ADHS – Stand der Forschung: Symptome, Ursachen, Verlauf

Werbung
ADHS – Stand der Forschung:
Symptome, Ursachen, Verlauf
Semiarleitung: Nina Gawehn
Referent: Sven Fricke
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen
Einführung und Überblick
Diagnose nach ICD- 10
Aufmerksamkeitsstörung
Hyperaktivität
Impulsivität
F 90.0
Einfache
Aufmerksam-keitsund Hyperaktivitätsstörung
situationsübergreifend
Störung des Sozialverhaltens
Bochum, 07.11.2008
F 90.1
Hyperkinetische
Störung des
Sozialverhaltens
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Diagnosen nach DSM- IV
Aufmerk
samkeits
störung
Aufmerk
samkeits
störung
Hyperaktivität/
Impulsivität
Aufmerksamkeitsdefizit
Hyperaktivitätsstörung:
Mischtyp
Hyperaktivität/
Impulsivität
Aufmerksamkeitsdefizit
Hyperaktivitätsstörung:
vorwiegend
unaufmerksamer Typ
Hyperaktivität/
Impulsivität
Bochum, 07.11.2008
Aufmerk
samkeits
störung
Aufmerksamkeitsdefizit
Hyperaktivitätsstörung:
vorwiegend hyperaktivimpulsiver Typ
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Diagnose




Kardinalsymptome: Beeinträchtigung der
Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und
Aktivität
Anfang bereits vor 6. Lj
In mehreren Situationen und
Lebensbereichen
Symptome stärker in Situationen, die
Aufmerksamkeit erfordern aber nicht bei
Lieblingsaktivität oder neue Umgebung
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Diagnose


Fehlen von Symptomen in
Untersuchungssituation kein eindeutiger
Hinweis auf Ausschlusskriterium
Ausschlusskriterien: tiefgreifende
Entwicklungsstörung, Schizophrenien,
andere psychotische Störungen, depressive
Episode, Angststörungen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Prävalenz hyperkinetischer
Störungen

Prävalenz stark abhängig von
Diagnosekriterien, DSM mehr als ICD

USA 7-17% ♂ und 3-6%♀ (DSM-III)

Nach DSM IV ca. 2,4% aller Kinder

Abhängig von Art der Datenerhebung
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Prävalenz hyperkinetischer
Störungen

Gomez et al.: Kinder 5- 11 Jahre
Eltern: 9,9%, Lehrer: 8,8%,
Übereinstimmend: 2,4%

Verhältnis Jungen: Mädchen
Bochum, 07.11.2008
3:1 bis 9:1
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Differentialdiagnose

Oppositionelle Verhaltensweisen
treten häufig als komorbide Störung auf, starke
Überschneidung hyperkinetische/ aggressive
Störungen
Körperliche Ursachen
- SHT
- Sehstörungen
- mangelnder Schlaf

Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Differentialdiagnose


Medikamente
– Phenobarbital
– Carbamazepin
– Alkohol/ Drogen
Altersgemäße Verhaltensweisen bei
hyperaktiven Kindern
unklare Grenzen, eher dimensionale
Einschätzung
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Komorbide Störungen

Bei ca. ⅔ der Kinder mit hyperkinetischer Störung

Zusätzliche Risikofaktoren für Entwicklung
Hyperaktivität u, Aufmerksamkeitsproblematik
stärker ausgeprägt

Erhöhte Rate an Teilleistungsstörungen

Geringerer sozio- ökonomischer Status
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Komorbide Störungen




43- 93% externale Verhaltensstörungen mit
aggressiven und dissozialen Verhaltensweisen
13- 51% internale Störungen mit Angst und
Depressivität
hyperkinetische Störung 50% oppositionelle
Störung
oppositionelle Störung  100%
Hyperkinetische Störung
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Komorbide Störungen



Höheres Risiko für spätere Delinquenz,
Substanzmissbrauch, Ausbildung antisozialer
Persönlichkeitsstörung
Bis 25% Angststörungen häufig schwer zu
diagnostizieren
Bis 30% Tic-Störungen/ 70% Pat. mit TouretteSyndrom haben hyperkinetische Störung
Dopaminstoffwechsel im Neostriatum
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese- allgemeines Modell der
Entstehung hyperkinetischer Störungen
Mangelnde Steuerung
durch die Umgebung
Neurobiologische
Faktoren
Störungen in der
kognitiven Entwicklung
und Steuerung
Hyperkinetische
Störungen
Spezielle Anforderungen
an Ausdauer,
Aufmerksamkeit,
Konzentration
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese

Interaktion psychosozialer und biologischer
Faktoren

Erhöhte biologische Vulnerabilität

hyperkinetisches Verhalten manifestiert sich,
wenn unzureichende äußere Steuerung
erfolgt
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese




Grundlegende Dysfunktion des kortikalenstriatalen Netzwerkes
Eltern mit hyperkinetischer Störung
 57% der Kinder ebenfalls
Zwillingsstudien
 Konkordanzrate bei eineiigen 81%, bei
zweieiigen Zwillingen 29%
Veränderungen an Dopamin-D4- Rezeptoren
 Stimulanzienbehandlung 70- 80% erfolgreich
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese

Hypoxische Hirnschädigung kann zu
Aufmerksamkeitsstörungen und
Hyperaktivität führen

Geburtsgewicht und –monat haben
ebenfalls Einfluss

Alkohol und Tabak während der
Schwangerschaft gelten als fraglich
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese



MRT kleineres Corpus callosum,
Abweichungen im Kleinhirn
EEG Veränderungen lassen sich durch
Stimulanzien aufheben
Vermuteter Zusammenhang zwischen
hyperkinetischem Verhalten und Abweichungen
in der Entwicklung des frontal-striatalen Cortex
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese

Neuropsychologisches Modell: mangelnde
Hemmung von Impulsen
 Störung exekutiver Funktionen
–
–
–
–
Nonverbales Arbeitsgedächtnis
Regulation von Affekt, Motivation, Aufmerksamkeit
Internalisierung + Automation von Sprache
Entwicklung von Handlungssequenzen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Pathogenese

Psychosoziale Faktoren
–
–
–
–
Geringer sozio-ökonomischer Status
Unvollständige Familien
Überbelegte Wohnungen
Psychische Störungen der Mutter aber stärkerer
Einfluss auf aggressive Störungen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Biopsychosoziales Modell
Ursache
Genetische
Disposition
Nahrungsmittelzusätze
Hirnschädigung
Ungünstige
Bedingungen in
Schule/ Familie
Prozesse
Störung des
Neurotransmitterstoffwechsels
Störung der Selbstregulation
Arbeitsgedächtnis
Automation von Sprache
Entwicklung Handlungssequenzen
Regulation Affekt, Motivation
Hyperkinetische Symptome
Zunahme negativer Interaktionen
Komorbide Symptome
Bochum, 07.11.2008
Ebenen
Biochemie+
Neurophysio.
Neuropsychologie
Symptome
Interaktionen
Komorbide
Symptome
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Verlauf




Hyperaktivität ab ca. 3. Lj abgrenzbar
Anamnese weist auf Säuglingsalter zurück
 Schlafstörungen, Essstörungen
Kindergarten- und Vorschulalter
 Hyperaktivität hervorstechende Symptomatik
Mangelnde soziale Integrierbarkeit,
oppositionelles Verhalten gegenüber Eltern,
aggressives gegenüber Gleichaltrigen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Verlauf
Stabilität der Störung 6.- 9. Lj.: 60- 70%
 Nach Einschulung Verlagerung der Probleme
auf Lern- und Leistungsbereich
 Symptomatik durch höhere Anforderungen
im Unterricht getriggert
 Häufig Konflikte mit Gleichaltrigen
 Je früher Symptome, um so gravierender
Störung des Sozialverhaltens
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Verlauf
Stabilität im Jugendalter 30- 70%
 Motorische Hyperaktivität nimmt ab,
zunehmend Störung des Sozialverhaltens
und Delinquenz (25- 50%)
 Erhöhte Gefahr des Substanzmissbrauchs
 Signifikant erhöhtes Risiko weitere
psychische Störungen zu entwickeln
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Verlauf
Stabilität im Erwachsenenalter: in 50- 80% der
Fälle bleiben einzelne Symptome bestehen
 Prävalenz hyperkinetischer Störungen im
Erwachsenenalter 2- 7%
 Etwa ⅓ Vollbild
 Häufig unerkannt weil weniger charakteristisch
Chronisches Störungsbild!
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Risikofaktoren für Chronifizierung






Niedrige Intelligenz
Frühe und schwere oppositionelle und
aggressive Verhaltensweisen
Schlechte Beziehungen zu Eltern und
Gleichaltrigen
Psychische Störungen der Eltern
Niedriger sozioökonomischer Status
Strafender und inkonsistenter Erziehungsstil
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Protektive Faktoren





Hohe Intelligenz
Intakte Eltern- Kind- Beziehung
Zufriedenstellende familiäre Kohäsion
Soziale Eingebundenheit
Frühe und dauerhafte multimodale Therapie
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie

Behandlung erfordert Kooperation zwischen
Kindern, Eltern, Schule/ Kindergarten

Kontinuierliche Fortführung

Individualisierte Behandlungspläne
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Psychoedukation


Grundlage
Eltern- und familienzentrierte Verfahren
–
–

Elterntraining
Eltern- Kind- Therapie
Kindergarten- und Schulzentrierte Interventionen
–
Operante Methoden zur Verminderung konkreter
Verhaltensauffälligkeiten
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Psychoedukation

Patientenzentrierte Verfahren
–
–
–
Spieltrainings (ausdauerndes und intensives
Spielverhalten)
Selbstinstruktionstrainings (reflexives
Arbeitsverhalten)
Selbstmanagement- Verfahren (Anleitung zu
eigenständiger Verhaltensänderung bei älteren
Kindern und Jugendlichen)
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Psychoedukation




Wirksamkeit von Elterntrainings belegt
Familienzentrierte Interventionen (THOP)
ebenfalls belegt. Aber: vermutlich spezifischer,
auf Verhalten in Familie begrenzter Effekt
In Schule und Kindergarten meist
Tokensysteme
Verstärkung korrekter Leistung
Schulleistung, Aufmerksamkeit, Hyperaktivität
verbessert
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Psychoedukation



Response-Cost- Verfahren bei
Vorschulkindern wirkungsvoller als TokenVerstärkung
Therapieeffekte generalisieren auf
Spielsituationen
Selbstinstruktionstrainings: Kind lernt
Aufmerksamkeit anhaltender zu zentrieren,
Impulse zu kontrollieren. Aber: keine
umfassende Generalisierung belegt
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Psychoedukation

Selbstmanagement:
– Achten auf eigene Verhaltensprobleme
und diese registrieren
– Wirksam in Kombination mit anderen
Methoden
– In kritischen Situationen alternatives,
angemessenes Verhalten zeigen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie

Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®)
– Dopaminagonistische Psychostimulanz
– Maximaler Plasmaspiegel nacj 1,5- 2h,
klinischer Effekt nach 20min., Maximum
nach 3- 4h, Dauer 3-7h
– Kontraindikationen: Psychosen,
Drogenabusus, Tic-Störungen, TouretteSyndrom, extreme komorbide
Angststörungen, kardiale Probleme
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie
-
-
-
-
Gesteigerte zerebrale Anfallsbereitschaft
Wirksamkeit höher, je ausgeprägter
Aufmerksamkeitsstörung/ Hyperaktivität
Häufig Verbesserung hyperkinetischer
Symptomatik
Manchmal Verbesserung oppositioneller und
aggressiver Verhaltensauffälligkeiten
Manchmal Verbesserung schulischer Leistungen
Manchmal Bessere Beziehungen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie

D- Amphetamin, Psychostimulanz der
zweiten Wahl
– Indirekter Dopaminagonist
– Klinische Wirkung nach 30- 60 Min.,
Wirkmaximum nach 2h, Dauer 2-6h
– Etwas geringere Wirkung als
Methylphenidat
– Nebenwirkungen wie oben
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie

Pemolin (Tradon®)
– Deutlich höhere Halbwertszeit
– Wirksam wie Methylphenidat
– Nebenwirkung: wie oben plus
Hepatotoxizität
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie

Trizyklische Antidepressiva
– Medikamente zweiter Wahl
– Noradrenerge Wirkung
– Wirkung gut, aber geringer als Methylphenidat
– Gute Effekte bei begleitenden emotionalen
Symptomen
– Nebenwirkungen erheblich
 Rhythmusstörungen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie

Clonidin (Catapressan®)
– Medikament dritter Wahl
– Wenig Einfluss auf kognitive Defizite
– Gute Wirkung bezüglich Impulsivität und
Aggressivität
– Hohe Rate schwerer Nebenwirkungen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie



Weitere Wirkstoffe: Carbamazepin,
Bupropion, Mao- Hemmer, selektive
Serotonin- Reuptake- Hemmer
Babiturate und Benzodiazepine nicht
wirksam
Neuroleptika mangelhafte Beeinflussung
kognitiver Defizite und erhebliche
Nebenwirkungen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- Pharmakotherapie




Methylphenidat, D-Amphetamin und Pemolin
zeigte bei etwa 70- 85% Patienten Wirkung
Nebenwirkungen bei Psychostimulanzien relativ
selten, fraglich ob Wirkung des Medikaments
oder Folge der Erkrankung (Schlafstörungen,
Inappetenz, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen,
Wachstumsstörungen)
Rebound- Effekte bei nachlassender Wirkung
Keine körperliche Abhängigkeit
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapiemultimodale Behandlung



Kombination von Stimulanzientherapie mit
verhaltenstherapeutischen Interventionen
oder/ und kognitive Trainings
Kombination bei Aufmerksamkeitsstörungen
und Störungen des Sozialverhaltens nicht
besser als Stimulanzientherapie alleine
Bei motorischer Unruhe Kombination aber
überlegen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapiemultimodale Behandlung




Komplexe Interaktion zwischen Verhaltensund Stimulanzientherapie
Stimulanzientherapie wirksamer nach
Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie wirksamer nach
Stimulanzientherapie
In Langzeitwirkung multimodale Interventionen
der Stimulanzientherapie überlegen
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Therapie- andere Therapieformen



Diät- Behandlung: Wirksamkeit nicht
nachgewiesen
Entspannungsverfahren: Wirksamkeit und
Generalisierung fraglich, nur für Einzelfälle
belegt
Mototherapie, Ergotherapie: keine
kontrollierten Studien zu Wirksamkeit, kann
als ergänzende Maßnahme empfohlen
werden
Bochum, 07.11.2008
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Danke für Eure Aufmerksamkeit!
Hyperkinetische Störungen- Einführung und Überblick
Herunterladen