Was sind die Ursachen? © M. Döpfner Ursachen genetische Disposition erworbene biologische Faktoren Prozesse Ebenen Störungen des neuronaler Netze / der Neurotransmitter (v.a. dopaminerg / noradrenerg Neurobiologie Störungen der Selbstregulation (mangelnde Inhibition / Verzögerungsaversion) Neuropsychologie ● Arbeitsgedächtnis ● Regulation von Affekt, Motivation u. Aufmerksamkeit ● Automation von Sprache ● Entwicklung von Handlungssequenzen ADHS-Symptomatik ● Unaufmerksamkeit ● Impulsivität ● Hyperaktivität ungünstige Bedingungen in Familie / Schule Negative Interaktionen mit Bezugspersonen / Misserfolge komorbide Symptome © M. Döpfner ● Leistungsstörungen ● aggressives Verhalten ● emotionale Störungen Symptome Interaktionen komorbide Symptome 1 Verstehen von ADHS; was ist zu erwarten, was nicht? n Alle bekannten Ursachen fallen in den Bereich der Biologie (Genetik, Neurophysiologie); sozialen Ursachen fehlt die Glaubwürdigkeit bei erschlagender Studienlage n Ursachen und Risikofaktoren können sich miteinander vermengen und das Risiko potenzieren n Häufigster ätiologischer Weg nach heutiger Kenntnis: frontostriatale und cerebelläre Hirnregionen n ADHS ist kein Problem auf der ‚Input-Seite‘ des Gehirns; Begriffe wie ‚Wahrnehmungsstörung‘ und ‚Verarbeitungsstörung‘ sind nicht korrekt und führen zu falschen Erwartungen Verstehen von ADHS; was ist zu erwarten, was nicht? n ADHS ist ein Defizit an der ‚Output-Seite‘ des Gehirns, es treten Schwierigkeiten bei der Präsentation von Fertigkeiten auf, die eigentlich beherrscht werden n ADHS verursacht eine ‚Blindheit für Zeit‘; bzw. ‚Kurzsichtigkeit gegenüber der Zukunft‘ n Personen mir ADHS leben im Moment; sie haben keine Schwierigkeiten mit Fertigkeiten (Skills), sondern mit deren Präsentation in der natürlichen Situation; ‚Doing what you know not knowing what to do and what you do!‘ n Unaufmerksamkeit gegenüber inneren/ mentalen Prozessen; deutlich länger und intensiver abhängig von äußeren und unmittelbaren Verstärkern n ADHS ist vor allem eine Störung der Inhibition und Selbsthemmung 2 Molekulargenetik n Mit ADHS assoziierte Gene: ► Dopamintransporter- und Dopaminrezeptorgene ► Serotonintransportergene n Allerdings erklären diese Genpolymorphismen nur einen kleinen Anteil der ADHS (max. 5% der Varianz) Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner Erworbene biologische Faktoren n Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen (?) sehr geringes Geburtsgewicht und Frühgeburt n Infektionen (Enzephalitis) n Toxine (Hirnschädigung durch pränatale Alkohol- und v.a. Nikotinexposition) n Traumatische Hirnschädigungen n Nahrungsmittelunverträglichkeiten spielen eine untergeordnete Rolle. Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner 3 Störungen des dopaminergen und noradrenergen Systems n erhöhte Dopamintransporter-Dichte dadurch verminderte Dopaminkonzentration im synaptischen Spalt n Methylphenidat hemmt DopaminWiederaufnahme und erhöht damit die Dopamin-Konzentration n Atomoxetin hemmt NoradrenalinWiederaufnahme und erhöht NoradrenalinKonzentration im Syn. Spalt (im präfrontalen Kortex) Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner Teufelskreis bei ADHS / oppositionellem Verhalten Aufforderung durch Eltern Wiederholung der Aufforderung Nein Nein befolgt? Nein Eltern drohen Nein befolgt? befolgt? Ja Ja Eltern geben nach Ja Andere Tätigkeit Andere Tätigkeit Andere Tätigkeit Andere Tätigkeit Nein Eltern hilflos Eltern geben nach Andere Tätigkeit Eltern reagieren aggressiv Döpfner, Schürmann & Frölich (2002). Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP). (3. Aufl.). Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union © M. Döpfner 4 Wie ist der Verlauf? © M. Döpfner 5 n RisikofaktorenVerlauf von ADHS 1 • hyperkinetische Störung der Eltern • Nikotin- / Alkoholabusus während Schwangerschaft • allein erziehender Elternteil n Säuglingsalter • sehr hohes Aktivitätsniveau • ungünstige Temperamentsmerkmale (Regulationsstörungen) + Überforderungssituation; negativ kontrollierende Muster in der Erziehung • Entwicklungsverzögerungen n Vorschulalter • Hyperaktivität (ziellose Aktivität) • geringe Spielintensität u. -ausdauer • Entwicklungsdefizite, oppositionelles Verhalten Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner Verlauf von ADHS 2 n Grundschulalter • Schuleintritt; Unruhe / Ablenkbarkeit im Unterricht • Lernprobleme / Teilleistungsschwächen • Umschulungen / Klassenwiederholungen • aggressives Verhalten • Ablehnung durch Gleichaltrige • Leistungsunsicherheit / Selbstwertprobleme n Jugendalter • Verminderung der motorischen Unruhe • Aufmerksamkeitsstörungen persistieren • aggressives, dissoziales Verhalten / Delinquenz • Alkohol- / Drogenmissbrauch • emotionale Auffälligkeiten Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner 6 Verlauf von ADHS 3 n Erwachsenenalter • Residualsymptome (mind. 30 %) • Dissoziales Verhalten / Delinquenz(30 %) • antisoziale Persönlichkeitsstörung (25%) • geringere Schulbildung Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner Entwicklung aggressiv-dissozialen Verhaltens unauffällig Zurückweisung durch Gleichaltrige Oppositionellaggressives Verhalten Inkonsistente Erziehung mangelnde Aufsicht mangelnde Wärme Hyperkinetische Störung Bindung an deviante Gleichaltrige unauffällig Delinquenz Schulische Misserfolge Teilleistungsschwäche Frühe Kindheit unauffällig "Spätstarter" Mittlere Kindheit Adoleszenz Döpfner, 1997; modifiziert nach Patterson et al. 1989 7 Welche Therapieansätze gibt es? © M. Döpfner Pharmakotherapie (Psychostimulanzien) … ist bei Kindern mit sehr schwerer Symptomausprägung meist unverzichtbar (mindestens 30 % mit ADHS) … ist nicht bei allen Kindern mit ADHS nötig … ist nicht immer hilfreich (10-20%) … hat gelegentlich auch deutliche Nebenwirkungen … setzt genaue Diagnostik voraus … muss in der Dosierung genau ausgetestet werden … sollte in Zusammenarbeit mit Kindergarten / Schule überprüft werden … muss eingebettet sein in eine umfassende Beratung … muss häufig mit verhaltenstherapeutischen Interventionen kombiniert werden … muss kontinuierlich überprüft werden … muss meist über Jahre durchgeführt werden Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner 8 Problembereiche Unaufmerksamkeit Hyperaktivität Kind Impulsivität Komorbide Störungen Funktionsbeeinträchtigung Familie Erziehungs- und Beziehungsprobleme Familiäre Belastungen, psychische Störungen der Eltern Schule Gleichaltrige Lernschwierigkeiten und Schulversagen Negative Lehrer-Schüler-Beziehung Negative Beziehung zu Gleichaltrigen Erfordert multimodale Interventionen Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner Interventionen Psychoedukation Patientenzentriert Spiel- / Selbstinstruktionstraining Selbstmanagement Pharmakotherapie Elternzentriert Schulzentriert Psychoedukation Eltern-Kind-Therapie Psychoedukation Verhaltensinterventionen in der Schule Döpfner, Frölich & Lehmkuhl (2000). Hyperkinetische Störungen. Leitfaden Kinder und Jugendpsychotherapie, Band 1. Göttingen: Hogrefe. © M. Döpfner 9