sowjetischen Tokamak Forschungsprojekt mit dem Ziel einer Leistung von 1000 MW für 200 Sekunden Erste Fusionsleistung des JET: 1 Megawatt für 2 Sekunden (maximale Leistung 1,7 MW) Zweigstelle des MPI für Plasmaphysik in Greifswald eröffnet Beschluß zum Bau des Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktors (ITER) seitens USA, EU, Japan und Rußland 2002 Baubeginn des ITER 2020 Beginn der Planungfür einen Demionstrationsreaktor 2040 Erster kommerzieller Reaktor 22 I \- o C\j EID \-::J Oe. c woo ct1 \- I- C't1 E Cl) -CC'l.t1 --c (1) -- --c(1) "+00- +-' (1) E ° \- +-' Cl) C't1 E (/j -Cl.C't1 c C> C't1 ~ (ziele) . Ebene 2 Benennung der Mittel zur Erreichung des Zieles Überprüfung der Mittel anhand von Ebene 1: Sachgerechtigkeitskriterien Ethischen Kriterien Wirtschaftlichkeit Funktionsfähigkeit Sicherheit Humanorien"tierung Sozialorientierung Umweltorientierung Zukunftsorientierung Problembeschreibung und " Zielbestimmung Überprüfung der Zielbestimmung. anhand der Leitwerte Erhaltung Entfaltung Ebene 3 Angesichts der Erwartung von Nebenfolgen Güterabwägung anhand von drei Regeln - Alternativenerwägungsre.gel Nebenfolgenminimierungsregel Unterlassungsfolgenregel I Ebene 4 Angesichts fortbestehender Unsicherheiten hinsichtlich der Wahl des geeigneten Mittels Entscheidung anhand zweier Modelle Probabilistisches Modell· (Wagnismodell) für den gesellschaftlichen und politischen Bereich Tutioristisches Modell (Sicherheitsmodell) für den Bereich technischen Handeins mit erheblicher Reichweite und Nebenfolgen Struktur und Prozeß ethischer Urteilsbildung Sicherheit ---~....... .. 1" Werte 1m technischen Handeln häufige Instrumentalbeziehungen häufige Konkurrenzbeziehungen Klaus Hein10th: Kriterien für eine verträgliche Bereitstellung und Nutzung von Energie 1. Bedarf an Energie 2. Verfügbarkeit von Energie aus bestimmten Quellen 3. Notwendiger Entwicklungsaufwand bis zur kostengünstigen Wirtschaftlichkeit 4. Technologische Handhabbarkeit, Fertigkeit im Umgang mit Technologien 5. Wirtschaftsverträglichkeit 6. Umweltverträglichkeit 7. Sozialverträglichkeit Forumfür Zukunjtsenergien: Anforderungen an Energiesysteme Leitziel Energie soll ausreichend und - nach menschlichen Maßstäben - langandauernd so bereitgestellt werden, daß möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Chance für eine menschenwürdiges Leben haben, und in die Wandlungsprozesse nicht rückführbare Stoffe sollen so deponiert werden, daß die Lebensgrundlagen der Menschheit jetzt und zukünftig nicht zerstört werden. Anforderungskategorien 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Ausreichende Menge Bedarfsgerechte Nutzungsqualität sowie Flexibilität Versorgungssicherheit Ressourcenschonung Inhärente Risikoarmut und Fehlertoleranz Umweltverträglichkeit Internationale Verträglichkeit Soziale Verträglichkeit Effizienz der Energiesysteme im Sinne niedriger Kosten 26 Frankjurt-Hohenheimer Leitfaden Der Leitfaden für die Bewertung von Unternehmen folgt dem Wertbaumkonzept. Er nennt auf den ersten drei Ebenen die strukturierenden Ordnungsbegriffe, während die folgenden Ebenen zu den konkreten Bewertungen hinführen. Die drei ersten Ebenen sind: 1. Die grundlegenden Dimensionen der Bewertung (Naturverträglichkeit, Sozial verträglichkeit und Kulturverträglichkeit). 2. Die Handlungsbereiche innerhalb einer Dimension. 3. Die verschiedenen Bewertungsobjekte in einern Handlungsbereich. In der folgenden Übersicht werden die Ebenen 1 und 2 wiedergegeben. Naturverträgiichkeit Umgang mit Umweltinstitutionen Umgang mit Umweltinformationen Lebewesen Energie Stoffe Transport Emissionen Umwelttechnologie Sozialverträgiichkeit Sozialverträglichkeit der Unternehmensorganisation Interne Anspruchsgruppen: Allgemeine Interessen Interne Anspruchsgruppen: Besondere Interessen Externe Anspruchsgruppen Produkte Kulturverträgiichkeit Anthropologisch vorgegebene Antriebsstrukturen Allgemeine moralische Grundnormen Leitbilder Tugenden 27 Heiner Hastedt: FünfPrinzipien als Kriterien der Technikbewertung "Eine Technik ist 1. nur legitim, wenn sie vereinbar mit dem umfangreichsten System gleicher Grundfreiheiten für alle ist, und normativ erwünscht, wenn sie 2. der Realisierung des umfangreichsten Systems gleicher Grundfreiheiten förderlich ist, und 3. förderlich ist für die Realisierung der Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit oder zumindest vereinbar mit ihnen ist, d.h. soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann zuläßt, wenn sie zu jedermanns Vorteil sind, und nur Positionen notwendig macht, die jedem offenstehen, und 4. die gleichen Chancen zur Berücksichtigung der Prinzipien 1 bis 3 für zukünftige Generationen gewahrt bleiben, und 5. (a) sowohl die Möglichkeit eines selbstgewählten guten Lebens aller der jetzt Lebenden und der zukünftigen Generationen gewährleistet als auch (b) zum guten Leben aller jetzt Lebenden beiträgt." (S. 252f.) Die Technikfolgenabschätzung auf der Grundlage der fünf Prinzipien ist zu beziehen auf die folgenden fünf Verträglichkeitsdimensionen: 1. Gesundheit, 2. Gesellschaft, 3. Kultur, 4. Psyche, 5. Umwelt. (S. 257) 28 IANUS-Publikationsreihe Seit 1989 veröffentlicht IANUS Arbeitspapiere in einer eigenen Reihe. Exemplare sind auf Anfrage zum Selbstkostenpreis erhältlich. Die vollständige Liste kann angefordert werden bei: IANUS, TU Darmstadt, zu Hd. Brigitte Schulda, Hochschulstr. 10, D-64289 Darmstadt. Since 1989 working papers of IANUS have been published. Copies can be sent on request at cost price. A complete listcan be ordered 'trom: IANUS, TU Darmstadt, attn. Brigitte Schulda, Hochschulstr. 10, D-64289 Darmstadt, Germany. IANUS 1/1995 IANUS 2/1995 IANUS.3/1995 IANUS 4/1995 IANUS 1/1996 IANUS 1A/1996 IANUS 2/1996 IANUS 3/1996 IANUS 4/1996 IANUS 5/1996 IANUS 1/1997 IANUS 2/1997 IANUS 3/1997 IANUS 4/1997 IANUS 5/1997 IANUS 6/1997 IANUS 1/1998 IANUS 2/1998 IANUS 3/1998 IANUS 4/1998 W. Liebert, "After the NPT Review and Extension Conference: Results and Perspectives" B. Gotthold, "Conditio Humana und die Technik des 20.Jahrhunderts - Hannah Arendts Gedanken zu Naturwissenschaft und Technik aus heutiger Perspektive" W. Liebert, "Die Hanauer Brennelementefabrik ist tot - Es lebe Hanau für die Abrüstung? " I. Stumm, J. Brauburger, K. Nixdorff, "Haben Toxinwaffen militärische Relevanz?" M.B. Kalinowski, "Computersimulationen und subkritische Kernwaffentests" M.B. Kalinowski, "Virtual Nuclear Tests - Can the Comprehensive Test Ban Treaty be Circumvented by Computer Simulations?" D. Hahlbohm, K. Nixdorff, "Stand und Probleme der Verhandlungen zur Stärkung der Biologischen-Waffen-Konvention" M.B. Kalinowski, "Kritierien für Ganzwelt- und Zukunftsorientierung" J. Scheffran, "Frieden und nachhaltige Entwicklung" J. Scheffran, "Konfliktfolgen energiebedingter Umweltveränderungen am Beispiel des globalen Treibhauseffekts" W. Sender, "Ethische Dimensionen nachhaltiger Entwicklung" W. Liebert, "Gestaltung von Forschung und Technik. - Wertfreiheit oder Wertbindung der Wissensschaft. - Reformbedarf für eine zukunftsfähige Hochschule in der Gesellschaft." Drei Vorträge an der Technischen Hochschule Darmstadt J. Scheffran, "ModelIierung von Umweltkonflikten und nachhaltiger Entwicklung. Anwendungsmöglichkeiten in der Klima- und Energiepolitik" W. Liebert, "The Use of Highly-Enriched Uranium (HEU) in Research Reactors: Implications for Proliferation" M.B. Kalinowski, "Perspektiven der nuklearen Abrüstung" K. Nixdorff "Gefährdung durch biologische Agenzien" und "Die Biologische-Waffen-Konvention" W. Krabs, S. Pickl, "Time-Discrete Dynamical Games" M.E. Hummel, J. Scheffran, H.-R. Simon (Hrsg.), Konfliktfeld Biodiversität M.B. Kalinowski, H. Sartorius, S. Uhl, W. Weiss, "Rückschließbarkeit auf Plutoniumabtrennungen durch Auswertung von Messungen des atmosphärischen Krypton-85 in Wochenproben bei verschiedenen Abständen von der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe" W. Bender, "Ethische Aspekte prospektiver Technikbewertung: Das Beispiel Kernfusion". Antrittsvorlesung im Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt