Einführung einer neuen Krankenversicherung in U

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Einführung einer neuen Krankenversicherung in Uganda
Wolfgang Greiner
Auf Einladung der ugandischen Regierung
fuhren im Sommer 1996 Prof. Dr. J.-M.
Graf v. d. Schulenburg und Dipl.-Ök.
Wolfgang Greiner zu einem Forschungsaufenthalt nach Kampala, der Hauptstadt
des ostafrikanischen Staates Uganda.
Kernpunkt der Studie war eine Beratung
über Pilotprojekte zur Einführung einer
gesetzlichen Krankenversicherung. In dem
früheren englischen Kolonialstaat besteht
nach dem Gesetz freier Zugang zu ärztlichen Leistungen und Medikamenten, was
allerdings in der Praxis kaum der Realität
entspricht.
Uganda gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Erde mit einem durchschnittlichen
Bruttosozialprodukt pro Kopf von etwa
200 US-$. Die öffentlich angestellten Ärzte und Pflegekräfte sind aus diesem Grund
selbst für afrikanische Verhältnisse nur
unzureichend bezahlt. Die Folgen sind eine
niedrige Arbeitsmotivation, ein hohes Maß
an Korruption und viele Fehltage, da man
üblicherweise noch einem zweiten Arbeitsverhältnis nachgeht. Die Patienten
sind aus diesem Grund gezwungen, zusätzliche Zahlungen zu leisten, um eine angemessene Behandlung zu erhalten (z. B. für
Behandlungen in privaten oder kirchlichen
Kliniken, Medikamente oder Handgelder
an das Personal). Nicht selten kommt es
auf diese Weise zu langen Wartelisten.
Ärmere Bevölkerungsschichten werden
teilweise ausgeschlossen, da sie sich die
Selbstbeteiligungen und anderen Zahlungen aus eigener Tasche nicht leisten können.
Präventionsmaßnahmen im Gesundheitssektor haben für das Entwicklungsland
neben der humanitären auch eine große
volkswirtschaftliche Bedeutung. Bei Mortalität und Morbidität stehen Infektions-
krankheiten wie Malaria immer noch an
erster Stelle, und HIV/AIDS ist bei der
erwachsenen Bevölkerung mittlerweile
eine bedeutende Todesursache. In den letzten Jahren konnte durch eine umfassende
Aufklärungskampagne der WHO die Zahl
der Neuinfektionen allerdings erheblich
gesenkt werden.
Für die Einführung von Krankenversicherungen bestehen eine ganze Reihe von Optionen, wobei es keine Variante gibt, die in
jeder Hinsicht ideal ist. Bei der Entscheidung für ein Krankenversicherungsmodell
ist auch zu beachten, daß durch eine Versicherungslösung zur Finanzierung von
Krankheitskosten volkswirtschaftlich auch
in einem Entwicklungsland keine zusätzlichen Mittel generiert werden, sondern daß
sich durch die Einführung von Parafisci
zunächst nur die Allokations- und Distributionsmechanismen der Volkswirtschaft
ändern.
Private Krankenversicherungsgesellschaften haben in Uganda erst vor kurzer Zeit
ihre Tätigkeit aufgenommen. Allerdings
können sich zur Zeit nur wenige Bürger
einen privaten Krankenversicherungsschutz leisten, da die Prämien ca. 150 US-$
pro Jahr betragen.
Für die Einführung einer beitragsfinanzierten, gesetzlichen Krankenversicherung ist
das Vorliegen formaler Beschäftigungsverhältnisse eine wichtige Voraussetzung.
Nur auf diese Weise können die Beiträge
als Prozentsatz des Einkommens erhoben
werden. In Uganda erhalten zur Zeit allerdings erst etwa 10 % der berufstätigen Bevölkerung ein Einkommen aus formaler
Beschäftigung. Schon aus diesem Grund
ist die Einführung einer umfassenden gesetzlichen Krankenversicherung erst auf
lange Sicht möglich.
Weiterhin unterscheiden sich die sozialen
und ökonomischen Gegebenheiten in Uganda sehr stark zwischen den städtischen
und ländlichen Gebieten, in denen formale
Beschäftigung noch weniger verbreitet ist.
Aus diesem Grund wurden im Rahmen des
Beratungsprojektes zwei verschiedene
Modelle ausgearbeitet, die bei der Vorbereitung eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes in Uganda den unterschiedlichen sozialen Umständen der
verschiedenen
Bevölkerungsgruppen
Rechnung tragen. Langfristig sollen die
beiden Systeme zu einem Gesamtsystem
führen, in dem die gesamte Bevölkerung
Ugandas Schutz vor dem Krankheitskostenrisiko findet.
Zu diesem Zweck wurden für die städtischen Bereiche Ugandas, also vor allem
den Ballungszentren um Kampala und Entebbe sowie der Stadt Jenja, sogenannte
"Mutual Health Funds (MHFs)" vorgeschlagen. Diese den deutschen Krankenkassen ähnlichen Institutionen sollen von
Unternehmen oder Unternehmensgruppen
mit mindestens 500 Beschäftigten auf
freiwilliger Basis gegründet werden, wobei
alle Erwerbstätigen dieser Firmen mit ihren
Familien Mitglied werden. Die Beiträge
sollen einem bestimmten Prozentsatz des
Einkommens betragen und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden.
In der Pilotphase sollen Erfahrungen mit
der Versicherung öffentlich Bediensteter
von Kampala, Entebbe und Jenja gesammelt werden. Dabei soll aber zumindest
auch eine private Firma überzeugt werden,
eine Krankenkasse zu gründen, um die
Realisierbarkeit des Modells im privaten
Sektor nachzuweisen.
Das Leistungspaket der Mutual Health
Funds kann vom jeweiligen Vorstand autonom festgelegt werden. Nur ein Minimumpaket, das ausgeweitet werden kann,
sollte im Sozialversicherungsgesetz Ugandas festgelegt werden. Darüber hinaus
können auf aktuarischer Prämienbasis auch
Zusatztarife von den Kassen angeboten
werden (z. B. für die Behandlung als Privatpatient, Einzelzimmer oder Spezialis-
tenbehandlung). Versicherte können nicht
aus der Krankenkasse ausgeschlossen werden, solange sie dem betreffenden Betrieb
angehören. Um exzessive Ausgabensteigerungen zu vermeiden, sind von den Patienten Selbstbeteiligungen bei jedem ambulanten Arztbesuch, für stationäre Behandlungen und Medikamente zu zahlen.
Für ländlichen Regionen Bereiche werden
sogenannte "Local Health Care Plans
(LHCP’s)" vorgeschlagen. Dieses Modell
basiert auf der Zusammenarbeit mit einem
regionalen Krankenhaus, das in seinem
Einzugsbereich für gute Qualität der Behandlung bekannt ist. Sogenannte "informelle Zahlungen" an das Personal (Korruption) sind bei diesen Häusern absolut
verboten. Dieses Krankenhaus arbeitet eng
mit einer Vertrauensperson der umliegenden Gemeinden zusammen, die auch den
Einzug der Prämien übernimmt.
Die Mitglieder der Local Health Care
Plans zahlen vierteljährliche Beiträge für
jede einzelne versicherte Person, wobei
Familien einen geringen Prämiennachlaß
pro Kopf erhalten. Der LHCF wird von
einem Prozeßmanager geleitet, der eng mit
dem Buchhalter des Krankenhauses sowie
einer Person für die Verkaufsförderung
zusammenarbeitet. Die Mitglieder erhalten freien Zugang zu den Leistungsanbietern des LHCP, während Nichtmitglieder
die üblichen kostendeckenden Gebühren
für jede Leistung zahlen.
Das langfristige Ziel dieses Beratungsprojektes, dessen Umsetzung schon zu Beginn
des Jahres 1997 beginnen soll, ist eine umfassende Versicherung gegen das Krankheitskostenrisiko für alle Bürger Ugandas.
Dies kann nur erreicht werden, wenn sich
die ökonomischen Gegebenheiten in Uganda verbessern und mehr Personen Einkommen aus einem regelmäßigen Beschäftigungsverhältnis beziehen, das ihnen wirtschaftliche Sicherheit garantiert und an das
weitere soziale Sicherungssysteme angeknüpft werden können. Eine positive Entwicklung in der Gesundheitsversorgung
kann somit nicht unabhängig von dem ö-
konomischen Fortschritt des Landes erzielt
werden.
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