Beispiele für Datenauswertungen Beispiel 1: Messung der Erdbeschleunigung An einem bestimmten Ort soll die Gravitationsbeschleunigung g auf einen Körper im Schwerefeld der Erde mit Hilfe eines Fadenpendels bestimmt werden. Die Periodendauer T eines idealen Fadenpendels der Länge l, das bei kleinen Auslenkungen dämpfungsfrei schwingt, ist gegeben durch s l . T = 2π g Damit ergibt sich die Erdbeschleunigung zu g = 4π 2 l . T2 Wurden l und T mit abgeschätzten bzw. statistischen Fehlern ∆l und ∆T gemessen, so folgt mit ∂g 4π 2 g = 2 = ∂l T l und ∂g 2l 2g = −4π 2 3 = − ∂T T T aus dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz r ∂g 2 ∂g 2 ∆g = (∆l)2 + (∆T )2 ∂l ∂T r g2 4g 2 2+ = (∆l) (∆T )2 2 2 l T r ∆T 2 ∆l 2 = g +4 . l T Da zwischen g, l und T ein multiplikativer Zusammenhang besteht, kann die Fehlerfortpflanzung durch relative Fehler ausgedrückt werden, r ∆T 2 ∆l 2 ∆g +4 , = l T g wobei der relative Fehler von T in Folge der T 2 -Abhängigkeit von g im Vergleich zu dem relativen Fehler von l mit vierfachem Gewicht eingeht. Auf Grund dessen ist es für eine möglichst genaue Bestimmung der Erdbeschleunigung vorteilhaft, den relativen Fehler von T zu minimieren. Im Experiment besteht das Fadenpendel aus einer Metallkugel, die an einem langen Seil befestigt ist. Zunächst wurde die Länge des Pendels durch ein Maßband zu l = (1,850 ± 0,005) m ermittelt. Bei dem angesetzten Fehler ∆l = 5 mm handelt es sich um eine geschätzte Messungenauigkeit, die darauf beruht, dass der Mittelpunkt der Kugel nur näherungsweise bestimmt werden konnte. Anschließend wurde eine Messreihe für die Dauer T10 von zehn Schwingungen aufgenommen und die Periodendauer des Pendels sowie deren Fehler statistisch berechnet. Dazu wurde das Pendel 20 mal um einen Winkel von etwa 5◦ aus der Ruhelage ausgelenkt und die Schwingungsdauer bei maximalem Pendelausschlag mit einer Stoppuhr bestimmt. Der Fehler einer einzelnen Zeitmessung, der im Folgenden nicht weiter berücksichtigt wird, lässt sich zu ∆T10,i = 0,10 s annehmen. Es ergab sich die folgende Messreihe: i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 P T10,i [s] 27,29 27,44 27,60 27,54 27,28 27,33 27,10 27,05 27,22 27,18 27,30 27,11 27,47 27,36 27,17 27,27 27,55 27,46 27,53 27,30 Ti [s] 2,729 2,744 2,760 2,754 2,728 2,733 2,710 2,705 2,722 2,718 2,730 2,711 2,747 2,736 2,717 2,727 2,755 2,746 2,753 2,730 54,655 (Ti − T )2 [10−4 s2 ] 0,16 1,21 7,29 4,41 0,25 0 5,29 7,84 1,21 2,25 0,09 4,84 1,96 0,09 2,56 0,36 4,84 1,69 4,00 0,09 50,43 Tabelle 1: Messergebnis für die Schwingungsdauer des Fadenpendels. Die Periodendauer ist durch Ti = 0,1 · T10,i gegeben, die Angabe von drei Nachkommastellen entspricht in diesem Fall dem Messergebnis. Für die Berechnung der letzten Spalte wurde nicht der exakte Mittelwert (T = 2,73275 s), sondern der gerundete Mittelwert (T = 2,733 s) verwendet. Beachten Sie dabei die gewählte Einheit 10−4 s2 , die die Angabe unnötig langer Dezimalzahlen verhindert. Die letzte Zeile gibt für die Berechnung der mittleren Periodendauer und deren Fehler benötigten Summen über die Werte der dritten und vierten Spalte an. Mit N = 20 (Zahl der Messungen) berechnet sich die mittlere Periodendauer des Fadenpendels zu N 1 X T = Ti ≈ 2,733 s . N i=1 Der statistische Fehler des Mittelwertes T beträgt v u N u X 1 ∆T = t (Ti − T )2 ≈ 3,64 · 10−3 s ≈ 0, 004 s , N (N − 1) i=1 so dass sich die Periodendauer schließlich zu T = (2,733 ± 0,004) s ergibt. Für die mittlere Erdbeschleunigung folgt g = 4π 2 l T mit dem relativen Fehler 2 ≈ 9,778 m/s2 . ∆g ≈ 3,98 · 10−3 ≈ 0,4% g und dem absoluten Fehler ∆g ≈ 0,039 m/s2 . Das durchgeführte Experiment liefert damit die Erdbeschleunigung g = (9,778 ± 0,039) m/s2 . Da der Versuch mit einer einfachen Laborapparatur durchgeführt wurde, kann es sich nicht um eine Präzisionsmessung der Erdbeschleunigung handeln. Des Weiteren wurde die vereinfachende Annahme gemacht, dass während der Schwingung des Pendels keine Dämpfungseffekte, etwa durch Luftreibung auftreten. Auf Grund dessen erscheint es sinnvoll, sich mit zwei Nachkommastellen zu begnügen und das Ergebnis des Experiments als g = (9,78 ± 0,04) m/s2 anzugeben. Der erhaltene Wert stimmt im Rahmen des berechneten Messfehlers mit dem Richtwert g ≈ 9,8 m/s2 , den man in der Nähe der Erdoberfläche erwartet, überein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der genaue Wert der Erdbeschleunigung vom Abstand des Standortes vom Erdmittelpunkt abhängt. Ebenso spielt der Breitengrad des Standortes eine Rolle, der in Folge der Erddrehung mit einer bestimmten Zentripetalbeschleunigung verknüpft ist und eine entsprechende Abweichung der Erdbeschleunigung von ihrem Richtwert hervorruft. Beispiel 2: Messung eines Ohmschen Widerstandes Ein Kupferdraht, der bei seinem ersten Einbau in eine elektronische Schaltung einen Ohmschen Widerstand von 1000 Ω besaß, soll erneut vermessen werden. Dazu verbindet man den Draht mit einer als ideal angenommenen Spannungsquelle, die eine maximale Potenzialdifferenz von 200 V zwischen den Drahtenden erzeugt. Um den Ohmschen Widerstand des Leiters experimentell zu bestimmen, misst man den durch den Draht fließenden Strom I in Abhängigkeit von der angelegten Spannung U über den zur Verfügung stehenden Wertebereich. Strom und Spannung werden durch ein in Reihe geschaltetes Amperemeter sowie ein parallel geschaltetes Voltmeter gemessen. Die Messgeräte wurden zuvor geeicht, so dass deren Innenwiderstände für dieses Experiment keine Rolle spielen. Für einen metallischen Draht, der sich gemäß des Ohmschen Gesetzes verhält, sind Spannung und Strom direkt proportional zueinander, U = RI , wobei die Proportionalitätskonstante R dem Ohmschen Widerstand des Leiters entspricht. Dieses Verhalten zeigen viele metallische Leiter, allerdings findet man gelegentlich auch Abweichungen vom Ohmschen Gesetz, die durch Materialeffekte hervorgerufen werden. Die beschriebene Messung ist also dazu geeignet, das Ohmsche Verhalten des Drahtes zu überprüfen und, sofern man einen linearen Zusammenhang zwischen Spannung und Strom erhält, seinen Ohmschen Widerstand zu bestimmen. Im Experiment wurde die Potenzialdifferenz am Widerstand zwischen 10 V und 200 V in 10 V-Schritten erhöht und jeweils der Strom durch den Draht gemessen. Die aufgenommenen Daten sind in Tabelle 2 aufgelistet, wobei die Fehler einzelner Spannungs- und Strommessungen zu ∆U = 0,5 V und ∆I = 0,3 mA geschätzt wurden. Diese Fehler geben die Genauigkeit an, mit der jeweils die analogen Zeigerstände des Voltmeters und des Amperemeters abgelesen werden konnten, und bleiben für die folgenden Berechnungen unberücksichtigt. Wäre vor der Messung bekannt, dass der Draht dem Ohmschen Gesetz folgt, so könnte man für jedes Messpaar i gemäß Ri = Ui /Ii einen Wert für den Widerstand des Leiters erhalten. In Analogie zu Beispiel 1 wäre dann der statistische Mittelwert R des Ohmschen Widerstandes mit zugehörigem Fehler ∆R zu berechnen. Der Vollständigkeit halber sei das Ergebnis dieser Auswertung angeben. Nach sinnvoller Rundung auf ganzzahlige Werte findet man R ≈ 999 Ω, ∆R ≈ 5 Ω und damit R = (999 ± 5) Ω . Das erhaltene Ergebnis stimmt im Rahmen des Messfehlers mit dem zuvor bestimmten Wert für den Ohmschen Widerstand des Leiters überein. Damit zeigt der Draht, sofern er hinreichend gut durch das Ohmsche Gesetz beschrieben werden kann, keine messbare Veränderung. i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 P Ui [V] 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 2100 Ii [mA] 9,3 20,9 30,4 41,0 49,9 60,5 71,1 80,2 89,7 99,7 109,3 120,2 129,1 139,6 151,0 160,7 170,5 180,1 189,3 199,7 2102,2 Ii2 [10−3 A2 ] 0,086 0,437 0,924 1,681 2,490 3,660 5,055 6,432 8,046 9,940 11,946 14,448 16,667 19,488 22,801 25,824 29,070 32,436 35,834 39,880 287,148 Ii Ui [AV] 0,093 0,418 0,912 1,640 2,495 3,630 4,977 6,416 8,073 9,970 12,023 14,424 16,783 19,544 22,650 25,712 28,985 32,418 35,967 39,940 287,070 2i [V2 ] 1,058 0,358 0,014 0,554 0,112 0,084 0,835 0,001 0,197 0,177 0,638 0,016 0,908 0,184 0,995 0,518 0,294 0,027 0,378 0,036 7,383 Tabelle 2: Messergebnis für die Abhängigkeit des Stroms durch den Leiter von der angelegten Spannung. Beachten Sie, dass der Strom in mA gemessen und für die vierte und fünfte Spalte in A umgerechnet wurde. Dabei sind die Einheiten wiederum so gewählt, dass eine übersichtliche Darstellung gerundeter Daten ermöglicht wird. Die in der letzten Zeile angegebenen Summen über die einzelnen Spalten entsprechen jeweils den Werten, die man ohne Rundungen der einzelnen Größen Ii2 und 2i erhält. Im Gegensatz dazu sind die Größen Ii Ui , ebenso deren Summe, exakte aus den Messdaten berechnete Werte. Im vorliegenden Fall bietet es sich jedoch an, das Verfahren der linearen Regression auf die Messdaten anzuwenden. Dabei wird die Situation vereinfacht, wenn man nicht den Strom I(U ) als spannungsabhängige Messgröße, sondern die Spannung U (I) als stromabhängige Messgröße auffasst. Die zu berechnende Regressionsgerade hat dann die funktionale Form U = mI + b , wobei m die Steigung und b den Achsenabschnitt dieser Geraden darstellt. Für einen metallischen Leiter, der exakt dem Ohmschen Gesetz folgen würde, ergäbe sich m = R und b = 0 V mit ∆R = 0 Ω und ∆b = 0 V (Dieses Ergebnis entspräche einer statistisch fehlerfreien Messung, die in keinem realen Experiment auftritt! Zu demselben Resultat hätte die Methode der direkten Mittelwertbildung geführt, da in diesem Fall die Größen Ri für jedes i identisch sind und somit die Standardabweichung der Messwerte verschwindet.). Aus den in Tabelle 2 angegebenen Werten erhält man zunächst (N = 20 ist wiederum die Anzahl unabhängiger Messungen) die Steigung P P P N Ii Ui − Ii Ui i i i m= P 2 P 2 ≈ 1002,3 Ω N Ii − Ii i i und den Achsenabschnitt N b= P Ui P i i N P i Ii2 − Ii2 − P Ii i P i Ii P i 2 Ii Ui ≈ −0,353 V . Diese Werte werden verwendet, um aus den in der letzten Spalte von Tabelle 2 aufgelisteten Größen 2 2i = Ui − (mIi + b) den Fehler ∆U der Spannungswerte zu berechnen: vP u u 2 t i i ≈ 0,640 V . ∆U = N −2 Damit ergeben sich die Fehler ∆m der Steigung und ∆b des Achsenabschnittes zu v u N u ∆m = ∆U u P P 2 ≈ 2,5 Ω t N Ii2 − Ii i und v u u ∆b = ∆U u t i 2 i Ii P N P i Ii2 − P 2 ≈ 0,298 V . Ii i Rundet man zweckmäßigerweise die erhaltene Steigung m und deren Fehler auf ganzzahlige Werte sowie den Achsenschnitt und dessen Fehler auf zwei Nachkommastellen, so erhält man schließlich die Regressionsgerade U (I) = (1002 ± 3) Ω · I + (−0,35 ± 0,30) V . Die in Tabelle 2 aufgelisteten Messdaten sind in Abbildung 1 aufgetragen, wobei die rot markierte lineare Funktion die berechnete Regressionsgerade darstellt. Abbildung 1: Graphische Darstellung der Messreihe aus Tabelle 2. Die angelegte Spannung U (in V) ist gegen die gemessene Stromstärke I (in mA) aufgetragen. Die Steigung der Regressionsgeraden (rote Kurve) entspricht dem Ohmschen Widerstand des Leiters. Die aufgenommene Messkurve U (I) zeigt einen linearen Verlauf über den gewählten Messbereich, so dass sich aus den Messdaten keine Abweichungen vom Ohmschen Gesetz ableiten lassen. Durch lineare Regression konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass sich der Ohmsche Widerstand des Leiters im Rahmen der ermittelten Fehlergrenzen nicht verändert hat.