Memory Ó Spielerische Gedächtnisformen

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Wettbewerbsbeitrag für die Universität Konstanz, von Martin Wrede
A Inhalt der Arbeit
Arbeitstitel: Memory – Spielerische Gedächtnisformen
Die Zukunft hat begonnen, was nun?
„Der Fortschrittsgedanke wird seit der Moderne als Eigenwert gesehen, der einer ständigen Entwertung
der Gegenwart gleichkommt. Hier wird eine Rückbesinnung auf das Gedächtnis als einen Vorrat von
Formen interessant, in der auch die Gegenwart strukturiert werden könnte.“
(aus „Soziales Vergessen, Formen und Medien des Gedächtnisses der Gesellschaft“, Elena Esposito)
Das Gedächtnis beschreibt Formen der Erinnerung, die die Entzifferung von Worten, Wörtern, Symbolen
und Ereignissen voraussetzt und die durch die wiederkehrende Wiederholung erzeugt wird. Das
Gedächtnis kennt den Zustand des Erinnerns und Vergessens. Vergessen wird, wenn bestehendes Wissen
von neuem Wissen „überschrieben“ wird, oder wenn der Zugang zu Wissen versperrt wird bzw. dieses
Wisssen nicht mehr abgerufen werden kann.
Das Konzept des Spiels „Memory“ stellt in drei Stufen kulturhistorische Entwicklungsstufen von
gesellschaftlichen Gedächtnisformen dar.
Beginnend mit Level 1 (Antike), Level 2 (Mittelalter) bishin zu Level 3 (Renaissance-Moderne) wird der
Spieler von der Vergangenheit bis zur Gegenwart geführt.
In jedem dieser Spiele ist der Spieler auf spezifische Weise gefordert, bestimmte Formen von Gedächtnis
aufzubauen, bzw. einem ungewollten Gedächtnisverlust entgegenzuwirken. Die jeweiligen
kulturhistorischen Strukturen bestimmen, wie der Spieler innerhalb des Spiels zwei- oder dreidimensional
navigieren kann und mit Wörtern und Begriffen interagiert.
Über eine Texteingabe hat der Spieler die Möglichkeit, Titel, Autoren, Textfragmente aus der OnlineBilbliothek der Uni-Konstanz abzufragen und als Textelemente in sein Spiel zu integrieren.
Diese Interaktion mit den Suchergebnissen aus der Online Bibliothek wird ermöglicht durch eine
Datenbank, in der die Textelemente des Spiels abgespeichert werden. Diese können im Spiel regeneriert
werden.
Für eine spätere Spiel-Fortsetzung können Benutzernamen vergeben, die auch einen späteren Zugriff auf
die Spieldaten ermöglichen.
1 Das Orakel-Spiel
Antike: Gedächtnis als mysthische Weissagung
Bereits in den alten Kulturen Mesopotamien und in China wurde durch die Entwicklung von Symbolen
(daraus resultierend, Schrift und Zahlen) eine Möglichkeit des Erinnerns gegeben. Die Zeichen waren
noch nicht in einem vollständigen Alphabet erfaßt. Zunächst nur als Symbole, dann auch als phonetische
Schreibweise. Die damaligen Schriftformen waren in ihrem Inhalt nicht eindeutig, nur in einem
spezifischen Kontext verständlich, mit mysthischen Inhalten verbunden. Die Kommunikation blieb selbst
immer mündlich.
Die Weissagung der Priester und Orakelsprüche der Antike war ein wichtiger Teil der Kommunikation.
Auch wenn sie nicht direkt auf Erinnern ausgerichtet ist, zeichnet sie sich durch eine rituell
wiederholbare Form und der Organisation von Bedeutung, die auf Beobachtung aufbaut, aus, und ist
somit einem Gedächtnis ähnlich. Gedächtnis steht in der Antike für eine Instanz kosmischer Ordnung.
Weissagungen offenbarten keine Wahrheiten, sondern boten als „spielerisches Element“ eine
Handlungsorientierung. Die Weissagung können wir als einen Zufallsmechanismus betrachten, bei dem
die Gottheit durch das Orakel zum Priester spricht. Die Re-Interpretation war hier eine mögliche
Vorgehensweise, wo es eine „falsche Weissagung“ nicht gab.
Spiel
In dem Spiel kann der Spieler in einem Textfeld eine Frage an das Orakel formulieren.
Eine Suchmaschine wertet die Frage als Literatur-Abfrage in der Online-Datenbank aus und präsentiert
ein Such-Ergebnis als die orakelhafte Antwort innerhalb eines zweiten Textfeldes. Bei der Suche werden
Ähnlichkeiten der Frage-Wörter mit denen von Buchtiteln verglichen. Hierbei werden auch „ungenaue“
Treffer zugelassen und somit unerwartete Antworten möglich.
Das Spielfeld könnte das Aussehen einer Wachstafel haben, eine beliebte Metapher für die Vorstellung
von Gedächtnis bei Platon. Die Idee der Wachstafel beschreibt, wie Objekte in sie eingedrückt und somit
abgespeichert werden. Zugleich werden sie überschrieben, sobald ein neuer Gegenstand den alten
Abdruck überlagert.
Beispiel
Literatursuchmaschine „Amazon“ (www.amazon.de)
- Such-Frage:
Wie sind die nächsten Gewinnzahlen beim Lottospiel?
- Antwort (Nr. 1)
Bei der nächsten Frau wird alles anders. Was Männer sich sparen können.
- Such-Frage:
Wann wird es wieder Sommer?
- Antwort (Nr. 1)
Endlich wieder angstfrei leben.
2 Erinnerungs-Spiel
Mittelalter: Gedächtnis als Speicher
Das Gedächtnis wird als Speichersystem im menschlichen Gehirn begriffen. Als Vorstellung dient ein
Gebäude, in dem in Räumen Bilder und Materialien arrangiert sind (Mnemotisches Gedächtnis). Die
Räume weisen zur leichteren Orientierung und Erinnerung spezifische Eigenschaften in Form des
Zuschnitts und Ausstattung. Wenn die Bilder an entsprechenden Orten angeordnet sind, genügt hier für
seine Wiederentdeckung eine Erinnerung, um sich in den Raum zu begeben, wo man das Bild mitsamt
seinem assoziierbaren Inhalt aufbewahrt hat. Vergessen entsteht hier theoretisch lediglich durch einen
Fehler in der Wahrnehmung.
Das Buch selbst diente als Zitatquelle, als Lern-Vorlage des menschlichen Gedächtnisses. Selbst in
seinem Layout mitsamt illustrativen Initialien (als Gedächtnis-Stütze) schien es bereits für eine optimale
„Einschreibung“ ins Gehirn optimiert. Der gebildete Mensch zeichnete sich durch seine hervorragende
Kenntnisses der Originaltexte aus.
Spiel
In dem Spiel wird die Idee eines Mnemotischen Gedächtnisses nachgespielt. Der Spieler muß innerhalb
einer befristeten Zeit in einem ersten Rundgang durch ein Labyrinth von Räumen so viele Bilder mit
Buchtiteln bestücken, wie möglich. Das Spiel wird hier als dreidimensionaler Raum angelegt, in dem der
Spieler durch einen Teil des neuen Bibliotheksgebäude der Uni Konstanz navigieren kann. Mit der Maus
kann er Buchtitel und Verfasser den einzelnen Bildern zuweisen, die aus einer Literatur-Liste der
Konstanzer-Bibliothek zum Thema „Mittelalter“ zufällig generiert werden. Als Gedächtnis-Stütze können
zusätzliche Schlagworte eingesetzt werden.
In einem zweiten Durchgang muß er diese Räume in der korrekten Folge wiederfinden und deren Inhalte
richtig benennen. Für richtige Zuweisungen werden Punkte vergeben. Bei wiederholtem Spiel würde sich
das Labyrinth mit neuen Laufwegen neu formieren.
3 Strategie-Spiel
Renaissance-Moderne: Gedächtnis als Archiv
Mit der Entwicklung des Buchdrucks und der entstehenden Vielfalt an Büchern ergeben sich neue
Sichtweisen. Als Gedächtnisraum existiert die Metapher des Amphitheater, das ein System von
Schubladen enthält, in denen Texte abgelegt sind. Die Bücher und Texte werden als „virtelles
Gedächtnis“ angesehen, auf die nach Belieben zurückgegriffen werden kann. Um die Inhalte des
modernen Gedächtnisses aufzuspüren, werden Such-Techniken, Systeme wichtig. So wäre die
„Suchmaschine“ im Internet eine technologisch wirkungsvolle Fortsetzung der Strukturierugs- und
Ordnungssysteme, die seit der Erfindung des Buchdrucks notwendig wurden.
Erstmals beziehen sich Texte auch auf Texte, werden so zu einem eigenständigen Format, das auch den
Autor und Leser als kreative Individuen erkennt (ein individuelles Gedächtnis entwickelt sich ).
Bereits Novalis (Frühromantik) legte mit dem „Allgemeines Brouillon“ einen Entwurf einer
wissenschaftlichen Enzyklopädie vor, die ein kreatives assoziieren zwischen verschiedenen Disziplinen
vorführte, als Gegensatz zu einer endlosen Vertiefung, Spezialisierung einzelner Sachgebiete.
Bücher enthalten Ideen, können jetzt auch „Überraschungen“ produzieren, die sich nicht in der
Wiederholung bekannter Tatsachen erschöpfen, sondern neue Informationen anbieten, die gleichzeitig das
„Vergessen“ erleichtern. Vergessen wird zu einem wichtigen Teil des Gedächtnisses.
Anstelle einer vollständigen Erfassungsmöglichkeit sämtlichen Wissens (Enzyklopädie) werden Archive
allmächlich zu einer Ansammlung von Katalogen, die sich mit Querverweisen auf weitere Quellen
beziehen.
Spiel
Das Spiel ist hier als dynamisch schwebendes 3-D Archiv angelegt, das den Spieler vor die Aufgabe
stellt, zwischen einzelnen im Raum schwebenden Begriffen ein Netzwerk von Verknüpfungen zu legen,
die einen Informationsfluß sichern sollen. Die Begriffe sind als Buchtitel nach einem Zufallsprinzip
angelegt, an denen der Spieler mit seinen Bausteinen „andocken“ kann.
Hierzu hat er die Möglichkeit mehrere „Assoziationsketten“ zu bilden, die er aus der Suchmaschine zu
Titeln aus der Online Datenbank der Konstanzer Universität auslesen kann. Die Ketten ergeben eine
dreidimensionale Baumstruktur, die perspektivisch von allen Seiten zu erweitern ist.
Die Suchergebnisse werden in die Datenbank des Spiels abgelegt.
Die Assoziationsketten müssen sich aufgrund Übereinstimmungen im Titel ergeben und sollen letztlich
zu erfolgreichen Verknüpfungen der Karteikästen untereinander führen.
Je mehr solcher Verknüpfungen gelingen, desto mehr Punkte erhält der Spieler.
Beispiel:
Hier eine mögliche Kette von Titeln, angefangen mit einem Buch von Hölderlin bis zu dem Werk von
Karl Marx, siehe Illustration auf der Anfangsseite.
Gedichte
Gedichte - Freiheit
Freiheit - Kapital
Kapital
Sämtliche
Gedichte
und Hyperion
Gefühle, Freiheit, Hindernis
Mein Gefühlsweg und Gedichte
Freiheit für das Kapital Das Kapital
Warum der Kapitalismus
nicht weltweit funktioniert.
Friedrich Hölderlin
Petra Hein
Hernando de Soto
Karl Marx
Als Störung des Gedächtnisses tauchen hier außer Kontrolle geratene Text-Monster auf, die die gelegten
Verknüpfungen blockieren. Diese können nur mit dem richtigem Anti-Literatur-Mix (z.B. in Form einer
Text-Kanone) neutralisiert („vergessen gemacht“) in ihre Bestandsteile zerlegt werden. Geschieht dies
nicht rechtzeitig, drohen diese Monster sich zu vermehren oder textlich zu vergrößern
z. B. durch tumorartige Aufblähung ausgesucher Literatur-Zitaten oder einer Anhäufung endloser
Verweise etc.
Die Text-Monster sind als abstrakt typografische Modelle (Polygone) vorzustellen, die interaktiv im
Raum agieren. Sound-Effekte würden dem Spiel eine passende Atmosphäre geben.
Zusätzliche Schwierigkeitsgrade, z. B. durch den „altersbedingenten“ Zerfall einzelner Bausteine wären
möglich.
Das Strategie Spiel hat neben dem kreativen Umgehen mit Text-Quellen auch noch einen strategischordnenden Anteil. Der Spieler ist aufgefordert, Verknüpfungen und Baum-Strukturen in einem 3-D Raum
anzulegen, die auch als experimentelle Herangehensweise für alternative Informations-Visualisierungen
stehen, wie sie auch für wissenschaftliche und technische Anwendungen interessant sein können.
In der Regel arbeiten wir auf einer zweidimensionalen, noch von der Schrift inspirierten Ordnungsstrukur.
Durch eine dreidimensionale Darstellung können Informationen in zusätzliche Zusammenhänge gebracht
werden, wie sie z. T. schon in der Simulation aufwendiger Daten (Kimamodelle) eingesetzt werden. Der
Umgang mit diesen Navigationsformen kann wie lesen und schreiben geübt werden.
Technische Umsetzung
Die drei Spielteile können als unabhängige Einheiten gespielt werden
Die Spiel-Elemente und Figuren der Teile 2 und 3 bestehen aus 3-D Polygone, die zum Teil interaktiv im
Raum navigieren. Diese werden in einem 3-D Programm konstruiert. (z.B. 3 D-Studio Max)
Die interaktive Einbindung kann mit Shockwave-Studio Studio von „Macromedia Director“ geschehen,
die in den gängigen Browsern (Netscape, Internet Explorer) mithilfe eines kostenlos downloadbares
Plug-In bei dem Anwender auf dem PC abzuspielen wären.
Technische Vorkenntnisse sind zum Spielen nicht notwendig. Die Navigation und Interaktion lehnt sich
an gängigen Internet-Spielen an. Zusätzlich gibt es Text-Einführungen und Hilfen.
B Kostenkalkulation
Eine genauere Kostenplanung kann erst nach einer weiteren Ausarbeitung des Konzepts erfolgen.
Die Kalkulation beläuft sich je nach Aufwand in der Umsetzung der drei Komponenten bei
80.000,- Euro (incl. Mehrwertsteuer).
Bei einer endgültigen Ausarbeitung würde das Team mit Spezialisten aus den Bereichen 3-D Design,
Lingo- und Datenbank-Programmierung erweitert.
C Nachweis bisheriger digtalen Arbeiten
Präsentation und Dokumentation künstlerischer Internet-Arbeiten finden Sie unter
- http://www.framez.de
Entwicklung, Konzeption von Medienkunst-Projekten im Rahmen des Vereins „Top-ev“
- http://www.top-ev.de
Dokumentation von angewandten Arbeiten im Bereich Medien-Design finden Sie unter
- http://www.targetx.de
D Verfassererklärung
Ich bestätige, das hier formulierte Konzept zum Internetspiel „Memory“ eigenständig erstellt zu haben.
Berlin, den 04.01.03
Anschrift:
Martin Wrede
Petersburger Straße 95
10247 Berlin
Mail: [email protected]
Tel: 030 – 42 08 47 14
Mobil: 0175 – 52 37 294
Die eingereichten Wettbewerbsbeiträge sind aufzurufen unter:
-
http://www.framez.de/konstanz
E Verzeichnis der eingereichten Unterlagen
Eine Dokumentation künstlerischer Arbeiten finden Sie unter http:www.framez.de
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