Abwehr von Arzneimittelrisiken Anhörung zur Anordnung der

Werbung
Paul-Ehrlich-Institut Postfach 63207 Langen
An alle pharmazeutischen Unternehmer von
Blutkomponenten
Der Präsident
Ansprechpartner/in:
Dr. Sonja Schönefeld
Telefon:
+49 (0) 6103 77-3118
Fax:
+49 (0) 6103 77-123
E-Mail:
[email protected]
De-Mail:
[email protected]
Unser Zeichen:
N2.00.01.08/0002#0001
18.08.2016
Abwehr von Arzneimittelrisiken
Anhörung zur Anordnung der Rückstellung von Blutspendern, die sich in den letzten vier Wochen vor der Spende im den Zikavirus-Endemiegebiet Florida, USA
aufgehalten haben
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) beabsichtigt, die Bekanntmachung vom 10.03.2016 zu ergänzen. In dieser wurde angeordnet, dass bei der Herstellung von Vollblut, zellulären Blutkomponenten und gefrorenem Frischplasma, die keinem Verfahren zur Virusinaktivierung
unterworfen wurden, kein Ausgangsmaterial aus Spenden verwendet werden darf, deren
Spender sich in den letzten vier Wochen vor der Blut- oder Plasmaspende in einem Endemiegebiet für Zikaviren aufgehalten haben. Zusätzlich zu den Gebieten, die bereits im
Bescheid des PEI vom 10.03.2016 benannt wurden, gilt nun Florida als Risikogebiet für
Zikavirus.
Begründung:
Die beabsichtigte Auflage beruht auf den Bestimmungen von § 28 Abs. 3 c Satz 1 Nr. 1
des Arzneimittelgesetzes (AMG).
Danach kann das PEI, soweit es zur Risikovorsorge geboten ist, bei den o.g. Arzneimitteln
durch Auflage anordnen, dass bei ihrer Herstellung und Kontrolle bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden.
In mehreren Bezirken (z.Zt. Miami-Dade, Broward, Palm-Beach) wurden erstmals Fälle
einer nicht reiseassoziierten Zikavirusinfektion beobachtet. Bei inzwischen 30 mit Zikavirus
infizierten Personen gehen die staatlichen Behörden in Florida von autochthon erworbenen Infektionen aus [1, Stand 16.8.2016]. Die US-amerikanische „Food and Drug Administration“ (FDA) hat daher die im Bezirk Miami-Dade ansässigen Blutspendeeinrichtungen
aufgefordert, solange keine Blutentnahmen mehr durchzuführen bis die Blutspendeeinrichtungen einen Spender-Screening-Test auf Zikavirus-RNA oder ein Pathogeninaktivierungsverfahren etabliert haben [2]. Zusätzlich sollen Blutspendedienste außerhalb des
Bezirks Miami-Dade Blutspender, die sich in diesen Bezirken aufgehalten haben, für vier
Wochen von der Blutspende zurückstellen.
Das PEI hatte mit Schreiben vom 01.08.2016 empfohlen, die weitere Entwicklung, gegebenenfalls auch eine weitere Ausbreitung von Zikavirusinfektionen in den Südstaaten der
USA aufmerksam zu beobachten und, soweit erforderlich, eigenverantwortlich die Spenderrückstellungen anzupassen. Da zwischenzeitig jedoch bekannt geworden ist, dass von
einer Zikavirusübertragung durch Stiche lokal vorkommender Aedes aegypti-Mücken auszugehen ist [3], ist die aktualisierte Auflage geboten, um dem Risiko der Übertragung des
Erregers von Zikafieber (Zikavirus) durch die Transfusion der o.g. Arzneimittel vorzubeugen.
Das Zikavirus gehört zu den Arboviren aus der Familie der Flaviviren. Das Virus wird von
Mücken der Gattung Aedes (Stegomyia), vorwiegend durch die Gattung Aedes aegyptii
(Gelbfiebermücke), auf den Menschen übertragen, aber auch für die Gattung Aedes
albopictus (Tigermücke) werden Übertragungen berichtet [4,5]. Das Virus wurde erstmals
1947 aus Affen aus dem Zika-Urwald in Uganda isoliert. Der erste Ausbruch des Virus außerhalb von Afrika und Asien wurde 2007 in Mikronesien im Nordpazifik dokumentiert und
darauf folgend dann in anderen Inselstaaten im pazifischen Raum wie FranzösischPolynesien beobachtet. Im Jahr 2015 wurden Zikavirusinfektionen – ebenfalls mit dem
asiatischen Genotyp – beim Menschen erstmalig auch in Brasilien beschrieben. In der
zweiten Jahreshälfte 2015 wurden dann zunehmend auch Infektionen in Kolumbien, Venezuela und aus Ländern Mittelamerikas berichtet.
Das klinische Bild einer Zikavirusinfektion ist im Vergleich zu Chikungunya- oder DengueVirusinfektionen eher mild. Die Infektion wird symptomatisch durch ein makulo-papulöses
Exanthem sowie Kopf-, Gelenk- und Gliederschmerzen, oft begleitet von einer nichteitrigen Konjunktivitis und subfebrilen bis mäßig febrilen Temperaturen. Die ersten Symptome
treten in einem Zeitraum von 3 bis 12 Tagen (im Mittel nach 3 bis 7 Tagen) nach einem
infektiösen Mückenstich auf, der gesamte Krankheitsverlauf dauert etwa eine Woche. Eine
Seite 2/6
stationäre Therapie im Krankenhaus ist meistens nicht erforderlich. Ein großer Teil der
Infektionen verläuft klinisch inapparent. Todesfälle im Zusammenhang mit bestätigten Zika-Infektionen wurden nur sehr vereinzelt bei Personen mit vorbestehenden schweren
Grunderkrankungen berichtet.
Darüber hinaus ist von einem Zusammenhang zwischen Zikavirusinfektion und GuillainBarré-Syndrom (GBS) auszugehen. Eine epidemiologische Fall-Kontroll-Studie in Französisch-Polynesien weist darauf hin, dass ein postinfektiöses Guillain-Barré-Syndrom durch
eine Zikavirusinfektion ausgelöst werden kann [6]. Außerdem wurde in 14 Ländern und
Gebieten weltweit eine erhöhte Inzidenz des Guillain-Barré-Syndroms und/oder eine Bestätigung einer Zikavirusinfektion bei Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom berichtet
[Übersicht 7]. In allen Ländern, in denen eine erhöhte Inzidenz des Guillain-BarréSyndroms berichtet wurde, wurde der Krankheitsausbruch durch das Zikavirus des asiatischen Stamms verursacht.
Es besteht mittlerweile Konsens, dass das Zikavirus zu Schädel-Hirn-Fehlbildungen (z.B.
Mikrozephalie) bei Föten führen kann, wenn sich schwangere Frauen infizieren [8]. Klinische Studien werden von In-vitro-Studien mit humanen kortikalen neuronalen Progenitorzellen sowie In-vivo-Studien in Mäusen gestützt, die gezeigt haben, dass Zikavirus die
Plazenta passieren und über die Infektion neuronaler Progenitorzellen eine Mikrozephalie
verursachen kann [9, 10]. Die Häufigkeit einer Übertragung über die Plazenta sowie mögliche zusätzliche Risikofaktoren sind derzeit noch unbekannt. Es gibt jedoch zunehmend
Hinweise, dass das Risiko für ZNS-Fehlbildungen und Mikrozephalie mit dem Gestationsalter assoziiert und bei einer Infektion im ersten und zweiten Trimester der Schwangerschaft erhöht ist [Übersicht 7].
Neben der Mikrozephalie werden weitere kongenitale Schäden wie zum Beispiel bilaterale
makulare und peri-makulare Läsionen und Veränderungen des Nervus opticus sowie Gelenkkontrakturen (Arthrogryposis) berichtet [11,12]. Zikavirus wurde mittels RT-PCR im
Blut gesunder Spender in Französisch-Polynesien festgestellt [13] und kann durch Bluttransfusion übertragenen werden [14,15]. In zwei dieser Fälle wurde die Übertragung
durch Abgleich der Sequenzanalyse des Zikavirusgenoms zwischen Spender und Empfänger bestätigt [14,15]
Um auszuschließen, dass aus einem Endemiegebiet kommende infizierte, aber noch
symptomfreie Personen bzw. Personen mit nur milden Symptomen infektiöses Blut spenden, ist daher aus Sicht des PEI die beabsichtigte Maßnahme geboten. Dabei wird ein
Seite 3/6
Zeitraum von vier Wochen der Rückstellung nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet für
erforderlich gehalten, um auch überdurchschnittlich lange Inkubationszeiten zu erfassen.
Die Dynamik der Situation erfordert es weiterhin, dass sich die verantwortlichen Inhaber
der
Zulassung
regelmäßig
auf
der
Internetseite
der
WHO/CDC
(z.B.
http://www.cdc.gov/zika/geo/) über die aktuelle Entwicklung informieren und ggf. eigenverantwortliche Maßnahmen ergreifen.
Sie werden gebeten, innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens zu der
beabsichtigten Maßnahme Stellung zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. K. Cichutek
Seite 4/6
Referenzen
[1] http://www.floridahealth.gov/newsroom/2016/08/081116-zika-update.html
[2] http://www.fda.gov/BiologicsBloodVaccines/SafetyAvailability/ucm513583.htm
[3] http://www.cdc.gov/zika/intheus/florida-update.html
[4] Wong PS, Li MZ, Chong CS, Ng LC, Tan CH: Aedes (Stegomyia) albopictus
(Skuse): a potential vector of Zika virus in Singapore. Public Library of Science (PLoS)
Neglected Tropical Disease 2013;7: e2348
[5] 4 Grard G, Caron M, Mombo IM, Nkoghe D, Mboui Ondo S, Jiolle D, Fontenille
D, Paupy C, Leroy EM: Zika virus in Gabon (Central Africa)-2007: a new threat from Aedes
albopictus? PLoS Negl Trop Dis 2014; 8: e2681
[6] Cao-Lormeau V-M, Blake A, Mons S, Lastère S, Roche C, Vanhomwegen J, et al. Guillain-Barré syndrome outbreak associated with Zika virus infection in French Polynesia: a
case-control study. Lancet. 2016 Apr 9;387(10027):1531-9.
[7] European Centre for Disease Prevention and Control. Rapid Risk Assessment. Zika
virus disease epidemic. Seventh update, 8 July 2016. Stockholm: ECDC; 2016.
[8] Rasmussen SA, Jamieson DJ, Honein MA, Petersen LR. Zika Virus and Birth Defects Reviewing the Evidence for Causality. N Engl J Med. 2016 May 19;374(20):1981-7.
[9] Cugola FR, Fernandes IR, Russo FB, Freitas BC, Dias JL, Guimarães KP, et al. The
Brazilian Zika virus strain causes birth defects in experimental models. Nature. 2016 May
11;534(7606):267-71.
[10] Wu KY, Zuo GL, Li XF, Ye Q, Deng YQ, Huang XY, et al. Vertical transmission of Zika
virus targeting the radial glial cells affects cortex development of offspring mice. Cell Res.
2016 Jun;26(6):645-54.
[11] De Paula Freitas B, de Oliveira Dias J, Prazeres J, Sacramento GA, Ko AI, Maia M, et
al. Ocular findings in infants with microcephaly associated with presumed Zika virus congenital infection in Salvador, Brazil. JAMA Ophthalmology. 2016. Feb 9. doi:
10.1001/jamaophthalmol.2016.0267
[12] van der Linden Vanessa, Filho Epitacio Leite Rolim, Lins Otavio Gomes, van der Linden Ana, Aragão Maria de Fátima Viana Vasco, Brainer-Lima Alessandra Mertens et al.
Congenital Zika syndrome with arthrogryposis: retrospective case series study BMJ 2016;
354 :i3899
Seite 5/6
[13] Musso D, Nhan T, Robin E, Roche C, Bierlaire D, Zisou K, Shan Yan A, Cao-Lormeau
VM, Broult J. Potential for Zika virus transmission through blood transfusion demonstrated
during an outbreak in French Polynesia, November 2013 to February 2014. Euro Surveill.
2014;19(14): pii=20761.
http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=20761
[14] Reuters. Brazil reports Zika infection from blood transfusions. February 4, 2016.
http://www.reuters.com/article/us-health-zika-brazil-blood-idUSKCN0VD22N
[15] Barjas-Castro ML, Angerami RN, Cunha MS, Suzuki A, Nogueira JS, Rocco IM, et al.
Probable transfusion-transmitted Zika virus in Brazil. Transfusion. 2016. Jul;56(7):1684-8.
Seite 6/6
Herunterladen