Berner Zeitung - Inselspital Bern

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Gesundheit
Montag
15. August 2011
Stammzellen reparieren Hirngewebe
FORSCHUNG Bei 40 Prozent
der 15 000 jährlichen Schlaganfallpatienten wird das Gehirn so geschädigt, dass sie
Pflegefälle werden. Das könnte sich künftig ändern. Dank
Forschern wie Robert Andres.
Der Neurochirurg vom Inselspital wies mit US-Kollegen
erstmals nach, wie nach einem
Schlaganfall transplantierte
Stammzellen zur Reparatur
von Gehirngewebe animieren.
Herr Andres, warum sind
embryonale Stammzellen ein
so heisses Thema für die
Forschung?
Robert Andres:
Embryonale
Stammzellen sind zelluläre Alleskönner. Da sie noch keine Differenzierung aufweisen, können
sie sich zu jeder Zellart entwickeln und gezüchtet werden.
Sie haben menschliche Stammzellen ins Gehirn von Ratten verpflanzt, die einen Schlaganfall
hatten. Andere haben das schon
am Menschen versucht. Warum
sorgten Ihre Studien für Furore?
Bis zu unserer Studie nahm man
an, dass sich ins Gehirn von
Schlaganfallpatienten verpflanzte Stammzellen dort zu Nervenzellen ausbilden und so das abgestorbene Gewebe ersetzen. Meine Kollegen von der Universität
Stanford und ich beobachteten
aber, dass das nur auf einen
kleinen Teil der transplantierten
«Die Lähmungen
hatten sich nach
drei bis vier Wochen
bei den Ratten, denen wir Stammzellen ins Hirn gesetzt
hatten, stark
gebessert.»
Stammzellen zutraf. Die meisten
blieben Stammzellen und schütteten Stoffe aus, die die noch intakten Nervenzellen im Gehirn
dazu anregten, Verbindungen zu
anderen Nervenzellen aufzubauen. Dank dieser neuen Leitungen
können andere Hirnregionen die
beschädigten Funktionen übernehmen.
Ist es besser, wenn Stammzellen
andere Zellen im Gehirn zur
Reparatur anregen, anstatt sich
selbst in Nervenzellen zu
verwandeln?
Man kann nicht sicher sagen, was
besser ist. Es können sich auch
beide Mechanismen ergänzen.
Aber zumindest muss man nicht
mehr davon ausgehen, dass grosse defekte Hirnareal komplett ersetzt werden müssen, um beim
Patienten einen Therapieerfolg
zu erzielen.
Wie wirkte sich dieser Reparaturmechanismus im Gehirn auf
die Ratten aus?
Der Gehirnschlag führte bei den
Tieren zu Lähmungen. Diese hatten sich drei bis vier Wochen
später bei den Ratten, denen wir
AUFBAU EINER NERVENZELLE
Nervenzellen nach einem Hirnschlag. Bild 2 zeigt Nervenzellen nach der Gabe von Stammzellen, die zu neuen Verbindungen angeregt haben.
Stammzellen ins Hirn gesetzt
hatten, stark gebessert. Auch ihre
Reflexe normalisierten sich eher
als bei den Nagern, denen nichts
transplantiert worden war.
Lassen sich diese Ergebnisse auf
den Menschen übertragen?
Das Gehirn des Menschen ist
natürlich viel komplexer als das
eines Nagetiers. Wir haben aber
festgestellt, dass die noch existierenden Nervenzellen im Gehirn
der Ratten, die Stammzellen erhalten hatten, stärker Dendriten
bildeten. Sie sind eine Art Verbindungskabel zu anderen Nervenzellen, um mit ihnen zu kommunizieren. Auch die Axone, die
Fortsätze der Nervenzellen, die
elektrische Impulse weiterleiten,
wurden bei diesen Ratten nach
dem Hirnschlag vermehrt ausgebildet und bildeten neue Leitungen (siehe Grafik). Diese Ausbildung von Fortsätzen ist ein Mechanismus, der in allen Gehirnen
eine wichtige Rolle spielt, und
daher lassen sich diese Beobachtungen schon auch auf den Menschen übertragen.
Gibt es einen idealen Zeitpunkt,
um nach einem Schlaganfall
Stammzellen ins Gehirn zu
verpflanzen?
Bislang glaubte man, dass ein
Hirnschlag erst abheilen müsse,
da sonst nur ein kleiner Teil der
Stammzellen überlebt.
Warum?
Nach dem Schlaganfall kommt
es zu einer Entzündungsreaktion, bei der körpereigene Fresszellen das abgestorbene Hirngewebe abbauen. Und es bilden sich
Narben. Für die empfindlichen
Stammzellen, von denen nur ein
kleiner Teil die Transplantation
überlebt, wäre das ein sehr ungünstiges Milieu.
Wann haben Sie transplantiert?
Eine Woche nach dem Hirnschlag. Bereits sieben Tage später
bemerkten meine Kollegen und
ich positive Effekte wie einen
Rückgang der Lähmungserscheinungen bei den Ratten.
Wann wird es neue Versuche
geben, bei denen Stammzellen
in Menschengehirne eingesetzt
werden?
Derzeit laufen sechs internationale Studien zum Thema Hirnschlag sowie weitere Untersu-
Inselspital
chungen bei anderen neurologischen Krankheiten. Eine wird gerade am Paraplegiker-Zentrum
der Uniklinik Balgrist in Zürich
durchgeführt. Dort kommen
Stammzellen bei Rückenmarkverletzungen zum Einsatz.
Gibt es schon Prognosen, wann
dieses Verfahren bei Schlaganfallpatienten zum Standard
wird?
Sicher nicht vor zehn Jahren. Es
ist schwierig, eine Schätzung abzugeben, da noch viele Punkte offen sind. Zum Beispiel müssen
wir sicher sein, dass die transplantierten Stammzellen auf
längere Sicht nicht zur Bildung
von Tumoren führen. Darüber
hinaus sind embryonale Stammzellen ethisch umstritten.
Allerdings.
Für diese Therapie brauchten
wir eine grosse Anzahl davon, da
nicht alle die Transplantation
überleben. Schon aus diesem
Grund wird diese Methode mit
embryonalen Stammzellen nicht
breit anwendbar sein. Vielleicht
eignen sich für dieses Verfahren
«Stammzellentherapie ist zurzeit die
einzige Möglichkeit,
nach einem Hirnschlag zerstörtes
Gewebe zu reparieren.»
Robert Andres’ Studie, die er mit US-Kollegen durchführte, wurde im
wichtigen Fachmagazin «Brain» publiziert und sorgte für Furore. Urs Baumann
EMBRYONALE STAMMZELLEN
Zelluläre Alleskönner Embryonale Stammzellen werden aus
Blastozyten (Keimbläschen) gewonnen. Bei diesen Zellklumpen
handelt es sich um eine Frühform des Embryos, das sich nach
etwa fünf Tagen aus der befruchteten Eizelle entwickelt. Diese
noch nicht differenzierten
Stammzellen können sich zu
verschiedenen Zellarten des
menschlichen Körpers entwickeln. Die Forschung will aus ihnen Ersatzgewebe züchten, um
Erkrankungen zu heilen, bei de-
auch andere Arten von Stammzellen. Damit wäre die ethische
Debatte vom Tisch. Oder es werden Medikamente und Gentherapien entwickelt, die Reparaturmechanismen im Hirn anregen.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, nach einem Hirnschlag zerstörtes Gewebe zu reparieren?
Nein. Die Stammzellentherapie
ist zurzeit die einzige Möglichkeit, und daher läuft die Forschungstätigkeit in diesem Bereich auf Hochtouren. Bislang
haben Schlaganfallpatienten nur
die Möglichkeit, in der Rehabilitation an Lähmungserscheinungen und Sprachstörungen zu arbeiten. Interview: Juliane Lutz
ADULTE STAMMZELLEN
nen Zellen zerstört werden. Etwa
bei Alzheimer, bei Parkinson und
bei Schlaganfällen. Embryonale
Stammzellen werden meist aus
überzähligen Embryonen gewonnen, die für eine künstliche
Befruchtung gezeugt, aber nicht
mehr gebraucht werden. Dabei
wird der Embryo zerstört. Zwar
befinden sich die Embryonen in
einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Eingesetzt in eine
Gebärmutter, könnte sich aus
ihnen theoretisch ein Mensch
entwickeln. jl
Begrenztes Potenzial Da
Stammzellen in der Medizin unverzichtbar sind, setzen Forscher
ihre Hoffnungen auch auf adulte
Stammzellen. Das sind die Zellen, die sich nach der Geburt im
menschlichen Organismus befinden. Sie kommen im Blut, im
Knochen- und Rückenmark oder
im Gehirn vor und können relativ
einfach entnommen werden. Sie
bilden ebenfalls Gewebe nach,
sind aber nicht so wandlungsund vermehrungsfähig wie embryonale Stammzellen. jl
Fortsetzung von SEITE 25
Was taugen diese
bekannten Diäten
nächtliche Regenerationsprozesse aus den Fettdepots beziehen.
Je nach Body-Mass-Index bemisst sich die tägliche Menge der
Kohlehydrate. Zwischen den
Mahlzeiten darf fünf Stunden
nichts gegessen werden.
Versprechen: Diese Diät ist auch
für Kinder, Schwangere und Diabetiker geeignet.
Gewichtsverlust: bis zu 5 Kilo
pro Monat.
Kritik: Die Diät eignet sich nur
für disziplinierte Leute. Im Alltag
ist es nervig, ständig Eiweiss und
Kohlehydrate zu trennen.
Fazit von Sven-David Müller:
Der Buchtitel ist irreführend,
denn eine Diät ist immer mühevoll. Aber die Methode von Pape,
einem renommierten Adipositas-Experten, funktioniert. Die
drei Mahlzeiten pro Tag sättigen,
ohne dass der Insulinspiegel zu
sehr ansteigt. Morgens sorgen
Kohlehydrate dafür, dass der
Stoffwechsel in Schwung kommt.
Eiweiss am Abend hilft, Fett über
Nacht abzubauen. Im Gegensatz
zur Atkins-Diät sind Kohlehydrate erlaubt, und es gibt keine Mangelerscheinungen. Diese InsulinTrennkost ist alltagstauglich.
17 DAY DIET
Der Wechsel zwischen kohlehydratarmer Ernährung und Perioden, in denen Kohlehydrate erlaubt sind, sollen den Stoffwechsel austricksen und die Fettverbrennung anregen. Das ist die
Idee der neuen «17 Day Diet». Der
Erfinder, US-Arzt Mike Moreno,
rät zu vier Phasen, die jeweils 17
Tage dauern. In der ersten Phase
sind 1200 Kalorien täglich erlaubt in Form von Joghurt, Eier,
Poulet sowie Gemüse und Früchten, die wenig Stärke enthalten.
In den nächsten 17 Tagen sind
pro Tag 1500 Kalorien sowie natürliche Kohlehydrate wie etwa
Naturreis erlaubt. In dieser Periode isst man an einem Tag wie
in Phase 1, am nächsten Tag wie
in Phase 2. Von Tag 35 bis 52 ist
pro Tag ein Drink gestattet, und
auf dem Plan stehen auch Teigwaren, doch die Kalorienmenge
bleibt niedrig. In der letzten Phase isst man unter der Woche wie
in den letzten 52 Tagen. Am Wochenende darf man schlemmen.
Versprechen: Die gesunde Nahrung sowie der Verzicht auf Alkohol und Zucker sollen entgiften.
Gewichtsverlust: bis zu 6 Kilo in
17 Tagen.
Kritik: Nur 1200 Kalorien pro Tag
sind für körperlich aktive Leute
zu wenig. Wer am Wochenende
über die Stränge schlägt, macht
die Abnehmbemühungen unter
der Woche zunichte.
Fazit von Sven-David Müller:
Es ist unsinnig, zwischen kohlehydratarmen und kohlehydratreichen Phasen zu wechseln.
Grundsätzlich ist eine streng
kohlehydratarme Ernährungsweise nicht ratsam, da der Körper
Kohlehydrate dringend benötigt.
Ihre Einsparung führt auch nicht
automatisch zu Gewichtsverlust.
Die diätetischen Regeln entbehren jeder wissenschaftlichen
Grundlage, sind aber ungefährlich.
Juliane Lutz
Sven-David Müller, 41, ist Diätassistent und studierte Ernährungsmedizin. Er veröffentlichte über 100
Bücher zum Thema Ernährung.
Diätexperte
Sven-David
Müller.
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