Modellierung der Rissdynamik in tonigen Böden A. Leopold, H. Hoffmann, H.-J. Vogel1 und K. Roth In diesem Beitrag wird ein 2-dimensionales Strukturmodell für die Dynamik der Rissmuster an der Oberfläche toniger Substrate vorgestellt. Dabei werden die wesentlichen physikalischen Prozesse der Rissbildung reproduziert, was mit lediglich zwei Parametern möglich ist: die Heterogenität des Materials und die innere Reibung. Die modellierten Rissmuster werden quantifiziert und können so mit experimentellen Daten verglichen werden. Die dafür angewandten Methoden werden in einem anderen Beitrag [Vogel et al., 2003] besprochen. die Federspannung langsam erhöht. Übersteigt die Spannung einen kritischen Wert FT ,i,j , bricht die Feder. Als Konsequenz bewegen sich die Knoten auseinander wobei eine Reibungskraft überwunden werden muss. Bei dieser Relaxation der Knoten in Richtung eines neuen Gleichgewichtszustandes steigt die Spannung an den unmittelbar benachbarten Federn, d.h. an den Rissspitzen, während die restlichen Federn entlastet werden. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein initialisierter Riss an seiner Spitze weiterentwickelt sehr gross. Ki,j xi xj Fi,j FT,i,j Einleitung λ CRACK Bei der Modellierung der Rissdynamik in tonigen Böden sollten die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse in möglichst guter Näherung reproduziert werden. Das Reissen ist die Konsequenz einer langsamen Kontraktion des Materials aufgrund der Abnahme des Wassergehaltes. Dabei nehmen die lokalen Spannungen langsam zu, bis an Schwachstellen eine Bruchschwelle überschritten wird. Ein dort entstehender Riss beeinflusst die Spannungsverteilung in seiner unmittelbaren Umgebung: Die grösste Spannung ist an der Spitze des Risses zu erwarten; die Spannung senkrecht zum entstehenden Riss wird abgebaut, während sie parallel zum Riss erhalten bleibt. Eine Konsequenz aus dieser Spannungsverteilung ist eine spontane Fortsetzung des Risses an seiner Spitze in einem positiv rückgekoppelten Prozess. Ausserdem wird bei der Verzweigung eines Risses ein Winkel von 120◦ energetisch am günstigsten, beim auftreffen eines Risses auf einen bereits bestehenden ein Winkel von 90◦ . In Abhängigkeit von verschiedenen Materialeigenschaften bilden sich charakteristische Rissmuster, wobei die Heterogenität des Materials und seine plastischen Eigenschaften von entscheidender Bedeutung sind. Im Folgenden wird ein dynamisches Modell vorgestellt, das die charakteristische Phänomenologie der Rissbildung beschreibt. Das Modell Wir modellieren die Oberfläche eines schrumpfenden Materials mit einem regelmässigen Dreiecksgitter. Dabei ist jeder Knoten mit seinen sechs unmittelbaren Nachbarn über eine Hooksche Feder verbunden. Wie in Abb. 1 veranschaulicht, ist die anziehende Federkraft zwischen zwei Knoten xi und xj gegeben durch Fi,j = Ki,j (|~xi − x ~ j | − λ) , wobei Ki,j die Federkonstante und λ die Ruhelänge der Feder darstellt. Die Austrocknung wird simuliert, indem die Ruhelänge λ sukzessive verkleinert wird, was 1 Institut für Umweltphysik, Universtät Heidelberg Im Neuenheimer Feld 229, D-69120 Heidelberg email: [email protected] Abbildung 1: Hooksche Feder zwischen zwei Knoten. Ein Beispiel für einen wachsenden Riss zeigt Abb. 2. Hier wird auch ersichtlich, dass beim Aufeinandertreffen zweier Risse ein Winkel von 90◦ am wahrscheinlichsten ist, wohingegen bei der Verzweigung eines Risses aufgrund lokaler Heterogenitäten ein Winkel von 120◦ das energetisch Günstigste darstellt. Abbildung 2: Entstehender Riss in einem Dreiecksgitter aus Hookschen Federn. Um eine mikroskopische Heterogenität des Materials zu berücksichtigen wurden die Bruchschwellen FT ,i,j als variabel angenommen und zufällig auf das Gitter verteilt. Damit kann über die Varianz σT2 der Bruchschwellen σT die Heterogenität des Materials eingestellt werden. Ein zweiter freie Modellparameter ist die Reibung der Knoten am Untergrund. In Abhängigkeit dieser beiden Parameter bildet sich ein charakteristisches Rissmuster. In Abb. 3 sind zwei verschiedene Stadien der Rissbildung zusammen mit den lokalen Spannungen innerhalb des Federgitters dargestellt. Die maximalen Spannungen befinden sich an den Spitzen der Riss und im Zentrum der Aggregate, wo dann auch neue Risse entstehen. 0.50 Flächendichte AA [-] 0.45 0.40 0.40 0.35 0.30 0.30 0.25 0.20 0.20 0.15 0.10 0.10 0.05 0 0 Abbildung 3: Verschiedene Stadien der Rissbildung (schwarz) in einem Dreiecksgitter aus Hookschen Federn. Die Grauwerte entsprechen der lokalen Federspannung. Simulationen Längendichte LA [cm−1 ] 0 1000 0 200 400 0 200 400 0 200 1 1 0 0 0 500 1000 0.30 0.30 Eulerzahl χA [cm−2 ] Im Folgenden wird das Modellverhalten für verschiedene Parameterkonfigurationen von σT2 und veranschaulicht (Abb. 4). 500 0.25 0.25 0.20 0.20 0.15 0.15 0.10 0.10 0.05 0.05 0 0 0 500 Zeit 1000 Zeit 400 Abbildung 5: Dynamik der Minkowskifunktionale für die Realisierungen in Abb. 4 mit verschiedener Heterogenität (linke Spalte, zunehmend mit Strichlänge) und Reibung (rechte Spalte, zunehmend mit Strichlänge). Die Zeit entspricht den Schritten für die Verkürzung der Federruhelängen im Modell. namik den experimentellen Ergebnissen entspricht (vergl. Vogel et al. [2003]). Die Rissfläche steigt zu Beginn während der Rissbildung stark an, dann, während der Schrumpfung der Aggregate, langsamer. Ähnlich verhalten sich die Grenzlinienlängen, sie gehen während der Schrumpfung zum Teil sogar zurück. Zunächst bilden sich einzelne Risse (positive Eulerzahl), die sich dann zu einem Netz verbinden (abnehmende Eulerzahl). Ausblick Abbildung 4: Realisierungen von Rissmustern bei nach oben zunehmender Heterogenität (linke Spalte) und zunehmender Reibung (rechte Spalte). Mit zunehmender Heterogenität, σT2 , werden die einzelnen Risse unabhängiger, das Rissmuster wird unregelmässiger. Unterschreitet die Varianz einen kritischen Wert wird das zugrundeliegende hexagonale Gitter sichtbar. Mit zunehmender Reibung wird der Einflussbereich einzelner Risse kleiner, die Rissweite nimmt ab und das Rissmuster wird feingliedriger. Eine quantitative Beschreibung der verschiedenen Rissmuster und ihrer Dynamik liefern die Minkowskifunktionale – Rissfläche, Längendichte der Rissgrenzlinien und Anzahldichte (Eulerzahl) der Risse – als Funktion der Zeit (vergl. Vogel et al. [2003]). Sie sind für die verschiedenen Simulationen in Abb. 5 dargestellt. Über die beiden Parameter kann ein breites Spektrum verschiedener Rissmuster generiert werden, deren Dy- Das hier vorgestellte Modell reproduziert wesentliche, in Experimenten beobachtbare Phänomene der Rissdynamik, da die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse in guter Näherung dargestellt werden. Es hat damit das Potenzial, wichtige Strukturparameter für Transportmodelle in quell-schrumpfenden Böden zu liefern. Eine solche Kopplung von Struktur und Transport ist ein vielversprechender Schritt für die funktionelle Charakterisierung solcher Böden. Zitierte Literatur Vogel, H.-J., A. Leopold and K. Roth, 2003: Charakterisierung der Dynamik von Rissmustern in tonigen Böden, Mitteilgn. Dtsch. Bodenkundl. Gesellsch. (in diesem Band)