Forschungsgruppen Auf den folgenden Seiten stellen sich die Forschungsgruppen des Instituts einzeln vor. Zahlreiche Arbeitsgruppen mit speziellen Themen geben hier ebenso einen Einblick in ihre Forschung wie die Abteilungen, die von den Direktoren des Instituts geleitet werden. Freilich erlaubt der begrenzte Raum keine umfassende Präsentation. Wer mehr wissen möchte, ist herzlich eingeladen, die Forschungsgruppen im Internet zu besuchen. Die Web-Adresse ist jeweils ganz unten auf der Seite zu finden. 17 Mitteilsame Nervenzellen Hundert Milliarden Nervenzellen birgt das Nervensystem des Menschen – schätzungsweise, es können auch ein paar mehr sein. Und die einzelnen Nervenzellen können jeweils mit Tausenden von Nachbarn Kontakt aufnehmen. Aus kleinen Membranbläschen, den Speichervesikeln, werden dabei spezielle Botenstoffe freigesetzt, die das Verhalten der Nachbarzelle beeinflussen. Was sich dabei auf molekularer Ebene abspielt, gilt es im Detail zu analysieren. Schließlich beruht auf solch molekularen Prozessen die Fähigkeit der Nervenzellen, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten – bis hin zu komplexen Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis. An den reich verzweigten Auswüchsen einer Nervenzelle (blau) sind Kontaktstellen mit anderen Nervenzellen erkennbar (rot). Dynamik und Modulation der synaptischen Übertragung B ei der Kommunikation zwischen Nervenzellen werden die Signale gewöhnlich mehrmals umgewandelt. Die eine Zelle übersetzt die elektrischen Signale in chemische, die nachfolgende Zelle übersetzt diese chemischen Signale dann wieder zurück in elektrische. Warum so umständlich? Im Prinzip könnten sich die Nervenzellen auch einfach über elektrische Kontakte verständigen, und einige tun das tatsächlich. Eine chemische Kommunikation hat jedoch den Vorteil, dass die Botenstoffe nicht nur aktivierend wirken können. Manche dieser Transmitter üben auch einen hemmenden Einfluss aus. Zudem sind die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen – die Synapsen – bemerkenswert anpassungsfähig: Wenn eine längere Serie von elektrischen Signalen dort eintrifft, werden selten alle gleich behandelt. Oft kommt im Laufe der Zeit immer weniger bei der Nachbarzelle an. Mitunter lässt sich aber auch ein gegenteiliger Effekt beobachten, die Signale werden mit zunehmender Intensität weitergegeben. Diese dynamische Komponente spielt bei der Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle. Doch was steckt auf der molekularen Ebene dahinter? Das versuchen wir zu ergründen, indem wir den Informationstransfer gezielt manipulieren. Als Forschungsobjekt dient uns eine besondere Synapse aus dem Hirnstamm von Säugetieren, die sogenannte Held'sche Calyxsynapse. Die schüsselförmige Kontaktstelle ist hier so großzügig dimensioniert, dass wir nicht nur das elektrische Potential messen und nach Wunsch verändern können. Wir können auch fluoreszierende Farbstoffe einschleusen sowie spezielle Substanzen, die Kalzium an sich binden und bei Beleuchtung freisetzen. So lässt sich zeigen, in welchem Maß mit dem Kalziumgehalt die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass Botenstoffe ausgeschüttet werden. Botenstoffe können aber auch ihrerseits dafür sorgen, dass sich diese Wahrscheinlichkeit verändert. Bislang ist noch unklar, ob sie dabei nur auf den Einstrom von Kalzium einwirken oder auch auf andere Komponenten der SignalMaschinerie. Privatdozent Dr. Ralf Schneggenburger Ralf Schneggenburger studierte Biologie in Göttingen und Tübingen, ging dann an die Universität Sevilla und promovierte 1993 am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Anschließend arbeitete er an der Universität des Saarlandes in Homburg und an der École Normale Supérieure in Paris. 1996 kam er zurück ans Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2001 leitet er dort mit einem HeisenbergStipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Arbeitsgruppe »Dynamik und Modulation der synaptischen Übertragung«. [email protected] Schneggenburger, R., and E. Neher: Intracellular calcium dependence of transmitter release rates at a fast central synapse. Nature 406, 889-893 (2000). Meyer, A.C., E. Neher and R. Schneggenburger: Estimation of quantal size and number of functional active zones at the calyx of Held synapse by nonstationary EPSC variance analysis. J. Neurosci. 21, 7889-7900 (2001). Eine Held'sche Calyxsynapse – die Abnahme der Fluoreszenzintensität über die Farben Blau bis Rot signalisiert eine Erhöhung der intrazellulären Kalziumkonzentration. Zugleich werden mit einer Elektrode (rechts) die elektrischen Signale gemessen. www.mpibpc.mpg.de/abteilungen/140/groups/sdm/ forschungsgruppen 57 Neurobiologie Professor Dr. Reinhard Jahn Reinhard Jahn studierte Biologie und Chemie und promovierte 1981 an der Universität Göttingen. Von 1983 bis 1986 war er an der Rockefeller University, New York, tätig, anschließend am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (heute: Neurobiologie) in München. 1991 ging er als Professor an die Yale University in New Haven, Connecticut, und seit 1997 leitet er die Abteilung »Neurobiologie« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Zugleich ist Reinhard Jahn Honorarprofessor an der Fakultät für Biologie der Universität Göttingen und bleibt der Yale University als Adjunct Professor verbunden. Im Jahre 1990 erhielt er den Max-PlanckForschungspreis, 2000 den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Interne Arbeitsgruppen: Dr. Dirk Fasshauer, Dr. Ulrich Kuhnt. [email protected] Sutton, B., D. Fasshauer, R. Jahn and A.T. Brünger: Crystal structure of a SNARE complex involved in synaptic exocytosis at 2.4 Å resolution. Nature 395, 347-353 (1998). Xu, T., B. Rammner, M. Margittai, A.R. Artalejo, E. Neher and R. Jahn: Inhibition of SNARE complex assembly affects kinetic components of exocytosis. Cell 99, 713-722 (1999). Takamori, S., J.-S. Rhee, C. Rosenmund and R. Jahn: Identification of a vesicular glutamate transporter that defines a glutamatergic phenotype in neurons. Nature 407, 189-194 (2000). Lang, T., D. Bruns, D. Wenzel, D. Riedel, P. Holroyd, C. Thiele and R. Jahn: SNAREs are concentrated in cholesterol-dependent clusters that define docking and fusion sites for exocytosis. EMBO J. 20, 2202-2213 (2001). Über zahlreiche Synapsen (grün) steht diese Nervenzelle mit ihren Nachbarn in Kontakt. Ursprünglich stammt sie aus dem Hippocampus, einem Teil des Großhirns. N ervenzellen geben Signale mit Hilfe von Botenstoffen weiter, die in Speichervesikel verpackt im Inneren der Zelle bereitliegen. Soll eine Botschaft übermittelt werden, so verschmelzen einige Vesikel mit der Zellmembran. So einfach dieser Vorgang im Mikroskop erscheinen mag, so schwierig wird er, wenn man die verantwortlichen Moleküle unter die Lupe nimmt. Um mehr über die molekularen Grundlagen der Membranfusion zu erfahren, machen wir uns zunutze, dass Membranen nicht nur in Nervenzellen fusionieren. Fusion ist ein universelles Phänomen, das sich auch in jeder anderen Zelle beobachten lässt. Schließlich werden biologische Membranen ständig umgebaut. Dabei schnüren sie häufig kleine Bläschen ab, die sich dann in ein anderes Membransystem einfügen. Und wann immer Membranen fusionieren, spielen spezielle Proteine, die sogenannten SNAREs, eine Schlüsselrolle. Unterschiedliche Membranen benutzen allerdings ein jeweils unterschiedliches Sortiment. Tückische Toxine Im Mittelpunkt des Interesses stehen die SNAREs, die in Nervenzellen bei der Ausschüttung des Botenstoffs mitwirken. Auf ihre Spur führten zwei gefürchtete bakterielle Giftstoffe: die BotulinusToxine und das Tetanus-Toxin. Botulinus-Toxine vereiteln die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskelfasern. Da sie auf diese Weise auch die Atemmuskulatur lähmen, besteht 58 forschungsgruppen www.mpibpc.mpg.de/abteilungen/190/ Erstickungsgefahr. Tetanus-Toxin greift dagegen im Rückenmark ein. Dort bringt es Nervenzellen zum Schweigen, die normalerweise die Muskelbewegungen unter Kontrolle halten. Dass die Muskeln daraufhin hemmungslos aktiv werden, ist für den Wundstarrkrampf, wie Tetanus auch genannt wird, charakteristisch. Doch ob Tetanus oder Botulismus, in beiden Fällen haben es die Giftstoffe auf die SNAREs kommen. Nach der Fusion sind diese Nanomaschinen ausgepowert. Nun sind andere Proteine am Zug, um die SNAREs wieder aus ihrer Umklammerung zu lösen. Sie in einzelne Eiweißmoleküle aufzutrennen kostet Stoffwechselenergie. Um gemeinsame Sache zu machen, brauchen die SNAREs hingegen keine Unterstützung. Auch im Reagenzglas finden sie sich bereitwillig zu charakteristischen Komplexen zusammen. Wenn Membranen miteinander verschmelzen, sind bestimmte Proteine, die SNAREs (blau, grün, rot), im Spiel. abgesehen. Und wenn auch nur eines dieser Proteine defekt ist, können die Vesikel nicht mehr mit der Zellmembran verschmelzen. Kontaktfreudige SNAREs Derzeit liegt der Forschungsschwerpunkt auf künstlich zusammengesetzten Vesikeln, die unter kontrollierten Bedingungen zum Fusionieren gebracht werden. So lassen sich die vielfältigen Faktoren, auf die es dabei ankommt, in allen Einzelheiten untersuchen. Außerdem arbeiten wir mit den Arbeitsgruppen von Herrn Neher, Herrn Klingauf und Herrn Rosenmund zusammen, wenn es darum geht, die Auswirkungen von molekularen Veränderungen auf die synaptische Übertragung zu untersuchen. Gemeinsam mit anderen Forschergruppen galt es herauszufinden, wie die verschiedenartigen SNAREs zusammenarbeiten. Welche Funktion die einzelnen Komponenten übernehmen, wurde ebenso untersucht wie ihre räumliche Struktur. Darüber hinaus stellte sich die Frage, welches molekulare Inventar steuernd eingreift. Schließlich sollen benachbarte Membranen nicht wahllos fusionieren. Nervenzellen zum Beispiel sollen ihre Botenstoffe nur dann ausschütten, wenn sie eine Nachricht zu übermitteln haben. Über die Kontrollmechanismen ist noch wenig bekannt. Hingegen gibt es schon recht präzise Vorstellungen darüber, wie die Fusion der Membranen abläuft: Wenn passende SNAREs miteinander in Kontakt treten und sich ineinander verhaken, verändern sie ihre Form. Anscheinend üben sie dabei eine solche Zugkraft aus, dass die Membranen, in denen sie verDie Angriffspunkte der bakteriellen Giftstoffe sind durch Pfeile markiert (TeNT = Tetanus-Toxin, BoNT = Botulinus-Toxine). ankert sind, einander extrem nahe forschungsgruppen 59 Mechanismen der synaptischen Übertragung Dr. Christian Rosenmund Christian Rosenmund studierte Pharmazie an der Universität Frankfurt/Main und promovierte 1993 am Vollum Institute in Portland, Oregon. Nach zwei Jahren am Salk Institute, La Jolla, Kalifornien, kam er 1995 an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 1998 leitet er dort als Heisenberg-Stipendiat die Arbeitsgruppe »Molekulare Mechanismen der synaptischen Übertragung« in der Abteilung »Membranbiophysik«. [email protected] Reim, K., M. Mansour, F. Varoqueaux, H.T. McMahon, T.C. Südhof, N. Brose and C. Rosenmund: Complexins regulate a late step in Ca2+-dependent neurotransmitter release. Cell 104, 71-81 (2001). Rosenmund, C., A. Sigler, I. Augustin, K. Reim, N. Brose and J.-S. Rhee: Differential control of vesicle priming and short-term plasticity by Munc13 isoforms. Neuron 33, 411-425 (2002). A uch unsere Gruppe interessiert sich dafür, was auf molekularer Ebene geschieht, wenn Nervenzellen an den Synapsen ihre Informationen weitergeben. Gewöhnlich werden dabei elektrische Botschaften in chemische Botschaften umgewandelt. Am Zellkörper erzeugt, gelangt das elektrische Signal über die Nervenfaser bis zur Synapse. Dort veranlasst es bestimmte Poren in der Zellmembran, sich zu öffnen und Kalzium einströmen zu lassen. In der Zelle animiert das Kalzium dann die Speichervesikel, mit der Zellmembran zu verschmelzen. So gelangen die darin gespeicherten Botenstoffe nach außen, wo sie mit der benachbarten Nervenzelle in Kontakt kommen und an bestimmten Empfänger-Proteinen andocken. Bei diesem komplizierten Informationstransfer gilt unser besonderes Interesse den Vesikeln, in denen die Botenstoffe angeliefert werden. Gemeinsam mit der Abteilung Neurobiologie konnten wir bereits zwei Transporter-Proteine aufspüren, die solche Bläschen mit dem Botenstoff Glutamat füllen. Ein anderes Sortiment von Proteinen kommt ins Spiel, wenn sich die Vesikeln an der Synapse startbereit machen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin entdeckten wir die sogenannten Munc13Proteine, die sich dabei als unentbehrlich erweisen. Weitere Proteine – die Complexine und Synaptotagmin – scheinen an der Verschmelzung der Membranen unmittelbar beteiligt zu sein. Derzeit studieren wir, wie sie von Kalzium aktiviert werden und auf andere Proteine einwirken. Dabei untersuchen wir Nervenzellen von Mäusen, bei denen ein einschlägiges Gen ausgeschaltet oder verändert wurde. An den Folgen solcher Manipulationen lässt sich ablesen, wofür ein bestimmtes Protein normalerweise zuständig ist. Eine Vielzahl spezieller Proteine ist vonnöten, um Vesikel zu füllen, mit der Zellmembran in Kontakt zu bringen und zu verschmelzen. 60 forschungsgruppen www.mpibpc.mpg.de/abteilungen/140/groups/mmcsf/ Mikroskopie der synaptischen Übertragung W enn Nervenzellen eine Botschaft übermitteln, verschmelzen kleine Speichervesikel mit der Zellmembran und ergießen dabei spezielle Botenstoffe nach außen. Ist eine Nervenzelle einigermaßen mitteilungsfreudig, gehen binnen kurzem sehr viele Vesikel diesen Weg. Entsprechend zügig muss die Zellmembran recycelt werden – sonst würde sie sich übermäßig ausdehnen und der Nachschub an Vesikeln bald versiegen. Stellenweise stülpt sich die Membran deshalb nach innen, schnürt sich ab und bildet schließlich wieder Bläschen, die mit Botenstoff gefüllt werden können. Wie dieses Recycling im Einzelnen abläuft, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt. Denn bislang war es unmöglich, den Weg der Vesikel-Membran genau zu vefolgen. Zwar liefert das Elektronenmikroskop sehr detaillierte Bilder. Da es keine Untersuchungen an lebenden Zellen erlaubt, muss man sich jedoch immer mit Momentaufnahmen begnügen. Varianten der Fluoreszenz-Mikroskopie, wie sie an diesem Institut entwickelt werden, eröffnen hingegen ganz neue Perspektiven. Mit diesem technischen Know-how wollen wir den Vesikeln auf der Spur bleiben. Als Forschungsobjekt dienen uns Nervenzellen von Ratten, die wir in Zellkulturen wachsen lassen. Dort bilden sie Synapsen aus, die wir im Auge behalten, vom Transport der Vesikel zur Zellmembran über die Verschmelzung der Membranen bis zum Recycling. Elektronenmikroskopisches Bild einer Kontaktstelle (Synapse), angefüllt mit zahlreichen Membranbläschen (Vesikeln), in denen der Botenstoff bereitliegt. Dr. Jürgen Klingauf Jürgen Klingauf studierte Biologie und Physik in Hamburg und Bonn. Anschließend ging er als Stipendiat des Boehringer Ingelheim Fonds drei Jahre an die Stanford University, Kalifornien, und promovierte dann 1999 an der Universität Göttingen in Physik. Seit 2000 leitet er die Arbeitsgruppe »Mikroskopie der synaptischen Übertragung« in der Abteilung »Membranbiophysik« am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. [email protected] Zwar sind die einzelnen Vesikel viel zu klein, um sie mit einem Lichtmikroskop ausmachen zu können, doch Veränderungen der Fluoreszenz-Eigenschaften geben Auskunft über ihr Schicksal. Pyramidalzelle aus dem Hippocampus des Rattengehirns in einer Zellkultur. Rechts markiert ein Fluoreszenz-Farbstoff die Synapsen, jede etwa einen tausendstel Millimeter groß. Wie Straßenlaternen säumen sie die Auswüchse der Nervenzelle. www.mpibpc.mpg.de/abteilungen/140/groups/most/ forschungsgruppen 61