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06. Juni 2014
Ophthalmologie: Grüner Star kommt schleichend
Das Glaukom wird oft ein wenig verharmlosend Grüner Star genannt. Diese Schädigung des Sehnervs ist jedoch tückisch.
Der Betroffene bemerkt sie erst, wenn er beim Sehen deutlich beeinträchtigt ist. Unbehandelt kann das Glaukom zur
Erblindung führen. Auf einmal fiel es auf: Dennis Riehle aus Konstanz wollte die Straße überqueren, doch das übliche
"Schnell links gucken, schnell rechts und rüber" klappte nicht. Beim Blick nach rechts musste er den Kopf stark drehen und
sich sehr konzentrieren. "Bis heute fühle ich mich unsicher an einer Straße und habe Angst, dass ich etwas übersehe", sagt
der 29-Jährige.
Dennis Riehle ist einer von knapp einer Million Menschen, die in Deutschland laut dem Berufsverband der Augenärzte (BVA) von
einem Glaukom betroffen sind, im Volksmund auch Grüner Star genannt. Ein Frühstadium sei bei rund 1,3 Millionen zu erkennen.
- Die Krankheit: Bei einem Glaukom sind die Nervenfasern und Nervenzellen des Sehnervs sowie der Netzhaut geschädigt. Dem
Betroffenen kommt es vor, als sei ein Teil des Blickfeldes wie ausradiert. Die Krux: Er merkt solche Ausfälle anfangs kaum, denn sie
treten schleichend und zunächst am äußeren Gesichtsfeld auf. «Das Gehirn füllt die Lücken des Bildes auf», erklärt Prof. Hans Hoerauf
vom BVA. Mit der Zeit werden die Ausfälle aber immer größer.
- Die Ursache: Hauptgrund für den Grünen Star ist ein erhöhter Augeninnendruck. Um Form und Sehfunktion des Auges zu erhalten,
braucht es einen bestimmten Innendruck. Erzeugt wird dieser Druck laut Augencentrum Mülheim durch ein Gleichgewicht zwischen
produziertem und abfließendem Kammerwasser. Dieses System werde jedoch im Laufe des Lebens weniger durchlässig und der
Sehnerv empfindlicher. Die Produktion des Kammerwassers bleibe gleich, der Abfluss jedoch werde behindert. Der Augeninnendruck
steigt an. Das Risiko für ein Glaukom nimmt daher mit dem Alter zu.
- Weitere Risikofaktoren: Einst sah man allein den erhöhten Augeninnendruck ab 21 mmHg als Auslöser. Dies gilt heute als überholt.
Denn auch Patienten, die einen Druck unterhalb dieser Grenze haben, erkranken an einem Glaukom. Und ein Teil der Menschen, die
einen höheren Wert haben, entwickeln kein Glaukom.
"Wachsam sollte man auch sein, wenn Verwandte ersten oder zweiten Grades wie Eltern, Geschwister oder Großeltern unter einem
Glaukom leiden", erklärt Hoerauf. Bei Dennis Riehle etwa hatten alle Großeltern einen Grünen Star. Auch stark Kurzsichtige ab minus
fünf Dioptrien sind gefährdet, ebenso Diabetiker. Es gibt meist nicht nur eine einzige Ursache, die die Nervenfasern des Sehnervs
schädigen.
- Früherkennung und Diagnose: "Jeder Mensch sollte ab dem 40. Lebensjahr alle vier Jahre die Glaukom-Früherkennung beim
Augenarzt wahrnehmen", rät Hoerauf. Wer familiär vorbelastet sei, sollte den Check-up ab dem 30. Lebensjahr einmal im Jahr
machen lassen. Bei der Vorsorge wird nicht nur der Augeninnendruck gemessen, sondern der Augenarzt sieht sich auch den
Sehnervkopf genau an. Hat er einen Glaukomverdacht, sind weitere Untersuchungen der Nervenfaserschichtdicke und der
Hornhautdicke sinnvoll.
Letztere spielt bei der Messung des Augeninnendrucks eine wichtige Rolle: Eine dickere Hornhaut täuscht einen zu hohen Druck vor
und eine dünne Hornhaut einen zu niedrigen. Diese schmerzfreien Vorsorgeuntersuchungen werden allerdings nicht von der
Krankenkasse bezahlt. "Es ist im eigenen Interesse, ein Glaukom so früh wie möglich zu erkennen", sagt Angelika Ostrowski vom
Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband in Berlin.
- Die Perspektiven: Wird ein Grüner Star nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, können die Schäden am Sehnerv fortschreiten und
bis zur Erblindung führen. Sind bereits Schäden entstanden, können sie nicht geheilt werden - aber die Chancen sind gut, der
Erkrankung Einhalt zu gebieten.
- Die Therapie: Behandelt wird das Glaukom mit Augentropfen, mit denen der Augeninnendruck gesenkt wird. Wirkstoffe sind
Prostaglandine, Carboanhydrasehemmer oder Betablocker. Je nach Patient werden Wirkstoffe auch kombiniert.
- Die Nebenwirkungen: Viele Patienten reagieren allergisch auf Wirkstoffe beziehungsweise Konservierungsstoffe in den Mitteln. So
war es auch bei Riehle. "Die Augen wurden knallrot, und es hat wahnsinnig gebrannt", erinnert er sich. Er probierte vier Augentropfen,
bis er ein Mittel fand, das er vertrug.
Es kommt außerdem vor, dass trotz des probaten Mittels der Augeninnendruck dennoch nicht sinkt. Manch einer tropft unwissend
falsch. "Man sollte den Augenarzt bitten, es einem zu zeigen", rät Ostrowski. Augenarzt Hoerauf empfiehlt: "Nach dem Tropfen sollte
man eine halbe Minute nicht mit den Augen blinkern, sondern die Augen am besten schließen."
- Was noch zu beachten ist: Außerdem solle man den Tränen-Nasengang, an der Nasenwurzel direkt am Auge, zuhalten. "So wirken
die Tropfen besser", sagt Hoerauf. Ostrowski empfiehlt, die vorgegebenen Zeiten des Tropfens einzuhalten. "Auch sollte man die
Kontrolluntersuchungen beim Arzt im Blick behalten." Wirken die Medikamente nicht ausreichend, kann eine Operation erwogen
werden.
- Das Fazit: Bei Dennis Riehle konnte der Augeninnendruck mit den Tropfen deutlich gesenkt werden. Dennoch: "Keiner kann mir
sagen, wie es weitergehen wird. Prognosen sind nicht möglich", sagt er. Der Konstanzer engagiert sich in einer Selbsthilfegruppe für
den Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe. Dort gebe man sich Tipps, wie man mit den Einschränkungen umgeht. Riehle sagt: "Ich
habe ein anderes Verständnis für das Sehen bekommen."
Quelle: Initiativkreis zur Glaukom-Früherkennung
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