Universität Augsburg SoSe 2004 Lehrstuhl für Psychologie 28.06.2004 S: Aufmerksamkeitsstörung mit und ohne Hyperaktivität Dozent: Dr. Achim Zimmermann Referentin: Sabrina Dickopf, Johannes Schubert, Irina Sutyahina, Ulrike Pfister (Sophia Vogel, Julia Cordes, Aurelie Kuhn, Oksana Detzer, Gaby Waizenegger, Viktoria Schulz,Kathi Adedinger, Carina Hornbach, Aida Jung, Sandra Struthmann) Kognitive und verhaltenstherapeutische Ansätze 1. Aufmerksamkeitstraining und Selbstregulierung bei ADS/ADHS Begriffsdefinitionen Aufmerksamkeit allg.: - psychischer Zustand geistiger Wachheit und Aufnahmebereitschaft Selektive Aufmerksamkeit: - „die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf aufgabenrelevante Reize zu fokussieren und irrelevante Reize zu ignorieren“ (M. Döpfner) Daueraufmerksamkeit: - „die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit, auf eine Aufgabe über eine Zeit aufrechtzuerhalten“ (M. Döpfner) Impulsivität (psycholog.): - „überstürtztes unbesonnenes Arbeitsverhalten“ (I. Wagner); häufig auch „motivationale Impulsivität“ (M. Döpfner), d.h. Kinder haben Schwierigkeiten, ihre Bedürfnisse aufzuschieben und abzuwarten, bis sie an der Reihe sind Aufmerksamkeitsstörung: - „Vorzeitiges Abbrechen von Aufgaben und Tätigkeiten, die den kognitiven Bereich betreffen, weil das Interesse verloren wird und Ablenkung aufkommt. Es sollte nur dann eine Störung diagnostiziert werden, wenn dieses Verhalten im Verhältnis zum Intelligenzniveau des Kindes und seines Alters stark ausgeprägt ist“ (Döpfner). Aufmerksamkeitstraining Selbstinstruktionstraining kognitiv-verhaltenstherapeutische Intervention nach Meichenbaum und Goodman (1971) Ziel: Selbstregulationsfähigkeiten und reflexive Problemlösestrategien des Kindes zu verbessern durch: 1. zentrierte Aufmerksamkeit 2. kontrollierte Impulse 3. Handlunspläne entwickeln Vorgehen: Kind lernt am Modell des Therapeuten, der laut seine Handlungsschritte kommentiert: 1. Problemdefinition - Schwierigkeiten zuerst einmal erkennen: „Was soll ich tun?“ 2. Problemannäherung - verschiedene Lösungsmöglichkeiten überlegen und abwägen: „Wie soll ich vorgehen?“ „Ich muss alle Möglichkeiten bedenken!“ 3. Problem- und Lösungsbewertung - abschätzen, ob Lösungsmöglichkeiten angemessen sind: „Ist das nicht zuviel?“ 4. Überprüfung - die Richtigkeit der Lösung kontrollieren: „Richtig gemacht?“ oder „Oh, ich habe einen Fehler gemacht, beim nächsten mal muss ich besser aufpassen, dann wird es sicher besser!“ 5. Selbstverstärkung – sich seinen Erfolg selbst bestätigen Spielerischer Umgang (z. B. „Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel“) wird später durch Hausaufgaben ersetzt Übertragung auf alltägliche Situationen Forschungsergebnisse - Anfänglicher Enthusiasmus durch empirische Untersuchungen inzwischen verflogen, da die klinische Wirksamkeit nicht überzeugend nachgewiesen werden konnte. - Positive Effekte auf Schulleistungen nicht eindeutig nachweisbar, wohl aber eine Verbesserung des Selbstwertgefühls, wenn für individuelle Situationen in der Familie Selbstinstruktionen eingeübt wurden. Selbstmanagement-Methoden Ziel: -> Kind dazu anzuleiten, in seiner natürlichen Umgebung (Schule, Familie) auf eigene Verhaltensprobleme zu achten und sie zu registrieren. Vorgehen: - - In kritischen Situationen soll Kind angemessenes, alternatives Verhalten zeigen, indem es versucht, sich an bestimmte Regeln zu halten und es sich für eine positive Situationsbewältugung selbst verstärkt. Oft mit Selbstinstruktionsmethoden und operanten Verstärkungsmethoden kombiniert. Reflexion zu Beginn der Therapiestunde, Telefonkontakt mit Therapeuten 2x wöchentl. Forschungsergebnisse: - 2. Kombination von Stimulanzien mit Selbstbeobachtung und -verstärkung ist wirkungsvoller als alleiniges Selbstmanagement Selbstbeobachtung plus Selbstverstärkung steigern Arbeitsqualität im Unterricht erheblicher als Fremdverstärkung Spiel- und Bewegungshilfen für das hyperkinetische Kind Begriffsdefinitionen Motorik – Das bewusste und unbewusste Haltungs- und Bewegungsgesamt des Menschen in der Funktionseinheit von Wahrnehmen, Erleben und Handeln. Psychomotorik – enge Wechselwirkung von innerlichen Vorgängen (Stimmungen, Gefühle) und Bewegungsäußerungen (Gestik, Mimik). Mototherapie – Gezielte, meist Einzelförderungen von psychomotorisch entwicklungsgestörten Kindern. Mototherapie bei Behandlung von ADS Kindern gezielte Materialangeboten und Bewegungslandschaften Lustbetontes Körperwahrnehmen Aufbau von komplexen sozialen Lern- und Handlungsfähigkeiten Klare Vorgaben, sehr strukturierte Anweisungen „Sensorische Integration“ (J. Kiphard) Bewegung und Spiel als wirksame Methoden zur Selbstfindung und Verbesserung der Befindlichkeit von Kindern mit motorischen Verhaltensauffälligkeiten sowie mit Hyperaktivität. Kind muss sich aktiv wechselseitig mit seiner Umgebung auseinandersetzen, um eine korrekte Gliederung seines Nervensystems zu erreichen der Wunsch „etwas zu tun“ muss aus dem Inneren des Kindes kommen, auch wenn es dieses „etwas“ nie erfolgreich durchführt schrittweise Vertrauen in eigene Bewegung aufbauen Behandlung ist ein ganzheitlicher Ansatz, d.h. schließt den ganzen Körper mit all seinen Sinnen und dem Zentralnervensystem mit ein Bewegungsbaustelle Kinder hantieren mit Brettern und Holzklötzen Kinder suchen sich ihre Reize selbst und dosieren sie auch Bewegungslust und kreatives gemeinsames Handeln kommt zur Entfaltung - möglichst in Kleingruppen von drei bis vier Kindern überschaubares, passendes Materialangebot Betreuung durch Erwachsene im Hintergrund ohne eindringliche Vorgaben Förderung von Spiel und Bewegung im schulischen Alltag „tägliche Bewegungszeiten“ in Teilen des Unterrichts mit einbeziehen Veränderung von Innenbereichen zu Bewegungsräumen Pausenhofgestaltung erweiterte Inhalte des Sportunterrichts in Anlehnung an motopäd. Praxis Schule als Lebensraum, Einbeziehung von Elternaktivitäten, Festen, Feiern, etc. Literatur: Döpfner, Manfred 1995: Hyperkinetische Störungen, in: Petermann, Franz (Hrsg.) 1995: Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie. Modelle psychischer Störungen in Kindheit und Jugendalter, Göttingen u.a., S. 165-169, 178-216. Grissemann, Hans 1986: Hyperaktive Kinder: Kinder mit minimaler zerebraler Dysfunktion und vegetativer Labilität als Aufgabe der Sonderpädagogik in der allgemeinen Schule; ein Arbeitsbuch, Bern, Stuttgart, Toronto, S. 215-237. Saile, Helmut 1997: Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen bei Kindern: Ursachen und neue Akzente bei der Behandlung, in: Report Psychologie 11/12, 1997 22.1997, Bonn, S. 872-883. Midzinski, Klaus: Spiel und Bewegung – Hilfen für das hyperkinetische Kind, in: Czerwenka, Kurt (Hrsg.) 1994, Das hyperkinetische Kind, Ursachenforschung – päd. Ansätze – didaktische Konzepte, Beltz Praxis PASSOLT M (Hrsg).: Hyperaktive Kinder: Eine Psychomotorische Therapie, München, 1997, 2.Auflag „Mit Stab und Trommel im Raum“ (Ein Beitrag von Andreas Wölfl und Peter Uffelmann) Projektbeschreibung - - Idee: Hyperkinetische Jugendliche weisen hohe Auffälligkeiten im Umgang mit den Dimensionen Zeit und Raum auf ->Vermittlung grundlegender Erfahrungen in Raum und Zeit durch ein geeignetes Projekt; gewählte Medien -> Stäbe und Perkussioninstrumente Zielgruppe: 8-12 jugendliche Patienten mit Konzentrations,- oder Aufmerksamkeitsstörungen Leitung: 2 Therapeuten Behandlungszeitraum: insgesamt: 8-14 Doppelstunden (Exkursstunden, eigentliche Durchführung, abschließenden Bühnenperformance) Ziele: verbesserte räumliche und zeitliche Orientierung, Rhythmusgefühl und Selbstsicherheit, Kontakt und Kommunikation, nonverbalen Ausdrucksfähigkeiten, Vorbereitungsexkurse Rhythmus und Bewegung Eigentlicher Projektverlauf (4 Doppelstunden mit anschließender Performance) Erste Stunde Schlaginstrument: Übungen: beliebig spielen, mit einem vorgegebenen Motiv spielen, selbst ein Motiv erfinden Missverständnisse zu vermeiden. -> Übertragung auf den Alltag Stäbe: -> WIR- ICH- Ritual - Bei Missbauch der Stäbe sofortiger Abbruch und Reflexion Zweite Stunde Schlaginstrument: -> Übungen aus der ersten Stunde werden wiederholt und intensiviert. -> Neue Übung: Partneraufgabe: - Führen des blinden Partners durch ständiges Klopfen eines bestimmten Rhythmuses und Abgehen einer einfachen geometrischen Figur - zuerst einzeln, dann alle Stäbe: -> Wiederholung des „ICH-WIR- Rituals“ -> Neue Übungen: - Balancieren des Stabes auf den Fingerspitzen - Stab senkrecht in die Luft werfen und versuchen, ihn wieder zu fangen - paarweises Zuwerfen Dritte Stunde -> Wiederholung: - paarweises Werfen und Fangen der Stäbe -> Neue Übung: - dritter Teilnehmer untermalt die Übung mit einem Schlaginstrument Raumorientierungsaufgabe: -> Relativ freies Gehen durch den Raum -> einzige Anweisungen: „rückwärtes gehen“, „immer in rechten Winkeln gehen“, „in Kurven gehen“, ... -> Anschließendes Abgehen geometrischer Figuren in Kleingruppen (Erschwernis durch zusätzliche Einschränkungen) -> Besprechung dieser auftretenden Probleme -> Hohe Kreativität der hyperkinetischen Jugendlichen bei der Suche nach geeigneten L Lösungsstrategien Vierte Stunde Arbeit an den Perkussioninstrumenten -> Gemeinsames und individuelles Spiel -> Einführung zweier neuer Elemente: Pause, Dynamik hyperkinetischen Jugendliche: Ungeduld und Verärgerung -> Tempokontrolle nur durch eine Kontrolle über die Schlagbewegungen zu erreichen ist, jedoch Schulung von Koordinaton, Motorik Endübung: selbstständiges Dirigieren der Gruppe Performance Abschluss des Projekts, Motivationsfaktor für die Jugendlichen Auftreten von Versager- und Bloßstellungsängsten, Hilfe durch Therapeuten Extreme Herausforderung für die hyperkinetischen Jugendlichen: Selbstkontrolle und Selbstbestimmung, Selbstverantwortung,…