Psychotherapeutische Versorgung in Europa Dr. med. Christoph J. Tolzin FA für Psychiatrie und Psychotherapie - Sozialmedizin Leiter des Kompetenz-Centrums für Psychiatrie und Psychotherapie der MDK-Gemeinschaft und des GKV-Spitzenverbandes Berlin, 25. Februar 2015 Gliederung ➞ Zum Einstieg: Zahlen und Fakten ➞ Die Gesundheitssysteme ausgewählter Länder in Europa ➞ Psychotherapie ausgewählter Länder in Europa – Zugang zur Psychotherapie – Unbehandelte – Zahlen und Fakten zur Psychotherapie ➞ Fazit ➞ Quellen PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 2 Gliederung ➞ Zum Einstieg: Zahlen und Fakten PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 3 Lebenserwartung bei Geburt in Jahren (2012) OECD health statistics 2014 ➞ trotz unterschiedlicher Gesundheitssysteme annähernd gleiche Lebenserwartung in den untersuchten Ländern: 83 82,8 82,5 82,1 82 81,8 81,5 81,2 81 81 81 80,5 80 PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 4 81,1 Säuglingssterblichkeit pro 1000 Lebendgeborene OECD health statistics 2014 ➞ die Säuglingssterblichkeit gilt als Indikator der Effektivität des Gesundheitssystems eines Landes ➞ die Zahlen sind in allen Ländern nahezu gleich 4,5 4,1 4 3,5 3,3 3,7 3,5 3,6 3,2 3 2,6 2,5 2 1,5 1 0,5 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Niederlande PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 5 Österreich Schweden Schweiz Suizidrate pro 100 000 OECD statistics 2014 ➞ die Suizidrate gilt als Indikator für die psychische Gesundheit der Bevölkerung eines Landes ➞ die durchschnittliche Suizidrate der EU liegt bei 11,8 18 16,9 15,5 16 13,2 14 12 12 11,9 10 10 8 6,8 6 4 2 0 Deutschland Frankreich Großbritannien PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 6 Niederlande Österreich Schweden Schweiz Gesundheitsausgaben OECD health statistics 2014 14 5000 4500 12 12 10,9 11,4 11,2 4000 10,4 10 3500 9,1 8,9 3000 8 2500 4565 6 3829 3613 % des BIP 2000 3676 3220 3083 4 1500 2470 1000 2 500 0 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Niederlande PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 7 Österreich Schweden Schweiz pro Kopf in Euro Anzahl psychiatrischer Betten pro 1000 Einwohner OECD health statistics 2014 1,6 1,4 1,4 1,3 1,2 1 0,9 0,9 0,8 0,6 0,6 0,5 0,5 0,4 0,2 0 Deutschland Frankreich Großbritannien PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 8 Niederlande Österreich Schweden Schweiz Gesundheitsausgaben nach Art der Finanzierung (2012) OECD health statistics 2014 100 90 80 70 Andere 60 Privatversicherung 50 private Zuzahlung 40 Sozialversicherung öffentliche Hand 30 20 10 0 Deutschland Frankreich Großbritannien Niederlande Österreich Schweden Schweiz The Netherlands do not account for fixed deductable payable by patients (350 EUR per year) as out-ofpocket spending, resulting in an underestimation of the share of out-of-pocket payments. PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 9 Anteil an Frühverrentung aufgrund psychischer Erkrankung Quelle: OECD mental health and work; für Deutschland: BPtK 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 Deutschland Frankreich Großbritannien PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 10 Niederlande Österreich Schweden Schweiz Gliederung ➞ Die Gesundheitssysteme ausgewählter Länder in Europa PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 11 Gesundheitssystem: Frankreich 1 Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung ➞ Staatlich regulierte Versicherungssystem, gesetzliche Krankenversicherung ➞ 3 „Dachkrankenkassen“ mit lokalen und regionalen Untergliederungen, umfangreicher Leistungskatalog, Beiträge einkommensabhängig ➞ Parlament wirkt indirekt an Budgetkontrolle der Krankenversicherung mit (beschließt Obergrenze für den Haushalt der gesetzlichen Krankenversicherung) ➞ Honorare für Leistungen werden jährlich mit dem Staat und den Leistungserbringern ausgehandelt (¼ der niedergelassenen Fachärzte legen eigene Honorare) fest PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 12 Gesundheitssystem: Frankreich 2 Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung ➞ Kasse erstattet 70% der ambulanten Kosten, stationär 100% ➞ Krankenhaus ist größter Ausgabeposten ➞ Zusatzversicherungen für die verbleibenden 30% ➞ Obligatorische Wahl eines behandelnden Arztes (Médecin traitant) ➞ „freie“ Wahl ohne vorherige Konsultation des Mt sanktioniert (weniger Rückerstattung) ➞ Prämien für Mt für Prävention, Verordnung von Generika PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 13 Gesundheitssystem: Großbritannien Quelle: OECD mental health and work ➞ Gesundheitspolitik ist in Großbritannien eine regionale Angelegenheit ➞ Nationaler Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) finanziert aus Steuermitteln, geringer Teil Sozialversicherung – Versorgungsstrukturen in den Ländern abweichend ➞ Inanspruchnahme des NHS kostenfrei, Eigenanteile bei z.B. Zahnersatz, Brillen ➞ Über 90% der britischen Ärzte beim NHS tätig, freie Arztwahl ➞ Zuweisung zum Spezialisten meist durch Hausarzt ➞ Unterscheidung in primary care, secondary care und tertiary care PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 14 Gesundheitssystem: Niederlande Quelle: OECD mental health and work ➞ Seit 2006 (Gesundheitsreform): obligatorische Grundversicherung deckt einen staatlich festgelegten Leistungskatalog ab ➞ jährlich neue Regelungen ➞ Aufnahme- und Leistungspflicht ➞ Höhe der Versicherung legt Versicherer fest – Wettbewerb ➞ Selbstbehalt (2015: 360 €) ➞ Zusatzversicherung möglich ➞ Rückzahlung für Einkommensschwache PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 15 Gesundheitssystem: Österreich Quelle: Das österreichische Gesundheitssystem, Bundesministerium für Gesundheit ➞ Krankenversicherung ist Pflichtversicherung (99,9% abgesichert) ➞ überwiegend beitragsfinanziert, Höhe unabhängig vom Risiko ➞ Beiträge paritätisch von Dienstgeber und Dienstnehmer bezahlt ➞ 9 Gebietskrankenkassen, 6 Betriebskrankenkassen ➞ Krankenversicherung kann nicht frei gewählt werden, kein Wettbewerb ➞ Zugang zu Leistungen regelt das Sozialrecht ➞ Freie Ärztewahl PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 16 Gesundheitssystem: Schweiz 1 Quelle: OECD mental health and work ➞ Nach den USA das zweitteuerste Gesundheitssystem ➞ gute Qualität der Gesundheitsversorgung ➞ obligatorische Grundversicherung deckt einen staatlich festgelegten Leistungskatalog ab ➞ Finanzierung über einheitliche Kopfprämien (Höhe von Kanton zu Kanton unterschiedlich, abhängig von Pro-Kopf-Kosten; Risikoausgleich) ➞ Höhe der Selbstbeteiligung an Leistungen frei wählbar ➞ ca. 90 Krankenversicherer PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 17 Gesundheitssystem: Schweden 1 Quelle: OECD mental health and work, Bundeszentrale für politische Bildung ➞ steuerfinanziertes Gesundheitssystem ➞ Ziel: angemessener, bedarfsgerechter Zugang für alle, unabhängig von Einkommen ➞ 20 Landtage (Landsting) und 4 Regionen sind für die medizinische Versorgung verantwortlich, entscheiden über Einbindung privat praktizierender Ärztinnen in die Versorgung ➞ Primärversorgungszentren – Erstkontakt häufig mit Pflegekraft ➞ Fachärzte können auch direkt aufgesucht werden PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 18 Gesundheitssystem: Schweden 2 Quelle: OECD mental health and work, Bundeszentrale für politische Bildung ➞ Stationäre Versorgung in 3 Stufen: Grundversorgung – Zentralkrankenhäuser mit Fachabteilungen – komplizierte/seltene Fälle in Regionalkrankenhäusern ➞ 0-7-90-90 Regelung (akute Sofortbehandlung, 7 Tage Allgemeinarzt, 90 Tage Spezialist, 90 Tage Diagnose-Behandlung) ➞ schwedisches System gilt trotz Bettenabbaus immer noch als Krankenhauszentriert PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 19 Gesundheitssystem: Schweiz 2 Quelle: OECD mental health and work ➞ Freie Arztwahl ambulant ➞ Stationär: Liste der Spitäler, die auf Kosten der Grundversicherung abrechnen können ➞ Freier Wettbewerb außerhalb der Grundsicherung PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 20 Gliederung ➞ Psychotherapie ausgewählter Länder in Europa – Zugang zur Psychotherapie – Unbehandelte – Zahlen und Fakten zur Psychotherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 21 Gliederung ➞ Psychotherapie ausgewählter Länder in Europa – Zugang zur Psychotherapie – Unbehandelte – Zahlen und Fakten zur Psychotherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 22 Zugang zu Psychotherapie – Frankreich 1 Quelle: BPtK ➞ nur Psychotherapie, die von einem Arzt durchgeführt wird, ist erstattungsfähig ➞ Freier Zugang zu Psychotherapie – freie Wahl der Psychotherapeutin ➞ Titel: „Psychotherapeut“ ist seit 2004 geschützt: – Doktortitel in Medizin oder Master in Psychologie oder Psychoanalyse oder Mitgliedschaft in psychoanalytischer Gesellschaft – theoretische und praktische Ausbildung in klinischer Psychopathologie (maximal 400 Stunden je nach Vorbildung) ➞ Psychotherapieausübung ist nicht gesetzlich geregelt – jede Person kann Psychotherapie anbieten, ob mit oder ohne Training – die Führung des Titels „Psychotherapeut“ ist nicht notwendig, um PT anzubieten PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 23 Zugang zu Psychotherapie – Frankreich 2 Quelle: european psychotherapy, BPtK ➞ Psychiater werden aufgrund ihrer Ausbildung als „Psychotherapeuten“ anerkannt, ohne Zusatzausbildung ➞ Einige Institute und Vereinigungen haben interne Ausbildungsvorschriften ➞ Psychotherapie ist keine Leistung der Krankenversicherung, daher kein Antragsverfahren, keine Bewilligungsschritte und keine Begrenzung ➞ Psychiater können Krisenintervention abrechnen, bestimmte Krankenkassen erstatten 3 Sitzungen pro Jahr ➞ Keine „anerkannten“ Verfahren, oft Psychoanalyse und Verhaltenstherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 24 Zugang zu Psychotherapie – Großbritannien 1 Quelle: OECD mental health and work; Psychotherapy in Europe, BPtK; european psychotherapy ➞ NHS finanziert psychologische Behandlung in primärer, sekundärer und tertiärer Behandlung ➞ Therapie wird in Hausarztpraxen, durch „community mental health teams“ und (tages-)klinisch angeboten ➞ Lange Wartezeiten aufgrund von inadäquater Verteilung über das Land ➞ Keine gesetzlichen Beschränkungen bezüglich des beruflichen Hintergrundes von Psychotherapeuten, daher viele „Laientherapeuten“ ohne klinische/psychologische Erfahrungen PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 25 Zugang zu Psychotherapie – Großbritannien 2 Quelle: ➞ Anzahl der ambulant erbrachten Sitzungen, die vom NHS finanziert werden, differiert je nach Land; oft 20 Sitzungen, manchmal open-end ➞ Kein Antragsverfahren, keine Bewilligungsschritte ➞ Vielzahl angebotener Therapieverfahren: psychodynamische Psychotherapie, Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, Personenzentrierte Therapie, Gestalttherapie, systemische Therapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 26 Zugang zu Psychotherapie – Niederlande 1 Quelle: OECD mental health and work ➞ Hausarzt behandelt in Zusammenarbeit mit „Practice Support Professional for Mental Health Care (POH-GGZ)“ leichte psychische Probleme (Problemanalyse, Screening, Psychoedukation, Prävention) – POH-GGZ: Psychiatrieschwester (63%), Psychologin (10%), Sozialarbeiter (7%), Krankenschwester (6%) – behandelt werden Patienten ohne Diagnose nach DSM oder Diagnose mit milder Ausprägung plus niedrigem Risiko, niedriger Komplexität und geringem Leiden oder Diagnose bei stabiler chronischer Störung ➞ Hausarzt überweist zum Spezialisten bei höherem Behandlungsbedarf – „generalized basic mental health care“ oder – „specialized mental health care“: PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 27 Zugang zu Psychotherapie – Niederlande 2 Quelle: OECD mental health and work ➞ „generalized basic mental health care“: – DSM-Diagnose, mittlere Ausprägung der Störung – Richtlinien für Behandlungswege: kurz (294min), mittel (495min), intensiv (750min) und chronisch (750min) – Jeder Behandlungsweg hat eigene Vergütung ➞ „specialized mental health care“: – Diagnose nach DSM und Hochrisiko und/oder hochkomplex – finanziert nach Behandlungstyp (regulär, Notfall, chronisch), Diagnose (DSM) und Behandlungsart (ambulant, stationär): pay for performance – keine Begrenzung der Sitzungen ➞ Behandlung von Anpassungsstörungen, Problemen in der Beziehung/ Arbeit sind nicht versichert PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 28 Zugang zu Psychotherapie: Niederlande 3 ➞ kein Antragsverfahren ➞ Unterscheidung nach kurz-mittel-intensiv-chonisch in „generalised basic mental health care“ – Höchstgrenzen je nach Eingruppierung ➞ keine Begrenzung in „specialised mental health care“ ➞ bei Überweisung durch Hausarzt trägt die Versicherung die Kosten (Selbstbehalt 360 €/Jahr) ➞ im Prinzip keine Einschränkungen bezüglich der Verfahren, evidenzbasiert und konsensbasiert ➞ hauptsächlich VT, klientzentrierte PT, psychodynamische PT PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 29 Zugang zu Psychotherapie – Österreich 1 Quelle: ➞ Freie Wahl der Psychotherapeutin ➞ Unterschiedliche Finanzierungsregelungen je Bundesland; Zuschuss von 21,80€ bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung (1992 festgelegt, damals ½ Honorar) ➞ Limitierte Anzahl von „Kassenplätzen“ (2-4 pro Jahr und Psychotherapeutin) ➞ Zuschüsse unterschiedlicher Krankenkassen in unterschiedlicher Höhe ➞ Unterschiedliche Honorare ➞ PT auf Kosten der Krankenkasse per Gesetz – in der Umsetzung funktioniert es nicht PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 30 Zugang zu Psychotherapie – Österreich 2 Quelle: ➞ ärztliches Konsil für Kostenzuschuss der Krankenkasse zwischen 1. und 2. Behandlungsstunde - Zuschuss für 10 Sitzungen (21,80 €) ➞ Antrag vom Psychotherapeuten bei PT > 10 Sitzungen ➞ Bei Kassenplatz 40 Stunden finanziert, Verlängerung möglich (Diagnoseabhängig) ➞ ansonsten kein Antragsverfahren und keine Bewilligungsschritte ➞ Keine geregelte Begrenzung nach oben ➞ Vielzahl anerkannte „Methoden“ : Psychodynamische, Systemische, Humanistisch-Existenzielle, Kognitiv-Behaviorale PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 31 Zugang zu Psychotherapie – Schweden 1 Quelle: OECD mental health and work ➞ Primary care für Patienten mit leichten bis mittleren psychischen Störungen – so wie für Patienten mit körperlichen Störungen ➞ Patienten mit schweren Störungen werden zur spezialisierten Behandlung überwiesen ➞ Hausarzt nimmt keine „Gatekeeper“-Funktion ein, Spezialisten können in den meisten Gebieten direkt aufgesucht werden ➞ Hausärzte sind – wie in den meisten anderen OECD Ländern – nicht psychiatrisch vorgebildet und haben lange Wartezeiten PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 32 Zugang zu Psychotherapie – Schweden 2 Quelle: OECD mental health and work ➞ Kassenfinanzierung bei PT im öffentlichen Gesundheitswesen oder durch Verträge mit den Landtagen – dann Stundenbegrenzung ➞ Kein Antragsverfahren ➞ Keine Bewilligungsschritte ➞ anerkannt sind: Gruppenpsychotherapie, Familientherapie, kognitive (Verhaltens-)therapie, psychodynamische Psychotherapie ➞ Internet-basierte CBT , um lange Wartezeiten und Gefahr der Verschlechterung psychischer Störungen zu umgehen PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 33 Zugang zu Psychotherapie – Schweiz 1 Quelle: OECD mental health and work, BPtK ➞ Überweisung durch Hausarzt ➞ Bis zu 40 Stunden pro Jahr bei Psychiater durch Krankenversicherung abgedeckt ➞ Keine Übernahme für Psychotherapie bei psychologischer Psychotherapeutin – Ausnahme: Angestellte bei Psychiater, dieser führt die Aufsicht („delegierte Psychotherapie“) ➞ Kosten zwischen 165 und 200€ bei Psychiater/delegierter Psychotherapie ➞ Zwischen 116 und 132 € pro Sitzung bei Selbstzahler (Zuschuss bei Zusatzversicherung möglich, Höhe abhängig vom Versicherer) PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 34 Zugang zu Psychotherapie: Schweiz 2 Quelle: OECD mental health and work, BPtK ➞ Kein Antragsverfahren ➞ Keine Bewilligungsschritte ➞ Bis zu 40 Sitzungen pro Jahr ➞ bei Zuschuss durch Privatversicherung: Begrenzung auf limitierte Sitzungsanzahl, teilweise gestufte Modelle (abhängig vom Versicherer) ➞ im Prinzip keine Einschränkungen bezüglich der Verfahren ➞ hauptsächlich werden verhaltenstherapeutische, psychoanalytische, systemische und personenzentrierte Ansätze angeboten PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 35 Gliederung ➞ Psychotherapie ausgewählter Länder in Europa – Zugang zur Psychotherapie – Unbehandelte – Zahlen und Fakten zur Psychotherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 36 Wie viele Patienten mit psychischen Störungen sind unbehandelt? Quelle: OECD mental health and work (S, NL, SL); ÖBVP (A) ➞ Schweden: 50% deren mit schwerer psychischer Störung, 70% derer mit leichter psychischer Störung haben keine Behandlung ➞ Niederlande: 76% mit schwerer Störung, 82% mit leichter Störung werden nicht vom Spezialisten (Psychiater/Psychotherapeut) behandelt ➞ Schweiz: 7% der Patienten mit psychischen Störungen werden innerhalb eines Jahres behandelt – die Ein-Jahres-Prävalenz für psychische Störungen liegt bei ca. 30% ➞ Österreich: 900.000 Personen nehmen das Gesundheitswesen wegen psychischer Diagnosen in Anspruch; 65.000 davon erhalten Psychotherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 37 Wie viele Patienten mit psychischen Störungen sind unbehandelt? Quellen: DEGS-Zusatzmodul Psychische Erkrankungen (D), Centre for economic performance (UK), Kohn et al (F) ➞ Deutschland: 2/3 aller von psychischen Erkrankungen Betroffenen (12Monats-Prävalenz) haben keinen Kontakt zu Behandlungseinrichtungen in den letzten 12 Monaten ➞ Großbritannien: ¾ unbehandelte Personen mit psychischen Erkrankungen ➞ Frankreich: ca. 27% Personen mit Depression bleiben unbehandelt PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 38 Gliederung ➞ Psychotherapie ausgewählter Länder in Europa – Zugang zur Psychotherapie – Unbehandelte – Zahlen und Fakten zur Psychotherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 39 Kosten für Psychotherapie Deutschland Probatorik 62,91€; Einzeltherapie 82,96 €; Gruppentherapie 20,77€ - 41,33 € je nach Gruppengröße, kassenfinanziert nach GA-Verfahren in anerkanntem Verfahren Frankreich 60 €; in einigen wenigen Fällen kassenfinanziert bei Psychotherapie durch Ärztin Groß38 – 76 €; NHS finanziert meist 20 Stunden britannien Niederlande 50-120 €; bei Überweisung durch Hausarzt (im Moment) kassenfinanziert Österreich 70 – 150 €; in einigen wenigen Fällen vollfinanziert, sonst Zuschuss von 21,80€/Einheit Schweden 54,22 – 108,44 €; bei Psychotherapie im öffentlichen Gesundheitswesen Schweiz 165 – 200 €; bei delegierter Psychotherapie bis zu 40 Sitzungen/Jahr kassenfinanziert 116 -132 €; bei privater Psychotherapie PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 40 Zugangsvoraussetzungen für PsychotherapeutInnen Quelle: Psychotherapy in Europe, BPtK Deutschland Studium der Psychologie/Medizin für Psychotherapie bei Erwachsenen für PT bei Kindern und Jugendlichen auch pädagisches Studium Frankreich Keine Zugangsvoraussetzungen, um Psychotherapie anzubieten; Universitätsabschluss in Medizin/Psychologie/Psychoanalyse/Psychiatrie, um den Titel „Psychotherapeut“ zu führen GroßKeine Restriktionen bezüglich des beruflichen Hintergrundes, Fähigkeit auf britannien Postgraduiertem Level zu lernen, flüssiges Englisch Niederlande abgeschlossenes Studium der Psychologie, Medizin, Heilpädagogik, Gesundheitswissenschaften Österreich Abitur oder Studienberechtigungsprüfung oder Abschluss in einem „Quellenberuf“ (Medizintechniker, Musikpädagogin, Krankenschwester…) Schweden Abschluss und Lizenz als Psychologin oder (Kinder- und Jugend-)Psychiater, Sozialarbeiter, Krankenschwester (Abitur), Physiotherapeutin Schweiz Bachelor-Studium der Medizin oder Medizin PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 41 Ausbildung von nichtärztlichen Psychotherapeutinnen Quelle: Psychotherapy in Europe, BPtK Deutschland 3 -5 Jahre, gesetzlich geregelt Frankreich maximal 400 Stunden/5 Monate, gesetzlich geregelt Großbritannien 4 Jahre Psychoanalyse, 2 Jahre psychodynamische Therapie, keine gesetzliche Regelung Niederlande 4 Jahre, gesetzlich geregelt Österreich 4 -6 Jahre, gesetzlich geregelt Schweden 5 Jahre für Psychologinnen und Psychiater, 7 Jahre für andere Berufsgruppen, gesetzlich geregelt Schweiz 4-5 Jahre, Regelungen existieren, sind im Moment jedoch nicht bindend PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 42 Ausbildung von Krankenschwestern Psychiatrie Quelle: Die Schwester Der Pfleger, Deutschland 10 Schuljahre, 3jährige Ausbildung + fachbezogene Weiterbildung Psychiatrie/Gerontopsychiatrie Frankreich Hochschulreife, 3jähriges Studium (Bachelor „Public Health“) Großbritannien Hochschulreife, Studium „Nurse“, fachbezogene Weiterbildung Niederlande Hochschulreife, 4-4,5jähriges Studium (Bachelor) Österreich 10 Schuljahre, 3jährige Ausbildung in „psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege“ Schweden Hochschulreife 3-4jähriges Studium (Bachelor) + Ausbildung in Psychiatrie Schweiz Hochschulreife, 3jähriges Studium (Bachelor) PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 43 Gliederung ➞ Fazit PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 44 Fazit ➞ In Europa werden überwiegend mehr Verfahren praktiziert als in Deutschland, bspw. systemische und klientzentrierte Psychotherapie ➞ meist unbürokratischer Zugang zur Psychotherapie (ohne Überweisung) ➞ extreme Unterschiede in der Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen (38 € Großbritannien vs. 200 € Schweiz) ➞ große Unterschiede in den bewilligten Stundenkontingenten ➞ stark unterschiedliche berufliche Voraussetzungen ➞ stark unterschiedliche Ausbildungscurricula PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 45 Gliederung ➞ Quellen PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 46 Quellen ➞ OECD (2014), Mental Health and Work: Netherland, Mental Health and Work, OECD Publishing ➞ OECD (2014), Mental Health and Work: Switzerland, Mental Health and Work, OECD Publishing ➞ OECD (2014), Mental Health and Work: Sweden, Mental Health and Work, OECD Publishing ➞ OECD (2014), Mental Health and Work: United Kingdom, Mental Health and Work, OECD Publishing ➞ OECD (2014), Health at a Glance: Europe 2014, OECD Publishing PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 47 Quellen ➞ BPtK Studie zur Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Psychische Erkranungen und gesundheitsbedingte Frühverrentung ➞ Bundespsychotherapeutenkammer (2011): Psychotherapy in Europe – Disease Management Strategies for Depression National Concepts of Psychotherapeutic Care ➞ European Psychotherapy 2011: Psychotherapy in Europe, 10(1) ➞ Layard, R. (2012). Mental illness loses out in the NHS. British Politics and Policy at LSE. ➞ Kohn, R., Saxena, S., Levav, I., & Saraceno, B. (2004). The treatment gap in mental health care. Bulletin of the World health Organization, 82(11), 858-866. ➞ Die Schwester Der Pfleger, 47. Jahrgang 04/08 PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG IN EUROPA | 25.02.15 | 48 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit