Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde e.V.

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Deutsche Gesellschaft
für Völkerkunde e.V.
Wa(h)re „Kultur“?
Kulturelles Erbe, Revitalisierung und die Renaissance
der Idee von Kultur
Wien, 14. – 17. September 2011
DGV-Tagung zusammen mit
dem Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien,
dem Institut für Sozialanthropologie der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften
und dem Kunsthistorischen Museum mit Museum für Völkerkunde und
Österreichischem Theatermuseum
In der Gegenwart erhält „Kultur“ immer neue Bedeutungen und wird zur Begründung
immer neuer Handlungspraktiken herangezogen. Der Begriff trägt dazu bei, sich
Gewissheit über gesellschaftliche Zugehörigkeit zu verschaffen, und er wurde zu einem
Instrument, das es den verschiedensten sozialen Gruppen ermöglicht, Rechte und
Transferleistungen einzufordern. Während die Ethnologie mit „Kultur“ durch eine über
hundertjährige Geschichte der Definition und Revision von wissenschaftlichen Zugängen
verbunden ist, sind in Politik und Gesellschaft immer häufiger Praktiken zu beobachten,
die den Begriff „Kultur“ als subjektive und imaginative Strategie nutzen, um spezifische
Interessen durchzusetzen. Übersetzungsleistungen, die zu Begriffen wie Firmenkultur,
Freizeitkultur und gastronomische Kultur geführt haben, verweisen auf die Aktualität des
Begriffs und auf einen möglichen ökonomischen Wert seines erweiterten Gebrauchs.
Ethnologen als Experten für die historischen Ambivalenzen der Idee von „Kultur“ sind
gefordert, Gründe für die gegenwärtige Renaissance dieses Begriffes aufzuzeigen und zu
erklären, warum die Verfügung über „Kultur“ zu einer erfolgversprechenden Strategie der
gesellschaftlichen Anerkennung geworden ist. Ausgehend von dem Wissen, dass es in
den meisten Fällen nicht möglich ist, bestimmte historisch bedeutungsvolle
Kulturphänomene zeitgenössischen Gruppen zuzuordnen, fokussieren Ethnologen ihren
Blick darauf, wie „Genealogien von Kulturen“ konstruiert oder mit Plausibilität versehen
werden. Sie fragen zudem kritisch, ob die neue Popularität von „lokalen Kulturen“ aus
dem damit verbundenen Gegengewicht gegen die Globalisierung zu erklären ist, das sich
unter anderem in der Diversity-Konvention der UNESCO als neuer globaler Norm zeigt,
oder ob sie doch eher eine Form der Selbstvermarktung ist. Die Revitalisierung
ausgewählter Traditionen ist eine weitere Strategie, mit der die Anerkennung der
„Besitzer“ dieser Kultur durchgesetzt wird. Die Begriffe des „kulturellen Erbes“ sowie der
„kulturellen Rechte“ werden somit zu Ressourcen und zugleich zu einem umkämpften
Terrain, wobei die Kriterien der Inklusion oder Exklusion zu diesen Kategorien – wie zu
„Kultur“ überhaupt – kaum je geklärt wurden. Vor dem Hintergrund dieser
widersprüchlichen Entwicklungen soll die Konferenz einen Beitrag zur kritischen Reflexion
des gegenwärtigen „Gebrauchs von Kultur“ leisten.
Aufruf zu Tagungsbeiträgen / Call for Papers
Im Folgenden finden Sie die Abstracts der insgesamt 47 Workshops. Bitte
beachten Sie, dass pro Person nur ein Vortrag auf der gesamten Tagung
möglich ist. Beschränken Sie bitte Ihren Text auf 150 Worte und schicken sie
ihn direkt an die/den Workshop-Leiter/in.
Frist: 11.03.2011
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1. Ethnologie, Sozialanthropologie, Geschichte / Ethnology, Social
Anthropology, History
Andre Gingrich with the collaboration of Chris Hann
The convenors of this panel wish to reassess the status of (different kinds of) historical
work in (different styles of) contemporary anthropological research. In the nineteenth
century, when ethnology was still the generally accepted name in the English-speaking
countries for the scientific study of human social and cultural diversity, historical work
was commonly tied to an evolutionist agenda. In the twentieth century, following the
impact of Malinowskian functionalism, "presentist" ethnography came to dominate the
discipline known in Britain as social anthropology, while in the United States Boas had
embarked upon combining cultural particularism with local historiography and regional
diffusionism.
Fieldwork-based ethnography eventually became similarly dominant in North America
and the German-speaking countries. Yet the discipline's engagement with the past never
ceased altogether. Today, there are signs that history may again be moving to the centre
of the stage: for example, in the revival of ethnohistory in the context of indigenous
peoples' movements, in the enthusiasm for "history from below" in the wake of the
"subaltern studies" approach and postcolonial theory generally, and in the new
opportunities opened up for archival work in many parts of the former Soviet bloc.
It is therefore timely to take stock of the work that is being done in all the different
variants of historical anthropology. In addition to empirical case studies in the
anthropological analysis of historical data, the convenors welcome proposals for more
theoretical papers (e.g. dealing with key concepts, such as diffusionism or "culture area",
or with the relationships between anthropology and archaeology, or with new forms of
evolutionary theory). We also encourage relevant contributions in the field of
Fachgeschichte, particularly proposals that draw out connections between the national
traditions.
Prof. Dr. Andre Gingrich
[email protected]
2. „Kultur“ all inclusive. Konsum und Vermarktung kultureller Aspekte im
Tourismus
Burkhard Schnepel und Eva-Maria Knoll
Auch wenn bei der Wahl einer Urlaubsdestination meist etliche andere Faktoren
mitschwingen, hat das touristische Interesse an der „Kultur der anderen“ – in all ihren
diversen materiellen und immateriellen Manifestationen – oft einen besonderen
Stellenwert. Demtentsprechend wird Kulturelles in unterschiedlichsten touristischen
Warenformen gehandelt wie etwa Essen, Musik und Tanz, archäologische
Ausgrabungsstätten, Souvenirs usw. Dennoch mahnt uns die anthropologische
Theorienbildung (etwa Appadurai, Godelier, Comaroffs) zu einer vorsichtigen
Einschätzung, denn nicht alle Aspekte von Kultur werden in der touristischen
Vermarktung zur Ware oder sind als solche gefragt. Und die Möglichkeiten und Grenzen
touristischer Vermarktung von Kulturellem zeigen gleichermaßen Auswirkungen nicht auf
der Ebene der Bereisten, sondern gleichermaßen auch auf Seiten der Reisenden und der
touristischen Anbieter. In unserem Panel wollen wir anhand ethnographischer Studien
dem touristischen Konsum und der touristischen Vermarktung von Kulturellem auf diesen
unterschiedlichen Ebenen nachgehen:
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Welche Aspekte von Kultur eigenen sich für die touristische Vermarktung und werden
gerne konsumiert? Wann, wo und wie werden diese kulturellen Aspekte zur touristischen
Ware? Wer sind die AkteurInnen und NutznießerInnen dieses Transformationsprozesses?
Wie wirken diese Prozesse touristischer Vermarktung von Kulturellem auf die sozialen
und kulturellen Lebenswelten der Besuchten? Nach welchen Gesichtspunkten schnüren
touristische Anbieter ihre diversen „Nischenprodukte“? Wie ist die fließende Grenze
zwischen dem Interesse am kulturell Anderen und dem Konsum von „authentic fake“ zu
fassen? Und wie gestalten sich die Wechselwirkungen zwischen der touristischen
Vermarktung von Kulturellem und der modernen Reisekultur? Setzt sich
kulturinteressierter und community-basierter sanfter Tourismus etwa als „richtige“
Reiseform vom Massentourismus ab oder ist diese Reiseform auch nur eine weitere
touristische Vermarktungs- und Konsumstrategie von Kulturellem?
Prof. Dr. Burkhard Schnepel
[email protected]
Eva-Maria Knoll
[email protected]
3. Anarchie als Erfahrung
Georg Pfeffer
Während unsere Politik- und Sozialwissenschaften oder auch psychologische und viele
andere Ansätze von heimischen Kategorien und Klassifikationen ausgehen, hat die
soziokulturelle Anthropologie, zumindest vor ihrer Popularisierung, Kategorien und
Klassifikationsweisen erforscht, die keinesfalls heimischen Plausibilitäten oder gar
Selbstverständlichkeiten entsprechen. Der besondere fachliche Auftrag gegenüber
üblicherweise „ethnozentristisch“ genannten Tendenzen lag und liegt in diesem
Forschungsziel. Dementsprechend soll der Workshop die uns vertrauten und empirisch
auch vor Ort gegebenen Größen wie Staat, Verwandtschaft und Individuum von jenen
angewandten Wertideen unterscheiden, die Gemeinwesen ohne Staat und
Verwandtschaft nicht unbedingt oder ausschließlich durch die Abstammung im Sinne
unseres Bürgerlichen Gesetzbuchs definieren. Diese Gemeinwesen mögen Menschsein
nicht notwendigerweise nur in der Form des uns heiligen – unteilbaren – Individuums
konzipieren, sondern ihre Ordnungsmuster verbinden u.U. auch kleinere und/oder
größere Einheiten. Territoriale oder zeitliche Konzepte sind ohnehin kulturspezifisch und
deshalb z.B. auch ohne dingliche Verbundenheit oder lineare Gerichtetheit übertragen auf
Reisen und Routen.
Solche Muster ohne Hinweis auf die Wirkkraft von Zentralinstanzen und
Erzwingungsstäben bestimmen zahllose Gemeinwesen der Gegenwart, so dass deren
Mitglieder den Aktionsraum der empirischen Behörden eines fernen Staates meiden
wollen. Der Workshop diskutiert diese spezifischen Meidungsstrategien im
„unverstandenen Staat“ und vor allem die alternativen Ordnungs- und
Orientierungsmuster sowie Grad und Chancen von deren Umsetzung in Verhalten.
Welche Formen der Idealkonkurrenz – etwa der zwischen sozialer Einbindung und
Privatautonomie – lassen sich alltäglich ertragen, welche überindividuellen Zwänge
besorgen systemische Verbindlichkeit?
Der Workshop thematisiert die Klassifikation von Ernährung und Technik, externer
Sicherheit und interner Schwerpunktbildung sowie mögliche Gefälle bei Gender-,
Generations- und anderen Statusunterscheidungen und die Übergänge von
generalisiertem Teilen zu Gaben- und/oder Warentausch. Vor allem sollten weniger
bekannte bzw. erst kürzlich erforschte „totale“ soziale Tatbestände analytisch
beschrieben werden. Diskussionen über die Virtuosität innerpersönlicher Ausflüge zum
Wohle Dritter sind so willkommen wie deren – denkbarer – Bezug auf formalisierte
Aktionen und Instanzen zum Heil des Gemeinwesens und schließlich, aber nicht zuletzt,
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die Multivalenz solcher Formen und die empirische Relevanz des jeweiligen
soziokulturellen „Ganzen“ gegenüber den verschiedensten „Teilungen“.
Ohne eine vorgegebene regionale Ausrichtung sind alle Beiträge eingeladen, die sich auf
langfristige empirische Forschungen in der Gegenwart beziehen.
Prof. Dr. Georg Pfeffer
[email protected]
4. Ethnizität und Religion als Kapital – Unternehmende Kulturen im heutigen
Indonesien
Martin Ramstedt, Martin Slama und Christian Warta
Seit Beginn des Dezentralisierungsprozesses in Indonesien 2001 spielen ethnische und
religiöse Zugehörigkeit eine größere Rolle in der politischen Neuordnung und
bürokratischen Umgestaltung des Landes als zuvor. Sowohl ethnische als auch religiöse
Gemeinschaften bemühen sich verstärkt darum, Aspekte ihrer Kultur in soziales,
politisches und ökonomisches Kapital umzuwandeln, um sich auf regionaler, nationaler
und transnationaler Ebene politisch und wirtschaftlich zu behaupten. Dabei werden
juridische Strategien in Zusammenhang mit Fragen ethnisch und/oder religiös
begründeter lokaler Autonomie sowie kulturellen Eigentums von wachsender Bedeutung.
Dies führt zu sich teilweise gegenseitig verstärkenden Prozessen der Juridifizierung und
Kommodifizierung von ethnischen und religiösen Traditionen.
Die Dynamik dieser Prozesse gilt es in diesem Workshop genauer zu untersuchen. Das
Hauptaugenmerk unserer Diskussionen liegt auf einer Tiefenanalyse der politischen,
rechtlichen und wirtschaftlichen Strategien, die von religiösen und ethnischen
Gemeinschaften im heutigen Indonesien zur Durchsetzung ihrer Interessen entwickelt
werden. Welche Allianzen mit Out-Group-Personen, Institutionen und Netzwerken werden
dabei eingegangen? Wie werden „Religion“ und „ethnische Kultur“ konkret in
ökonomisches, politisches und soziales Kapital konvertiert? Wo stößt dieses Anpassen an
die jeweiligen „Marktgesetze“ an seine Grenzen? Wo nähern sich marktwirtschaftliche
und politische Kräfte ihrerseits religiösen und ethnischen Gruppen an, um ihre Interessen
zu verfolgen? Welche Streitigkeiten entstehen im Zusammenhang mit Prozessen der
Juridifizierung und Kommodifizierung von religiöser und ethnischer Kultur innerhalb der
jeweiligen Gruppen selbst?
Beiträge in deutscher und englischer Sprache sind gleichermaßen willkommen.
Dr. Martin Ramstedt
[email protected]
Dr. Martin Slama
[email protected]
Christian Warta
[email protected]
5. Negotiating Islam: Between culture and religion
Katja Rieck with the collaboration of Dominik Müller
The growing saliency of culture observed among our ethnographic subjects, which stands
in contrast to anthropology‟s critical view of the concept, has gone hand in hand with the
resurgence of religion. The Muslim world in particular has been a prominent site where
the cultural and the religious have both come to figure prominently in public political
discourse, as well as in everyday social life.
On the one hand, one can observe how culture has been harnessed to further Islamic
revivalist projects. These are sustained to no insignificant part by products of cultural
production that promote the faith, instill its values and aims (or certain interpretations
thereof) and encourage “correct” religious practice. And in fact, recent decades have
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seen a boom in the (material) manifestation of “Islamic” culture, such as, Islamically
correct foods, brands, fashions, music, television shows, novels, holidays, and an array
of Islamic consumer goods (such as mobile phones). This suggests that the cultivation of
an Islamic culture – embodied in shared material goods as well as practices and
experiences – constitutes a central moment in the realization of the Ummah. Culture
thus becomes of central importance to the formation of pious believers, the constitution
of an Islamic esprit de corps, as well as to the material realization of Muslim life-worlds.
However, culture has also been brought into play in counter-hegemonic projects by
Muslims who seek to critique particular practices or doctrines by labeling them (merely)
“cultural”, as opposed to (truly) Islamic. Hence, female genital cutting has been asserted
to be a cultural practice not grounded in the faith, a move that has laid the political and
religious groundwork for combating it. More controversially, veiling has been labeled
merely a cultural practice by those who insist there is no theological evidence that it is a
religious obligation. In other contexts, it is the specific manifestation of (transnational)
revivalist Islamic movements that is recast as the product of a foreign, Arab culture,
against which is asserted the authenticity of historically rooted local or national forms of
Islam (such as in the context of on-going discussions in Java or Iran). In such
controversies culture takes on a critical, deconstructive valence, serving to denaturalize
or call into question (long) established or otherwise privileged beliefs and practices,
opening up spaces for re-negotiating and re-imagining the form and content of Islam as
well as Muslim identity and personhood.
Of course, the constructive and deconstructive deployments of culture by no means
exhaust the manifold ways that culture has (re)shaped the faith, identities, experiences
and life worlds of Muslims. We therefore invite contributions that explore and reflect on
how culture touches, or has been brought to bear on Islam in specific historical or
ethnographic contexts. What are the political dynamics of how actors draw the distinction
between culture and religion? How are arguments grounded in culture articulated and
accorded normative force within religious discursive fields? How and in what contexts is
culture‟s hegemonic or counter-hegemonic potential played out? To what extent does
culture play into processes of othering and essentialization, as anthropologists have
stated in their critiques of the concept, or does it sometimes serve to open up spaces for
new subject positions, new views on faith and practice and fresh understandings of
religious experience? And finally, what new perspectives can this bring to the critical
anthropological engagements with the “uses and abuses of culture” and the worldwide
renaissance of the cultural?
Katja Rieck
[email protected]
Dominik Müller
[email protected]
6. Über das ontologische Konzept der Kultur und die „Nicht Orte“ der Kultur in
der globalen Gesellschaft
Marie-France Chevron und Elena Jirovsky
In diesem Workshop schlagen wir eine Diskussion zum Konzept der „wahren Kultur“ vor
dem Hintergrund des ontologischen Zugangs zum Kulturbegriff vor. Dabei nehmen wir
nicht nur auf eine theoretische, in der beginnenden Ethnologie äußerst heftig
ausgetragene Debatte Bezug, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder
auflebte, sondern auch auf eine seit 2008 an der Universität von Manchester geführte
Diskussion mit Teilnehmern wie Michael Carrithers, Matei Candea, Karen Sykes u.a. über
Ontologie und Kultur.
Ausgangspunkt für diesen Workshop ist aber auch eine aktuelle Form von globalem
Diskurs über den Kulturbegriff und über das, was Kultur ausmacht. Der globale
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Kulturbegriff bezieht sich nicht selten auf eine Idee von Kultur als das Wahre, als die
Essenz von menschlichen Kollektiven und deren Identitäten. Dies gilt sowohl für
moralische Fragen als auch für kulturelle Erscheinungen wie Tanz, Musik, aber auch in
größerem Maßstab für Orte. Dabei wird Kultur als das zu bewahrende Gute (Schöne)
verstanden, das isoliert werden kann und soll. Daraus lässt sich die Frage ableiten: Ist
also Kultur einfach „nur“ das, was es zu bewahren gilt? Und was ist dieser Bestandteil der
Kultur, den man – im Gegenzug – nicht bewahren möchte oder sollte? Wie können
jedoch in einer Zeit, wo der Kulturbegriff eine solche inflationäre Verwendung findet,
bestimmte Dinge, Manifestationen eines menschlichen Kollektivs als das einzig Wahre
betrachtet werden? Diese Problematik findet man bei den unterschiedlichsten
Phänomenen: Alltagshandlungen, Praktiken wie die Weibliche
Beschneidung/Genitalverstümmelung oder auch Maßnahmen im Bereich des
Weltkulturerbes. Diese Phänomene nennen wir ausgehend von einem ontologischen
Kulturverständnis die „Nicht-Orte der Kultur“, da sie scheinbar tabuisierte Bereiche
darstellen, deren Existenz ausgeblendet werden soll.
Workshop-Beiträge sollten sich mit diesem globalen Diskurs über „wahre Kultur“ und
dessen konkrete Auswirkungen anhand von Fallbeispielen beschäftigen. Es sind jedoch
auch theoretische Beiträge über den ontologischen Zugang zum Kulturbegriff
willkommen. Die Leiterinnen des Workshops möchten die dargestellten theoretischen und
empirischen Zugänge durch Beispiele aus eigenen Forschungen veranschaulichen und
zugleich mit Michael Carrithers, der bereits als Vortragender zugesagt hat, an die
aktuelle Debatte, wie sie auch im angelsächsischen Raum geführt wird, anknüpfen.
Dr. Marie-France Chevron
[email protected]
Elena Jirovsky
[email protected]
7. Die UNESCO und ihre Rolle in der globalen Kulturpolitik
Christoph Brumann und Brigitta Hauser-Schäublin
Die 1945 gegründete United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
(UNESCO) betont gerne die Bildung als ihre wichtigste Aufgabe, doch bekannter ist sie
inzwischen für ihre verschiedenen Initiativen im Bereich der „Kultur“. Zu den älteren
Konventionen für den Schutz von Kulturgütern im Kriegsfall und gegen ihren illegalen
Export sowie der alles überstrahlenden Welterbekonvention sind in den frühen 2000er
Jahren zwei weitere vielbeachtete Konventionen für den Erhalt des immateriellen
Kulturerbes und der kulturellen Diversität getreten. Der genauere Blick auf die UNESCO
enthüllt ein klares Feindbild in der befürchteten globalisierungsbedingten
Homogenisierung der Welt, ansonsten aber unscharfe, in sich durchaus widersprüchliche
Vorstellungen von Kultur und ein institutionelles Gefüge, das von widerstreitenden
Interessen und nationalstaatlichen Egoismen dominiert ist. Doch hat sich die UNESCO
bzw. die Berufung auf sie dennoch als wichtige Kraft in der Ausrichtung nationaler
Kulturpolitiken und öffentlicher Kulturdiskurse etabliert; an der Integration von
„intangible cultural heritage“ in nationale Rechts- und Fördersysteme arbeiten z.B.
momentan Dutzende von Regierungen. Kultur wird in nationalstaatlichem, in regionalem
und lokalem Zusammenhang zunehmend als eine Ressource instrumentalisiert und für
verschiedenste Ziele genutzt. Und was weltweit zu Kultur – also unserem zentralen
Untersuchungsgegenstand – gedacht, gesagt und geschrieben wird, steht zunehmend
unter UNESCO-Einfluss.
Wir erhoffen uns für den Workshop sowohl Reflexionen der programmatischen Aspekte
der diversen UNESCO-Richtlinien und -Aktivitäten als auch ethnographische Erkundungen
zu ihrer Produktion, Rezeption und Adaption. Die letzteren können sich sowohl auf die
UNESCO als Organisation beziehen als auch auf den nationalen und lokalen Umgang mit
den UNESCO-Normen und -Initiativen, gerade auch in den Peripherien des globalen
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Systems. Sind hier weltweite Standardisierungen zu beobachten, oder verbleibt die
Deutungshoheit über Kultur auf niedrigeren Ebenen? Führen die neueren Konventionen
zu einer „Immaterialisierung“ der Kultur im öffentlichen Denken? Hilft die Berufung auf
die UNESCO im Kampf gegen zentralstaatliche Dominanz? Welche Partikularinteressen
kaschiert das UNESCO-Reden über Kultur? Und welche Hoffnungen werden mit der
„Sakralisierung“ der Kultur und ihrer Mobilisierung gegen Globalisierung, Einheitskonsum
und religiöse Konflikte verknüpft?
PD Dr. Christoph Brumann
[email protected]
Prof. Dr. Brigitta Hauser-Schäublin
[email protected]
8. Schaufenster der Kultur(en). Zum Gebrauch ethnologischer Kategorien und
Verfahren an der Schnittstelle von Visueller Anthropologie und
Medienanthropologie.
Julia Binter und Vanessa Marlog (Arbeitsgruppe Visuelle Anthropologie)
Dieser Workshop widmet sich den Möglichkeiten und Problemen der Repräsentation von
„Kultur“ und kulturellen Prozessen (Hybridisierung vs. Hegemonialisierung) in Bild und
Ton. Dabei sollen eine sich diversifizierende Visuelle Anthropologie und ein sich
(möglicherweise) wandelnder Kulturbegriff berücksichtigt werden. Seit dem „iconic turn“
haben audio-visuelle Medien nicht nur eine machtvolle Position in der
Wissensgenerierung inne, sondern sind auch für die Bewahrung und Vermarktung von
„Kultur“ höchst bedeutungsvoll. Das Audio-Visuelle fungiert als „Erinnerung“, als
„Imagination“, als Mittler für „Kultur“ und Kulturen.
Digitalisierung und globale Vernetzung haben darüber hinaus auch die medialen
Produktionsprozesse radikalem Wandel unterworfen. Mit omnipräsenter Technik wie
Mobiltelefonen und Schnittprogrammen am heimischen PC werden transmediale Produkte
geschaffen, die sich oft eindeutiger Autorenschaft verweigern, gleichzeitig jedoch auch
Zeugnis spezifischer soziokultureller Erfahrungen sowie aktiver Reappropriierung
gesellschaftlicher Diskurse sind. Vermittelt durch Social-Network-Plattformen und
weltweit abrufbare Internet-Video-Portale wie YouTube zeigt sich das Spannungsfeld von
lokalem Anspruch, lokaler Nutzung und Darstellung sowie globaler Kommunikation,
Verhandlung und Zirkulation. Als Spiegel kultureller Prozesse ist das bewegte Ton-Bild
somit möglicher Austragungsort der Neudefinition von „Kultur“. Das theoretische,
analytische sowie praktische Ausloten der Möglichkeiten und Grenzen audio-visueller
Medien wird folglich sowohl auf inhaltlicher als auch struktureller Ebene notwendig:
Mit welchen Mitteln werden zu welchem Zweck welche Vorstellungen von „Kultur“ und
kulturellen Prozessen generiert? Wie wirken sich technologische Entwicklungen (Youtube
und Social-Network-Plattformen) und damit einhergehende Möglichkeiten der
Partizipation („shared anthropology“ ebenso wie „ethnography from within“) auf
Produktion und Rezeption kultureller Bildwelten sowie auf das audiovisuelle Produkt
selbst aus? Ziel dieses Workshops ist es, eine Plattform zur Diskussion dieser vielseitigen
Thematik bereitzustellen. Was ist die Antwort der (Visuellen und Medien-) Anthropologie
auf diese Entwicklungen? Welche Bedeutung hat die „Konjunktur des Kulturbegriffs“ in
den von uns produzierten oder betrachteten Medien? Kommt es beispielsweise zu einem
Wandel der kultur- und sozialanthropologischen „Film-Kultur(en)“?
Mithilfe dieser breit angelegten Fragestellung möchte der Workshop ein möglichst
umfassendes Bild der rezenten deutschsprachigen Visuellen Anthropologie und ihrer
Überlappungen mit der Medienanthropologie zeichnen. Er lädt ForscherInnen ein, die
analytischen, theoretischen und methodologischen Möglichkeiten und Grenzen des
Fachbereichs einer Revision zu unterziehen, um neue Perspektiven an der Schnittstelle
von „Kultur“, Medien und Globalisierung zu eröffnen. Damit soll ein Beitrag zur kritischen
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Reflexion des gegenwärtigen „Gebrauchs von Kultur“ in audio-visuellen Medien ebenso
wie von Medien als Produkt kultureller Prozesse geleistet werden.
Julia Binter
[email protected]
Vanessa Marlog
[email protected]
9. Ethnologie und Naturkatastrophen
Martin Sökefeld und Ute Luig
Tsunami im indischen Ozean, Erdbeben in Haiti und Fluten in Pakistan – es scheint, dass
massive Naturereignisse, die katastrophale Auswirkungen auf Menschen haben, immer
häufiger werden. Da solche Ereignisse gesellschaftliche und kulturelle Konsequenzen
haben – bzw. gesellschaftliche Bedingungen sie überhaupt erst zur Katastrophe werden
lassen – sind sie auch ein wichtiges Thema für die Ethnologie. Nicht zuletzt ermöglicht
die Krisensituation „Natur“katastrophe einen besonderen Einblick in Strukturen, Prozesse
und Praktiken in einer Gesellschaft.
Der Workshop soll verschiedenen Forschungsperspektiven Raum bieten: Fragen der
Verletzlichkeit und der coping strategies sollen ebenso wie gesellschaftliche Wandlungsund Differenzierungsprozesse in der Folge von Katastrophen und
Wiederaufbaumaßnahmen diskutiert werden. Aber auch kulturelle Themen sind
erwünscht: Wie werden Katastrophen erinnert und in der Folgezeit gedeutet, welche
Emotionen begleiten sie, wie wird Trauer organisiert? Fragen, die in der bisherigen
Behandlung des Themas eher randständig waren. Sowohl ethnographische als auch eher
theorieorientierte Vorträge sind willkommen.
Prof. Dr. Martin Sökefeld
[email protected]
Prof. Dr. Ute Luig
[email protected]
10. Mediators and Brokers in Africa
Gregor Dobler and Tilo Grätz (Regionalgruppe Afrika)
The workshop focuses on a particular category of actors which are conceptualised as
social and cultural mediators, as agents of mediation between different social, cultural or
religious actors, regimes or realms of meaning. In Africanist anthropology, these
mediators have been also often termed brokers, middlemen, speaker, negotiator or
simply agents. Initially predominantly used in political (i.e. M. Gluckman) an economic
anthropology, e.g. with regard to trading relations (A. Cohen), this category of actors has
been meanwhile entered anthropological studies on much broader domains of public life,
popular culture and media.
With regard e.g. to the anthropological study of new arenas constituted by development
projects, the concept of development brokers, mediating between donor organisations
and local communities, has proven to be very relevant (T. Bierschenk, D. Mosse), as well
as the notion of ethnic brokers in plural settings (C. Lentz, W. Van Binsbergen, K.
Schilder, D. Welsh)) or conflict areas; communal brokers as political agents for aspirating
politicians i.e. in election campaigns (D. Koter), or the idea of cultural brokers as it was
applied to actors such as artists (B. Omojola), journalists or filmmakers (O. Thalén).
Finally, social mediators and counsellors in private (conjugal) conflicts or community
disputes constitute an important new professional field in various African countries.
Without neglecting significant semantic differences between the mentioned terms, we are
trying to look at their common conceptual basis, and discuss the usefulness and limits of
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such model categories. We will examine whether these concepts are always appropriate
to deal with variable domains and conditions of individual agency, whether we may also
address instances of non-human agency (including mediating technologies) and the ways
in which local actors appropriate these notions. We are expecting paper proposals that
either discuss these concepts from a theoretical point of view, or explore them in the
light of rich empirical case studies. We are especially inviting contributions that will apply
the concepts of mediators/mediation, brokerage/ brokers etc. to new areas of study
(arts, technology, and education) and various other contemporary social and cultural
processes.
Focussing primarily on theoretical concepts also relevant to other (regional) fields within
anthropology, we very much hope to draw the attention of colleagues from various subfields and regional specialisations.
Gregor Dobler
[email protected]
Dr. Tilo Grätz
[email protected]
11. Kultur, Kulturalisierung und die Medialität des ethnographischen Feldes
Cora Bender und Thomas Reinhardt (Arbeitsgruppe Medienanthropologie)
Der Kulturbegriff der Ethnologie war immer schon mehrdeutig und offen für
Veränderungen. Dass die Konjunktur, die der Ausdruck seit einigen Dekaden auch
außerhalb des Faches erlebt, mit vielfachen Verschiebungen seines semantischen Gehalts
einhergeht, braucht daher niemanden ernsthaft zu beunruhigen. Angesichts der
allgemeinen Dekonstruktion des Kulturbegriffs in den Kulturwissenschaften wirkt
allerdings seine hartnäckige Essentialisierung in der Medienöffentlichkeit umso
erschreckender.
Von einer intrinsischen Festlegung von „Kultur“ weiter entfernt denn je, beantwortet die
Ethnologie die Herausforderungen durch Globalisierung und Postmoderne mit einer
Rückbesinnung auf ihre Kernkompetenz: das kleinteilige Erforschen sozialer Praktiken
und ihrer kulturellen Verortung. Spezifikum des ethnologischen Ansatzes ist dabei
weniger ein besonderes Verständnis von Kultur als vielmehr eine charakteristische Art
des Zugangs zu ihr: die stationäre Feldforschung als „institutionalisierte Praxis und
professioneller Habitus“ (Clifford). Konkret heißt das, die Ethnologie verfolgt die
wandernden Mikropraktiken sozialer Vergemeinschaftung in situ und untersucht ihre
medialen Praktiken und Materialisierungen vor Ort.
Die Omnipräsenz von neuen, technischen Medien und Medienpraktiken stellt
Feldforscherinnen und Feldforscher allerdings zunehmend vor die Situation, mit medial
konstruierten, vermittelten und gestalteten Orten, Relationen und Praxen konfrontiert zu
sein und diese Medialisierung im Prozess der teilnehmenden Beobachtung
berücksichtigen zu müssen: Physische Territorialität und situative Nähe werden soziotechnisch reorganisiert. „Kultur“ dient dabei häufig einer Selbst- und Fremdverortung, die
in vielfachen Übersetzungen und Medialisierungen ausgehandelt und in spezifischen
imaginären und realen Landschaften verortet wird.
Eine zentrale Aufgabe der Medienethnologie ist es, die Diskurse kleiner und großer
kultureller Entrepreneurs, ihre Authentisierung, Politisierung und Kommodifizierung von
Kultur an soziale Praktiken zurückzubinden und das ethnologische Kulturverständnis
sachlich und methodisch immer wieder neu zu hinterfragen. Eingeladen sind in diesem
Sinne konkrete Fallstudien zu Sozio-Techniken der Kulturalisierung und ihren Medien als
auch Vorträge, die sich theoretisch mit Fragen der Medialisierung und Medialität des
ethnographischen Feldes beschäftigen.
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Dr. Cora Bender
[email protected]
PD Dr. Thomas Reinhardt
[email protected]
12. „Existential Anthropology“?
Markus Verne und Magnus Treiber
2005 schlug der amerikanische Ethnologe Michael Jackson „Existential Anthropology“ als
Bezeichnung für eine neue theoretische Perspektive der Ethnologie vor (Jackson 2005).
Eine solche „Existenzethnologie“, so Jackson, ginge von tatsächlichen, individuellen
Lebensvollzügen aus, genauer: von der Notwendigkeit, sich unter jeweils gegebenen
Umständen ein eigenes Leben zu gestalten. „Kultur“ mit ihren unterschiedlichen, auch
widersprüchlichen Anforderungen müsse innerhalb dieses Lebensvollzugs permanent
verhandelt und mit anderen Aspekten des Lebens in ein Verhältnis gesetzt werden: mit
sozialen Verpflichtungen, eigenen Vorstellungen, und nicht zuletzt mit materiellen
Beschränkungen. Ein Prozess, der, seiner widersprüchlichen Natur entsprechend, oft nur
schwer zu bewältigen ist und der nur selten „aufgeht“: Nicht umsonst spricht Jackson von
einem „struggle for being“.
Das hier vorgeschlagene Panel möchte der Frage nachgehen, ob und inwieweit eine
solche „Existenzethnologie“ dazu in der Lage wäre, für die Ethnologie zentrale Probleme
wieder anzugehen, die durch die Dekonstruktion des Kulturbegriffes und die
anschließende Phase kulturtheoretischer Resignation bzw. die Flucht ins Politische aus
dem Blick geraten sind. Unsere These ist dabei, dass der Blick auf konkrete
Lebensvollzüge sich in besonderer Weise dazu eignet, die Frage nach „Kultur“ auf eine
Weise zu stellen, die diese nicht nur als strategische Praxis versteht, sich aber trotzdem
nicht in den Fallstricken von Homogenisierung und Stasis bzw. des „Essentialismus“
verfängt.
Dr. Markus Verne
[email protected]
Dr. Markus Treiber
[email protected]
13. Cognitive Perspectives on Shared Culture
Andrea Bender (Arbeitsgruppe Kognitive Ethnologie)
The Vienna meeting of the DGV focuses on the notion of “culture” in its ever changing
meanings and on its multifarious employment by different social groups. With complete
justification, it is complained that “the criteria of inclusion or exclusion to these
categories … [such as culture or cultural heritage] rarely ever have been clarified.” Our
workshop thus aims at presenting and discussing a cognitive anthropological approach,
which – even if from a specific angle – takes up this challenge: the Cultural Consensus
Analysis. The consensus analysis is theory and method at the same time: As a theory, it
defines culture as shared knowledge and thus in a sense, that is empirically
ascertainable; as a method, it allows to determine the extent to which cultural consensus
exists with regard to concrete knowledge on or attitudes towards a specific domain, or
whether sub-cultures have emerged. This approach obtains its very justification from the
fact that people themselves (other than the modern anthropological conceptualization)
try to evoke with the notion of culture at least two connotations: that of something
transmitted, and that of something shared (within the group).
In order to present the Cultural Consensus Analysis (which is not well known in the
German-speaking area), we invited a renowned expert, Prof. Dr. John Gatewood of
Lehigh University, as key note speaker. In the first part of the workshop, he will explain
the consensus analysis and illustrate it with an example from his own research, the
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Belonger perceptions of tourism and its impacts in the Turks and Caicos Islands. This key
lecture will be followed by questions and comments (by way of “minor” talks), which are
expected to address consensus analysis and its applications from various perspectives,
including potentially critical assessments. If a sufficient number of people are willing to
contribute, the second part of the workshop will be devoted to these talks and an
extensive discussion. However, in case of interest, some practical teaching in consensus
analysis could also be offered. The workshop will be held in English.
PD Dr. Andrea Bender
[email protected]
14. Verwandtschaft als „Kultur“? Die Bedeutung von Verwandtschaft in der
Debatte um Kultur und Kulturerbe
Miriam Benteler und Bettina Volk
Bereits in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts betont der amerikanische Ethnologe Roy
Wagner, dass Wissenschaft, Technologie und Kunst, d.h. die Summe der
Errungenschaften, Erfindungen und Entdeckungen als anerkannter Kern unserer eigenen
Kultur gilt. Das Verständnis von Kultur als materielle Kultur, in der Menschen durch Dinge
repräsentiert werden und Dinge eine Vorrangstellung gegenüber Menschen einnehmen,
hat auch die ethnologische Beschäftigung mit anderen Kulturen und Gesellschaften stark
beeinflusst. Bis heute bestimmt diese Sichtweise in weiten Teilen auch die ethnologische
Auseinandersetzung mit „lokalen“ Kulturen und Prozessen der Revitalisierung von
„Traditionen“.
Der soziale Aspekt von Kultur, der Menschen und die zwischen ihnen bestehenden
Beziehungen in den Vordergrund rückt, scheint im Gegensatz dazu im Kontext der Frage
nach Kultur, Kulturerbe und Revitalisierungstendenzen viel weniger Beachtung zu finden
und wird als solcher wohl auch selten von den Akteuren selbst als Teil einer strategischen
Selbstvermarktung verwendet. Dies verwundert, da die Art, wie Menschen ihre
Beziehungen zueinander definieren und gestalten eine Grundlage jeder einzelnen Kultur
und ihrer Ausdrucksformen ist.
Das Panel widmet sich daher insbesondere diesem sozialen, nicht-materiellen Aspekt von
Kultur. Um sich diesem zu nähern, richtet es den Fokus auf den Bereich der
„Verwandtschaft“, da Verwandtschaftsbeziehungen die grundlegenden sozialen
Beziehungen einer Gesellschaft und damit auch eine Basis von Kultur darstellen. Der
Bedeutungsverlust der mit diesen Bereichen verbundenen Fragestellungen in der
Ethnologie, auch innerhalb der Debatten über Kultur und Kulturerbe, erscheint deshalb
ungerechtfertigt.
Wir laden daher Beiträge ein, die sich mit Verwandtschaft in verschiedenen Regionen und
aus unterschiedlichen Perspektiven beschäftigen, sich mit der Frage der Beziehung von
„Verwandtschaft“ und „Kultur“, der zeitgenössischen Verwendung des Begriffs Kultur aus
der Perspektive von Verwandtschaftsstudien sowie der Position oder Wichtigkeit von
Verwandtschaft in verschiedenen Gesellschaften auseinandersetzen und das abnehmende
Interesse an Verwandtschaft und den Bedarf, diesen Bereich wieder stärker in die
ethnologischen Debatten einzubeziehen, diskutieren.
Dr. des. Miriam Benteler
[email protected]
15. Welterbe + Bilderwelten = Weltbilder
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Bettina Volk-Kopplin
[email protected]
Thorolf Lipp
Aufgrund ihres weltweit sichtbaren Status als „Premiumerbe“ stoßen die UNESCOKonventionen zum Schutz von Kulturstätten oder immateriellen Kulturpraxen auf großes
öffentliches Interesse. Die Forschung befasst sich seit einiger Zeit kritisch mit Fragen der
Produktion, Kommodifizierung, Instrumentalisierung oder Folklorisierung von zum
Welterbe erklärter Kultur. Diese Prozesse können mit dem Begriff der „Heritageifizierung“ umschrieben werden, der zugleich deutlich macht, dass es keine
Selbstorganisation des kulturellen Gedächtnisses gibt.
Was bislang meist übersehen wurde: die meisten Menschen kommen ausschließlich mit
medialen Repräsentationen von Welterbe in Berührung. In einer von audiovisuellen
Medien geprägten Welt wirken die Welterbe-Bilderwelten weit nachhaltiger auf das
kulturelle Gedächtnis als die realen Stätten oder Praktiken. Dies trifft insbesondere auf
das „Intangible Heritage“ zu, denn immaterielle Kultur existiert nicht als solche, sondern
sie manifestiert sich immer nur im flüchtigen Moment der Performanz. Soll sie dennoch
im kulturellen Gedächtnis der gesamten Menschheit sichtbar werden, ein erklärtes Ziel
der UNESCO, muss sie erstens Raum und Zeit überwinden und zweitens in einer Form
vorliegen, die eine Archivierung im Speichergedächtnis erlaubt. Beides kann, nach
derzeitigem Wissensstand, nur mit Hilfe von audiovisuellen Medien, entsprechenden
Verbreitungswegen und Speicherungstechnologien geschehen. Etwas überspitzt könnte
man daher sagen, dass „Intangible Heritage“ immer auch „Virtual Heritage“ ist.
Grundlegende medienanthropologische Fragen liegen auf der Hand:
1. Produktanalyse: Welche narrativen Strategien werden bei Medien sichtbar, die
„Welterbe“ thematisieren? Die Audiovisuelle Anthropologie z.B. beschäftigt sich seit
fünfzig Jahren mit Fragen der Repräsentation von Kultur durch audiovisuelle Medien und
hat immer wieder auf die komplexen Übersetzungsvorgänge von nichtfilmischer Realität
in filmische Realität hingewiesen, wesentliche Begriffe dafür entwickelt und ethische
Standards gesetzt. Bei Heritage-Medien spielt der Kulturbegriff zweifellos eine explizite
Rolle. Konnte die Audiovisuelle Anthropologie Einfluß auf die Formulierung dieser global
zirkulierenden Heritage-Bilderwelten nehmen?
2. Produktionsanalyse: Wer sind die Produzenten von Heritage-Medien? Was sind ihre
subjektiven Theorien über Heritage einerseits und ihre eigenen Produktionspraxen
andererseits? Sind auch „Prosumer“ in der Lage, komplexe kulturelle Überlieferungen
vorzulegen oder bleibt dieser Prozess auf professionelle Medienmacher beschränkt?
3. Rezeptionsanalyse: Wo werden Heritage-Medien sichtbar? Wie nehmen Rezipienten
mediale Konstruktionen von Heritage wahr?
4. Methodenentwicklung: Klar ist, dass die Heritage-Ideologie auf den kulturellen Prozess
zurückwirkt und dass entsprechende mediale Repräsentationen de facto großen Einfluss
auf den Kulturbegriff, das kulturelle Gedächtnis und damit auch auf unser Weltbild
haben. Kulturwissenschaftler müssen sich zunehmend die Frage nach dem Nutzen ihres
Wissens für die Gesellschaft gefallen lassen. Insofern ist es als Auftrag zu betrachten, an
der Theoriebildung zu Fragen des „Picturing Heritage“ mitzuarbeiten: Auf welcher
epistemologischen Grundlage müsste eine ethnologisch geleitete mediale Adaption von
Kulturerbe stehen? Welche konkreten methodischen Überlegungen lassen sich daraus
ableiten?
Dr. Thorolf Lipp
[email protected]
16. Ethnologische Perspektiven auf das Alter(n)
Carolin Kollewe und Erdmute Alber
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Die Diskussionen um das Altern der Gesellschaften in den Ländern des Nordens haben zu
einem wachsenden Interesse am Alter und Älterwerden in den Ländern des Südens
geführt. Vor dem Hintergrund des weltweiten demografischen Wandels und der
Globalisierung erfreuen sich länder- und kulturvergleichende gerontologische Studien
einer zunehmenden Beliebtheit und auch die Beziehungen zwischen Alter(n) und
Ethnizität erhält seit einigen Jahren Aufmerksamkeit. Zugleich ist in der aktuellen
Debatte um den demografischen Wandel in Deutschland ein Reden von einer
notwendigen neuen „Alterskultur“ zu beobachten.
Allerdings sind die Stimmen von EthnologInnen im multidisziplinären Feld der
Gerontologie bisher nur wenig hörbar. Ethnologische Ansätze zur Erforschung von
Alter(n) und Kultur bzw. kulturellen Konstruktionen des Alter(n)s sind nur wenig bekannt.
Vor diesem Hintergrund will der Workshop Fragen nachgehen wie beispielsweise: Wie
unterscheiden sich ethnologische Ansätze der Altersforschung von denen anderer Fächer?
Was sind aktuell spezifisch ethnologische Zugänge zur Erforschung des Alter(n)s? Wie
sind kulturvergleichende Studien möglich? Welche methodischen Zugänge zum Thema
Alter(n) im Kulturvergleich sind denkbar und werden angewendet? Welche Rolle spielt
das Thema und die Kategorie in sozialanthropologischen Studien überhaupt?
Erwünscht sind Vorträge zu ethnografischen Fallstudien, länder- oder kulturvergleichende
Studien, zu theoretischen und methodischen Fragen sowie zur kritischen
Auseinandersetzung mit der gerontologischen Forschung und Debatte.
Dr. Caroline Kollewe
[email protected]
Prof. Dr. Erdmute Alber
[email protected]
17. Das Ethnologische Museum als Forschungsfeld
Stefan Eisenhofer und Karin Guggeis (Arbeitsgruppe Museum)
Das Museum erlebt seit einigen Jahren in der ethnologischen Forschung eine Renaissance
und rückt auch im universitären Bereich wieder stärker in den Fokus. Dabei werden nicht
nur die Sammlungen in den Museen wieder mehr zum Gegenstand von Diskursen,
sondern auch das Museum selbst erfährt als Forschungsfeld zunehmendes Interesse.
Aufgrund der Position der Museen als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und
Öffentlichkeit eröffnen sich multivokale Ansätze und unterschiedlichste Fragestellungen
für dieses Forschungsfeld: Ethnologische Museen werden als Orte der Inklusion und
Exklusion untersucht, als Bühnen der Repräsentation und Performanz, als Schauplätze
der Inszenierung von Fremdheit und Identität, als Arenen zwischen Wissenschaft und
Markt, als Orte der Wissenschaftsgeschichte – um den Facettenreichtum nur anzureißen.
Dieser neue Blick auf das Museum eröffnet zusammen mit den lange vorherrschenden
Forschungen über die Objekte der Sammlung und deren Ausstellungspraktiken vielfältige
Anknüpfungspunkte zu Fragen über die „wa(h)re Kultur“.
Im Mittelpunkt des Workshops stehen Fragen des „Othering“ in ethnologischen
Ausstellungen sowie Fragen nach den Argumentationspraxen von „Authentizität“ von
ethnologischen Objekten aus seit weit über 100 Jahren vermeintlich „sterbenden“
Kulturen. Ziel des Workshops ist es, neben grundlegenden Einblicken in die aktuellen
Diskurse in Museumspraxis und -forschung Erkenntnisse über Perspektiven
Ethnologischer Museen im 21. Jahrhundert zu gewinnen.
Dr. Stefan Eisenhofer
[email protected]
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Karin Guggeis
[email protected]
18. Körperbilder und Bildkörper: Rituelle Ökologien und sakrale Landschaften
im Mittelmeerraum
Michaela Schäuble und Martin Zillinger (Regionalgruppe Mittelmeerraum)
Kultbilder korrespondieren mit kognitiven inneren Erfahrungsbildern, die von Teilnehmern
eines Ritus durch Praktiken aufgerufen und als Erfahrungen geteilt werden können –
gleich, ob es sich dabei um Bildkulte handelt wie bei christlichen Heiligenverehrungen
oder um Körperbilder anikonischer Kulte wie bei islamischen Geistkulten. Viele dieser
Kulte entlang des Mittelmeers erleben zur Zeit einen Aufschwung. Auf Photos und in
Filmen dokumentiert werden sie zu „transportabel practices“ (Csordas) entlang der
Wanderung von Menschen, Dingen und Zeichen und binden diese zugleich an spezifische,
rituelle Ökologien zurück. Neue Öffentlichkeiten und räumliche Vernetzungen werden
dabei von den Kultgemeinschaften befürwortet, gesucht, aber auch immer wieder
gefürchtet und bekämpft.
Uns interessiert in unserem Workshop der Zusammenhang von Bildern, Landschaften und
Körpern, bzw. Körperschaften: Ikonen, Heiligenstatuen und Bilder sind häufig in
Heiligtümern verortet und werden zu bestimmten Anlässen durch Landschaften getragen
oder von Pilgern, die Landschaften durchwandern, besucht. Besessenheitsrituale und
körperbezogene Kulte wiederum verleihen ortlosen oder supralokalen Geistern Gestalt
und verorten sie in den Körperbildern ihrer Anhänger, die jahreszyklisch in den
ökologischen Nischen des Mittelmeerraums rituell ausagiert werden, sowie in lokalen
Schreinen. Körpertechniken, Ritualtechniken, Materialisierungen und Visualisierungen
werden aufgewendet, um rituelle Erfahrungen zu machen und soziale Körper zu
gestalten. Immer neue Medialisierungen in diesem Zusammenspiel von Techniken und
Symbolisierungen erzeugen dabei immer neue Bewegungen und Verortungen. Obwohl die
rituellen Praktiken, Zeichen und Dinge überall dort Anschluss finden können, wo sie neu
verknüpft und gestaltet werden – also etwa in Diaspora-Situationen –, bleiben die
Verweise auf spezifische Landschaften und ökologische Nischen häufig zentral für ihre
Übersetzung durch Raum und Zeit.
In welchem Zusammenhang stehen äußere und innere (Erfahrungs-)Landschaften und
durch welche (Körper-)Techniken und Medialisierungen wird dieser Zusammenhang
geschaffen und gestaltet? Wie verhalten sich Verortung und Bewegung im Raum
zueinander? Welche Regressions- und Transformationsbewegungen lassen sich in
mittelmeerischen Kultzusammenhängen mit steigender (technischer) Medialisierung und
Migration feststellen? Welche ökologischen und imaginären Landschaften werden in
diesem Prozess verhandelt und entworfen?
Michaela Schäuble
[email protected]
Dr. Martin Zillinger
[email protected]
19. Interferenzen zwischen Ethnologie und Religion. Kulturalisierungen und
Kommodifizierungen religiöser Praxis
Christian Meyer und Ehler Voss in Kooperation mit Erhard Schüttpelz
Rituelle Konsistenz über große Entfernungen und in unterschiedlichen Kontexten bedarf
der Vermittlung zwischen unterschiedlichen sozialen Welten und Diskursen. Für eine
erfolgreiche Übersetzung ihrer Praktiken in neue Kontexte hinein handeln die Akteure
Bedeutungen und Formen immer wieder neu aus. In diesen Prozessen spielen
Authentifizierung und Kulturalisierung zur Durchsetzung von Deutungs- und
Gestaltungsansprüchen eine große Rolle.
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Dabei kommt auch den wissenschaftlichen Beobachtern und ihrer Arbeit oft eine zentrale
Bedeutung zu. Mit ihren Theorien wirken Sozial- und Kulturwissenschaftler auf die Ebene
der sozialen Akteure zurück, indem diese – ausgestattet mit großer
Repräsentationsmacht – deren Theorien und Identifikationsprozesse verändern.
Paradoxerweise führt dies häufig dazu, dass entsprechende Reflexionsprozesse in der
kulturellen Praxis als Verlust von Authentizität seitens der Theoretiker beklagt werden.
Die Ethnologie trägt dabei nicht nur indirekt zur Konturierung von Religionen bei,
vielmehr werden Ethnologen – wie etwa im Fall des modernen westlichen Schamanismus
– immer wieder selbst zu Protagonisten einer religiösen Szene.
Was aber von allen Akteuren gemeinhin als Kommodifizierung und Kulturalisierung
verstanden, beklagt und etwa im Heilungs- und Ergriffenheitstourismus strategisch
eingesetzt wird, dient in der religiösen Praxis zugleich der Übersetzung religiöser
Praktiken und Diskurse in heterogenen Kooperationszusammenhängen. Authentifizierung,
Konzeptualisierung und Kommodifizierung erweisen sich bei genauerer Hinsicht als
soziale Praktiken, deren stabilisierende und de-stabiliserende Wirkung in religiösen
Kontexten wir in diesem Workshop untersuchen wollen.
Führt man diese Gedanken mit dem Latourschen Symmetriemodell weiter, dann stellt
sich am Ende die Frage nach Ähnlichkeiten und Unterschieden in den
Legitimationsformen, wissenschaftlichen Konzepten und "Ethnomethoden", mit denen
sowohl die religiösen Praktiker (gewissermaßen in ihrer "teilnehmenden Beobachtung"
der Wissenschaft und Wissenschaftspopularisierung) als auch die wissenschaftlichen
Forscher (in ihrer teilnehmenden Beobachtung der religiösen Praxis selbst, aber auch der
Theologie und Religionswissenschaft) sich jeweils die Begriffe, Konzepte und Methoden
ihres Beobachtungsgegenstands aneignen und in ihre eigene Praxis verschieben (z.B.
durch den internen Rekurs auf "Kultur").
Dr. Christian Meyer
[email protected]
Erhard Schüttpelz
[email protected]
Ehler Voss
[email protected]
20. Kulturerbe, Konsumstile und Diaspora in Afrolateinamerika
Heike Drotbohm und Ingrid Kummels (Regionalgruppe Afroamerika)
Das diesjährige Oberthema der DGV-Tagung „Wa(h)re ,Kultur„“ nimmt die
Regionalgruppe Afroamerika zum Anlass, sich mit „afrikanischem“ bzw. „indigenem“
Kulturerbe und daran anknüpfenden neuen Konsumstilen auseinanderzusetzen. Deren
Inszenierungen und Repräsentationen sowie deren Aushandlung im transatlantischen
Kontext sollen betrachtet werden.
Warum Kulturerbe und Konsumstile in einem Zusammenhang betrachten? Die Zunahme
und die Folgen von Mobilität (sowohl räumliche, zeitliche, soziale als auch virtuelle)
haben die Selbst- und Fremdwahrnehmungen, die Praktiken und die Organisation
kollektiver Identitäten weltweit sowohl in lokalen als auch transnationalen Kontexten
tiefgreifend transformiert. Auf der einen Seite finden sich soziale Kategorien, die den
Identitäten einst Stabilität verliehen hatten wie die Familie, soziale Klasse, Ethnizität,
„Rasse“ und Nation angesichts neuer Mobilitätsformen und deren komplexen
Zusammenspiel in einer Phase der Veränderung und Neuorientierung. Auf der anderen
Seite haben die translokalen und transnationalen Beziehungen von Personen, Objekten,
Waren, Informationen, Kapital, Ideen und Bildern zu einer zunehmenden Vielfalt von
(performativen) Identitätsmodi etwa im Rahmen von Jugendbewegungen, Musik-, Sportund Lebensstil-Subkulturen, „ethnischen“ Unternehmen, religiösen Gemeinschaften, etc.
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geführt. Rück- oder Neubezüge auf „indigene“ bzw. „afrikanische“ Kulturerben und auf
entsprechende Konsumstile sind für viele AkteurInnen derzeit wichtige Strategien, um
persönliche und kollektive Identitätserzählungen zu formulieren. Sie tun dies auch vor
dem Hintergrund, dass die Globalisierung Ökonomien, die auf den symbolischen Wert von
Kultur aufbauen, Vorschub geleistet hat.
Diese Entwicklung soll mit Blick auf das „afrikanische“ bzw. das „indigene Kulturerbe“
analysiert werden. Während das „indigene Kulturerbe“ der Amerikas schon seit Langem
im Zentrum von nationalen und internationalen Förderprogrammen, indigenen
Interessenvertretungen und Revitalisierungsbewegungen steht, zeichnet sich diese
Entwicklung, in etwas anders gelagerter Form, seit Neuerem auch in der
Auseinandersetzung mit dem „afrikanischen Kulturerbe“ ab. Letzteres war zunächst in
den multiethnischen kreolisierten Gesellschaften der Amerikas Teil historisch tradierter
Alltagskulturen. Kulturtraditionen gelten je nach historischer und gesellschaftlicher
Konjunktur als Aushängeschild für die kulturpolitische Praxis und für nationale
Identitätsdiskurse. Daher konkurrieren viele Nationalstaaten Lateinamerikas heute um
ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung, Bewahrung und Anerkennung indigenen oder
afrikanischen Kulturerbes. Die UNESCO hat diese in einigen Fällen als Weltkulturerbe und
immaterielles Welterbe deklariert und fördert auf lokaler, soziokultureller sowie
nationaler Ebene eine Reihe von kulturellen Revitalisierungsprogrammen. Kultur- und
Tourismusindustrien inszenieren und vermarkten mit Hilfe kultureller Stereotypen
künstlerische und religiöse Aspekte von Kulturerbe als Folklore und konsumierbare
Exportgüter. Maßgeblichen Anteil an einer vermeintlich globalen Nachfrage und Suche
nach Traditionen und Wurzeln hat auch der Erfolg afroamerikanischer Religionen
innerhalb der atlantischen Welt.
Die Frage nach Ursprung, Authentizität und Legitimität bzw. nach den eigentlich „wahren
Besitzern“ jener Traditionen, die auf das Erbe indigener oder afrikanischer Gruppen
zurückgehen, scheint für viele ihrer Anhänger gerade im Kontext globaler Verflechtungen
relevant und ist Gegenstand fortwährender Verhandlungen. Im Workshop wollen wir die
vielfältigen Inszenierungen, Strategien und Aneignungen von „afrikanischem“ sowie
„indigenem Kulturerbe“ diskutieren und dabei möglicherweise auch auf Spannungen
zwischen beiden Feldern identitärer Verortung eingehen.
Folgende Fragen können beispielsweise von Interesse sein:
Wie und durch wen werden kulturelle, ethnische, religiöse, soziale und politische
Genealogien und Zugehörigkeiten in Bezug auf die Amerikas und Afrika und den
Kulturerben konstruiert und transformiert? Mit Hilfe welcher äußeren Zuschreibungen,
Stereotypen sowie Aneignungen durch die „Eigentümer“ werden Traditionen als
Ressource für unterschiedliche Belange und Klientel repräsentiert? Welche Dynamik lässt
sich zwischen „indigenen“ und „afrikanischen“ Kulturalisierungsbestrebungen erkennen,
wo sind diese auf einander bezogen, wo lassen sich Abgrenzungsprozesse oder
Konfliktfelder erkennen?
Dr. Heike Drotbohm
[email protected]
Prof. Dr. Ingrid Kummels
[email protected]
21. „Natur“ als kulturelles Erbe in den Amerikas
Eveline Dürr
Dieser Workshop befasst sich mit den vielfältigen Formen der Repräsentation und
Reklamation von „Natur“ und Naturphänomenen als essentielle Bestandteile des
kulturellen Erbes in den Amerikas. Aus diesem weiten Feld sollen zwei Aspekte besondere
Aufmerksamkeit erfahren. Zum einen wird es darum gehen, die gegenwärtige
Revitalisierung und Neukonzipierung von Naturbeziehungen mit Blick auf übergeordnete,
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globale Kontexte zu diskutieren und Verflechtungen mit diversen Bereichen aufzuzeigen
wie etwa mit politischen Konstellationen, touristischen Inszenierungen, ökonomischen
Potenzialen, neuen Spiritualitäten und identitätsstiftenden Kategorien. Zum anderen
richtet sich der Fokus auf die Frage, wie sich diese Revitalisierungsprozesse konkret
auswirken und in Handlungspraxen oder revidierten Diskurssystemen über Natur
niederschlagen. Dazu zählen auch indigene Proklamationen eines „richtigen“,
kulturspezifischen Umgangs mit Natur und dessen Einbettung in Traditionen sowie
indigene Vorstellungen und Strategien von Umwelt- und Ressourcenschutz. Ziel des
Workshops ist es, diese komplexen Prozesse in vergleichender Weise zu betrachten und
auch darüber zu reflektieren, welche Rolle die Ethnologie dabei spielt. Denn auch sie hat
zur Repräsentation und Artikulation von Naturbeziehungen beigetragen, die als spezifisch
indigen gelten, wie sich etwa im Begriff der „Naturvölker“ zeigt. Willkommen sind
Beiträge mit konkreten Fallbeispielen sowie theoretische Analysen.
Prof. Dr. Eveline Dürr
[email protected]
22. Das Museum als Marke. Souvenirs, PR und die (Re-)Produktion von
Kulturerbe
Anja Peleikis und Jackie Feldman
Jeder Tourist kennt sie, jeder Tourist hat sie: Museumssouvenirs und PR-Materialien wie
Aufkleber, Info-Broschüren und „Giveaways“, die er beim Besuch historischer Stätten, in
Museen und an anderen touristischen Orten mitnehmen oder kaufen kann. Diese sind
mehr als nur bloße Mitbringsel und persönliche Erinnerungsstücke für Reisende und
Besucher. Im Zeitalter des intensiven Wettbewerbs im professionellen Kultur- und
Freizeitmarkt sind diese Dinge oft Teil einer ausgefeilten Marketingstrategie, die
versucht, die jeweilige Einrichtung – wie eine Marke – im Bewusstsein und Gedächtnis
der Kulturkonsumenten zu verankern, um damit neben Aufmerksamkeit und Ansehen vor
allem auch Besucherzuspruch und Weiterempfehlungen zu erzielen. Manche Museen
haben auch ihr Warenangebot in den Museumsshops passgenau ins Museumskonzept
eingebunden und leisten dadurch einen wirkungsvollen Beitrag zu Profilierung und
Markenaufbau.
Beiträge zu diesem Workshop sollen die Herstellung, Auswahl und Verbreitung von
Souvenirs und PR-Materialien in Museen, Kulturerbestätten und historischen
Themenparks untersuchen. Spiegeln sich in den Souvenirs und PR-Materialien tatsächlich
verbindliche Leitlinien wider? Nach welchen Kriterien werden die Dinge von den
Museumsverantwortlichen und Marketingexperten ausgewählt? Welche
Aushandlungsprozesse finden dabei zwischen unterschiedlichen Akteuren statt? Geht es
allein um den möglichen ökonomischen Erfolg oder sollen – etwa mit Souvenirs – auch
ideologische oder ethische Vorstellungen transportiert werden? Wirken die Leitlinien und
Marketingstrategien auch auf die Ausstellungskonzeption zurück und können diese
beeinflussen? Drücken sich in Souvenirs und PR lokale und nationale Werte, Materialien
und Traditionen aus und inwieweit werden sie von globalen Markttrends beeinflusst? Wie
werden Souvenirs an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen nationalen
Kontexten präsentiert?
Wie konsumieren und verbreiten unterschiedliche Touristen, Reisende und Besucher PR
und Souvenirs? Was drücken diese Dinge für sie aus? Entspricht dies den Marketingzielen
oder haben die Dinge eine ganz andere Bedeutung für die Besucher? Wie reisen diese
Dinge? Wie werden Reiseandenken und PR zur Revitalisierung und Remobilisierung von
Traditionen und Identitäten eingesetzt? Wie ändern sich Souvenirs im Laufe der Jahre,
welche bleiben gleich, welche Andenken verschwinden, welche entstehen neu? Diese
Fragen sollen in dem Workshop am Beispiel ausgewählter ethnographischer Fallstudien
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diskutiert werden, um die Bedeutung und Rolle von Souvenirs und PR in dem
vielschichtigen Prozess der (Re-)Produktion von Kulturerbe in Zeiten des
Massentourismus beschreiben, analysieren und bewerten zu können.
Dr. Anja Peleikis
[email protected]
Dr. Jackie Feldman
[email protected]
23. Kulturelle Vielfalt in Äthiopien zwischen Verherrlichung und Suppression
Sophia Thubauville
Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat, in dem mehr als 80 verschiedene Ethnien leben. Diese
Gruppen haben zum Teil völlig unterschiedliche Kulturen und sprechen Sprachen
verschiedener Sprachfamilien.
In diesem Panel soll der zwiespältige Umgang der äthiopischen Regierung mit dieser
kulturellen Vielfalt thematisiert werden. Äthiopien ist eine demokratische Bundesrepublik
mit zunehmendem ethnischen Föderalismus. Die aktuelle Regierungspartei EPRDF ist
besonders um Fortschritt und Modernisierung im Wirtschafts- und Bildungssektor
bemüht. Das Potential der ethnischen Vielfalt wird darum häufig als wirtschaftlicher
Faktor berücksichtigt: so lachen einen auf Plakaten der Tourismusbehörde Frauen der
unterschiedlichen Ethnien an, Tanzveranstaltungen mit Tänzern der verschiedenen
Regionen werden zunehmend populärer und schließlich zieht Äthiopiens ethnische Vielfalt
auch vermehrt ausländische Fotografen und Filmteams an. Die kulturelle Vielfalt ist aber
auch abgesehen von wirtschaftlichen Interessen ein populäres Thema und wird z.B. oft
im äthiopischen Fernsehen, sowie bei Schulveranstaltungen thematisiert, wo vor allem
unterschiedliche Musik- und Tanzstile sowie Trachten dargestellt werden.
Schaut man in äthiopische Gesetzesbücher, so bietet sich einem ein ganz anderes Bild.
Die eben gefeierte ethnische Vielfalt wird dort durch Gesetze eingeschränkt.
Perlenketten, die eben noch auf Plakaten der Tourismusbehörde gedruckt wurden,
werden dort wegen ihres Gewichtes als „traditional harmful practice“ untersagt. Aus dem
gleichen Grund wird jungen Frauen, die aufgrund ihrer Heirat die Schule abbrechen, mit
Freiheitsentzug gedroht. Kurz: Anstatt die gefeierte Vielfalt durch Regierungspraktiken zu
stärken, scheint die aktuelle Politik mit ihrem Ziel den äthiopischen Staat zu
modernisieren diese zu gefährden.
Mögliche Themen wären: Tourismus in Äthiopien, die Darstellung Äthiopiens in Filmen
und Coffee-Table-Books, Musikfestivals in Äthiopien, Auswirkungen der Benennung sog.
„traditional harmful practices“, ethnischer Föderalismus.
Dr. Sophia Thubeauville
[email protected]
24. „Kultur“ und Identität in Afrika: Historische Weichenstellungen, aktuelle
Tendenzen
Peter Kneitz
Die normativen Vorstellungen der Moderne von „Kultur“ hatten und haben bedeutenden
Einfluss auf weltweite Identitätsbildungsprozesse. Die im okzidentalen Kulturraum
gewachsenen Ideen von Tradition und Kulturerbe, von Ethnien und dem Nationalstaat als
Verwalter kultureller Eigenart haben nicht nur einfach ältere Identitätsformen überlagert
oder verwandelt, sondern auch ein völlig neues Selbstverständnis sozialer Gruppen
eingefordert – mit enormen Auswirkungen auf die jeweiligen Gesellschaften.
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Der Workshop lädt dazu ein, diese Zusammenhänge von „Kultur“ und Identität am
Beispiel afrikanischer Gesellschaften explizit zu machen. Gefragt sind damit Beiträge, die
nicht einfach nur die vielfach schon beschriebene Dynamik der Identitätsbildung – wie die
Revitalisierung und Erfindung von Traditionen, die Eigenart von Nationalkulturen, die
Schaffung des Weltkulturerbes – ausarbeiten, sondern sie im Sinne des Tagungsthemas
in ihrer Bedingtheit von der spezifischen Eigenart moderner Kultur verorten. Willkommen
sind sowohl historisch orientierte Fallbeispiele, welche frühe Weichenstellungen
illustrieren, als auch Darstellungen aktueller Entwicklungen, die u.a. folgende
Fragestellungen bearbeiten können: Auf welchen direkten und indirekten Wegen haben
sich Vorstellungen moderner Kultur in Formen afrikanischer Identität niedergeschlagen?
Welche Anpassungen wurden in Abhängigkeit vom historisch-kulturellen Kontext
vorgenommen? Was für eine Eigendynamik hat sich entwickelt? Welche
Interdependenzen von Identitätsbildung und globalisierter Kultur lassen sich aufzeigen?
Ziel des Workshops ist es, die Bedeutung der Kategorie „Kultur“ für die
Identitätsbildungsprozesse afrikanischer Gesellschaften aufzuzeigen und darauf
aufbauend mögliche Forschungsperspektiven zu diskutieren.
Dr. Peter Kneitz
[email protected]
25. Contested Environments: The Political Ecology of Agrarian Change and
Forest Conservation
Daniel Münster with the collaboration of Ursula Münster and Stefan Dorondel
In the recent post-developmental and globalized historical situation the political and
economic dimensions of human-environment relationships are inflected with
contestations regarding issues of inequality, exploitation and marginalization.
Theorizations of the world's present condition as either post-colonial, post-socialist or
neoliberal globalization find it increasingly pertinent to engage the issue of environmental
justice, conservation and agrarian transformation. Ethnography is particularly well
equipped to help understand the local realities behind, but also contestations and
ideologies of global ecological concerns, such as climate change, biodiversity
conservation, forest protection, genetically modified agriculture, global food regimes,
water scarcity, mining, etc.
In this panel we particularly aim at bringing together research on two central themes in
political ecology: the politics and violence of forest conservation and the neoliberalisation
of agriculture under the present global food regime (H. Friedmann). The interrelation of
increasingly protected forest boundaries and agriculture are many-fold. In many
ethnographic settings “agrarian frontiers” (cattle, soy-beans) make inroads into forest
areas with far reaching ecological, social and political consequences beyond forest
clearance, decline in biodiversity and displacement of indigenous peoples. Global
deforestation, mainly through conversion of forests to agricultural land, continues at an
alarmingly high rate, about 13 million hectares per year (FAO 2007). Authoritarian state
forest protection, on the other hand, may deprive local peasants of much needed
commons used as grazing grounds or for water and wood supply. In other ethnographic
contexts the ecological frontier of forest/agriculture may articulate with an antagonistic
and dynamic division of society in indigenous vs. “mainstream” peoples or hill vs. plains
society (J. Scott, N. Peluso). We also want to reflect on possible differences between the
political ecological dynamics of agrarian change and forest conservation: Is agrarian
transformation more driven by science (biotechnology, green revolution) and capital
whereas forest conservation is the domain of NGOs, transnational institutions and
developmental states? How do practices of control and regulation in the “greening” of
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agriculture (fair trade, organic) and forest management (UNEP standards) differ? Does
the cultural politics of protest and resistance express itself differently among peasant
(agriculture), indigenous (forest), and urban middle class environmental activists (forest
and agriculture)?
In this workshop we invite ethnographic contributions to the emerging field of political
ecology, which we hope to engage with recent theoretical advances in the anthropology
of globalization, post-socialism and post-colonialism. On the other hand we expect to
stimulate critical social and cultural theory in anthropology by bringing ecology (back) in.
Dr. Daniel Münster
[email protected]
Dr. Ursula Münster
[email protected]
Dr. Stefan Dorondel
[email protected]
26. Wa(h)re Kälte?
Gertrude Eilmsteiner-Saxinger (Regionalgruppe Zirkumpolargebiete und
Sibirien)
Im Workshop der Regionalgruppe Zirkumpolargebiete und Sibirien werden aktuelle
Themen und Fragestellungen im Rahmen des Tagungsthemas Wa(h)re „Kultur“?
diskutiert. Die gesellschaftliche Dimension „Kultur“ spielt in anthropologischer und
ethnologischer Hinsicht auch in den (sub)polaren Gebieten der USA, Kanadas,
Skandinaviens und Russlands eine zentrale Rolle, wenn es um die Definition von
Zugehörigkeiten und Identitäten sowie um politische Positionen und Forderungen geht.
Die Relevanz von kulturellen Praktiken ist dort längst nicht mehr nur auf „traditionelle
Kulturen“ zu beschränken. Dies zeigt sich besonders am Beispiel von Zuwanderern der
Bergbauregionen, staatlichen Umsiedelungen oder Deportierten. Die Untersuchung von
kultureller Praxis und materieller Kultur kann zeigen, wie diese sozialen Prozesse sowohl
auf Mikro- als auch auf Makroebene mit kontextbedingt konstruierten
Kulturverständnissen verbunden sind. Im Workshop soll v.a. der Diskurs über
Kulturwandel, Konstruktion von kulturellen Identitäten, Indigenität, Hybridität und
„Kultur“ als Ressource Platz finden.
Ein augenscheinliches Beispiel ist der Klimawandel, der bereits zur Umgestaltung der
Lebensräume in den polaren Regionen geführt hat und noch massive Veränderungen
erwarten lässt. Dieses ökologische Phänomen beeinflusst nicht nur die Wahrnehmung
dieses Lebens- und Naturraums von außen, indem es von den Medien als scheinbar
anschaulichstes Beispiele der globalen Bedrohung durch klimatische Veränderungen
herangezogen wird, sondern auch von innen, da es sich auf lokale Lebensbedingungen
ganz konkret auswirkt. Dies betrifft besonders indigene Bevölkerungen wie Inuit, die ihr
Recht auf Kälte immer vehementer einfordern, um tradierte soziale, kulturelle und
wirtschaftliche Praktiken auch in Zukunft fortführen zu können. Andererseits fördert die
für Politik und Wirtschaft hinsichtlich neuer Rohstofferschließungen und Seerouten
hoffnungserweckende Schrumpfung der arktischen Eisdecke neue Diskurse über
demographische Strukturen, Legitimität von Ansprüchen auf „Heimat“ der nichtindigenen Bevölkerungen und somit über Machtverhältnisse in den innerstaatlichen
Kolonien („domestic colonies“) der jeweiligen nationalen arktischen Peripherien. Die
indigene Bevölkerung fordert vor diesem Hintergrund stärker denn je ihre „Cultural
Rights“ ein. Dies geschieht in verschiedenen Formen, beispielsweise durch nativistische
Revitalisierungsbewegungen, politischen Aktionismus, Forderungen nach autonomen
Territorien etc. Im Rahmen dieser Diskurse spielen neue Formen kollektiver
Selbstdarstellungen und „Lifestyles“ eine entscheidende Rolle.
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Willkommen sind Vorträge, die Theoriekonzepte und/oder ethnographische Fallbeispiele
in den Bereichen der materiellen und immateriellen „Kultur“ vorstellen oder sich mit
„Cultural Rights“ als neue Dimension der „Human Rights“ beschäftigen sowie
Dimensionen der postsowjetischen Gegebenheiten herausarbeiten etc. Vergleichende
Beispiele dieser Thematiken aus anderen Weltgegenden sind explizit erwünscht.
Gertrude Eilmsteiner-Saxinger
[email protected]
27. Kommodifizierung und Authentizität von Gesundheit und Heilung
Bernhard Hadolt und Bettina Beer in Kooperation mit Gabriele Alex
(Arbeitsgruppe Medical Anthropology)
Der Workshop, der ursprünglich aus der Perspektive politikethnologischer Diskussionen
über Verbindungen zwischen Kommerzialisierung von Kultur, Medizin und Ethnizität
entstanden ist, setzt sich mit folgenden Spannungsfeldern auseinander:
Mittel und Praktiken, welche die Lebensqualität verbessern sollen, sind mit großen
Hoffnungen verknüpft. Egal, ob es darum geht, eine „Krankheit“ zu heilen oder ihr
vorzubeugen, einen Zustand zu verhindern (ungewollte Schwangerschaft, Alterung) oder
zu verbessern (mehr Stärke, Fitness, Schönheit), gegen jedes Problem werden Mittel
angeboten, und für fast alle Träume gibt es Rezepte. Doch auch jenseits des explizit
medizinischen Marktes ist der Handel mit Gesundheit, Glück und Langlebigkeit, zum
Beispiel in Form von gesundheitsfördernden Nahrungszusätzen und Anti-Aging-Produkten
in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Da „Heilmittel“ mit ihren Effektivitäts- und
„Wahrheits“-Ansprüchen im weitesten Sinne Hoffnungen verkaufen und Ängste
ansprechen, sind sie weit mehr als nur eine Substanz oder Praktik. Derart aufgeladene
Mittel stellen nicht nur einen umsatzstarken Markt dar, sondern sind auch ein Bereich, in
dem sich Kultur und Kommerzialisierung eng miteinander verschränken.
Eine weitere Form sowohl der „Warenhaftigkeit“ als auch der „Wahrhaftigkeit“ von
Medizin lässt sich in Bezug auf nicht-biomedizinische Praktiken und Wissenssysteme des
Heilens beobachten. Im Zuge lokaler und staatlicher Identitätspolitiken stellen
„traditionelle“ Medizinen in vielerlei Kontexten Gegenentwürfe zu Machtansprüchen,
Übeln und Nebenwirkungen der Moderne dar. Sie legitimiert sich als authentisch oder
ursprünglich gegenüber der als westlich und modern konzeptualisierten Biomedizin: als
„wahre“ Medizin. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Markt immer stärker
werdender ethno-economies (Comaroff & Comaroff 2009), die sich rechtlicher Strategien
(copyrighting) und moderner Werbemöglichkeiten bedienen. Im Zuge der Anpassung an
den Markt werden Medizinen, mit all ihren Attributen, wie z.B. „östlich“, „tribal“ oder
„indigen“, zu einer besonderen Ware, die globale Verbreitung erfährt und deren
Vermarktung neue Formen annimmt. Auf der Mikroebene sind es kleine lokale, soziale
Einheiten wie Dörfer, Siedlungen oder einzelne Haushalte, die auf die regionale und
internationale Nachfrage reagieren.
Ein dritter Bereich der Verbindung von Ware und „wahrer Medizin“ ist der internationale
Markt der „public health“. Auf diesem bieten Regierungs- wie
Nichtregierungsorganisationen sowie kirchliche Institutionen globale Programme,
Beratung, Therapien oder Medizinen für spezifische lokale Probleme und Kontexte an.
Beispiele für diesen Wirtschaftszweig sind die HIV/AIDS-Prävention oder Hilfsangebote
medizinischer Versorgung in Krisengebieten.
Beiträge zu unterschiedlichsten Regionen, die das Spannungsfeld zwischen
Warenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit von Heilmitteln und Medizin – aus
medizinethologischer, politikethnologischer oder anderer Perspektive – aufgreifen, sind
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willkommen. In vergleichender Perspektive geht es uns darum, zu Grunde liegende
Mechanismen der Kommerzialisierung von Kultur, Identitätspolitik und Herstellung von
Authentizität herauszuarbeiten.
Dr. Bernhard Hadolt
[email protected]
Prof. Dr. Bettina Beer
[email protected]
Dr. Gabriele Alex
[email protected]
28. Cyberculture
Alexander Knorr
In den frühen 1960er Jahren wurde "cyberculture" in den USA als politischer
Kampfbegriff geprägt – getragen von der Furcht vor den sozialen Konsequenzen der seit
der Nachkriegszeit sich beschleunigenden Ausbreitung komplexer Technik. Gemeint war
der "Lebensstil" einer Gesellschaft, geprägt durch die Kybernetik, der Wissenschaft von
Kommunikation und Kontrolle in Systemen jeglicher Provenienz. Der Terminus erwies
sich als kurzlebig und geriet, wie die Kybernetik selbst, in den 1970ern in Vergessenheit.
Unter dem Eindruck des global zunehmenden Einflusses moderner Technologie auf alle
Lebensbereiche skizzierte der Ethnologe Arturo Escobar 1994 ein neues Konzept von
"cyberculture" und rief unsere gesamte Profession auf, sich ihr zu widmen. Aber die
Ethnologie hat "cyberculture" vernachlässigt und fast aus der Hand gegeben, so wie auch
den Kulturbegriff selbst. Dafür hat eine Vielzahl von Autoren, darunter so prominente wie
Pierre Lévy, aus unterschiedlichsten akademischen Disziplinen sich den Terminus
"cyberculture" angeeignet. Er hat dadurch eine gewisse Inflation erfahren, ist zu einem
"buzzword" geworden. Aber mehr denn je erscheint ein ethnologischer Ansatz
erfolgversprechend, der nicht nur Praktiken und Artefakte im Allgemeinen, sondern ganz
konkret die Beziehungen zwischen dem Menschen und komplexer Technologie ins
Zentrum rückt, und als Ausgangspunkt benutzt. Denn, die vielfältigen
Erscheinungsformen digitaler Elektronik und modernster Technik allgemein bestimmen
unsere heutige Welt ganz entscheidend mit. Rund um den Erdball sind sie zu Faktoren
des menschlichen Daseins geworden und zu Aspekten der Vorstellungen und Entwürfe,
mit diesem Dasein umzugehen, ja des Menschenbildes selbst.
Was vor nicht allzu langer Zeit Sciencefiction war, ist Lebenswirklichkeit geworden:
Menschen, die sich nie in Fleisch und Blut treffen, arbeiten nicht nur zusammen, sondern
knüpfen Freundschaften, die ein Leben lang halten – über eine Vielzahl von
Internetdiensten interagierend schöpfen sie neue Formen von Gemeinschaft und
Gesellschaft. Am Polarkreis durchmessen Inuit zielgenau Nacht und Eis, indem sie
Satellitendaten mit den Mustern der Schneeverwehungen abgleichen. Im subsaharischen
Afrika besitzt kaum jemand einen Festnetzanschluss, aber viele mehr als nur ein
Mobiltelefon. Ein Südafrikaner mit Beinen aus Carbonfasern läuft die 400 Meter so
schnell, dass er sich für die Olympischen Spiele qualifiziert. In Japan wollen alte
Menschen nicht mehr auf die Gegenwart von Androiden verzichten und im Nahen Osten
durchsuchen Roboter Verdächtige nach Sprengstoff. Seit etwa einem Jahrzehnt widmen
sich ethnologische Arbeiten verstärkt solchen Thematiken und legen Zeugnis davon ab,
dass unsere Wissenschaft längst im Heute angekommen und vielleicht relevanter denn je
ist. Dezidiert auf die Gegenwart bezogen versprechen Perspektiven, die unter
"cyberculture" gefasst werden können, Erkenntnis und Verstehen im ethnologischen
Sinne. Diesen Perspektiven ist der Workshop gewidmet.
Dr. Alexander Knorr
[email protected]
29. Wildes Europa: Wie exotisch muss eine Ethnologie Europas sein?
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Stéphane Voell und Tatjana Thelen (Regionalgruppe Europa)
Die Ethnologie wird gerne als „Wissenschaft vom kulturell Fremden“ bezeichnet. Doch
was ist fremd und exotisch genug, um von der Ethnologie untersucht zu werden? Etwas
Exotisches ist etwas als fremd Wahrgenommenes und Außergewöhnliches. Wird erst mit
Miles & More und Malaria ein Ort zu einem Feld für die Forschung? Und wenn es doch
nicht so weit geht, weil man keine Visa bekommen hat oder das Geld für die Forschung in
Übersee fehlt, dann hilft man nach: Einigen Ethnologen, die in den 1960er im
Mittelmeerraum forschten, wurde der Vorwurf gemacht, sie würden Südeuropa bewusst
exotisieren. War ihnen Europa nicht wild und fremd genug?
Die Ethnologie in Europa untersucht eine Fülle von Themen allgemeinen und
theoretischen Interesses. Sie arbeitet zu sozialem Wandel anhand der
Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa. Forschungen zu Identitäts- und
Nationalbildung sowie sog. „ethnischen Konflikten“ bzw. Themen von Post-KonfliktGesellschaften lassen sich u.a. in Nordirland wie Ex-Jugoslawien durchführen. Das Thema
Integration schreit geradezu nach Ethnologen (den Kulturexperten?), die
Integrationspolitik und ihre lokale Durchführung zu untersuchen. Die Makroprozesse um
die Europäische Union und ihre lokale Umsetzung bzw. Gegenbewegungen sind ebenfalls
hervorragende Themen für eine Ethnologie der Globalisierung. Weitere zentrale
Forschungsthemen in Europa, denen die Ethnologie zu Recht weltweit in der exotischen
Ferne nachgeht, sind das Wiedererstarken von Religion oder die Rolle von
Menschenrechten. In vielen dieser Forschungen wird Europa zu einer der wildesten,
befremdlichsten und exotischsten Regionen der Erde. Doch Exotik kann ebenso wenig wie
geographische Entfernung ernsthaft eine Grundbedingung für die ethnologische
Forschung sein!
In dem Workshop soll der Frage nachgegangen werden, ob ethnologische Forschung im
gewohnten Europa etwas Besonderes ist und sich von der althergebrachten,
gewöhnlichen Ethnologie im exotisch Fremden unterscheidet. Was heißt es theoretisch
und methodologisch Ethnologie in Europa zu betreiben, d.h. in Europa zu forschen?
Anders ausgedrückt: Muss die Ethnologie Europas besonders definiert werden oder ist
Ethnologie in Europa nicht die gleiche wie Ethnologie in Afrika, in Asien oder wo auch
immer? Wir freuen uns auf Beiträge, die das Thema Ethnologie Europas in ihren
Forschungen theoretisch bzw. methodologisch reflektieren.
Dr. Stéphane Voell
[email protected]
Dr. Tatjana Thelen
[email protected]
30. Spheres of Exchange Unlimited: Global Resources and Commodities in the
Emergence of New Orders
Andrea Behrends and Nikolaus Schareika with the collaboration of Sung-Joon
Park
The trajectories of things that link societies and cultures across the globe have recently
changed again and quite fundamentally so. Natural resources like crude oil and high
technologies like pharmaceuticals have attained new values to a number of, partly new,
actors. Now they are about to entwine these actors into new sorts and reciprocities of
exchange. In doing this they spur the rise of new significations, expectations and
discourses among the parties that are connected through them. And this in turn, may
animate the quake of established orders and the emergence of new ones.
This panel argues that the global flow of natural resources, commodities, and services is
indispensable in understanding the creation and maintenance of social order. The
production, circulation, and use of oil, diamonds, gold, kitchenware, pharmaceuticals,
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and weapons reveal the contingencies and cultural specificities that speak to the
emergence of new orders. This seems to be particularly visible in fragile contexts, where
a comparative perspective helps to address the dynamics that resources and
commodities can unfold. The growing importance of poor countries in global regimes of
trade and governance moreover invites to rethink theories of power, inequalities and
justice in these emerging orders.
Take for instance oil in Africa, a much-desired resource, which promises high returns, but
requires high investments. While few international actors normally reach their desired
margins from oil extraction, the new revenues also create desires among the populations
of African countries – which more often than not remain unfulfilled. New orders are
created not only by the actual production of oil and the inflow of cash, but also by various
significations and expectations attributed to the resource. These may turn out to conform
to the often quoted “resource curse” with higher possibility of insurgencies, longer-lasting
dictatorship and an increased investment into „security‟. But they do, however, cause
forms of creative adaptation to powerful regimes of trade that shape new and competing
orders.
This panel invites to explore a broad set of questions, empirical cases, and theories on
the relationship between resources and commodities in the creation of new orders. How
are modes of extracting resources, the production of goods, and use of commodities
entangled with new orders? Which dynamics and practices of trade make these emerging
orders visible? What is in actual sense, given and returned? Which reciprocities are
evoked? What is gained or lost and thus becomes an interesting object of study? Which
methods do we need in order to analyze large-scale processes of trade and the
establishment of new geopolitical connections? How does this focus relate to classic
themes in anthropology with its many disciplines? How can a fresh look at things and
orders inform methodological and theoretical approaches in development theory, political
anthropology, and global studies?
Possible themes:
Global and local histories of resources, commodities, and technologies; Following things
in ethnographies of oil, gold, pharmaceuticals, cell phones, etc.; Anthropological
perspectives on “state”, order, and resources; The political economy of global trade and
exchange; Creativity and adaptation in the creation of new orders; Technologies,
strategies, practices of ordering and re-ordering; Co-production of social and natural
orders in health, development practice, global markets; Performativity of things and
devices in emerging global markets.
Dr. Andrea Behrends
[email protected]
31. Negotiating Culture as “Resource for Development” in Africa
Andrea Riester with the collaboration of Nadine Sieveking and Sandrine
Gukelberger
This panel explores the relation between “culture and development“, which is being
established by national and international development politics in African contexts.
Starting point is the revival of culture in the discourses of international development
cooperation. On the level of theoretical debates, culture is closely linked with the notion
of diversity in the sense of the UNESCO convention, which implies on the one hand a
folkloristic understanding of culture (as heritage), on the other it conveys the idea of
fostering options, democratic principles and rights of minorities. Within the paradigm of
modernisation and economic growth culture often served as a residual category (Lentz
2008) to explain failed development – now culture is (re-) discovered as a “resource”.
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We are interested in the concrete repercussions of the discourse on “culture and
development” at the local level. On the basis of empirical case studies that focus on the
practice of development cooperation we want to discuss the differing meanings,
interpretations, and appropriations of “culture as resource for development” in different
African contexts. We assume that international development cooperation (strategically)
supports – directly or indirectly, materially or ideally – cultural programmes and practices
contributing to the political agendas of the donors. Such programmes may enable local
actors to legitimise spaces of agency. The programmes may, however, also create
conflict between actors who hold contradicting notions of culture and development.
We encourage contributions based on empirical studies that focus on local arenas of
development cooperation and address the following questions: Who are the actors
engaged in the debates on culture and development? How are particular notions of
culture being negotiated and who has the power to determine the meaning of “culture”?
How are particular development concepts linked to the international discourse on cultural
diversity and by whom? How does reference to culture open up access to particular
resources (money, identities, spaces)? How are local development actors dealing with the
tension between the protection of minority cultures (e.g. rights of indigenous people) and
globalised norms of democracy and equality? How are cultural identities constructed and
staged in public? Which dynamics and essentialising processes can be observed and in
how far do they contribute to heightening tensions and creating new conflicts?
Andrea Riester
[email protected]
Dr. Nadine Sieveking
[email protected]
Sandrine Gukelberger
[email protected]
32. Vom Wahren zur Ware? Zur Kommodifizierung und Sakralisierung von
Kulturgütern
Mamadou Diawara
In der Ethnologie fand bisher die Frage wenig Berücksichtigung, wie sich lokale materielle
und immaterielle Kulturgüter durch die Vermarktung und Medialisierung in der
Auseinandersetzung mit divergenten Rechtsnormen verhalten und verändern. Der
Workshop möchte daher anregen, Vorgänge näher zu untersuchen, die durch lokale
Akteure eingeleitet werden und gleichzeitig Gegenstand internationaler Rechte
(Urheberrecht, Kulturerbe, Patentrecht) sind, wie zum Beispiel die Vermarktung von
Kopien (oder Originalen) sakraler Gegenstände, die Öffnung heiliger Stätten oder zuvor
geheimer Masken für den Tourismus, die Ausstrahlung sakraler Sprüche und Gesänge
über die Medien. Bei diesen Vorgängen handelt es sich nicht einfach um eine
fortschreitende Banalisierung, Kommodifizierung oder Entfremdung. Sie haben keine
eindeutige Richtung und entziehen sich simplifizierenden Bewertungen. Genauso sind
gegenläufige Bewegungen zu beobachten, wie die Umwandlung eines mobilen Kults zum
immobilen Kulturerbe, von Kitsch oder zur Ware gewordenen Souvenirs in Fetische oder
zu „resakralisierten“ Kunstwerken in Museen. Kulturgüter verändern sich durch die
Formate, die die internationalen Rechtsnormen vorgeben, wobei die lokalen Akteure
diesen wiederum eine neue Prägung verleihen. Wie können diese Bewegungen
beschrieben und interpretiert werden?
Dieser Workshop ist interessiert an Beiträgen, die in dichten ethnographischen Studien
analysieren, wie lokale Akteure ihre Kulturgüter wie zum Beispiel Kulte, Tänze,
Performances, Lieder, Gedichte, Musik, orale Traditionen oder medizinisches Wissen
entwickeln, um sie in weltweiten Netzwerken zu verbreiten und einem globalem Publikum
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zugänglich zu machen, sei es über verschiedene Medien, in Form vermarktbarer Güter
oder Tourismus. Untersucht und diskutiert werden soll, welchen Weg die Kulturgüter
gehen und wie sich in diesem Prozess und in Auseinandersetzung differenter Normen
verändern, die die Rechte an diesen Errungenschaften regeln.
Prof. Dr. Mamadou Diawara
[email protected]
33. Taktiken wider die Unsichtbarkeit: Selbstermächtigungsstrategien im
Kontext von Immigration
Antje Krueger und Johannes Ismaiel Wendt (Arbeitsgruppe Migration)
MigrantInnen, Asylsuchende und „Sans Papiers“ sehen sich ab dem Eintritt in ein so
genanntes Aufnahmeland mit einer ambivalenten Kultur des Sichtbar- und Unsichtbar(Gemacht)-Werdens konfrontiert und nehmen ihrerseits aktiv gestaltend an diesen
Praxen teil. Einerseits sollen sie sich möglichst unauffällig in das gesellschaftliche Gefüge
einpassen, andererseits wird ihre Anwesenheit durch diverse alltagspraktische und
mediale Kontrollinstanzen begleitet und dokumentiert. Dem Konzept dieser „organisierten
Desintegration“ (Täubig 2009) stehen selbstermächtigende Taktiken und Praktiken
gegenüber, die die Bedingungen und Auswirkungen dieser Lebenswelten dechiffrieren
und unterwandern. In diesem Sinne bedienen sie sich ebenfalls der ambivalenten
Spielarten des Feldes, werden sichtbar oder unsichtbar, je nachdem, ob es für das eigene
(Über-)Leben nützlich ist: Manchmal müssen Herkunft und Namen verheimlicht oder
Papiere vernichtet werden, um einer Abschiebung entgehen zu können.
Neben diesen „tactics of invisibility“, gehören auch „signifying practises“ dazu, die
herrschende Diskurse um Migration, „Fremdheit“ und Entrechtung ansprechen und
versuchen diese zu stören. MigrantInnen, Asylsuchende und „Sans Papiers“ wählen
manchmal auch Inszenierungsformen der expliziten Erschütterung, um Unterdrückungsund Gewalterfahrungen deutlich zum Ausdruck zu bringen. Aus ganz unterschiedlichen
Nöten heraus entstehen Praxen von künstlerischen bis hin zu selbstzerstörerischen
Provokationen: Beispielsweise verfolgen Musiker in der Londoner Diaspora mit brachialen
Bässen ein Konzept akustischer Agitation, um durch „noise“ aus der gesellschaftlichen
Unsichtbarkeit herauszutreten. Andere versuchen unter Einsatz ihres Lebens, etwa durch
öffentliche Selbstverbrennung oder medial wirksam inszenierte Hungerstreiks, Beachtung
für politische und individuelle Missstände zu schaffen.
Diese Momente, in denen sich die Subjekte gegen die (dominante) Kultur wenden, in
denen sie aus der Unsichtbarkeit herausbrechen und den neuen potenziellen Raum als
Ort der (Selbst-) Repräsentation wahrnehmen, sollen im Rahmen des Workshops
thematisieren werden. Uns interessieren Selbstermächtigungsstrategien, mit denen sich
Illegalisierte, Asylsuchende oder MigrantInnen einen Handlungsraum erkämpfen, um
sichtbar und hörbar zu sein.
Es sind empirisch-ethnografische oder theoretische Beiträge erwünscht, die sich mit
Fragen der transkulturellen Selbstermächtigung im oben skizzierten Sinne beschäftigen,
z.B. mit performativen Kulturproduktionen von MigrantInnen, mit der Frage, inwiefern
provokative Gewaltinszenierungen Ausdruck von selbst erfahrener Gewalt sind, mit
Fragen der Anerkennungskämpfe ausgeschlossener/marginalisierter Subjekte, mit der
Wechselwirkung zwischen individuellem Ausdruck und institutionellen Reaktionen.
Johannes Ismaiel Wendt
[email protected]
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34. Business Anthropology: Berufsperspektiven für OrganisationsethnologInnen
Susanne Spülbeck und Johannes Ries
Organisationskultur, Business Anthropology, Diversity Management – scheinbar neue
Begriffe erobern den öffentlichen Diskurs, die suggerieren, dass EthnologInnen mit ihren
Kernkompetenzen tatsächlich nicht nur in Museum, Forschung und Lehre ihren
Lebensunterhalt bestreiten könnten, sondern auch in der Wirtschaft. Dabei wird auf ein
Fachgebiet der Ethnologie verwiesen, das längst etabliert und mit unzähligen Studien seit
über 90 Jahren vor allem im angelsächsischen und skandinavischen Raum seinen festen
Platz in der Ethnologie hat.
In diesem Workshop geht es darum, Fragen nachzugehen, die im Zusammenhang mit
dem Berufsbild von Ethnologen auf der Basis der Kernkompetenz der
Organisationsethnologie stehen:
Wie sehen die Kernkompetenzen aus, die die Organisationsethnologie für die Wirtschaft
so interessant macht? Wie können Studierende der Ethnologie diese Kernkompetenzen
gezielt erwerben? Warum wächst das Interesse an organisationsethnologischer
Forschung und Beratung auch im deutschsprachigen Raum zunehmend? Welche
ethischen Implikationen hat die anwendungsorientierte Ethnologie im Feld von profit- und
non-profit-Organisationen? Selbstbild und Marketing der Ethnologie im
deutschsprachigen Raum – ein Hindernis für Berufsperspektiven?
Ziel des Workshops ist es, gemeinsam mit allen Teilnehmenden die Möglichkeiten
auszuloten, wie EthnologInnen mit ihren spezifischen Kernkompetenzen in der Forschung
und Beratung arbeiten und sich damit neue Berufsperspektiven schaffen können. Der
Workshop wird dabei durch interaktive Workshop-Formate geprägt sein, nicht durch
Vorträge, so dass ein kreativer Austausch, eine fruchtbare Diskussion sowie die
Vernetzung der Teilnehmenden gefördert werden.
Dr. Susanne Spülbeck
[email protected]
Dr. Johannes Ries
[email protected]
35. „Indianness“ – Identität, Abgrenzung und Strategie?
Markus Lindner (Regionalgruppe Nordamerika)
Die Debatte um Authentizität von Religion und Kultur sowie die auch stark politisch
motivierte Diskussion um Stammeszugehörigkeiten in Nordamerika reißt nicht ab.
Indigene Bemühungen um mit der Religion und Tradition im Zusammenhang stehende
Debatten werden von anglo-amerikanischen Interessensgruppen (Landeigner,
Gouverneuren etc.) oft kritisiert und bekämpft, vor allem dann, wenn damit zum Beispiel
die Einforderung von Landrechten verbunden ist. In dem Prozess der Einforderung von
Sonderrechten (Gebietsansprüche oder Reservationsrechte etc,) müssen indigene
Gruppen oft langwierige Nachweise über spezifische Traditionen führen.
Dabei stellt sich die Frage, ob und wie sich die Prozesse, die eine „traditionelle“ Kultur
nachweisen sollen, durch die Verwendung von Schlagworten wie „kulturelles Erbe“ oder
„rechtmäßiger Besitz von geistigem Eigentum“ unter indigener Verwaltung eventuell
verselbstständigt und eine Eigendynamik entwickelt haben, die neue Fragen zum Beispiel
nach einem „Copyright“ auf Kulturgut ausgelöst haben. Hierbei muss auch hinterfragt
werden, auf welcher Basis „Tradition“ festgelegt wird.
In diesem Workshop sollen Fragen der Zugehörigkeit und Identitätsmarker
nordamerikanischer Kulturen unter Berücksichtigung der Entwicklung von festgelegten
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Kulturelementen im Verhältnis zu bestehenden, auch historischen
Abhängigkeitsverhältnissen zur Mehrheitsgesellschaft betrachtet werden. Ziel ist es, sich
kritisch der Frage zu nähern, ob „Kultur“ in diesem Kontext zu einem strategischen
Instrument geworden ist. Ein Augenmerk soll auch auf den indigenen Interessensgruppen
liegen, die mit ihren aufgestellten Parametern offenbar über Inklusion bzw. Exklusion zu
einer Kultur/indigenen Gruppe entscheiden.
In diesem Kontext soll auch der Frage nach der Bedeutung und Motivation, sich einem
Gentest zur Klärung ihrer Gruppenzugehörigkeit zu unterziehen, nachgegangen werden.
Unter Berücksichtigung dieser neueren Entwicklung stellt sich unmittelbar die Frage, was
sich hinter einer „kulturellen Zusammengehörigkeit“ verbirgt, wenn plötzlich nicht nur
kulturelle Merkmale, sondern auch genetische Zuordnungen eine Rolle spielen (könnten).
Dr. Markus Lindner
[email protected]
36. Kulinarische Ethnologie
Bettina Mann und Anita von Poser (Arbeitsgruppe Kulinarische Ethnologie)
Nachdem sich die AG Kulinarische Ethnologie auf der letzten DGV-Tagung gegründet hat,
möchten wir den Workshop auf zweifache Weise nutzen. Zum einen möchten wir eine
Plattform für laufende oder jüngst abgeschlossene Forschungen bieten, die die Esskultur
in ihren heterogenen und historischen Dimensionen ins Zentrum der Untersuchung
stellen. Als ein in den Sozialwissenschaften lange Zeit vernachlässigtes und marginales
Thema zeigt sich in Deutschland sowie im anglo- und frankophonen Kontext seit den
1980er/1990er Jahren innerhalb der Ethnologie und ihrer Nachbardisziplinen wie der
Soziologie, der Geschichtswissenschaft und insbesondere auch der
Volkskunde/Europäischen Ethnologie ein zunehmendes Interesse, das Essen ins Zentrum
systematischer empirischer Forschungen zu stellen und als „Kulturthema“ zu etablieren.
Auch wenn das Essen in seiner Gestaltungskontingenz ethnographisch sowie theoretisch
behandelt wurde (etwa im Rahmen strukturalistischer und symbolischer oder jüngst auch
im Kontext neuerer phänomenologischer Ansätze), bleiben etwa die Auswirkungen eines
zunehmenden transnationalen Flusses von kulinarischen Gütern, Ideen und Menschen auf
die materielle und symbolische Gestaltung der Ernährung noch unzureichend erschlossen.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir Beiträge, die auf der Grundlage ethnographischer
Forschung aufzeigen, auf welche (soziale, politische oder ökonomische) Weise Akteure
sich das Essen zunutze machen, um Identität und Sozialität zum Ausdruck zu bringen
und zu verhandeln.
Zum anderen sind Vorträge willkommen, die sich in der Auseinandersetzung mit dem
allgemeinen Tagungsthema etwa folgenden Fragen widmen: Durch welche Strategien
werden Authentizität und kulturelle Aneignung von Speisen und Lebensmitteln auf
individueller wie kollektiver Ebene vollzogen und in welchem Maße ändern sich in diesem
Prozess Materialität und symbolische Bedeutung? Welche Auswirkungen haben
internationale Standardisierungen und normative (rechtliche) Vorschriften auf die
Diversität von? Welchen Beitrag kann die Ethnologie zu einem empirisch fundierten
„Kulturthema Essen“ leisten?
Bettina Mann
[email protected]
Anita von Poser
[email protected]
37. Wie die Medizin auf die „Kultur“ kam. Oder: was hat Kultur mit Struktur zu
tun? Medizinanthropologische Ansätze zur interkulturellen Forschung in der
Medizin.
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Ruth Kutalek und Ekkehard Schröder
Seit Jahrzehnten wird gefordert, dass kulturelle Aspekte in der Kommunikation von
Gesundheitspersonal und PatientInnen stärker berücksichtigt werden. „Kultur“ und
„Ethnizität“ wurden zu einem Instrument, über das PatientInnenrechte eingefordert und
Themen rund um Ungleichheit im Zugang zu Gesundheitssystemen transportiert wurden.
Die Vermittlung von „interkultureller Kompetenz“ ist heutzutage in fast jedem
medizinischen Curriculum zumindest theoretisch verankert. Kultur wird im realen
klinischen Alltag aber auch oft als „Defizit“ und sogar als „Risikofaktor“ gesehen.
Wie wird aber Kultur und interkulturelle Kompetenz im medizinischen Kontext nun
tatsächlich definiert? Wie wirkt sich Kultur im täglichen klinischen Miteinander aus? Wie
sieht die Wechselwirkung von Kultur und Struktur aus und wie hängt Kultur mit
Ungleichheit zusammen? Wie wird mit Heterogenität in der Medizin umgegangen?
Diese und andere Fragen sollen in diesem Workshop aufgeworfen werden. Insbesondere
sollen auch die Beiträge der angewandten ethnologischen Forschung thematisiert werden
sowie der Diskurs von Angewandtheit und Theorie in der Medizinanthropologie.
Dr. Ruth Kutalek
[email protected]
Ekkehard Schröder
[email protected]
38. Identität und kulturelle Kreativität in Südostasien
Guido Sprenger (Regionalgruppe Südostasien)
In den ethnisch höchst diversen Staaten Südostasiens wird die Formulierung von
kultureller Identität zu einer Kommunikationsform von wachsender Bedeutung. Im
Indonesien nach Suharto wird die Berufung auf lokale Identitäten immer wichtiger. Selbst
in sozialistisch regierten Ländern wie Laos und Vietnam gewinnt die Artikulation lokaler
Kultur zunehmend an Wert. Dabei werden sowohl nationalstaatliche Identitäten wie auch
die von Minderheiten in Begriffen von kultureller Eigenständigkeit und Einzigartigkeit
formuliert. Das erfordert eine wachsende Zahl von als „authentisch“ markierten
kulturellen Repräsentationen, welche diese Identitäten mit Inhalt füllen, selbst wenn es
ihnen an Verbindlichkeit, Verbreitung und historischer Tiefe gebricht. Die gegenwärtige
Elaborierung von kulturellen Unterschieden fußt jedoch in Südostasien auf schon lange
existierenden, vor-nationalen Konstruktionen von Unterschieden zwischen Zentrum und
Peripherie, Küste und Hinterland, Tief- und Hochland sowie verschiedenen Religionen und
politischen Allianzen. Dieses Panel behandelt die Schaffung neuer Identitäten und neuer
kultureller Repräsentationen wie auch ihre Revitalisierung im Dienst der Formulierung
von kultureller Eigenständigkeit in einem transkulturellen Raum.
Prof. Dr. Guido Sprenger
[email protected]
39. Multireligiöse Rituale
Volker Gottowik
Während ökumenische Veranstaltungen hierzulande starken Reglementierungen
unterliegen, sind sie in anderen Teilen der Welt fester Bestandteil des rituellen
Repertoires. Vor allem in Süd- und Südostasien, aber auch in weiten Teilen Afrikas
pilgern Angehörige unterschiedlicher Konfessionen etwa zu Heiligengräbern, um dort
gemeinsam zu opfern und zu beten, und gelegentlich unterhalten sie sogar gemeinsame
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Kultstätten. Diese multireligiöse Praxis wird entweder auf eine Annäherung der
verschiedenen Religionsgemeinschaften zurückgeführt („Synkretismus“) oder gilt als
Ausdruck eines überkommenen Ahnen- und Naturkultes („Archaismus“), der nur
oberflächlich von Christentum, Islam etc. überformt wurde. Es liegt gleichwohl auf der
Hand, dass eine Ritualpraxis, die Angehörige unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften
in die gleichen rituellen Handlungen einbindet, mit einer fundamentalistischen Auslegung
von Religion nicht zu vereinbaren ist. – In diesem Workshop wird es darum gehen,
multireligiöse Rituale unter folgenden Gesichtspunkten zu diskutieren: Lässt sich die
Geschichte multireligiöser Rituale rekonstruieren und welche lokalen Versionen kursieren
in Bezug auf die Genese einschlägiger Prozessionen etc.? Welches Wissen über die
richtige transzendente und immanente Ordnung wird im Verlauf dieser Rituale
performativ erzeugt und wie wirkt es in den Alltag der beteiligten sozialen Gruppen
hinein? Wie gelingt es Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen, fundamentalistischen
Tendenzen zu widerstehen und einen Konsens über die Durchführung multireligiöser
Rituale aufrechtzuerhalten?
PD Dr. Volker Gottowik
[email protected]
40. Migrants as Agents of Cultural Transformation? Migration and Practices of
Diversity between “East and West”
Jelena Tošić and Carolin Leutloff-Grandits
For decades Eastern Europeans have migrated to Western Europe. To a large extent
migrants from (post)socialist Eastern Europe have been seen as a threat to the
socioeconomic, cultural and political “integrity” of western European countries rather
than agents of potentially positive cultural (ex-)change. This especially applies to labour
migrants from the 1960s onwards, but also to present migrants from the youngest EUmember and candidate states allegedly “overflowing” “old” Europe. The drawing of
cultural boundaries against migrants from Eastern Europe is still a common practice in EU
immigration states.
In their home-countries, East-European migrants have as a rule been met with high
expectations, mostly in regards to the sending of remittances or by offering possibilities
for chain migration, or with criticism for leaving their home society in times of economic
and political crisis. They are often stigmatized rather than seen as bearers of significant
knowledge how to deal with “cultural differences” which could be of high value for their
home societies.
This one sided perception of migrants has its equivalent in social sciences. Apart from the
transnationalist approach – stressing the role of migrants as social actors and “brokers”
with multiple cultural and territorial reference points – most of the research done on this
population dealt either with the impact of the East-West migration on the receiving
countries or the conditions in the home countries which led to migration. But even in
transnational approaches, these “transnational” or translocal” links have mainly been
analyzed in their capacities to foster or hinder integration into the receiving societies. In
home societies, transnational connections have been mainly explored in terms of their
economic aspects. Two-way cultural processes navigated and induced by migrants as
social agents have rarely been the focus of studies on East-West migration.
The workshop aims at contributing to this neglected perspective of East-West migration
by focusing on migrants as agents of cultural transformation in the home and host
societies. We want to focus on a special aspect of cultural flows: images and practices of
accommodating diversity “carried back and forth” by migrants between both cultural
contexts. This aspect is especially relevant in the highly politicized context of the ongoing
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EU-Eastern Enlargement, since new and prospective member states are pressured to
adopt the western models of accommodating “difference”. The active role of migrants in
this context is however rarely considered.
Looking at migrants as cultural agents, we invite papers which discuss the role of
migrants in bridging “Western” and Eastern” discourses of Europe and its quest for
diversity in for example the following fields: political activism, interreligious and
intercultural centres and initiatives, art projects, conflict mediation, the introduction of
new family models, and joint ventures.
Dr. Jelena Tošić
[email protected]
Dr. Carolin Leutloff-Grandits
[email protected]
41. Memory revisited – Zum Umgang mit ambivalenten
Vergangenheitskonstruktionen
Maria Six-Hohenbalken, Silvia Dallinger, Marion Gollner, Johann Heiss und
Johanna Witzeling
Der regelrechte „Memory-Boom“ in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften
brachte im letzten Jahrzehnt eine Reihe neuer Ansätze hervor, die sich mit Strategien
und Praktiken des Erinnerns, Verleugnens und Vergessens in einer Gesellschaft
beschäftigen.
Konstruktionen kollektiver Identitäten basieren nicht nur auf historischen Ereignissen und
(gemeinsamen) Erfahrungen; unterschiedliche Faktoren der Inklusionen und Exklusionen
bestimmen den Erhalt von kollektiven Identitäten und die Zugehörigkeit zu einer
sogenannten „Erinnerungsgemeinschaft“. Die offizielle, nationale Geschichtsschreibung
reflektiert jedoch nicht die Erinnerungen einer ganzen Gesellschaft; daneben bestehen
alternative Erinnerungen einer oder mehrerer Minderheitengruppe(n). Erinnern ist ein
sozialer und politischer Akt, der die Machtverhältnisse einer Gesellschaft widerspiegelt.
Im Workshop sollen die Kreation, Reproduktion und Modifikation von
„Erinnerungskulturen“ ebenso thematisiert werden wie die inhärenten Ambivalenzen
offizieller Narrative und sozialer Erinnerungspraxis.
Auf theoretischer Ebene nehmen wir u.a. Rekurs auf Theorien zum „kollektiven
Gedächtnis“ von Maurice Halbwachs, zu „Erinnerungsorten“ von Pierre Nora und zum
„kommunikativen“ und „kulturellen“ Gedächtnis von Jan und Aleida Assmann. Unser
Fokus liegt sowohl auf visuellen, materiellen, narrativen und performativen Bereichen.
Diskutiert werden diese Ansätze anhand aktueller Forschungen zur Erinnerung an
kriegerische Ereignisse und kollektive Formen des Gedenkens. Hierbei soll auch auf das
Konzept der überlieferten Erinnerung („vicarious memories“ David C. Berliner) sowie auf
Strategien des Verleugnens und Verarbeitens von Gewalttaten Bezug genommen werden.
Der Workshop versucht epistemologische, theoretische und methodologische Ansätze
zusammenzuführen: Welche Funktionen haben Erinnerungen für eine Gesellschaft/ein
Kollektiv? Durch welche diskursiven und rhetorischen Strategien werden Narrative
modifiziert bzw. manipuliert? Wie entstehen „offizielle“ nationale Geschichtsbilder und
ihre Gegennarrative? Wie können unbewusst wirkende und kaum reflektierte Geschichtsund Feindbilder methodisch erhoben und ausgewertet werden?
Dr. Maria Six-Hohenbalken
[email protected]
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Silvia Dallinger
[email protected]
42. Imaginationen und Wirklichkeiten: Reiseberichte und Archivmaterialien als
Quellen kultur- und sozialanthropologischer Forschung
Gabriele Habinger und Gabriele Rasuly-Paleczek
Reiseberichte können einerseits Material liefern zur „Erhellung“ „lokaler Kulturen“, sie
stellen aber auch eine spezifische Form der Konfrontation mit dem Fremden dar, sind
spezifische Manifestationen der Fremderfahrung. So können diese Texte auch in ihrer
Funktion als Formen der „Wissensproduktion“ analysiert werden, in historischer
Perspektive können sie auch als ein Genre betrachtet werden, das „imperiales Wissen“
produziert und kommuniziert. Ziel dieses Panels ist die Beleuchtung von
Reisedarstellungen und anderen Archivmaterialien in Wort und Bild als vielschichtige
Quellen kultur- und sozialanthropologischer Forschungen. Welche Bilder vermitteln uns
die Reisenden? Wie weit entsprechen ihre Darstellungen der Wirklichkeit oder sind sie nur
gängige Klischees? Welche Umgangsformen mit Differenz und kultureller Alterität sind in
ihnen zu finden, womit sich der Fokus auch auf die darin geschaffenen Bilder des jeweils
Eigenen richtet und in weiterer Folge auf Strategien von Hierarchisierung, des
Einschlusses und Ausschlusses. In welchem Kontext fand bzw. findet das Reisen statt?
Was waren bzw. sind die Ziele der Reisenden? Wie wurden bzw. werden die
Reiseabenteuer in der breiten Öffentlichkeit rezipiert? Aber auch Fragen nach der
Verschriftlichung von Reiseerfahrungen, deren Rahmenbedingungen – etwa angesiedelt
im Spannungsfeld unterschiedlicher gesellschaftlicher und symbolischer Kategorien und
Achsen der Differenz, aber auch beeinflusst durch ihre Rezeption – stehen hier zur
Diskussion, ebenso die Frage nach genreimmanenten Einflussfaktoren sowie nach der
Herstellung von fachlich-wissenschaftlicher Autorität als Schreibende und Forschende.
Welche Beglaubigungsstrategien werden angewandt, um in diesen Texten „ethnographic
authority“ herzustellen? Schließlich können in diesem Zusammenhang auch Fragen nach
den Bewertungskriterien und der „Qualität“ von Reiseberichten als Quellen kultur- und
sozialanthropologischer Forschung aufgeworfen werden.
All diese Fragestellungen sollen im Panel diskutiert werden. Neben der
Auseinandersetzung mit den Reisen selbst und den daraus entstandenen Berichten geht
es vor allem um den Kontext der Reisen und um die ihnen zugrundeliegenden
Zielsetzungen, somit um die Frage, inwiefern eine bestimmte Agenda die Darstellungen
der Reisenden beeinflusst hat bzw. beeinflusst. Anhand der individuellen Manifestationen
von Fremderfahrung kann somit eine Reihe von Fragestellungen behandelt werden, von
der Rekonstruktion des Lokalen und Biographischen bis hin zu Fragestellungen mit
„globaler(er) Reichweite“.
Dr. Gabriele Habinger
[email protected]
Prof. Dr. Gabriele Rasuly-Paleczek
[email protected]
43. Soldaten – Rebellen – Banditen: Von Corpsgeist, Freiheitsbegriffen und
Ehrvorstellungen
Ulrike Davis-Sulikowski und Stefan Khittel
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Anzahl ethnographischer Arbeiten zu
(para-)militärischen Einheiten vervielfacht; beispielhaft dafür stehen die „embedded
anthropologists“. Ebenso rückten kriminelle Organisationen in den Blick der Ethnographie
oder auch Separatisten- und Rebellengruppen. So schnell wie die Anzahl solcher
Arbeiten gestiegen ist, haben sich auch Gruppen innerhalb der ethnographisch
arbeitenden Sozialwissenschaften formiert, die dazu tendieren, jeweils ihre Bereiche
abzustecken und zu „Soldaten“ (oder Paramilitärs), zu „Banditen“ (Jugendbanden, Mafia)
oder zu „Rebellen“ zu forschen. Durch diese Vorgangsweise werden oft mögliche
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Parallelen übersehen beziehungsweise aufschlussreiche Differenzen in der
Selbstwahrnehmung der bewaffneten Gruppierungen zu wenig beachtet.
In einer ethnographischen, komparativen Herangehensweise an die Gesamtthematik und
mit unterschiedlichen regionalen Beispielen werden Einblicke gewonnen in innere
Strukturen und Ideen, die ein breites Spektrum von bewaffneten Organisationen –
Banditen, reguläre Armee, Terroristen, Separatisten, Aufständische, Freischärler,
Paramilitärs und andere – umfassen sollen. Der Fokus liegt auf der Selbstdefinition und
Selbstlegitimation, die all diesen ideologisch und organisatorisch durchaus sehr
unterschiedlichen Gruppen und ihren Handlungsweisen zugrunde liegt. Inwieweit dabei
von einer „soldatischen Kultur” respektive einer „Mafiakultur“ gesprochen werden kann,
soll erkundet werden.
Dr. Ulrike Davis-Sulikowski
[email protected]
Stefan Khittel
[email protected]
44. The “Integration Debate” and Modes of Incorporation – Looking at
Diasporas from Turkey
Heidi Armbruster and Sabine Strasser
Across Europe debates about “integration” and “multiculturalism” have gained new
momentum. While these debates do not raise entirely new issues they seem to be carried
by a certain emphasis on policy making, regulation and management. Especially recent
successes of rightwing populist parties generate debates about missed opportunities in
migration management, migrant assimilation or diversity politics. Many European
governments have recently (re-)established „integration‟ as a major model of migrant
incorporation and immigration legislation. While it is discursively framed as a means of
enabling more social equality and inclusion for migrants, some observers have argued
“integration” is a tool of neo-assimilation and control. In the German-speaking area “the
Turks” in particular have been singled out as a “difficult to integrate” group and are
confronted with accusations of self-segregation.
This workshop aims to explore and challenge the “integration debate” in two ways. Firstly
it departs from the homogenising label “Turk” and “Turkish” by including questions about
the diversity of diasporas from Turkey. We wish to include a focus on the complexities of
ethnic belonging, religion, language, places of origin and settlement, class, gender and
political orientation that differentiate those who emigrated from Turkey. Secondly we
wish to examine paths of incorporation that people with roots in Turkey took in Germanspeaking and more widely European societies. We would welcome papers that address
the following issues: Which modes of incorporation (occupational, educational, civil
society, political, lifestyle etc.) have diasporas from Turkey taken and are these
changing? Do minority experiences in Turkey inform modes of incorporation in Europe?
What is the significance of what some migration scholars have lately called “non-ethnic
pathways” of belonging, i.e. is ethnicity receding as a major source of social capital? Or
are, quite to the contrary, “ethnicity” and “culture” of increasing significance in the
processes of social connection? Which implications does the new (or older) “integration”
debate have for those categorised “Turk”? What is the significance of social class in this
context? Has transnational relatedness shaped the processes of participating in one or
perhaps more places? Is “generation” still a useful category for assessing migrant
incorporation? Do local, regional, national or transnational opportunity structures allow
for educational, economic and social mobility? Can perspectives on the differences within
an emigration movement from the same nation state and on achievements against
particular windows of opportunity contribute to reshape concepts of incorporation, and
thus avoid the dead ends of ongoing integration debates?
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Dr. Heidi Armbruster
[email protected]
Dr. Sabine Strasser
[email protected]
45. „Angewandte Ethnologie“
Sabine Klocke-Daffa
Das „kulturelle Erbe“ von Individuen und Gruppen scheint weltweit in dem Maße an
Bedeutung zu gewinnen, wie globalisierte Warenmärkte nationale Grenzen nivellieren
und Zuwanderungsgesellschaften sich um Integration von Migranten mit oder ohne
„Leitkultur“ bemühen. Überall werden lokale Kulturen (wieder)entdeckt, wird auf der
Respektierung von kulturellen Unterschieden bestanden, werden Anstrengungen zur
Vermarktung der „Ware Kultur“ zur Rettung der „wahren“ Kultur unternommen.
In dieser Situation ist die Expertise von EthnologInnen gefragt, deren wissenschaftliche
Forschungen und Erkenntnisse praktisch nutzbar gemacht werden sollen, die aber auch
ihrerseits praktisch arbeiten können. Ein neues Berufsfeld ist im Entstehen. Ob in den
Medien, in Schule und Erwachsenenbildung, im Gesundheitswesen, im (Ethno-)
Tourismus, bei Migrantenorganisationen oder in den Kulturämtern öffentlicher
Verwaltungen, in der Katastrophenhilfe oder in der Entwicklungszusammenarbeit:
Kulturelles Wissen ist mehr denn je gefragt. Angewandte Ethnologie beinhaltet dabei
sowohl die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen mit praktischer Relevanz als
Grundlage für öffentliche oder private Projekte, als auch den praktischen Einsatz von
EthnologInnen vor Ort, z.B. in interkulturellen Trainings, bei der Vorbereitung zu
Auslandsaufenthalten oder in Entwicklungs- und Hilfsprojekten.
Das stellt die Ethnologie im deutschsprachigen Raum allerdings vor einige
Herausforderungen und eröffnet einen neuen Arbeitsbereich (anders als etwa in den USA,
wo die Angewandte Ethnologie Bestandteil der Anthropology ist), da in der Ausbildung
nach wie vor die wissenschaftliche Qualifikation im Vordergrund steht. Praxismodule und
Methodenseminare bereiten zwar auf die Praxis der Feldforschung, aber kaum auf die
außerwissenschaftliche praktische ethnologische Arbeit vor. Gelegentlich werden auch
ethische Probleme für praktisches ethnologisches Arbeiten vorgebracht (wie bei der
Ausbildung von Soldaten für Auslandseinsätze), die in jedem einzelnen Falle einer
Grundsatzentscheidung bedürfen.
Der Workshop wird der Frage nachgehen, wie eine Angewandte Ethnologie konzeptionell
und organisatorisch aussehen kann und welche Erfahrungen in Ausbildung und Praxis
bereits gemacht wurden. Aufgerufen sind alle, die sich mit praxisbezogener
ethnologischer Arbeit befassen, in denen es um die Bedeutung und den „Gebrauch“ von
Kultur geht.
Dr. Sabine Klocke-Daffa
[email protected]
46. Einheit in der Vielfalt? Neue Tendenzen in den Prozessen der nationalen und
der Gruppenidentitäten Südasiens
Ulrich Oberdiek (Regionalgruppe Südasien)
Als Thema für die DGV-Tagung 2011 war eine Betrachtung der Facetten des Themas
Kulturen beschlossen worden. Dies ist besonders auch für Südasien relevant, weil hier
viele Kulturen zusammenleben – sowohl Hindus als auch andere Religionen oder Gruppen
sind in sich vielfältig und unterschiedlich – seien sie politischer (regionaler usw.), genderbezogener Art oder anders ideologisch spezifisch. Diese Kulturen treffen sich,
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interagieren – manchmal harmonisch, manchmal im Konflikt – und alle verfolgen ihre
Ziele, entweder für sich oder in Auseinandersetzung mit „anderen“. In den Zeiten der
Globalisierung finden diese gruppenspezifischen Prozesse nicht nur im Binnenrahmen
Südasiens statt, sondern sie sind auch global vernetzt – hier kommen die Faktoren von
Migration, Diaspora, „non-resident Indians“ usw. ins Spiel, also transnationale Prozesse,
die identitätsmodifizierend wirken (können) – individuell und für Gruppen.
Gruppenidentitäten sind auch von ökonomischen und machtbezogenen Kräften betroffen,
es geht um die Wahrung der Rechte von Gruppen/Kulturen, weshalb in den
Veränderungen von Identitäten auch Aushandlungen (negotiations) wesentlich sind:
Kämpfe um indigenes Wissen (Biopiraterie etc.), politische, ökonomische, intellektuelle
historisch-traditionelle Ansprüche (Landbesitz/Territorium, Marken/Brands aller Art etc.,
also auch Rechtsfragen). Auch die jahrzehntealten Diskussionen um "beschützende
Diskriminierung" (von Gruppen) in Indien gehört dazu. Es geht auch um Identitätsfragen,
wie der global zu beobachtende Bezug auf „Kultur“ zu erklären ist, und daher generell die
Reflexion über das Kulturthema – konkret ethnographisch oder/und theoretisch.
PD Dr. Ulrich Oberdiek
[email protected]
47. Aktuelle Forschungen in der Ozeanistik (mit einer Workshop-Sektion zum
Thema "Wa(h)re ,Kultur„“)
Michael Dickhardt und Arno Pascht (Regionalgruppe Ozeanien)
Die RG Ozeanien möchte mit dem Workshop „Aktuelle Forschungen in der Ozeanistik“ ein
Forum bieten, Forschungen im Bereich der Ozeanistik zu präsentieren und zu diskutieren.
Er ist daher in einem ersten Teil thematisch offen gehalten und soll vor allem dazu
dienen, den im Rahmen der RG Ozeanien in den letzten Jahren angestoßenen Austausch
über die Forschungsregion Ozeanien sowohl innerhalb der Ethnologie als auch
interdisziplinär zu fördern. Es sind deshalb alle herzlich zu Präsentationen eingeladen, die
sich mit dem Forschungsgebiet Ozeanien beschäftigen und ihre Forschungen und
Projekte im Rahmen der RG Ozeanien diskutieren möchten.
Eine Sektion des Workshops wird sich dem Schwerpunktthema der Gesamttagung
„Wa(h)re ,Kultur‘? Kulturelles Erbe, Revitalisierung und die Renaissance der Idee von
Kultur“ widmen, für die ebenfalls zu Präsentationen aufgerufen wird. Ware Kultur und
wahre Kultur können verstanden werden als Formen der Objektivierung von Kultur, die
oft wechselseitig auf einander verweisen und miteinander verflochten sind.
Ländermarketing, Tourismuswerbung, Kunst- und Ethnographikamarkt machen Kultur als
Ware verfügbar und schaffen Fremd- und Selbstrepräsentationen, die wiederum in die
Konstruktionen „wahrer“ Kultur einfließen – Vorstellungen von „wahrer“ Kultur wiederum
beeinflussen die Objektivierung von Kultur als Ware in Form von Begriffen wie
Authentizität oder Originalität und Konzeptionen von kulturellem Eigentum. In Ozeanien
hat sich diese wechselwirksame Bezogenheit von „Ware Kultur“ und „wahrer Kultur“ in
verschiedenen Kontexten immer wieder in ihrer praktischen Bedeutsamkeit gezeigt, z.B.
in den Debatten um kastom, Traditionalität und Indigenität und den daraus
abzuleitenden Rechten und Identitäten in multikulturellen Gesellschaften, um
Urheberrechte an Kunstwerken in Zeiten globalisierter Kunstmärkte oder um die
Deutungshoheit in Bezug auf die Außendarstellung der pazifischen Staaten.
Gedacht sind in beiden Teilen Präsentationen von jeweils 10 bis 20 Minuten mit
anschließender Diskussion.
PD Dr. Michael Dickhardt
[email protected]
Seite 35 von 35
Dr. Arno Pascht
[email protected]
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