Sozialismus Heft 4-2017 | 43. Jahrgang | EUR 7,00 | C 12232 E www.Sozialismus.de Heinz Bierbaum: Kein Politikwechsel im Saarland Horst Kahrs: Nationalismus & globale Verteilung R. Pond: Europäische Tarif­ politik – neue Koordinierung Ursula Schumm-Garling: Solo-Selbständigkeit R. Hinke: Neue Lohnkonflikte in Ostdeutschland Forum Gewerkschaften s. alismu nter i z o S Sie u chrift tszeits halt finden a n o er M n In heft l aus d en weitere e k i Probe ellen. t r n d i A r e . n e e s i üb est s.d fall st e Dies i ormationen .sozialismu en Sie eben nnement b o f w n b ön ww in A In Dort k bzw. e Nur im Netz: Die Redaktion veröffentlicht regelmäßige Beiträge zwischen den monatlichen Printausgaben auf www.sozialismus.de Die Zukunft Europas Heft Nr. 4 | April 2017 | 44. Jahrgang | Heft Nr. 417 Vor-Wahlen Heinz Bierbaum: Die Wahlen im Saarland – der Wechsel bleibt aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Britain last, America first? Hinrich Kuhls: Renationalisierung und Desintegration Zum Start der Brexit-Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Joachim Bischoff: Donald Trump & die neue Weltordnung Wird auf dem G20-Gipfel ein Währungs- und Wirtschaftskrieg eröffnet? . . . . . . . . 8 60 Jahre nach Unterzeichnung der Gründungsverträge, die die Europäische Union auf den Weg brachten, steht Europa am Scheideweg. Die existenzielle Krise der EU wurde nicht zuletzt beim britischen Referendum für den Brexit deutlich. ... Bündnis von Sozialdemokraten mit Rechtspopulisten? Rechtspopulisten unter Druck? Horst Kahrs: Neuer Nationalismus – Verteidigungsstrategie in globalen Verteilungskämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Joachim Bischoff/Bernhard Müller: Für was steht die Alternative für Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Bernhard Sander: Frankreich wählt – »Entdiabolisierter« Rechtspopulismus & »Projekt« Macron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Forum Gewerkschaften Sind wir gerade Zeuge, wie ein Bündnis der Sozialdemokratischen Partei Dänemarks mit der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF) entsteht? Und wenn ja, was bedeutet das für Europa? ... Mehr als Aufbruchsstimmung Richard Pond: Eine neue Art der Koordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Otto König/Richard Detje: Der Traum von Größe Die Übernahme von Opel/Vauxhall durch PSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Robert Hinke: Gelegenheitsfenster für neue Lohnkonflikte Befunde gewerkschaftlicher Revitalisierung in Ostdeutschland . . . . . . . . . . . . . . 48 Arbeit heute & morgen Ursula Schumm-Garling: Solo-Selbständigkeit – Zukunft der Beschäftigung!? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Mit der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz haben die Sozialdemokraten in Deutschland eine beeindruckende Erholung ihrer Popularitätswerte erreicht. In den fünf Wochen seit der Nominierung zum Kanzlerkandidaten hat die SPD nach eigenen Angaben mehr als 10.000 neue Mitglieder registriert. ... Reform der Währungsunion? Michael Wendl: Mit der »Modern Money Theory« aus der Krise? Zur Kritik von Günther Grunert und Walter Tobergte an Klaus Busch & Co. . . . . . 61 Impressum | Veranstaltungen | Film Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Veranstaltungen & Tipps. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Klaus Schneider: Zwischen den Jahren (Filmkritik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 www.sozialismus.de Sozialismus 4/2017 1 Für was steht die Alternative für Deutschland? AfD-Köpfe am 9.3.2017 in Berlin vor der Vorstellung des Bundestagswahlprogramms (Foto: dpa) von Joachim Bischoff und Bernhard Müller Die neueren demoskopischen Umfragen bestätigen: Der SPD ist mit den Veränderungen ihres Führungspersonals und programmatischen Verschiebungen im Kompetenzfeld der sozialen Gerechtigkeit ein nachhaltiger Ausbau ihrer Zustimmungswerte auf über 30% gelungen. Die SPD hat nach eigenen Angaben mehr als 10.000 neue Mitglieder gewonnen. Die Oppositionsparteien – Grüne, Linkspartei und AfD – haben an Zustimmung verloren. Die Alternative für Deutschland schwankt bei der Sonntagsfrage um Werte zwischen 8,5% und 11%. Mit diesen Werten kann die rechtspopulistische Partei deutlich ihre Position gegenüber den Bundestagswahlen 2013 ausbauen. Auch wenn die AfD in den Umfragen aktuell etwas schlechter abschneidet, dürfte sie doch bei der Bundestagswahl im September die Fünf-Prozent-Hürde überwinden (siehe Abbildung 1). Sie selbst hat sich zum Ziel gesetzt, als drittstärkste Fraktion in den Bundestag einzuziehen. Die Rechtspartei taxiert ihr Stimmenpotential auf www.sozialismus.de ca. 20%, das sie bei der Bundestagswahl möglichst ausschöpfen möchte. In einem parteiinternen Strategiepapier »AfD-Manifest 2017« wird vorgeschlagen, die Partei »deutlicher gegen Rechtsaußen« abgrenzen, weil sich viele WählerInnen in der »politischen Mitte« verorten. Umgekehrt dürfe diese Ausrichtung an der politischen Mitte nicht dazu führen, dass »die AfD in ihrem heutigen Potenzial an Zustimmung verliert und sich an Inhalt und Stil zu sehr den Altparteien annähert«. Diese Strategie hat sich im Entwurf des Wahlprogramms für den Bundestag niedergeschlagen, der Anfang März der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Im Zentrum steht dabei die rechtspopulistische Zielvorstellung »Dem Volk die Staatsgewalt zurückgeben«. Begründet wird diese Leitlinie durch eine für rechtspopulistische Parteien und Bewegungen charakteris­ Joachim Bischoff ist Mitherausgeber, Bernhard Müller ist Redakteur von Sozialismus. Sozialismus 4/2017 25 tische Sichtweise: »Heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat. Sie hat die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten. Es hat sich eine politische Klasse herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt. Nur das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland kann durch das Mittel der unmittelbaren Demokratie diesen illegalen Zustand beenden.«/7/1 Die für den Rechtspopulismus charakteristische Gegenüberstellung von politischem Establishment und wahrem, als homogen unterstellten Volk ist das Zentrum der politischen Konzeption der AfD. »Die Allmacht der Parteien und deren Ausbeutung des Staates gefährden unsere Demokratie. Diese Allmacht ist auch Ursache der verbreiteten Politikverdrossenheit und der freiheitsbeschränkenden ›politischen Korrektheit‹ sowie des Meinungsdiktats in allen öffentlichen Diskursen.« /8/ Nur direkt-demokratische Entscheidungen des Volkes, also Volksbegehren und Volksentscheide, könnten die Parteien wieder in das demokratische System integrieren. Der Machtanspruch der Parteien müsse darüber hinaus durch weitere Maßnahmen begrenzt werden. Dazu sollen u.a. gehören: Trennung von Amt und Mandat, Begrenzung von Amtszeiten, Obergrenzen für die Finanzmittel der Parteien und striktere Regeln für die Nebentätigkeit der Regierenden. Rückgewinnung nationaler Souveränität Um die Fehlentwicklung durch die herrschenden Eliten zu überwinden, will die AfD »die Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und der Subsidiarität, die Selbstentfaltung von Familie, Bürgergesellschaft und gelebter Tradition, die Souveränität in der Währungs- und Geldpolitik ebenso wie im Verfügungsrecht über unsere Grenzen« wiederherstellen. »Die Entscheidung über die Grenzen, den Zuzug, die Zuwanderung und die Staatsbürgerschaft sind ein unveräußerlicher Bestandteil der Souveränität eines Landes«, heißt es im Grundsatzprogramm. Damit aus Deutschland kein »verlorenes Paradies« werde, müsse vor allem die nationale Souveränität wieder hergestellt werden. »Ein Staat, der das Grenzregime und damit die Hoheit über sein Staatsgebiet aufgibt, löst sich auf. Er verliert seine Eigenstaatlichkeit.«/6/ Gegenüber dem überbordenden Macht- und Verwaltungsapparat der Europäischen Union helfe nur die Aufwertung des Nationalstaates. »Sofern eine solche Konzeption mit den derzeitigen Partnern der EU nicht einvernehmlich auszuhandeln ist, ist Deutschland gezwungen, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen und aus der bestehenden EU auszutreten.« /ebd./ Zur Renationalisierung gehört der Rückzug aus dem Euro: »Die Geschäftsgrundlage des Euro war: keine Haftung für die Schulden anderer Länder und keine Staatsschulden über 60% des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Diese Regeln sind zerstört worden. Deshalb muss Deutschland die Transferunion aufkündigen und den Euroraum verlassen.« /12/ Der Euro und die damit zusammenhängenden Rettungsmaßnahmen oder Vorschläge für eine EU-Wirtschaftsregierung seien illegitime und illegale Eingriffe in die demokratischen Entscheidungs- 26 Sozialismus 4/2017 Abb. 1: Entwicklung der Wahlabsichten für die AfD 10% 5% Allensbach Forsa 01.2015 07.2015 01.2016 07.2016 01.2017 Quelle: Bundestagswahl-2017.com strukturen der beteiligten Nationalstaaten. Die von der EZB praktizierte »Währungspolitik der unwirtschaftlichen Zinsen (Nullzinspolitik)« zerstöre zudem »alle kapitalgedeckten Alterssicherungssysteme von Betriebsrenten über staatlich geförderte Rentensysteme, private Lebensversicherungen bis zu privaten Sparvermögen. Seit dem Amtsantritt von Gouverneur Draghi fehlen rund 500 Mrd. Euro für die Altersvorsorge der Deutschen.« Deshalb: Raus aus dem Euro, auch wenn »die Rückabwicklung einer fast 20 Jahre zurückliegenden Fehlentscheidung finanziell schwierig sein wird. Solche Kosten werden jedoch niedriger sein als die eines weiteren Verbleibs im Eurosystem, da dessen weitere Entwicklung bezüglich der Fremdhaftung und der Zinseinbußen unabsehbar und daher nicht zu begrenzen ist.« /13/ Die Souveränität des deutschen Nationalstaates ist neben der Unterordnung unter das europäische Politikregime vor allem gestört durch die wachsende Zahl der »Fremden«. Angesichts der »massenhaften, globalisierten Wanderungsbewegungen« pocht die AfD auf »Selbsterhaltung, nicht Zerstörung unseres Staates und Volkes.« /25/ Dafür seien rigorose Maßnahmen erforderlich. Erstens sollen alle nationalen Grenzen, an denen eine unkontrollierte Zuwanderung stattfindet, geschlossen werden. »Die Grenzen müssen umgehend geschlossen werden, um die ungeregelte Massenimmigration in unser Land und seine Sozial­ systeme durch überwiegend beruflich unqualifizierte Asylbewerber sofort zu beenden. Eine erfolgreiche Integration all dieser Menschen, darunter ein beträchtlicher Anteil von Analphabeten, ist unmöglich. Wir brauchen über mehrere Jahre diesbezüglich eine Minuszuwanderung von mindestens 200.000 Personen pro Jahr.« /26/ Um den Zuzug aus anderen EU-Ländern zu bremsen, sollen Sozialleistungen für zugereiste EU-BürgerInnen beschränkt werden. Darüber hinaus müssen auch für alle Asylbewerber andere Standards gelten: »Sozial- und Gesundheitsleistungen für Asylbewerber dürfen keine Anreizwirkung entfalten und sind auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Es muss der Grundsatz gelten: ›Sachleistungen vor Geldleistungen‹.« Personen, die sich »illegal« auf deutschem Hoheitsgebiet aufhalten, seien außer Landes zu bringen. Das Dublin-Abkommen www.sozialismus.de und die europäische Asylpolitik seien gescheitert. Sollte keine Vereinbarung über einen gesamteuropäischen Lastenausgleich bei der Verteilung von Flüchtlingen und Transferzahlungen zustande kommen, sollen alle Schutzsuchenden in die Länder zurückgebracht werden, aus denen sie nach Deutschland gekommen sind. Dann seien auch die nationalen Grenzen wieder zu schließen. Zweitens will die AfD, um die »Einwanderung in die Sozial­ systeme« zu unterbinden, die Möglichkeiten des Familiennachzugs beenden. »Wir lehnen jeglichen Familiennachzug für Flüchtlinge ab, da die deutschen Sozialsysteme diese Lasten nicht tragen können. Entfällt der Fluchtgrund im Herkunftsland anerkannter Flüchtlinge, endet in aller Regel deren Aufenthaltserlaubnis. Sie müssen zurückkehren. Insbesondere der Schutz vor Bürgerkrieg ist rein temporär ausgelegt und darf nicht zu einer Einwanderung durch die Hintertür führen.« Drittens: »Führen diese Maßnahmen nicht mindestens zu einer Null-Zuwanderung, muss ein Gesetz eine absolute Belastungsgrenze definieren, ab deren Erreichen zum Schutz Deutschlands keinerlei Asylbewerber mehr aufgenommen werden.« /28/ Viertens aber will die AfD zur Wiederherstellung der nationalen »Souveränität bei jeder Form der Zuwanderung« deutsches und internationales Recht brechen. »Der massenhafte Missbrauch des Asylgrundrechts muss durch eine Grundgesetz­ änderung beendet werden. Aus demselben Grund müssen die veraltete Genfer Flüchtlingskonvention und andere supra- und internationale Abkommen neu verhandelt werden – mit dem Ziel ihrer Anpassung an die Bedrohung Europas durch Bevölkerungsexplosionen und Migrationsströme der globalisierten Gegenwart und Zukunft.« /27/ Im Zusammenhang mit der »Flüchtlingsfrage« kommt denn auch eine Art Verschwörungstheorie zum Tragen. Hinter der massiv gestiegenen Bewegung der Schutzsuchenden, die das »deutsche Volk zu überfremden droht«, vermutet die AfD eine bewusste Strategie der »derzeitigen Regierungsparteien«, um den markanten demografischen Trends entgegenzuwirken. Diese setzten zu deren Lösung »auf eine fortgesetzte, von Bedarf und Qualifikation abgekoppelte Masseneinwanderung hauptsächlich aus islamischen Staaten«. Hier kann sich das rechtspopulistische Ressentiment dann voll entfalten: »Dabei hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass insbesondere muslimische Migranten in Deutschland nur ein unterdurchschnittliches Bildungs- und Beschäftigungsniveau erreichen. Dass die Geburtenrate unter Migranten mit >1,8 deutlich höher liegt als unter deutschstämmigen Frauen, verstärkt den ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur.« (Grundsatzprogramm) Statt »Massenzuwanderung« sieht die AfD als einzig sinnvolle Lösung für die demografische Entwicklung, und damit sind wir bei einem der Kernanliegen der AfD, der Wiederaufwertung der Familie. bens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit«. Das Grundgesetz soll aber für den Islam nur mit Einschränkung gelten. »Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In der Ausbreitung des Islam und der Präsenz von über 5 Millionen Muslimen, deren Zahl ständig wächst, sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung.« /31/ Um das Eindringen in die »deutsche Kultur« zu verhindern, soll Schluss sein mit der Diffamierung von Islamkritik als Islamophobie oder Rassismus. »Einer Diffamierung rationaler Religionskritik als ›Islamophobie‹ oder ›Rassismus‹ tritt die AfD entgegen. Wir fordern jedermann dazu auf, solche Polemik durch intellektuellen Diskurs zu ersetzen.« /ebd./ Um die Diskriminierung des Islam zu vervollständigen fordert die AfD, die Auslandsfinanzierung von Moscheen zu unterbinden und das Minarett als islamisches Herrschaftssymbol ebenso wie den Muezzinruf abzulehnen. »Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftszeichen ebenso ab wie den Muezzin-Ruf, nach dem es außer dem islamischen Allah keinen Gott gibt. Es handelt sich hierbei um religiösen Imperialismus.« Zur Rückgewinnung der »nationalen Souveränität« gehört schließlich auch die Aufwertung und Aufrüstung der Bundeswehr. Sie soll die nationalen Grenzen und Deutschlands Rolle in der Welt absichern. Priorität in der Außenpolitik soll fortan die »Sicherung der deutschen Interessen« haben. Freihandelsabkommen lehnt die AfD ab, »wenn diese intransparent und ohne ausgewogene Interessenwahrung der beteiligten Parteien gestaltet sind und unzulässig in nationales Recht eingreifen«. /28/ Die innere Sicherheit soll durch einen »sicherheitspolitischen Befreiungsschlag« wiederhergestellt werden, was bedeutet: Stärkung des Polizeiapparates und deutliche Verschärfung des Strafrechts. Innenpolitisch fordert die AfD, ganz im Sinne der im bürgerlichen Lager in eine Minderheit gedrängten rechtskonservativen Positionen, Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen, den Mittelstand zu stärken, die nationalen Finanzen und Wirtschaft neu ordnen, die Sozialsysteme zu reformieren und die Familie aufzuwerten. Diese Re-Nationalisierung wird abgerundet durch eine Neuordnung der »nationalen Finanzen«: So soll die »Schuldenbremse« durch eine »Steuer- und Abgabenbremse« ergänzt werden. »Die AfD ist für eine Abschaffung der Erbschaftsteuer als Substanzsteuer und gegen die Reaktivierung der Vermögensteuer. Intakte Familien denken und leben in Generationenzusammenhängen. Die Übergabe von Vermögen – auch und gerade in Unternehmen gebundenes – ist Privatangelegenheit und darf nicht dem Staatszugriff ausgesetzt werden.« /46/ Kompetenzfeld »Soziale Gerechtigkeit« Hinzu kommen »Reformen« in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die zu mehr »Leistungsgerechtigkeit« führen sollen – allerdings nur für die deutsche Bevölkerung. Mit dieser für den Islamophobie In Sachen Islam und Menschen muslimischen Glaubens bedient die AfD rigoros die in der Gesellschaft vorhandenen Vorurteilsstrukturen. So anerkennt sie zwar »uneingeschränkt die Glau- www.sozialismus.de 1 Alternative für Deutschland: Wahlprogramm für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2016. Leitantrag der Bundesprogrammkommission zum Bundesparteitag am 22./23.04.2017 in Köln. Zitate, soweit nicht anders vermerkt, aus diesem Wahlprogrammentwurf. Sozialismus 4/2017 27 Rechtspopulismus typischen rassistischen Ausgrenzungslogik will die AfD ihre Vorschläge finanzieren. In Sachen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik korrigiert die AfD die Positionen ihres Grundsatzprogramms signifikant. »Es gilt die hohe Kinderarmut und die drohende Altersarmut zu bekämpfen. Eine Vielzahl von Arbeitslosen ist in Beschäftigung zu bringen. Die Infrastruktur unseres Landes ist in Teilen heruntergewirtschaftet, ohne dass dies in den öffentlichen Haushalten abgebildet wird. Die Stabilisierung der Sozialsysteme erfordert bei einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung besondere Anstrengungen.« So fordert sie in der Arbeitsmarktpolitik neben dem Erhalt des gesetzlichen Mindestlohns Maßnahmen zur Begrenzung von prekärer Beschäftigung wie eine Obergrenze von 15% von Beschäftigten mit Leih- und Werkverträgen und den Übergang von Zeitarbeit nach sechsmonatiger Beschäftigungszeit in eine Festeinstellung. In der Sozialpolitik will die AfD eine stärkere Mitfinanzierung der Renten durch Steuermittel, »um die Beiträge der arbeitenden Menschen in erträglichen Grenzen zu halten«. /50/ Die Rente soll zukünftig nach Lebensarbeitszeit, nicht nach Lebensalter gewährt werden. Durch »Arbeitsleistung und andere anrechenbare Zeiten, zum Beispiel Erziehungszeiten, erworbene Rentenansprüche (sollen) mit einem angemessenen Aufschlag zur Grundsicherung Berücksichtigung finden.« »Gerechtigkeit« will die AfD auch beim Arbeitslosengeld. »Die AfD setzt sich deshalb bei einer Vorbeschäftigung von mindestens zehn Jahren für eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld 1 ein und für höhere Arbeitslosengeld-2-Leistungen, sofern diese im Anschluss daran zu gewähren sind.« Schließlich plädiert die AfD für die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung. Unstrittig war in der AfD das Hohelied auf Volk und Familie. »Der Erhalt des eigenen Staatsvolks ist vorrangige Aufgabe der Politik und jeder Regierung. Dies kann in der derzeitigen demographischen Lage Deutschlands nur mit einer aktiven Bevölkerungspolitik gelingen.« Die AfD stemme »sich gegen diesen Trend zur Selbstabschaffung und will Deutschlands Gesellschaft von Grund auf familien- und kinderfreundlicher gestalten.« Staatliche Institutionen wie Krippen, Ganztagsschulen, Jugendämter und Familiengerichte griffen immer mehr in das Erziehungsrecht der Eltern ein. Gender Mainstreaming und die generelle Betonung der Individualität untergrabe die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit. Um dem zu begegnen fordert die AfD u.a., dass »Ehe, Familie, Haushaltsführung und Kindererziehung (…) in den Lehrplänen und Schulbüchern aller allgemeinbildenden Schulen (wieder) eine positive Berücksichtigung finden«, für Familienarbeit, wie z.B. Pflege, Sozialversicherungsansprüche, ein Baby-Begrüßungsgeld, einen längeren Anspruch von Eltern auf Arbeitslosengeld I und ein Familiensplitting. Äquivalenzprinzip à la AfD Nun kosten die Reformvorschläge der AfD in Sachen Steuer-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Familienpolitik viel Geld – Geld, das gegenwärtig von Europa und »den Fremden« absorbiert werde, so die AfD. »Unsere begrenzten Mittel stehen deshalb nicht für 28 Sozialismus 4/2017 eine unverantwortliche Zuwanderungspolitik, wie sie sich kein anderes europäisches Land zumutet, zur Verfügung. Sowohl die Euro-Rettungspolitik als auch die Niedrigzinspolitik der EZB erschweren diese schicksalshaft notwendige Reformpolitik für Deutschland. Auch deshalb müssen die Weichen für den Euro und Europa völlig neu gestellt werden.« /49/ Der Sozialstaat könne nur erhalten bleiben, »wenn die geforderte finanzielle Solidarität innerhalb einer klar definierten und begrenzten Gemeinschaft erbracht wird. Eine Auflösung des Nationalstaats führt unweigerlich zur Gefährdung unserer gewohnten sozialstaatlichen Errungenschaften.« /ebd./ »Klar definierte und begrenzte Gemeinschaft heißt«, dass bestimmte Teile der Bevölkerung, die nicht zum »Staatsvolk« gehören, von Ansprüchen an öffentliche Leistungen ausgeschlossen werden. Gelingt es auf diese Weise den Strom der Zufluchtsuchenden zu unterbinden und auch die Ansprüche der hier lebenden MigrantInnen auf das Notwendigste zu begrenzen, stünden ausreichend Mittel zur Verfügung, das Programm der »nationalen Restauration« zu finanzieren. Zu dieser Ausgrenzungslogik heißt es im »AfD-Manifest 2017«: »Soziale Gerechtigkeit ist für die AfD untrennbar damit verknüpft, dass eine massenhafte Einwanderung und die Begeisterung des rotgrünen Mainstreams für Multi-Kulti unweigerlich das Äquivalenzprinzip infrage stellt, das die Basis des sozialen Rechtsstaats ist: wer für die Gemeinschaft Leistungen erbringt (Steuern und Sozialbeiträge, Erziehung von Kindern, Übernahme von Verantwortung von Pflegefällen etc.) hat auch einen Anspruch auf die Unterstützung der Gemeinschaft. Deshalb müssen diejenigen, die in Deutschland seit Jahren leben und ihren Beitrag für Stabilität und Solidität unseres Landes leisten, Vorrang vor Neuankömmlingen und Trittbrettfahrern genießen.« Die AfD lehnt also eine Umverteilung von den höheren Einkommens- und Vermögensschichten nach unten, von Wohlhabenden zu Ärmeren ab. Sie propagiert stattdessen eine ethnische Version der Umverteilung: Vorrang für das eigene Volk gegenüber den Fremden. Die Grundvorstellung besteht darin, dass »Deutsche« einen Anspruch auf soziale Leistungen haben und andere nicht. Zur sozialen Basis des Rechtspopulismus Gründe für den Aufwärtstrend von Nationalismus, Rassismus und Rechtspopulismus in den kapitalistischen Gesellschaften sind wirtschaftliche und kulturelle Verlustängste. Zu verstehen ist die Herausbildung dieser Gefühlslage bei vielen StaatsbürgernInnen – oder in der Formulierung der Soziologin Illouz: »Trump ist nicht so sehr das Resultat ideologischer Überzeugungen (außer für eine Minderheit), sondern das Resultat einer immensen Wut ohne Adressaten, die sich in der amerikanischen Gesellschaft aufgebaut hat.«2 Diese immense Wut entwickelt sich über längere Zeiträume, findet schließlich einen Adressaten im politischen System und mündet in einer Konfrontation der selbsternannten Vertreter des »Volkes« gegen die wirtschaftliche und politische Elite der verschiedenen Länder oder Nationen. Populistische »Bewegungen« sind Anti-EstablishmentParteien und geben gleichzeitig vor, für das »wirkliche Volk« zu stehen – im Unterschied, so der Vorwurf, zu den anderen Par- www.sozialismus.de teien, die das nicht mehr tun. Das ist der Kern des Populismus. Die Anrufung des Volkes erhält gesellschaftliche Relevanz in einer Auflösung hegemonialer Machtblöcke (Hegemoniekrise). Es geht darum, einen neu formierten Block sozialer Kräfte gegen die bisherige wirtschaftliche und politisch-kulturelle Elite in Konfrontation zu positionieren. Die AfD schätzt in ihrem AfD-Manifest 2017 das eigene Potential auf 20% der Wahlberechtigten, was ziemlich nahe an der Realität liegen dürfte, und macht dabei fünf Zielgruppen aus: n WählerInnen aus allen sozialen Schichten, die der EU kritisch gegenüberstehen; n bürgerlich-liberale WählerInnen mit liberal-konservativer Wertorientierung; nProtestwählerInnen; nNichtwählerInnen; n BürgerInnen mit »unterdurchschnittlichem Einkommen (›kleine Leute‹) in sog. ›prekären Stadtteilen‹, die sich dem dortigen Trend zur Ausnutzung von Sozialleistungen und zu Verwahrlosung entgegenstellen«. In der Selbsteinschätzung der AfD kommen diese WählerInnen aus »allen Schichten der Bevölkerung«. In der politischen Debatte wird dagegen häufig die Hypothese vorgebracht, dass vor allem die unterste soziale Schicht für diesen massiven Legitimitätsverlust des politischen Systems und damit für den Vormarsch rechtspopulistischer Parteien wie der AfD verantwortlich sei. Diese These ist empirisch und theoretisch fragwürdig. Der Sachverhalt ist komplizierter: Auch die untere soziale Schicht ist von dem Establishment enttäuscht, verspricht sich aber von Wahlen keine Besserung mehr. Europaweit gilt: Je prekärer die sozialen Lebensverhältnisse, desto geringer ist die Wahlbeteiligung. Daraus folgt, dass wachsende regionale und soziale Unterschiede zu politischer Ungleichheit führen. Je prekärer die Lebensverhältnisse in einem Stadtviertel, desto weniger Menschen gehen wählen. Schlussfolgerung: Die sinkende Wahlbeteiligung ist in Euro­pa Ausdruck einer zunehmend ungleichen Wahlbeteiligung, hinter der sich eine soziale Spaltung der Wählerschaft verbirgt. Das politische System Europas basiert auf einer tiefen sozialen Spaltung und die demokratische Willensbildung wird zu einer immer exklusiveren Veranstaltung der BürgerInnen aus den mittleren und oberen Sozialmilieus der Gesellschaften, während die sozial schwächeren Milieus deutlich unterrepräsentiert bleiben. Die Ergebnisse von Langzeituntersuchungen in westlichen Demokratien belegen insgesamt: Mit der sozialen Ungleichheit wächst auch die politische Ungleichheit, zunächst im Sinne ungleicher Partizipation. Es kommt zu einer »Wirkungskette aus wachsender sozialer Ungleichheit, ungleicher politischer Partizipation und schließlich Entscheidungen zugunsten der politisch Aktiven (...), in deren Folge die Nichtbeteiligten benachteiligt werden« (Schäfer 2015: 88). Dieser Befund, dass vor allem die unteren Einkommens- und Bildungsschichten aus der gesellschaftlich-politischen Willensbildung ausgestiegen sind, macht die Eingrenzung der sozialen Basis der rechtspopulistischen Bewegungen schwierig. Strittig sind in der Debatte über den offenkundigen Bedeutungsgewinn des rechten Populismus vier sozialwissenschaftliche und demokratietheoretische Befunde: Erstens: die Modernisierungsverlierer als Trägerschicht von Populismus. Die Globalisierung habe dazu geführt, dass in den Kernländern des demokratischen Kapitalismus das untere Drit2 Eva Illouz, Gefühle sind nicht das Problem, Interview in der FAS vom 30.1.2017. Karl Marx im Wahljahr Wir wissen nicht, ob die Elbphilharmonie ihre Fassade für Wahlwerbung zur Bundestagswahl 2017 zur Verfügung stellt. Aber wir wissen, dass im 150. Jahr nach Erscheinen des ersten Bandes von Karl Marx’ »Das Kapital« (verlegt in Hamburg) das Thema »Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit« eine zentrale Rolle spielen muss, wenn ein Politikwechsel erreicht werden soll. An dieser Debatte beteiligen wir uns. Eine Spende an Sozialismus kann also ­behilflich sein, Alternativen deutlich zu machen. Das Geld wird nicht an die Elphi gehen – versprochen. Spendenkonto: Richard Detje | Haspa | IBAN: DE28 2005 0550 1268 1209 77 | BIC: HASPDEHH www.sozialismus.de Sozialismus 4/2017 29 30 Sozialismus 4/2017 Tabelle 1: Einkommensgrenzen nach Haushaltstypen Einkommensgrenzen in % des Medianeinkommens. Haushaltsnettoeinkommen im Jahr 2014 Einkommens­grenzen in % Relativ Reiche Mehr als 250 Singleeinkommen in Euro Mehr als 4.400 Einkommensstarke/ Obere Mitte Mitte im engeren Sinne Einkommensschwache/ untere Mitte Relativ Arme 150 bis 250 2.640 bis 4.400 12,9 Mio 80 bis 150 1.410 bis 2.640 38,7 Mio. 60 bis 80 1.050 bis 1.410 13,3 Mio. Weniger als 60 0 bis 1.050 12,5 Mio. Mio. BürgerInnen 3,2 Mio. Basismedianeikommen für Alleinstehende: 1.758 Euro Abb. 2: Wahrgenommene Entwicklung von Armut und Reichtum in Deutschland zwischen 2010 und 2015 Der Anteil armer Menschen … Anteil an allen Befragten (n = 2.021) tel (wenn nicht die untere Hälfte) der Einkommensbezieher über eine Generation hinweg nicht mehr am allgemeinen Anstieg des Wohlstandes partizipiert habe. Zudem seien sie einer größeren Unsicherheit des Arbeitsplatzes und der sozialen Absicherung ausgesetzt. Zweitens: Wut, Ängste und Ressentiments als Nährboden für Rassismus. Angesichts der anhaltenden Tendenz zur Vertiefung der sozialen Spaltung sei die Resignation in eine tiefsitzende Enttäuschung über die Elite umgeschlagen. Drittens: Beim rechten Populismus handele es sich eine umfassende Gegenbewegung zur Logik des Multikulturalismus. Der Aufstieg des Populismus sei eine Reaktion auf einen gesellschaftlichen Wertewandel. Die stille Revolution der 1970er Jahre habe zu einer konterrevolutionären Gegenbewegung mit einer Renaissance von nationalkonservativen, familienbezogenen Wert­ orientierungen geführt. Viertens: Die Krankheit der Demokratie habe einen Ausstieg des unteren Drittels aus der Partizipation und Kommunikation verursacht. Die mittelschichtsdominierte Schrumpfversion des »Volkes« gründet in einer Deformation der politischen Willensbildung. Die unteren sozialen Schichten sind in der Willensbildung und Repräsentation kaum mehr präsent. Die Mittelschichten sind in Parteien und Politik überrepräsentiert. Sie dominieren die Medien und große Teile der Zivilgesellschaft. Ausgangspunkt ist die immense Wut eines Teiles der Bevölkerung auf die Legitimität der gesellschaftlichen Ordnung, ihrer Institutionen und ihrer leitenden Akteure. Durch verschwörungstheoretische Argumentationen und Kampagnen werden die unterliegenden Ressentiments verstärkt. Wesentlich ist heute die völkisch grundierte Angst vor einer »Islamisierung des Abendlandes«, ein moderner Mythos ohne empirische Bodenhaftung. In allen Ländern verweisen »empirische Analysen ... darauf, dass es weniger die de facto prekäre soziale Lage ist, die rechtspopulistische Einstellungen hervorruft, als vielmehr die subjektive Einschätzung der eigenen Lage, vor allem im Vergleich zu anderen, und subjektive Bedrohungsgefühle – diese sind längst nicht immer identisch und Ausdruck der vorhandenen sozialen Lage … Vielleicht wird schlicht ein verbreitetes und auch bequemes ›Negativ-Narrativ‹ über die eigene Lage, angeblich abgehobene Politiker_innen und Einwanderer wiederholt, was dann aber zu rechtspopulistischen Mustern gefriert.«3 Die AfD wird in der politischen Debatte häufig als Protestbewegung der Abgehängten in der Gesellschaft, der Verlierer der Globalisierung, gesehen.4 Doch dieses Bild ist u.E. fragwürdig. In den meisten Studien fällt auf, dass das Haushaltsnettoeinkommen überwiegend im Bereich der unteren und mittleren Mitte liegt. Was das rechtspopulistische Milieu von der Mehrheit der gesellschaftlichen Mitte unterscheidet, ist eine aufgestaute Wut über die Verletzung des Selbstwertgefühls, eine Kritik an den Strukturen der Leistungsgerechtigkeit und eine ausgeprägte Angst vor der Zukunft. Daher auch die Sorge in Sachen Zuwanderung (über 75% ). In der Gesamtheit der Befragten sind es nur 32%. Wir sind also eher mit einem rechtspopulistischen Protest von sich abgehängt oder ausgeliefert fühlenden Durchschnittsverdienern konfrontiert (siehe Tabelle 1 und Abbildung 2). 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Der Anteil reicher Menschen … 44 40 39 31 16 8 5 7 0 … hat stark zugenommen … hat etwas … ist gleich zugenommen geblieben … hat etwas abgenommen 2 … hat stark abgenommen 2 4 Keine Angabe/ weiß nicht Quelle: aproxima Auch die BürgerInnen unter der Armutsgefährdungsgrenze (12,5 Mio.) gehören zum Wählerpotenzial der Rechtspopulisten. Aber – wegen des Aspekts der deutlich geringeren Wahlbeteiligung – kommt der größere Rückhalt aus den Bereichen der unteren Mitte (13,3 Mio.) und der Mitte im engeren Sinne (38,7 Mio.). Viele BürgerInnen bewerten sich als Zu-Kurz-Gekommene. Sie rackern sich ab, haben den Eindruck, weder mit dieser Leistung anerkannt, noch leistungsgerecht bezahlt zu werden. Die hart arbeitende Mitte vermisst den gesellschaftlichen Respekt. (Siehe auch Abbildung 2) Wir registrieren aktuelle rechtspopulistische Einstellungen vor dem Hintergrund einer vergleichsweise stark subjektiv gefühlten finanziellen Schlecht- und Schlechterstellung, also eher eine relative Deprivation. Diese Einstellungen lassen sich als ein zusammenhängendes Muster aus Demokratiemisstrauen, einem aggressiven Law-and-Order-Autoritarismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beschreiben. Letztere richtet sich im aktuellen Rechtspopulismus insbesondere gegen Eingewanderte, Muslime, Roma und Asylsuchende. Es finden sich allerdings enge empirische Zusammenhänge auch zu Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und ethnischem Rassismus.5 Die Wut auf das Establishment stützt sich auf die subjektiv gefühlte chronische Zurücksetzung, die aber als Ergebnis einer mehrjährigen politischen Aktion interpretiert wird. »In al- www.sozialismus.de len Fällen handelt es sich um Absagen an die wirtschafts- und finanzgesteuerte Globalisierung, den Neoliberalismus und die politischen Establishments, die beides förderten. Jedes Mal haben wir es mit einem Nein der Wähler zur tödlichen Kombination von Austeritätspolitik, Freihandel, ausbeuterischen Kreditund Verschuldungspraktiken sowie prekären, schlechtbezahlten Arbeitsverhältnissen zu tun, die den finanzialisierten Kapitalismus unserer Tag kennzeichnen.«6 Die letzten Jahrzehnte einer neoliberalen Agenda haben also zur Ausbildung von rechtspopulistischen Einstellungen geführt. Es handelt sich um eine politisch verursachte Grundorientierung, die durch Wettbewerbsglauben, ein unternehmerisches Selbst und eine ökonomistische Werthaltung geprägt ist. Dieses Muster eines »marktförmigen Extremismus«7 ist mit der Ausprägung immenser Wut verknüpft, weil er für relevante Bevölkerungsteile mit relativer Deprivation verknüpft ist. Diese Bevölkerungsteile beurteilen die wirtschaftliche Lage allgemein und ihre eigene finanzielle Situation negativer, fühlen sich eher von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt und bedroht, und sehen zugleich die Deutschen im Vergleich zu AusländerInnen häufiger schlechter gestellt. n Was für Deutschland festzuhalten ist, gilt auch für die anderen Länder: »Das Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland im Zeitraum von 1991 bis 2014 real um 22 Prozent gestiegen. Von diesem Anstieg der Wirtschaftsleistung profitierten aber nicht alle gleichermaßen: Während die real verfügbaren Haushaltseinkommen in den mittleren Einkommensgruppen seit 1991 um acht Prozent gestiegen sind und in den oberen Einkommensgruppen noch mehr, mussten die einkommensschwächsten Gruppen reale Einkommensverluste hinnehmen. Folglich hat die Einkommensungleichheit zugenommen.«8 n Die Erzählung vom Arbeitskraftunternehmer ist für sie ein Mythos. n Sie verstehen nicht, warum plötzlich so viel mit »Großzügigkeit« argumentiert wird, in einem Land, das über zehn Jahre lang, seit der Agenda 2010, hartherzig war. Sie kennen Menschen, die ihren Job verloren haben, weil ihre Firma dichtmachte, manche mit Mitte 50, nach 35 Jahren Arbeit, und die dann nach zwei Jahren in Hartz IV gefallen sind. In der Flüchtlingskrise scheint die Großzügigkeit zurückgekehrt zu sein – und es ist alternativlos, Milliarden Euro in die Sozialsysteme zu pumpen. n Der Sozialdemokratie wird die Mitwirkung an der Neujustierung der sozialen Sicherungssysteme verübelt. Sie erscheint als hartherzig gegenüber den Menschen hierzulande und großherzig gegenüber Flüchtlingen. Sie steht für die Einführung des Hartz-Regimes und die Verschlechterung der Altersrenten. n Neben dem scharfen Umstieg von der neoliberalen Umverteilungspolitik zur vermeintlich generösen Unterstützung der Zufluchtsuchenden gibt es Unverständnis gegenüber der modernen Multikulti-Lebensweise. Seit Jahrzehnten steht die gesellschaftliche Mitte durch sozioökonomische Tendenzen unter Druck und beklagt sich über eine unzureichende sozialpolitische Abfederung. Vor allem die untere Mittelschicht setzt diesen Frust in rechte Stimmungen und www.sozialismus.de politischen Protest um. Im Zuge seiner Entwicklung verändert bzw. verbreitert sich allerdings die soziale Basis des Rechtspopulismus, wird er zu einer Sammlungsbewegung, zu der auch Teile der Unterschicht und der oberen sozialen Schichten stoßen. Dies gelingt umso besser, wenn eine »Ent-Diabolisierung« von Parteien bzw. Bewegungen gelingt, insbesondere durch die Abgrenzung gegenüber dem Rechtsextremismus. Dann gewinnen rechtspopulistische Parteien bzw. Bewegungen auch Attraktivität für und Ausstrahlungskraft auf weitere soziale Schichten, ihr zentraler Träger bleibt aber die untere Mittelschicht. Aber auch die These von der gesellschaftlichen Mitte, bzw. der unteren Mittelschicht als Hauptträger rechtspopulistischer Mentalitäten ist umstritten. Dabei geht es um die Frage, wer überhaupt zur Mittelschicht zu zählen ist. Welches Gewicht haben bei der Bestimmung dieser Mittelschicht, ihrer Mentalitäten und inneren Gliederung Faktoren wie berufliche Position, Einkommen und Bildung? Wenn, wie hier, vor allem auf das Haushaltseinkommen als Indikator für die Zugehörigkeit zur »gesellschaftlichen Mitte«9 abgestellt wird, soll damit die Bedeutung von beruflicher Position und Bildung für gesellschaftliche Stellung und Mentalitäten keineswegs in Abrede gestellt. Dass die AfD-AnhängerInnen nicht in erster Linie aus prekären Verhältnissen kommen, sondern vorwiegend aus der »gesellschaftlichen Mitte«, wird auch durch empirische Umfragen10 erhärtet: 79% der AfD-AnhängerInnen beurteilten ihre wirtschaftliche Situation als gut bis sehr gut – im Durchschnitt der 1.026 Befragten ab 18 Jahren waren es 76%. Zwei Drittel der AfD-AnhängerInnen sind dabei erwerbstätig.11 Die Arbeiter stellen ein Viertel, die Angestellten jedoch über die Hälfte 3 Beate Küpper, Das Denken der Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Einstellungsmuster und politische Präferenzen, Friedrich Ebert Stiftung, Forum Berlin 2016. 4 Dabei wird oft auf die hohe Zustimmung zur AfD bei Arbeitern und Arbeitslosen verwiesen. Siehe dazu den Beitrag von Host Kahrs in diesem Heft. 5 Vgl. Beate Küpper/Andreas Zick/Daniela Krause, PEGIDA in den Köpfen – Wie rechtspopulistisch ist Deutschland?, in: Andreas Zick/Beate Küpper, Wut, Verachtung, Abwertung. Rechtspopulismus in Deutschland, Bonn 2015. 6 Nancy Fraser: Für eine neue Linke oder: Das Ende des progressiven Neo­ liberalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 2/2017, S. 71. 7 Eva Groß/Andreas Hövermann: Marktförmiger Extremismus – ein Phänomen der Mitte?, in: Andreas Zick/Anna Klein (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände, Bonn 2014, S. 102-118. 8 Markus M. Grabka/Jan Goebel, Realeinkommen sind von 1991 bis 2014 im Durchschnitt gestiegen – erste Anzeichen für wieder zunehmende Einkommensungleichheit, DIW-Wochenbericht 4/2017. »Wenn die Globalisierung dazu führt, dass das untere Drittel der Einkommensverteilung über eine ganze Generation hinweg nicht mehr am allgemeinen Anstieg des Wohlstands partizipieren kann und sich dabei zugleich einer größeren Unsicherheit in Bezug auf den Arbeitsplatz und die soziale Absicherung gegenübersieht, ist es nicht überraschend, dass der Konsens für offene Märkte weltweit im Schwinden begriffen ist. Dies lässt sich für Deutschland anhand einer aktuellen Analyse der Einstellungen von Anhängern einzelner Parteien erkennen. Anhänger der AfD sehen sich besonders stark von der gesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung abgekoppelt. Zugleich sind sie – im Gegensatz zu den Anhängern anderer Parteien – mehrheitlich der Auffassung, dass ein EUAustritt für Deutschland vorteilhafter sei als eine EU Mitgliedschaft.« (Peter Bofinger, in: Jahresgutachten des Sachverständigenrats 2016/17, S. S. 41) 9 Wie auch immer abgegrenzt, gehören zur »gesellschaftlichen Mitte« Menschen mit unterschiedlichen Beschäftigungs- bzw. Lebensverhältnissen: Lohnabhänge aus dem Bereich der industriellen Produktion, des Dienstleistungsbereichs und des öffentlichen Dienstes. Daneben auch RentnerInnen und Solo-Selbständige. Ganz dominant ist aber die Lohnarbeit. 10 Vgl. etwa Infratest im Auftrag des Magazins »Der Spiegel« vom März 2016; Renate Köcher: Die Volksparteien sind noch nicht am Ende, Allensbach-Analyse, in: FAZ, 20.4.2016. Sozialismus 4/2017 31 und Beamte und Selbständige etwa ein Fünftel. Auch wenn man annimmt, dass bei den Rentnern/Pensionären dieselbe Verteilung der früheren Berufe gegeben ist, bilden die Arbeiter somit nur eine relativ kleine Minderheit innerhalb der AfD-Anhängerschaft. Bei den WählerInnen der »Partei der kleinen Leute« haben zudem 55% einen mittleren und 25% sogar einen höheren Bildungsabschluss. In jüngeren Untersuchungen wird auch ein leicht über dem Durchschnitt liegendes Einkommen ausgewiesen.12 (Siehe Tabelle 2) Der rechte Populismus ist keine Bewegung der Armen, sondern vor allem eine Bewegung der unteren Mittelschicht in wohlhabenden kapitalistischen Gesellschaften. Insofern versucht dieser rechte Populismus einen Kampf um das »verlorene Paradies«. Menschen wählen nicht populistische Parteien, weil sie zufrieden sind. Sie sind unzufrieden damit, wie Dinge laufen. Das hat damit zu tun, dass sie sich politisch nicht mehr vertreten fühlen, dass die etablierten Parteien sie nicht repräsentieren. Sie glauben aber auch, dass man das System funktionsfähig halten könnte. Seit Mitte der 1990er Jahre »bröckelt die ökonomische Basis der Mittelschichten. In der Primärverteilung ging der Anteil der Haushalte mit einem mittleren Markteinkommen an allen Haushalten um gut acht Prozentpunkte von 56,4% im Jahre 1992 auf 48% im Jahre 2013 zurück. Der Sozialstaat konnte zwar immer noch viele Mittelschichthaushalte vor dem sozialen Abstieg bewahren, aber die ungleiche Primärverteilung nicht mehr völlig kompensieren. Auch in der Sekundärverteilung, also nach Steuern, Sozialabgaben und Sozialtransfers, schrumpfte der Anteil der Mittelschichten von 83% im Jahre 2000 auf 78% im Jahre 2013.«13 Aus Meinungsumfragen und Analysen von Reden, Flyern und Plakaten rechtspopulistischer Parteien »ist herauszulesen: Das Potenzial liegt in den bürgerlichen, gut situierten Mittelschichten. Hier erreicht die Propaganda viele Bürger in ihren Vorurteilen gegen die Einwanderung, in ihren vermeintlichen Vorrechten als Einheimische, aber auch in autoritären Sicherheitsvorstellungen, was Strafen bei Normverstößen betrifft. … Gut 30% der Deutschen, die wir befragt haben, zeigen eine sogenannte ökonomistische Orientierung. Sie berechnen Gruppen nach ihren vermeintlichen Kosten und Nutzen, meinen zum Beispiel, wir können uns heute keine Verlierer mehr leisten. Ein klassisches bürgerliches Demokratieverständnis aber orientiert sich am Gemeinwohl und den Bedürfnissen von Menschen und nicht allein an ihrem Nutzen. Gesellschaftlich und politisch hat sich aber die Leistungsgerechtigkeit gegenüber der Bedürfnisgerechtigkeit durchgesetzt.«14 Drei Jahre nach Gründung der AfD geben mehr Menschen an, sich mit der AfD verbunden zu fühlen, als jemals mit den Republikanern, der DVU oder der NPD. »Die AfD-AnhängerInnenschaft ist im Umfang gewachsen und hat sich in ihrer Zusammensetzung deutlich verändert: Die Partei findet ihre AnhängerInnen mehr und mehr unter NichtwählerInnen und im Lager rechtsextremer Parteien sowie unter BürgerInnen, die angaben, unzufrieden mit der Demokratie zu sein und solchen, die erklärten, sich vor Zuwanderung zu fürchten.«15 Die AfD – wie die anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa – ist nur das Symptom eines zugrunde liegenden Pro- 32 Sozialismus 4/2017 Tabelle 2: Wahlabsicht für die AfD nach sozialen Gruppen (in %) 4 .Quartal 2013 4 .Quartal 2014 4 .Quartal 2015 1. Quartal 2016 Bildung niedrig 27 22 21 20 mittel 35 51 54 55 hoch 38 28 24 25 Berufstätig 56 58 61 63 Arbeitslos 5 4 2 3 Rentner/ Pensionäre Sonstiges 29 26 28 27 10 12 9 7 Erwerbsstatus Berufsgruppe Arbeiter 18 20 23 26 Angestellte 63 58 56 53 6 9 6 7 13 13 15 14 Beamte Selbständige Quelle: Oskar Niedermayer/Jürgen Hofrichter, Die Wählerschaft der AfD: Wer ist sie, woher kommt sie und wie weit rechts steht sie?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 47. Jg., Heft 2/ 2016 blems. Dieses Problem ist, dass etwa 70% der Bevölkerung mit dem Establishment unzufrieden sind. Indem man die eigensinnigen Stimmen unterdrückt oder sie lächerlich macht, nimmt den Menschen nicht ihre Gesinnung. Alle Untersuchungen verweisen auf zwei wesentliche Faktoren: Einerseits sehen wir in allen kapitalistischen Hauptländern in den zurückliegenden Jahren eine Tendenz zur Erosion der sozial-ökonomischen Basis der Mittelschichten,16 vor allem der unteren Mittelschicht. Andererseits hat sich wegen der wachsenden Angst vor Statusverlust ein massives Unbehagen gegenüber der politischen Klasse herausbildet. Um dauerhaft Erfolg zu haben, müssen sich populistische Parteien ausgehend von der Artikulation von aktuellen Proteststimmungen auch auf politische Zielsetzungen stützen. Der wichtigste Bezugspunkt aller rechtspopulistischen Parteien ist die tiefe Enttäuschung vom überlieferten System der politischen Willensbildung. Die gewichtigste Unterscheidung für Populisten ist die von korrupten und unfähigen Eliten und den wachsenden Problemen der »gutwilligen« Mehrheit der Bevölkerung. Gerade in den sozio-ökonomischen Mittellagen der europäischen Gesellschaften ist eine wachsende Anfälligkeit für rechtspopulistische Haltungen zu beobachten. Vor dem Hintergrund der Erosion der eigenen gesellschaftlichen Stellung wird hier deutlich gegen eine vermeintliche »Einwanderung« in die nationalen Sicherungssysteme Position bezogen. Gegen den kritisch beurteilten sozialen Wandel wird einmal mehr versucht, das Nationale als schützendes Bollwerk zu mobilisieren. Gepunktet haben die rechtspopulistischen Parteien in ihren jeweiligen Ländern vor allem mit drei politischen Themen: 1. einer teils tiefsitzenden Verachtung gegenüber den bisherigen politischen Klassen oder wirtschaftlich-politischen Eliten; www.sozialismus.de 2. der Ablehnung der Europäischen Union und der bisher verfolgten Austeritätspolitik; 3. der Forderung, die nationalen Sozialsysteme gegenüber MigrantInnen, Flüchtlingen sowie »Arbeitsunwilligen« abzuschotten. Zwei weitere Aspekte sind relevant: Erstens können die rechten Parteien heute wieder das Thema »Flüchtlinge« aufgreifen. Seit 1945 gab es weltweit nicht so viele Flüchtlinge wie aktuell. Das ist ein großes öffentliches Thema. Zweitens ist das Thema »Islamismus« durch die weltpolitische Lage in das Problembewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Rechtslastige Akteure greifen dieses Thema auf – wobei bewusst mit einem Amalgam aus Religion und diversen aggressiven politischen Strategien gearbeitet wird – um für ihre Ideologien zu werben und ihre Deutungsmuster und Gesellschaftsbilder einer breiteren Öffentlichkeit nahezulegen. In ganz Europa breiten sich auf gefährliche Weise Antisemitismus und Hass gegenüber Fremden und Muslimen aus. Die Zunahme von kriegerischen Konflikten, Gewalt sowie die Ideologie des »Schocks der Zivilisationen« nähren Verunsicherung und Angst. De facto sind Muslime in vielen Regionen die ersten Opfer des islamistischen Fanatismus. Die Bewegung der Schutzsuchenden hat wesentlich zum Auftrieb der AfD beigetragen. Auch wenn ihre Zahl seit dem Frühjahr 2016 deutlich zurückgegangen ist, wird die Integration der Schutzsuchenden in die Gesellschaft ein Dauerthema in Deutschland und Europa bleiben. Dass die Schutzsuchenden zur Projektionsfläche für Ängste und Ressentiments werden können, hat mit viel tieferliegenden ökonomisch-sozialen Problemlagen zu tun, die politisch nicht bearbeitet werden. Die Erosion der gesellschaftlichen Mitte und die daraus resultierenden Abstiegsängste sind in vielen Studien nachgewiesen. So hat die Einkommensmobilität drastisch abgenommen. »Eine Verfestigung der Verteilung zementiert Ungleichheitsstrukturen und beschneidet Chancengleichheit in einem erheblichen Maß. Genau das aber ist der große Trend, der sich in Deutschland seit einigen Jahrzehnten abzeichnet.«17 Solange diese Trends nicht politisch bearbeitet werden und das Vertrauen in das politische System weiter sinkt, wird der Rechtspopulismus seinen Nährboden finden. 11 Vgl. Oskar Niedermayer/Jürgen Hofrichter Die Wählerschaft der AfD: Wer ist sie, woher kommt sie und wie weit rechts steht sie, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 47. Jg., Heft 2/ 2016. 12 Knut Bergmann/Matthias Diermeier/Judith Niehues, Judith: Die AfD: Eine Partei der sich ausgeliefert fühlenden Durchschnittsverdiener, Zeitschrift für Parlamentsfragen, 48. Jg., Heft 1/2017, S. 113-131. 13 Gerhard Bosch/Thorsten Kalina: Mittelschichten in Deutschland – unter Druck, in: Sozialismus 2/2016, S. 16. 14 Andreas Zick: »Wir dürfen unsere Toleranz nicht überschätzen, Interview im Tagesspiegel, 21.5.2014. 15 Martin Kroh/Karolina Fetz: Das Profil der AfD-AnhängerInnen hat sich seit der Gründung deutlich verändert, in: DIW Wochenbericht Nr.34 vom 26. August 2016. 16 Vgl. dazu die Beiträge im Themenschwerpunkt »Wer ist die gesellschaftliche Mitte?« in: Sozialismus 2/2016. 17 Dorothee Spannagel: Trotz Aufschwung: Einkommensungleichheit bleibt, WSI-Verteilungsbericht 2015. Das Magazin für Gegenkultur Am 31. März am Kiosk! WWW.MELODIEUNDRHYTHMUS.COM www.sozialismus.de Sozialismus 4/2017 33 Probelesen Wenn diese Probe-Lektüre Sie davon überzeugen konnte, dass Sozialismus das Richtige für Sie mit fundierten Beiträgen zu den Themen n Berliner Republik/Die neue LINKE n Wirtschaft & Soziales/Forum Gewerkschaften n Internationales/Krieg & Frieden nBuchbesprechungen/Filmkritiken n sowie zweimonatlich einem Supplement zu theoretischen oder historischen Grundsatzfragen ist, sollten Sie gleich ein Abo bestellen (und eines der Bücher aus dem VSA: Verlag als Prämie auswählen). Wenn Sie weitere Argumente benötigen, nehmen Sie ein Probeabo. Beides geht mit dem beigefügten Bestellschein (bitte auf eine Postkarte kleben oder faxen an 040/28 09 52 77-50) ❒ Ich abonniere Sozialismus ab Heft __________ zum Preis von € 70,- (incl. Porto; Ausland: + € 20 Porto). Ich möchte die Buchprämie ❒ Wer rettet ❒ Mandel ❒ Urban Bitte als Postkarte freimachen ❒ Ich abonniere Sozialismus ab Heft __________ zum verbilligten Preis von € 50,- (für Arbeitslose/Studenten). Ich möchte die Buchprämie ❒ Wer rettet ❒ Mandel ❒ Urban ❒ Ich bestelle ein Sozialismus-Probeabo ab Heft ________ (3 Hefte zum Preis von € 14,-/Ausland € 19,-). ❒ Bitte schicken Sie mir ein kostenloses Probeexemplar. Name, Vorname Straße Plz, Ort Datum, Unterschrift Antwort Mir ist bekannt, dass ich diese Bestellung innerhalb einer Woche bei der Redaktion Sozialismus, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg, widerrufen kann. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Redaktion Sozialismus Postfach 10 61 27 20042 Hamburg Datum, 2. Unterschrift Abo-Prämie Eines dieser Bücher aus dem VSA: Verlag erhalten Sie, wenn Sie Sozialismus abonnieren oder uns eine/n neuen AbonnentIn nennen (nicht für Probeabo). Bitte auf der Bestellkarte ankreuzen! Jan Willem Stutje Rebell zwischen Traum und Tat Herdolor Lorenz / Leslie Franke / Gabriele Koppel (Hrsg.) Wer rettet Wen? Die Krise als Geschäftsmodell Das Buch zum Film: Analysen, Interviews, Alternativen Hans-Jürgen Urban Ernest Mandel (1923–1995) Der Tiger und seine Dompteure Wohlfahrtsstaat und Gewerkschaften im Gegenwartskapitalismus VS VS VS V V www.vsa-verlag.de V Mehr zum Verlagsprogramm: