Gesamtversion - Theoretische Physik IV - Ruhr

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Fakultät für Physik
und Astronomie der
Ruhr-Universität Bochum
ΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦΦ
Institut für Theoretische Physik
Manuskript zu den Vorlesungen
Mathematische Methoden
der Physik I und II
– basierend auf den Vorlesungen in 2016/2017 gehalten von H. Fichtner –
Bochum 2017
Mathematische Methoden
der Physik I & II
19. Mai 2017
Dieses Skript basiert auf den Vorlesungen “Mathematische Methoden der Physik I und
II” aus dem Wintersemester 2016/2017 und dem Sommersemester 2017 an der RuhrUniversität Bochum, gehalten von PD Dr. Horst Fichtner. Teile der vorliegenden LaTeXVersion wurden erstellt von Florian Bendl, Edin Husidic und Patrick Sturm. Herr Dipl.Math. Martin Walzer hat eine frühere Version des Manuskripts durchgesehen.
Vorbemerkung: Das vorliegende Skript kann (und soll ,) kein Lehrbuch ersetzen. Insbesondere ist es (immer noch) nicht so gründlich Korrektur gelesen wie manches Buch.
Daher sind wir (weiterhin) dankbar für jeden Hinweis auf Fehler!
1
2 ———————————————————————————————————–
Inhaltsverzeichnis
0
1
2
Motivation
4
Vektoren
1.1 Motivation von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Vektoren im Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.1 Rechnen mit Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2 Abstraktion auf “Vektorraum” . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.3 Das Skalarprodukt (=
ˆ inneres Produkt) von Vektoren . . . .
1.2.4 Das Vektorprodukt (=
ˆ äußere Produkt) von Vektoren . . . .
1.2.6 Spatprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.5 Komponentendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Differentiation und Integration von Vektoren und Vektorfunktionen
1.3.1 Differentiation von Vektorfunktionen . . . . . . . . . . . . .
1.3.2 Partielle und totale Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Krummlinige Koordinaten I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.1 2-dimensionale orthogonale Koordinatensysteme . . . . . . .
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Datenanalyse und Fehlerrechnung
11
11
13
13
13
13
15
15
16
18
19
25
30
31
39
3
Vektoranalysis I
40
3.1 Der Gradient eines skalaren Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.2 Quellenfelder, der Divergenz-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.3 Wirbelfelder, der Rotations-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4
Grundprobleme der Mechanik: Anwendungen
Mechanik
4.1 Gradientenfelder und Energieerhaltung . . . . . .
4.1.1 Der schräge Wurf . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2 Das Federpendel . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3 Das mathematische Pendel . . . . . . . . .
4.1.4 Bewegungsgleichung in Polarkoordinaten .
4.2 Impulssatz und Drehimpulssatz . . . . . . . . . .
4.3 Das Zweiteilchensystem . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Zentralkraftfelder und Drehimpulserhaltung . . .
5
aus der Newtonschen
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50
50
50
50
51
51
51
51
51
Matrizen und Tensoren
5.1 Rechenregeln für Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Quadratische Matrizen und Determinanten . . . . . . . .
5.2.1 Taylor-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Eigenwerte und Eigenvektoren . . . . . . . . . . .
5.2.3 Der Trägheitstensor . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Anwendung von Matrizen: Drehungen, Spiegelungen, etc.
5.3.1 Transformation von Vektoren . . . . . . . . . . .
5.3.2 Transformation von Matrizen . . . . . . . . . . .
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53
55
57
63
64
67
68
74
76
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———————————————————————————————————– 3
6
Gewöhnliche Differentialgleichungen
78
6.1 Die lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 87
6.2 Systeme linearer Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . 97
7
Lineare Schwingungen
98
7.1 Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
7.1.1 Freie Schwingung: f (t) = 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
7.1.2 Erzwungene Schwingungen: f (t) 6= 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
—————————————————————————————————————
4 ———————————————————————————————————–
0
Motivation
(a) Warum “Mathematische Methoden der Physik”?
Traditionelles Problem: (Theoretische) Physik benötigt “noch nicht gelernte” Mathematik
Diese “Lücke” soll durch die Vorlesung geschlossen werden.
Bemerkung: (Theoretische) Physik versucht “Grundgleichungen” aufzustellen und
zu lösen. Zur Lösung gibt es drei prinzipielle Alternativen:
• exakte Lösung möglich −→ Analytik
• exakte Lösung möglich, aber zu aufwändig −→ Computeralgebra
oder Numerik
• exakte Lösung nicht möglich −→ Numerik
Diese Vorlesung: Analytische Methoden.
−→ Für Computeralgebra siehe Physik auf dem Computer.
−→ Für Numerik siehe Computational Physics.
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———————————————————————————————————– 5
(b) Ein kurzer Überblick über den Vorlesungsinhalt
Der Vorlesungsinhalt betrifft die nachfolgenden Punkte (i) und (ii) der Einteilung:
(i) Was Sie bereits wissen sollten.
(ii) Was Sie schon wissen könnten, aber (noch) nicht wissen müssen.
(iii) Was Sie (wahrscheinlich) noch nicht wissen, aber in der Veranstaltung lernen können.
Für Formelbeispiele siehe das Quiz zum Selbsttest auf der Webseite, hier sind nachfolgend
lediglich die Themen genannt:
(i) Was Sie bereits wissen sollten
(1)
(2)
(3)
(4)
Reelle Zahlen
Einfache (z.B. quadratische) Gleichungen, Trigonometrie
Differentialrechnung
Integralrechnung
(ii) Was Sie schon wissen könnten, aber (noch) nicht wissen müssen
(5)
(6)
(7)
Komplexe Zahlen
Vektoren
Matrizen
(iii) Was Sie (wahrscheinlich) noch nicht wissen, aber in der Veranstaltung lernen können
(8) Partielle Ableitungen, totales Differential
(9) (Gewöhnliche) Differentialgleichungen
(10) Vektoranalysis
—————————————————————————————————————
6 ———————————————————————————————————–
– Ein Quiz zu Beginn –
Mit diesem Quiz wollen wir Ihnen zu Beginn der Veranstaltung die Möglichkeit geben, eine
‘Bestandsaufnahme’ zu machen, d.h. heraus zu finden, was Sie bereits wissen und was Sie
noch nicht wissen. Gleichzeitig werden Sie erkennen,
(A)
was wir an Kenntnis voraussetzen, Sie also aus der Schule oder dem Vorkurs schon
wissen sollten (Aufgabenblock A),
(B)
was Sie vielleicht schon wissen, wir allerdings auch behandeln werden (Aufgabenblock B) und
(C)
was Sie (wahrscheinlich) noch nicht wissen und im Verlaufe der Vorlesung und Übungen lernen können (Aufgabenblock C).
Seien Sie beim Bearbeiten des Quiz unbesorgt: es ist kein Test und keine Klausur und dient
nur Ihnen selbst – wir verfolgen nur die oben genannten Absichten. Falls Sie Fragen haben,
wenden Sie sich ruhig an Ihre Lerngruppenleitung.
PS:
Sie können zwar einen Taschenrechner verwenden – sollten den aber eigentlich nicht
benötigen ,.
(A) Was Sie bereits wissen sollten:
Aufgabe 1: Zahlen
Ja
Nein
1.1 Ist 3/4 eine rationale Zahl?
1.2 Ist 2.2 eine rationale Zahl?
√
1.3 Ist 2 eine irrationale Zahl?
√
1.4 Ist 2.56 eine irrationale Zahl?
1.5 Was ergibt
3
5
·
5
4
1.6 Was ergibt
3
5
· 0.6 dezimal ?
?
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 7
Aufgabe 2: Gleichungen, Trigonometrie
Ja
Nein
Ja
Nein
2.1 Was sind die Lösungen von x2 = 16 ?
2.2 Was sind die Lösungen von x2 + 6x = 16 ?
1
2.3 Was ist die Lösung von
=2?
1−x
2.4 Was sind die Lösungen von sin x = 1 ?
2.5 Ist sin2 x + cos2 x = 1 für alle x erfüllt ?
π
2.6 Ist tan = 1 richtig ?
4
Aufgabe 3: Differentialrechnung
3.1 Wie lautet die 1. Ableitung von f (x) = 2x2 ?
2
3.2 Wie lautet die 1. Ableitung von f (x) = 2 ?
x
1
3.3 Wie lautet die 1. Ableitung von f (x) = √
?
1 + x2
3.4 Welche Funktion erfüllt f 0 (x) = f (x) ?
3.5 Wie lautet die Ableitung von f (x) = cos(x) ?
3.6 Wie lautet die Ableitung von f (x) = ln(x) ?
Aufgabe 4: Integralrechnung
Z2
4.1 Was ist die Lösung von x2 dx ?
1
Z1
4.4 Was ist die Lösung von
x2/3 dx ?
0
Z
exp(x) dx ?
4.3 Was ist die Lösung des Integrals
Z
4.4 Was ist die Lösung des Integrals cos(x) dx ?
Z
4.5 Ist tan(x) dx = − ln(cos(x)) richtig ?
Z2π
sin(x) dx = π/2 richtig ?
4.6 Ist die Aussage
0
—————————————————————————————————————
8 ———————————————————————————————————–
(B) Was Sie schon wissen könnten, aber (noch) nicht müssen (,):
Aufgabe 5: Komplexe Zahlen
√
5.1 Ist i = −1 ?
Ja
Nein
5.2 Welchen Betrag hat die komplexe Zahl a = 2 + 3i ?
5.3 Ist 1/a ebenfalls eine komplexe Zahl?
5.4 Es sei b = 2 − 3i. Wie lautet die konjugiert komplexe Zahl b̄ ?
5.5 Was ist das Ergebnis von a · b ?
5.6 Ist das Ergebnis von exp(2πi) eine komplexe Zahl?
Aufgabe 6: Vektoren
6.1 Was ist das Ergebnis von (1, −2, 3) + (2, −4, 0) ?
6.2 Welchen Betrag hat der Vektor ~v = (−2, 2) ?
6.6 Was ist das Ergebnis von 3~v ?
6.4 Was ergibt sich für das Skalarprodukt (1, 2, 3) · (−1, 0, 4) ?
6.5 Was ergibt sich für das Vektorprodukt (1, 2, 3) × (−1, 0, 4) ?
6.6 Was bedeutet es, wenn ~a · ~b = 0 ?
Aufgabe 7: Matrizen
Gegeben seien drei Matrizen A, B, C und ein Vektor ~x






1 3


3−2 4
3
−4

 ; B=

A=
2 0  ; C = 


2 1−5
0 1
0−1
und
 
1
 
 
~x = 2
 
1
7.1 Was ergibt sich für das Produkt AB ?
7.2 Was ergibt sich für das Produkt BA ?
7.3 Was ergibt sich für das Produkt A~x ?
7.4 Was ergibt sich für die Determinante von C ?
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 9
(C) Was Sie (wahrscheinlich) noch nicht wissen, aber in der Veranstaltung lernen können (,,):
Aufgabe 8: Partielle Ableitung
Gegeben seien die beiden Funktionen
f (x, y) = x2 + 2y 3
und
g(x1 (t), x2 (t)) = 2x1 (t) −
p
x2 (t)
∂f
?
∂x
∂f
8.2 Wie lautet hingegen die partielle Ableitung
?
∂y
dg
8.3 Wie lautet die Ableitung
?
dt
8.1 Wie lautet die partielle Ableitung
Aufgabe 9: Gewöhnliche Differentialgleichungen
Ja
9.1 Handelt es sich bei x2 f 0 (x) + f (x) = 0 um eine Differentialgleichung 2. Ord- nung?
Nein
9.2 Wie lautet die allgemeine Lösung x(t) der Differentialgleichung ẍ + kx = 0 mit
k = const. ?
1
9.3 Wie lautet die Lösung y(x) der Differentialgleichung y 0 = y mit y(4) = 8 ?
x
Aufgabe 10: Vektoranalysis
Gegeben seien die Funktion f (x, y) = x2 + 2y 3 und das dreidimensionale Vek~ y, z) = (x, 2y, 3z).
torfeld A(x,
10.1 Wie lautet der Gradient ∇f in kartesischen Koordinaten?
~ in kartesischen Koordinaten ?
10.2 Wie lautet die Rotation ∇ × A
I
Z
~ · dO
~ V = div A
~ dV ?
10.3 Was ergibt
A
OV
V
—————————————————————————————————————
10 ———————————————————————————————————–
Die meisten von Ihnen werden die Aufgaben in (C) noch nicht beantworten können –
das ist keine Überraschung! Dieser Aufgabenblock dient nicht dazu, Ihr Wissen zu ergründen, sondern vielmehr dazu, Ihnen zu zeigen, womit wir uns in der Vorlesung und den
Übungen zu beschäftigen haben werden.
Alles, was Sie in diesem
Quiz finden, sollten Sie
im Laufe der Zeit beherrschen, denn es wird ausnahmslos für ein erfolgreiches Physikstudium notwendig sein, und zwar spätestens ab dem 2. bzw. 3.
Fachsemester. D. h. – auch
wenn Sie es jetzt noch
nicht richtig glauben sollten (,) – die mathematischen Methoden sind für ein erfolgreiches Studium unverzichtbar.
Daher schon ein früher Appell: Bemühen Sie sich, sich die mathematischen Methoden
frühzeitig anzueignen – Sie werden sich dafür später dankbar sein!
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 11
1
Vektoren
1.1
Motivation von Vektoren
Verschiedene physikalische Gegebenheiten erfordern Größen, die nicht allein duch die Angabe eines Wertes bestimmt sind, sondern zusätzlich eine Richtungsangabe erforden. Beispiele1 :
• Geschwindigkeit ~v
• Kraft F~
~
• Drehimpuls L
~
• Magnetische Flussdichte B
~
• Runge-Lenz-Vektor A
• Isospin I~
D.h. es existiert die sinnvolle Unterscheidung:
Skalare2
=
ˆ
Größen, die duch die Angabe eines einzigen Wertes gekennzeichnet sind.
(z.B. Masse, Temperatur, Ladung)
Vektoren =
ˆ
Größen, die durch die Angabe mehrerer Werte gekennzeichnet sind (oft:
Betrag und Richtung).
(z.B. Geschwindigkeit, Kraft, elektrischer Feldvektor)
::::::::
:::::::::
Bemerkung: Wortursprünge:
• scalae =
ˆ lat.: “Leiter, Stiege, Treppe”
• vector =
ˆ lat.: “Träger” (vehere =
ˆ tragen)
Bemerkung: Eine wesentliche Eigenschaft von Skalaren und Vektoren ist ihre Invarianz gegenüber Koordinatentransformationen (s.u.). Die allgemeinere
Frage nach Größen, die das leisten, führt auf das Konzept von Tensoren: Skalare sind Tensoren 0. Stufe und Vektoren sind Tensoren 1.
Stufe.
Die mathematische Beschreibung eines Vektors erfolgt oft durch seine Komponenten
(aus denen ggf. Betrag und Richtung berechnet werden können). Diese Komponenten
beziehen sich auf ein Koordinatensystem (s.u.).
1
Einige der genannten Vektoren sind genauer als Pseudovektoren zu bezeichnen, zu denen wir später
kommen
2
Diese müssen von sogenannten Pseudoskalaren unterschieden werden
—————————————————————————————————————
12 ———————————————————————————————————–
Beispiele:
::::::::::
(i) :::::::::
Vektoren::::
im :::
R2 :
In einem kartesischen Koordinatensystem im R2 werden Vektoren als Zahlenpaare dargestellt.
(ii) Vektoren
im R2 :
::::::::::::::::
In einem kartesischen Koordinatensystem im R3 werden Vektoren als Zahlentripel dargestellt.
Bemerkung: Die in den Beispielen verwendete Schreibweise ~r = (a, b) bzw. ~s =
(a, b, c) motiviert den Begriff Zeilenvektoren. Oft werden Vektoren
auch als Spaltenvektoren geschrieben, d.h.:
 
a
a

~r =
; ~s = b 
b
c
Diese Beispiele motivieren die Definition von:
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 13
Vektoren im Rn
1.2
Der Rn ist die Menge aller (geordneten) n-Tupel (x1 , x2 , ..., xn ) mit
xi ∈ R, i = 1, 2, ..., n, also:
Definition:
Rn = {(x1 , . . . , xn )|x1 , . . . , xn ∈ R} mit n ∈ N
Ein n-Tupel (x1 , ..., xn ) im Rn heißt Vektor, im Falle von n = 1 spricht
man von Skalaren. Die Komponenten eines solchen Vektors sind also
Skalare.
1.2.1
Rechnen mit Vektoren
Addition: ~v + w
~ = (v1 , ..., vn ) + (w1 , ..., wn ) = (v1 + w1 , ..., vn + wn )
::::::::::
Multiplikation
mit Skalar λ: λ ~v = λ (v1 , ..., vn ) = (λv1 , ..., λvn )
::::::::::::::
:::::::::::::::
1.2.2
Abstraktion auf “Vektorraum”
−→ siehe Mathematikvorlesung.
—————————————————————————————–
Es ist zweckmäßig verschiedene Vektorprodukte zu definieren. Obwohl die entsprechenden
Definitionen weitreichender sind, hilft die Anschauung zum direkten Verständnis.
1.2.3
Das Skalarprodukt (=
ˆ inneres Produkt) von Vektoren
Physikalische
Motivation:
::::::::::::::::::::::::::
Arbeit W
Es greife die Kraft F~ an einem nur in x1 -Richtung beweglichen Körper an und bewege
denselben um die Strecke |~s|:
Es soll gelten:
(i) W = Skalar
(ii) W = 0, wenn F~ ⊥ ~s
(iii) W = max., wenn F~ k~s
Damit ist motiviert:
W = F~ · ~s = |F~ | |~s| cos α
—————————————————————————————————————
14 ———————————————————————————————————–
Allgemein definiert man:
Definition:
Das Skalarprodukt (innere Produkt) zweier Vektoren ~v und w
~ ist die
Zahl
~v · w
~ = |~v | |w|
~ cos α ,
wobei α = ^ (~v , w)
~ den von ~v und w
~ eingeschlossenen Winkel bezeichnet.
Folgerung:
Die Länge bzw. der Betrag eines Vektors ~v ist gegeben durch
√
|~v | = ~v · ~v , denn ~v · ~v = |~v ||~v | cos 0o = |~v |2 .
Folgerung:
Zwei Vektoren ~v und w
~ stehen senkrecht (man sagt auch orthogonal)
zueinander, wenn
~v · w
~ = 0 , denn ~v ⊥ w
~
Folgerung:
⇒
α = 90◦
⇒
cos α = 0.
Der Winkel zwischen zwei Vektoren ~v und w
~ kann aus
cos ^(~v , w)
~ = cos α =
~v · w
~
|~v ||w|
~
berechnet werden.
Folgerung:
Eigenschaften des Skalarproduktes:
kommutativ: ~v · w
~ =w
~ · ~v
distributiv:
~u · (~v + w)
~ = ~u · ~v + ~u · w
~
homogen:
λ(~v · w)
~ = (λ~v ) · w
~ = ~v · (λw)
~
Z
Bemerkung: Für die Arbeit gilt allgemeiner der Ausdruck W =
F~ · d~s. Auf die
Auswertung eines solchen Linienintegrals wird später eingegangen.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 15
1.2.4
Das Vektorprodukt (=
ˆ äußere Produkt) von Vektoren
Physikalische Motivation:
::::::::::::::::::::::::::
~
Drehmoment M
Es greife die Kraft F~ im Punkt P eines Körpers an, der um einen Punkt O drehbar gelagert
ist:
Es soll gelten:
~ = Vektor
(i) M
~ | = 0, wenn F~ k~rP
(ii) |M
~ | = max., wenn F~ ⊥ ~rP
(iii) |M
~ | = |~rP × F~ | = |~rP | |F~ | sin α
|M
Damit ist motiviert:
Allgemein definiert man:
Definition:
Das Vektorprodukt (äußere Produkt) zweier Vektoren ~v und w
~ des R3
ist ein zu ~v und w
~ orthogonaler Vektor mit dem Betrag
|~v × w|
~ = |~v | |w|
~ sin α ,
wobei α = ^ (~v , w)
~ den von ~v und w
~ eingeschlossenen Winkel bezeichnet.
1.2.6
Spatprodukt
Man kann drei Vektoren ~u,~v ,w
~ aus R3 das folgende Mischprodukt zuordnen:
~u · (~v × w)
~ = ~v · (w
~ × ~u) = w
~ · (~u × ~v )
Das Resultat ist ein (Pseudo-)Skalar,
welcher dem Volumen V des von den
drei Vektoren aufgespannten Parallelepipeds oder Spats (= ’schiefer Quader’)
entspricht:
—————————————————————————————————————
16 ———————————————————————————————————–
1.2.5
Komponentendarstellung
Es ist nützlich und oft bequem Vektoren der Länge “1” einzuführen, d.h. so genannte Einheitsvektoren:
Es gilt:
~v = v1~e1 + v2~e2 , denn
~v = v1 (1, 0) + v2 (0, 1) = (v1 , 0) + (0, v2 ) = (v1 , v2 )
√
Allgemein gilt (wegen |~e| = ~e · ~e = 1) für paarweise senkrechte Einheitsvektoren in
einem kartesischen Koordinatensystem:
1; i = j
~ei · ~ej =
=: δij
0, i 6= j
(
1, i = j
δij heißt Kronecker-Symbol und ist definiert durch: δij =
0, i 6= j
Weiterhin gilt im R3 :


 ~ek i 6= j 6= k zyklische Vertauschung von 1,2,3 
X
−~ek i =
6 j 6= k nicht zykl. Vertauschung von 1,2,3
~ei × ~ej =
=:
εijk · ~ek


k
0 i = j oder j = k oder k = i
εijk heißt Levi-Civita-Symbol und ist definiert durch:


i 6= j 6= k zyklische Vertauschung von 1,2,3
1,
εijk = −1, i 6= j 6= k nicht zykl. Vertauschung von 1,2,3


0
i = j oder j = k oder k = i
Bemerkung: Es gilt: εijk
=
~ei · (~ej × ~ek )
(Spatprodukt!)
Diese Einheitsvektoren helfen bei der Formulierung der:
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 17
Komponentendarstellung von Skalar- und Vektorprodukt
Seien ~e1 ,~e2 ,~e3 Einheitsvektoren eines kartesischen Koordinatensystems im R3 :
~v = (v1 , v2 , v3 ) = v1~e1 + v2~e2 + v3~e3
w
~ = (w1 , w2 , w3 ) = w1~e1 + w2~e2 + w3~e3
Dann folgt (mit ~ei · ~ej = δij ) :
~v · w
~ =
=
+
+
=
(v1~e1 + v2~e2 + v3~e3 ) · (w1~e1 + w2~e2 + w3~e3 )
v1 w1 (~e1 · ~e1 ) + v1 w2 (~e1 · ~e2 ) + v1 w3 (~e1 · ~e3 )
v2 w1 (~e2 · ~e1 ) + v2 w2 (~e2 · ~e2 ) + v2 w3 (~e2 · ~e3 )
v3 w1 (~e3 · ~e1 ) + v3 w2 (~e3 · ~e2 ) + v3 w3 (~e3 · ~e3 )
v1 w1 + v2 w2 + v3 w3
Das motiviert allgemein die
Definition:
Für das Skalarprodukt von Vektoren im Rn gilt:
~v · w
~ = v1 w1 + . . . + vn wn =
n
X
vi w i =
n X
n
X
i=1
δij vi wj
i=1 j=1
Dementsprechend folgt nun für das Vektorprodukt im R3
~v × w
~ =
=
+
+
=
(v1~e1 + v2~e2 + v3~e3 ) × (w1~e1 + w2~e2 + w3~e3 )
v1 w1 (~e1 × ~e1 ) + v1 w2 (~e1 × ~e2 ) + v1 w3 (~e1 × ~e3 )
v2 w1 (~e2 × ~e1 ) + v2 w2 (~e2 × ~e2 ) + v2 w3 (~e2 × ~e3 )
v3 w1 (~e3 × ~e1 ) + v3 w2 (~e3 × ~e2 ) + v3 w3 (~e3 × ~e3 )
(v2 w3 − v3 w2 )~e1 + (v3 w1 − v1 w3 )~e2 + (v1 w2 − v2 w1 )~e3
Also:
Definition:
Für das Vektorprodukt von Vektoren im R3 gilt:
~v × w
~ = (v2 w3 − v3 w2 , v3 w1 − v1 w3 , v1 w2 − v2 w1 )
XXX
X
=
ijk vi wj ~ek =
ijk vi wj ~ek
i
j
k
i,j,k
Bemerkung: |~v × w|
~ entspricht dem Flächeninhalt des von ~v und w
~ aufgespannten
Parallelogramms.
—————————————————————————————————————
18 ———————————————————————————————————–
1.3
Differentiation und Integration von Vektoren und
Vektorfunktionen
Vorbemerkung
bzw. Erinnerung (?!):
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Idee:
:::::
Ableitung einer Funktion
Berechnung der Steigung einer Funktion an der Stelle x0 als Grenzwert (∆x → 0)
von Sekantensteigungen.
Formal gilt:
x = x0 +∆x
df ∆f
f (x0 + ∆x) − f (x0 ) f (x) − f (x0 )
0
f (x) :=
= lim
= lim
= lim
x→x0
dx x0 ∆x→0 ∆x ∆x→0
∆x
x − x0
Bemerkung: Gelegentlich wird auch die Notation
f (x + h) − f (x)
h→0
h
f 0 (x) = lim
verwendet, wobei h eine Nullfolge ist.
Bemerkung: Wenn ∆x hinreichend klein ist, gilt:
f 0 (x0 ) ≈
f (x0 + ∆x) − f (x0 )
∆x
in der Nähe von x0 . Also ist die Gerade
g(x) = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 )
durch den Punkt (x0 , f (x0 )) in diesem Bereich eine gute Näherung.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 19
1.3.1
Differentiation von Vektorfunktionen
Sei ~r = ~r(t) = (x1 (t), x2 (t), x3 (t))
z.B. die Bahnkurve eines Körpers:
Dann gilt für die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t am
Ort (x1 (t), x2 (t), x3 (t)):
d~r
∆~r(t)
~r(t + ∆t) − ~r(t)
~v (t) = ~r˙ (t) =
= lim
= lim
∆t→0
dt ∆t→0 ∆t
∆t
1
= lim
[x1 (t + ∆t) − x1 (t), x2 (t + ∆t) − x2 (t), x3 (t + ∆t) − x3 (t)]
∆t→0 ∆t
dx1 dx2 dx3
=
,
,
= (v1 (t), v2 (t), v3 (t))
dt dt dt
Entsprechend gilt für die Beschleunigung:
2
2
2
2
d
d
x
d~
r
d
x
d
x
d
~
r
1
2
3
~a(t) = ~v˙ (t) = ~r¨(t) =
,
,
= 2 =
= (a1 (t), a2 (t), a3 (t))
dt dt
dt
dt2 dt2 dt2
Beispiel:
:::::::::
Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω
~r(t) = R cos(ωt) ~e1 + R sin(ωt) ~e2 = R (cos(ωt), sin(ωt)) ;
R, ω = const.
Dann gilt:
(a) ~v = ~r˙ = Rω (− sin(ωt), cos(ωt))
⇒ |~v | = Rω = const.
(X)
(b) ~a = ~v˙ = ~r¨ = −Rω 2 (cos(ωt), sin(ωt))
⇒ |~a| = Rω 2 = const.
Also: Die Beschleunigung ist nicht Null, obwohl der Geschwindigkeitsbetrag konstant ist.
:::::
—————————————————————————————————————
20 ———————————————————————————————————–
Die Ableitung von Vektoren und Vektorfunktionen erfolgt also komponentenweise.
Es gelten einige Rechenregeln, wie z.B.:
d
d~v dw
~
(~v + w)
~ =
+
dt
dt
dt
d
d~v
dw
~
(~v · w)
~ =
·w
~ + ~v ·
dt
dt
dt
d~v
dw
~
d
(~v × w)
~ =
×w
~ + ~v ×
dt
dt
dt
(Beweis z.B. durch Rechnung in Komponenten.)
—————————————————————————————–
Selbstverständlich erfolgt auch die Integration von Vektorfunktionen komponentenweise:
Z
Z
Z
Z
~r˙ (t) = ~v (t) ⇒ ~r(t) = ~v (t)dt =
v1 (t)dt, v2 (t)dt, v3 (t)dt
Beispiel:
:::::::::
Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω (s.o.)
~v (t) = Rω (− sin(ωt), cos(ωt))
Z
Z
Z
⇒ ~r(t) = ~v (t)dt = Rω − sin(ωt)dt, cos(ωt)dt
1
1
= Rω
cos(ωt), sin(ωt) = R (cos(ωt), sin(ωt))
ω
ω
(X)
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 21
Exkurs: Kurvenintegrale (= Linien- oder Wegintegrale, vgl. 9.1.1)
Bei der Diskussion des Skalarproduktes (vgl. 1.2.3) haben wir bereits die allgemeine Formel
für die Arbeit kennen gelernt:
Z
W = F~ · d~s
Für einfache Fälle können wir diese “vektorielle” Integration über das Vektorfeld F~ nun
bereits ausführen. Dafür gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten (die wir für den Fall
zweidimensionaler kartesischer Koordinaten diskutieren):
(i) Einzelne Integrationen bzgl. der jeweiligen Koordinaten:
Z
F~ · d~s =
Z
Z
(F1 , F2 ) · (dx1 , dx2 ) =
Z
F1 dx1 +
F2 dx2
(ii) Eine Integration bzgl. eines Parameters, mit dem der Weg parametrisiert ist:
~s = ~s(t)
Z
Z Z d~
s
ds
ds
1
2
F~ (~s(t)) ·
F~ · d~s =
dt =
F1
+ F2
dt
dt
dt
dt
Bemerkung: Die Verallgemeinerung auf drei kartesische Dimensionen ist in beiden
Fällen offensichtlich. Die Verallgemeinerung auf krummlinige Koordinaten erfolgt später.
Bemerkung: Die Alternative (i) kann auch kurz als Koordinatenmethode bezeichnet
werden und (ii) als Methode des parametrisierten Pfades.
—————————————————————————————————————
22 ———————————————————————————————————–
Die Berechnung eines Kurvenintegrals sei mit zwei Beispielen illustriert:
Sei F~
Beispiel 1:
:::::::::::
Es gilt:
=
=
=
(F1 , F2 ) = (2x1 , x22 )
F1~e1 + F2~e2
2x1~e1 + x22~e2
Integration entlang des Weges ~s1 und ~s2
1. Wegstück: (0, 0) −→ (a, 0) : ~s1 = (x1 , 0) ⇒ d~s1 = (dx1 , 0)
2. Wegstück: (a, 0) −→ (a, b) : ~s2 = (a, x2 ) ⇒ d~s2 = (0, dx2 )
Also:
:::::
ZP
F~ · d~s =
0
(a,0)
Z
(a,b)
(a,0)
(a,b)
Z
Z
Z
F~ · d~s1 +
F~ · d~s2 =
(2x1 , x22 ) · (dx1 , 0) +
(2x1 , x22 ) · (0, dx2 )
(0,0)
(a,0)
Za
=
Zb
2x1 dx1 +
0
(0,0)
x22 dx2 = a2 +
(a,0)
1 3
b
3
0
Alternativ gilt mit Integration bzgl. eines Parameters t ∈ [0, 1]:
d~s1
= (a, 0)
dt
d~s2
~s2 = (0, bt) ⇒
= (0, b)
dt
~s1 = (at, 0) ⇒
Damit folgt:
ZP
Z1 Z1 d~
s
d~
s
1
2
F~ · d~s =
F~ ·
dt +
F~ ·
dt
dt
dt
0
0
Z1
=
0
(2x1 , x22 )
Z1
· (a, 0)dt +
0
0
Z1
=
Z1
[(2at)a + 0]dt +
0
(2x1 , x22 ) · (0, b)dt
1
1
1
[0 + (bt)2 b]dt = a2 t2 0 + b3 t3 /3 0 = a2 + b3
3
0
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 23
Integration entlang des Weges ~s3
Beispiel
2:
:::::::::::
Hier gilt: (0, 0) −→ (a, b) : ~s3 = (x1 , x2 ) ⇒ d~s3 = (dx1 , dx2 )
Also:
:::::
ZP
(a,b)
Z
Za
Zb
1
F~ · d~s =
(2x1 , x22 ) · (dx1 , dx2 ) = 2x1 dx1 + x22 dx2 = a2 + b3
3
0
0
(0,0)
0
Alternativ:
~s(t) = ~s3 (t) = (|{z}
at , |{z}
bt ) ; t ∈ [0, 1] ⇒
x1 (t)
x2 (t)
d~s3
= (a, b)
dt
Demnach:
ZP
Z1 Z1
Z1
d~
s
1
3
F~ · d~s =
F~ ·
dt = (2at, b2 t2 ) · (a, b)dt = (2a2 t + b3 t2 )dt = a2 + b3
dt
3
0
0
0
0
Welche Methode besser geeignet ist, hängt vom betrachteten Vektorfeld ab. Z.B. ist für das
folgende Kraftfeld (bei gleichem Weg ~s3 wie oben) die Koordinatenmethode umständlicher:

d~s3 = (dx1 , dx2 )
F~ = (x2 , x1 ) ; ~s3 = (x1 , x2 ) = (at, bt) ⇒ d~s3
|
{z
}

= (a, b)
dt
(∗)
Dann hat man:
ZP
Z1 Z1
Z1
d~
s
3
F~ · d~s =
F~ ·
dt = (bt, at) · (a, b)dt = (abt + abt) dt = ab
dt
0
0
0
0
Bei der Integration bzgl. der Koordinaten ergibt sich hingegen ein Problem:
ZP
(a,b)
Z
Za
Zb
~
F · d~s =
(x2 , x1 ) · (dx1 , dx2 ) = x2 dx1 + x1 dx2
0
0
(0,0)
0
Offensichtlich werden die Abhängigkeiten x2 (x1 ) und x1 (x2 ) entlang des Weges ~s3 benötigt.
Man erhält sie aus (∗):
b
a
x1 = at ; x2 = bt ⇒ x1 = x2 ; x2 = x1
b
a
Damt folgt schließlich:
Za
Zb
x2 dx1 +
0
Za
x1 dx2 =
0
0
b
x1 dx1 +
a
Zb
a
ab ab
x2 dx2 =
+
= ab
b
2
2
0
—————————————————————————————————————
24 ———————————————————————————————————–
Bemerkung: Selbstverständlich sind
z.B. das Kraftfeld und
anders parametrisiert:
(
(2at, 0)
~s(t) =
(a, 2b[t − 1/2])
alternative Parametrisierungen möglich. Sei
der Weg entlang ~s1 und ~s2 wie oben, aber
; t ∈ [0, 1/2]
; t ∈ [1/2, 1]
⇒
d~s
=
dt
(
(2a, 0) ; t ∈ [0, 1/2]
(0, 2b) ; t ∈ [1/2, 1]
Damit findet man:
ZP
0
Z1/2
Z1 Z1 d~
s
d~s
d~
s
~
~
~
~
dt =
dt +
dt
F · d~s =
F·
F·
F·
dt
dt
dt
0
0
1/2
Z1/2
Z1
=
2(2at)2a dt + 4b2 [t − 1/2]2 2b dt
0
= 8a2
1/2
1 2
t
2
1/2
0
" 3 #1
1
1
+ 8b3
t−
3
2
1/2
1
= a2 + b 3
3
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 25
1.3.2
Ziel:
::::
Partielle und totale Ableitung
Verallgemeinerung der Differential- und Integralrechnung auf mehrere Dimensionen
Eine Verallgemeinerung von ‘einfachen’ (eindimensionalen, 1D) skalaren Funktion f (x)
einer unabhängigen Veränderlichen x ist in zweifacher Weise möglich, nämlich hinsichtlich
des Argumentes und des Funktionswertes:
1D-Funktionswert f
’gewöhnliche’ Fkt. f (x)
1D-Argument x (z.B. Wasserdruck als
(“Funktionen”) Fkt. der Tiefe; Strom in
Abh. von der Spannung)
2D/3DArgument ~x
(“Felder”)
skalare Felder
f (~x) = f (x1 , x2 , x3 )
(z.B. Temperatur in
jedem Punkt im Raum
(3D); Höhenangaben
auf der Landkarte (2D))
3D-Funktionswert f~ = (f1 , f2 , f3 )
Vektorfkt. f~(x) = (f1 (x), f2 (x), f3 (x))
(Kurven im Raum, z.B. die Position
eines geworfenen Steins zu jedem
Zeitpunkt: ~r(t))
Vektorfelder
~
f (~x) = (f1 (x1 , x2 .x3 , ..., f3 (x1 , x2 , x3 ))
(z.B. Kraft in jedem Punkt im Raum;
Strömungsgeschwindigkeit im Ozean
(3D); Windgeschwindigkeit auf
Wetterkarte (2D))
Bemerkung: Obwohl eine allgemeinere Betrachtung höherdimenionaler (>3) Räume möglich und nötig ist (siehe Mathematikvorlesung), beschränken
wir uns im Folgenden wieder auf den Fall des R3 , der in der physikalischen Praxis ja von herausragender Bedeutung ist.
Bemerkung: Hier werden stets kartesische Koordinaten verwendet. Die Verallgemeinerung auf krummlinige Koordinaten erfolgt später.
Bemerkung: Man kann selbstverständlich auch Tensoren höherer Stufe als Funktionswerte zulassen und spricht dann allgemeiner von Tensorfeldern.
Wie bei gewöhnlichen Funktionen f (x) erfolgt die Untersuchung der Eigenschaften von
Vektorfunktionen und Feldern mit Hilfe der Differentialrechnung. Somit stellt sich die
Frage: Wie bildet man die Ableitung(en) im höherdimensionalen Fall?
—————————————————————————————————————
26 ———————————————————————————————————–
Es erweist sich als sinnvoll, zwischen der Änderung einer Funktion in Richtung einer der
(lokalen) Koordinatenachsen und der gesamten (lokalen) Änderung zu unterscheiden. Dazu
definiert man die partiellen Ableitungen einer skalaren Funktion Φ(~r) = Φ(x1 , x2 , x3 ) als:
∂Φ
=
∂x1
∂Φ
=
∂x2
∂Φ
=
∂x3
Φ(x1 + ∆x1 , x2 , x3 ) − Φ(x1 , x2 , x3 )
∆x1 →0
∆x1
Φ(x1 , x2 + ∆x2 , x3 ) − Φ(x1 , x2 , x3 )
lim
∆x2 →0
∆x2
Φ(x1 , x2 , x3 + ∆x3 ) − Φ(x1 , x2 , x3 )
lim
∆x3 →0
∆x3
lim
Das heißt die partiellen Ableitungen werden gebildet in Analogie zum Fall einer Funktion
von nur einer unabhängigen Variablen (1D-Fall).
Beispiel:
(a) f (x1 , x2 , x3 ) = x21 + x32 + x3
⇒
∂f
= 2x1
∂x1
;
∂f
= 3x22
∂x2
;
∂f
=1
∂x3
(b) g(x1 , x2 , x3 ) = x1 x22 x3 + 2x1 x2 − sin(x2 x3 )
∂g
= x22 x3 + 2x2 ;
∂x1
∂g
= 2x1 x2 x3 + 2x1 − x3 cos(x2 x3 ) ;
∂x2
∂g
= x1 x22 − x2 cos(x2 x3 )
∂x3
p
(c) Φ(x1 , x2 , x3 ) = x21 + x22 + x23
⇒
⇒
xi
∂Φ
=p 2
∂xi
x1 + x22 + x23
Bemerkung: Die partielle Ableitung nach einer unabhängigen Variablen xi einer
Funktion f (x1 , x2 , x3 ) erfolgt also wie gewohnt, wenn man die anderen
unabhängigen Variablen xj , j 6= i als Konstanten behandelt.
Bemerkung: Von den partiellen Ableitungen in Richtung der (lokalen) Koordinatenachsen ist die später zu definierende Richtungsableitung zu unterscheiden, die die Änderung in eine beliebig vorgegebene Richtung zu
bestimmen erlaubt.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 27
Im Unterschied zum bekannten 1D-Fall gibt es nun mehrere ”2. partielle Ableitungen”,
∂ ∂Φ ∂ ∂Φ ∂ ∂Φ oder
oder
bilden.
denn man kann ja z. B.
∂x1 ∂x1
∂x2 ∂x1
∂x1 ∂x2
Beispiel:
(a) f (x1 , x2 , x3 ) = x21 + x32 + x3
⇒
∂ ∂f ∂ 2f
=
=2
∂x1 ∂x1
∂x21
∂ ∂f ∂ 2f
∂ 2f
∂ ∂f =
=0=
=
∂x2 ∂x1
∂x2 ∂x1
∂x1 ∂x2
∂x1 ∂x2
(b) g(x1 , x2 , x3 ) = x1 x22 x3 + 2x1 x2 − sin(x2 x3 )
∂ 2g
= 2x1 x2 − cos(x2 x3 ) + x2 x3 sin(x2 x3 )
∂x3 ∂x2
p
(c) Φ(x1 , x2 , x3 ) = x21 + x22 + x23
P 2
xj
∂ 2Φ
j6=i
=p
⇒
3
∂x2i
x21 + x22 + x23
⇒
Bemerkung: Die Gleichheit der Ableitungen
∂ 2f
∂ 2f
=
∂xi ∂xj
∂xj ∂xi
ist garantiert, wenn die Funktion f stetige partielle Ableitungen bis
zur zweiten Ordnung hat (Satz von Schwarz).
Neben der partiellen Ableitung ist auch die totale Ableitung einer Funktion von Interesse. Um die totale Änderung dΦ/dt einer Funktion Φ(x1 , x2 , x3 ) in Abhängigkeit einer
Variablen t zu bestimmen, benötigt man die Kettenregel, die analog zum 1D-Fall:
f = f (x(t))
⇒
df
df dx
=
dt
dx dt
im 3D-Fall wie folgt ausgeführt wird:
Φ = Φ(x1 (t), x2 (t), x3 (t))
⇒
∂Φ dx1
∂Φ dx2
∂Φ dx3
dΦ
=
+
+
dt
∂x1 dt
∂x2 dt
∂x3 dt
—————————————————————————————————————
28 ———————————————————————————————————–
Das ergibt sich mit xi (t + ∆t) − xi (t) = ∆xi aus:
dΦ
=
dt
n Φ(x (t + ∆t), x (t + ∆t), x (t + ∆t)) − Φ(x (t), x (t), x (t)) o
1
2
3
1
2
3
∆t→0
∆t
lim
Addition einer
‘geschickten’ Null
=
= lim
∆t→0
1 n
Φ(x1 + ∆x1 , x2 + ∆x2 , x3 + ∆x3 ) − Φ(x1 (t), x2 (t), x3 (t))
∆t→0 ∆t
−Φ(x1 , x2 + ∆x2 , x3 + ∆x3 ) + Φ(x1 , x2 + ∆x2 , x3 + ∆x3 )
o
−Φ(x1 , x2 , x3 + ∆x3 ) + Φ(x1 , x2 , x3 + ∆x3 )
lim
n Φ(x + ∆x , x + ∆x , x + ∆x ) − Φ(x , x + ∆x , x + ∆x ) ∆x 1
1
2
2
3
3
1
2
2
3
3
1
∆x1
∆t
Φ(x1 , x2 + ∆x2 , x3 + ∆x3 ) − Φ(x1 , x2 , x3 + ∆x3 ) ∆x2 +
∆x2
∆t
o
Φ(x1 , x2 , x3 + ∆x3 ) − Φ(x1 , x2 , x3 ) ∆x3
+
∆x3
∆t
3
∂Φ dx2
∂Φ dx3 X ∂Φ dxi
∂Φ dx1
+
+
=
=
∂x1 dt
∂x2 dt
∂x3 dt
∂xi dt
i=1
Beispiel:
Φ(x1 (t), x2 (t), x3 (t)) =
p
x21 + x22 + x23
mit x1 = t; x2 = sin(t); x3 = exp(t)
⇒
dΦ
t
= p 2
· 1
dt
x1 + x22 + x23 |{z}
|
{z
} dxdt1
∂Φ
∂x1
sin(t)
+ p 2
cos(t)
x1 + x22 + x23 | {z }
|
{z
} dx2
∂Φ
∂x2
dt
exp(t)
+ p 2
· exp(t)
x1 + x22 + x23 | {z }
|
{z
} dx3
∂Φ
∂x3
=
dt
t + sin(t) cos(t) + exp(2t)
p
t2 + sin2 (t) + exp(2t)
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 29
Das Ergebnis für die verallgemeinerte Kettenregel legt die Definition der totalen Ableitung
einer Funktion an einem Ort ~r = (x1 , x2 , x3 ) nahe:
dΦ =
∂Φ
∂Φ
∂Φ
dx1 +
dx2 +
dx3
∂x1
∂x2
∂x3
Die Größe dΦ heißt totales Differential der Funktion Φ am Ort ~r = (x1 , x2 , x3 ).
Die totale Ableitung von Φ nach einer Variablen t lautet also:
dΦ
∂Φ dx1
∂Φ dx2
∂Φ dx3
=
+
+
dt
∂x1 dt
∂x2 dt
∂x3 dt
Beispiel:
Φ(~r) = Φ(x1 , x2 , x3 ) =
⇒
dΦ =
3
X
i=1
q
x21 + x22 + x23 =
√
~r · ~r
3
X
xi
p
dx
dxi
i =
|~
r
|
x21 + x22 + x23
i=1
xi
Bemerkung: Zur sinnvollen Bildung der totalen Ableitung bzw. des totalen Differentials muss vorausgesetzt werden, dass die Funktion und ihre partiellen Ableitungen stetig sind.
Die bisherigen Betrachtungen können direkt auf Vektorfelder übertragen werden, in dem
man die partiellen Ableitungen komponentenweise bildet:
~
~ 1 + ∆x1 , x2 , x3 ) − A(x
~ 1 , x2 , x3 ) ∂A1 ∂A2 ∂A3 ~
dA A(x
∂A
=
= lim
=
,
,
∆x1 →0
∂x1
dx1 ∆x1
∂x1 ∂x1 ∂x1
x2 ,x3 =const.
Die Ableitungen nach anderen Koordinaten erfolgen analog.
Beispiel:
~ r) = B
~ × ~r ; B
~ = const. ; ~r = (x1 , x2 , x3 )
A(~
= (B2 x3 − B3 x2 , B3 x1 − B1 x3 , B1 x2 − B2 x1 )
⇒
~
~
~
∂A
∂A
∂A
= (0, B3 , −B2 ) ;
= (−B3 , 0, B1 ) ;
= (B2 , −B1 , 0)
∂x1
∂x2
∂x3
⇒
~
∂ ∂A
∂
=
(−B3 , 0, B1 ) = (0, 0, 0)
∂x1 ∂x2
∂x1
—————————————————————————————————————
30 ———————————————————————————————————–
1.4
Krummlinige Koordinaten I
(A) Motivation zur Definition verschiedener Koordinatensysteme
Oft ist es sinnvoll und zweckmäßig Koordinatensysteme zu verwenden, die sich an der
Geometrie und/oder Symmetrie eines physikalischen Problems anpassen (z.B. Polarkoordinaten für die Kreisbewegung). Dadurch lassen sich oft die mathematischen Schwierigkeiten eines Problems reduzieren und physikalische Sachverhalte klarer erkennen.
In der Praxis sind von besonderer Bedeutung orthogonale Koordinatensysteme, d.h. solche,
bei denen die so genannten Basisvektoren (also die Koordinateneinheitsvektoren) paarweise senkrecht zueinander sind. Im Folgenden einige Beispiele.
Bemerkung: Für die formale Definition von Koordinatensystemen im Zusammenhang mit linearen Abbildungen und dem Begriff des Vektorraums siehe
die Mathematikvorlesung(en).
Bemerkung: Wir behandeln zunächst 2D Koordinatensysteme. Die Verallgemeinerung auf 3D Koordinatensysteme ist problemlos, weil in völliger Analogie zum 2D-Fall.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 31
1.4.1
2-dimensionale orthogonale Koordinatensysteme
(a) Kartesische
Koordinaten (x1 , x2 ):
::::::::::::::::::::::::::::::::::
Es gilt:
(1) ~r = x1~e1 + x2~e2 = (x1 , x2 )
(2) Die Koordinatenlinien sind
orthogonale Geraden.
(b) Ebene
Polarkoordinaten (r, ϕ):
::::::::::::::::::::::::::::::::
Es gilt:
(1) ~r = |~r|~er = r~er
(2) Die Koordinatenlinien sind
konzentrische Kreise und
radiale Geraden.
Bemerkung: Zusammenhang der ebenen Polarkoordinaten mit den kartesischen
Koordinaten:
x1 = r cos ϕ
x2 = r sin ϕ
⇒ ~r = r cos ϕ~e1 + r sin ϕ~e2
!
⇒ ~er
⇒ ~eϕ
= r(cos ϕ~e1 + sin ϕ~e2 ) = r~er
= cos ϕ~e1 + sin ϕ~e2
= − sin ϕ~e1 + cos ϕ~e2 , , so dass ~er · ~eϕ = 0
—————————————————————————————————————
32 ———————————————————————————————————–
(B) Bewegungen in nicht-raumfesten Koordinatensystemen
Im Unterschied zum kartesischen Koordinatensystem ist die Richtung der (Basis-)Einheitsvektoren krummliniger Koordinatensysteme im Allgemeinen ortsabhängig. Bei der Beschreibung von Bewegungen führt das dazu, dass nicht nur die Koordinaten eines Körpers,
sondern auch die Einheitsvektoren von der Zeit abhängig sind.
Beispiel:
:::::::::
Kreisbewegung mit Periode T (⇒ ω = 2π/T )
– ~e1 , ~e2 sind raumfest und zeitunabhängig
– ~er , ~eϕ sind nicht raumfest und zeitabhängig
– x1 (t) und x2 (t)
– ϕ(t) und r = R = const.
(a) Im :::::::::::::
kartesischen ::::::::::::::::::::
Koordinatensystem gilt:
~r(t) = x1 (t)~e1 + x2 (t)~e2 = R cos(ωt)~e1 + R sin(ωt)~e2
q
d
˙
~r(t) = ~r(t) = ẋ1 (t)~e1 + ẋ2 (t)~e2 ; |~v | = ẋ21 + ẋ22 = Rω
⇒ ~v (t) =
dt
⇒ Es werden zwei zeitabhängige Funktionen x1 (t), x2 (t) benötigt.
(b) Im ebenen
Polarkoordinatensystem gilt:
::::::::::::::::::::::::::::::::
R = const
|
~r(t) = R~er = R~er (t)
~er = cos(ωt)~e1 + sin(ωt)~e2
1.4.1
|
|
⇒ ~v (t) = ~r˙ (t) = R~e˙ r = Rω[− sin(ωt)~e1 + cos(ωt)~e2 = Rω~eϕ
Man erkennt somit unmittelbar Betrag und Konstanz der Geschwindigkeit sowie
ihre Richtung.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 33
ˆ 1.4.4)
(C) Berechnung der Basisvektoren eines Koordinatensystems (=
Wie zuvor bemerkt (siehe 1.4.1), gelingt die Konstruktion der Basis(einheits)vektoren oft
anschaulich, wie am Beispiel von ebenen Polarkoordinaten demonstriert sei:
~er :=
~r
1
~r
= = (r cos ϕ ~e1 + r sin ϕ ~e2 ) = cos ϕ ~e1 + sin ϕ ~e2
|~r|
r
r
~er · ~eϕ = 0
⇒
~eϕ = − sin ϕ ~e1 + cos ϕ ~e2
(Vorzeichen wegen Orientierung)
Diese Berechnung kann systematischer erfolgen:
In kartesischen
Koordinaten (im R3 ) gilt:
::::::::::::::::::::::::::
totales Differential, siehe 1.3.2
~u =
3
X
ui~ei
⇒
i=1
Änderung in
~ei -Richtung
3
3 3
X ∂~u
X ∂~u X
d~u =
dui =
~ei dui
∂ui ~ei dui =
∂u
i
i=1
i=1 | {z }
i=1
=1
⇒
~ei =
∂~u
in kartesischen Koordinaten.
∂ui
Bemerkung: Wenn ~u = (u1 , u2 , u3 ) gilt, z.B.
Andere Ableitungen analog.
∂~u
= (1, 0, 0) = ~e1 .
∂u1
In krummlinigen
Koordinaten gilt:
::::::::::::::::::::::::::::
~u =
3
X
i=1
ui~eui
⇒
3 3
X
X
∂~u ∂~u
d~u =
dui =
∂ui ~ei dui
∂u
i
i=1
i=1 | {z }
i.A.6=1
⇒
∂~u
∂ui
~ei = ∂~
u
∂ui Basiseinheitsvektoren eines Koordinatensystems
Bemerkung: Zu bilden sind also die partiellen Ableitungen eines Vektors nach seinen Komponenten im gewünschten Koordinatensystem.
—————————————————————————————————————
34 ———————————————————————————————————–
Nun können wir obige Formel am ::::::::
Beispiel::::::::
ebener ::::::::::::::::::
Polarkoordinaten illustrieren:
~r = x1~e1 + x2~e2 = r cos ϕ ~e1 + r sin ϕ ~e2

∂~r


= cos ϕ ~e1 + sin ϕ ~e2

∂r
⇒
∂~r



= −r sin ϕ ~e1 + r cos ϕ ~e2
∂ϕ
∂~r = 1
∂r
∂~r ⇒ = r
∂ϕ
⇒
Die Basisvektoren ergeben sich dann als:
∂~r ~er =
~eϕ =
∂r
∂~r ∂r
∂~r ∂ϕ
∂~r ∂ϕ
=
cos ϕ ~e1 + sin ϕ ~e2
=
− sin ϕ ~e1 + cos ϕ ~e2
Man erhält also systematisch die bereits oben angegebenen Ergebnisse.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 35
(D) Geschwindigkeit und Beschleunigung in speziellen Koordinatensystemen
Wichtige Anwendungen der Differentiation von Vektoren (insbesondere auch in krummlinigen Koordinatensystemen) sind die Berechnung von Geschwindigkeit ~v = ~r˙ und Beschleunigung ~a = ~v˙ = ~r¨ aus der Bahn ~r(t) eines Körpers.
Das sei hier wieder am ::::::::
Beispiel::::::::
ebener ::::::::::::::::::
Polarkoordinaten illustriert:
Basiseinheitsvektoren:
~er = cos ϕ ~e1 + sin ϕ ~e2
~eϕ = − sin ϕ ~e1 + cos ϕ ~e2
Differenzieren liefert dann:
~e˙ r = ϕ̇(− sin ϕ ~e1 + cos ϕ ~e2 ) = ϕ̇ ~eϕ
~e˙ ϕ = ϕ̇(− cos ϕ ~e1 − sin ϕ ~e2 ) = −ϕ̇ ~er
Damit folgt mit
~r = r~er
für die Geschwindigkeit:
::::::::::::::::
Basiseinheitsvektor zeitabhängig: Produktregel
|
~v = ~r˙ = ṙ~er + r~e˙ r = ṙ~er + rϕ̇ ~eϕ
und für die ::::::::::::::::
Beschleunigung:
Produktregel
|
~a = ~v˙ = r̈~er + ṙ~e˙ r + ṙϕ̇~eϕ + rϕ̈~eϕ + rϕ̇~e˙ ϕ
= r̈~er + ṙϕ̇~eϕ + ṙϕ̇~eϕ + rϕ̈~eϕ − rϕ̇2~er
= (r̈ − rϕ̇2 ) ~er + (2ṙϕ̇ + rϕ̈)~eϕ
—————————————————————————————————————
36 ———————————————————————————————————–
Völlig analog zum 2D-Fall definiert man
1.4.2
3-dimensionale orthogonale Koordinatensysteme
1.4.3
(a) Kartesische
Koordinaten (x1 , x2 , x3 ):
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Es gilt:
(1) ~r = x1~e1 +x2~e2 +x3~e3 = (x1 , x2 , x3 )
(2) Die Koordinatenflächen sind
orthogonale Ebenen.
Bemerkung: Im Unterschied zu krummlinigen Koordinatensystemen sind hier alle
drei Basisvektoren unabhängig vom Ort (wie im 2D-Fall), was die
Verwendung 3D kartesischer Koordinaten besonders einfach macht.
(b) Sphärische
Polarkoordinaten =
ˆ Kugelkoordinaten (r, ϑ, ϕ):
::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Es gilt:
(1) ~r = r~er
(2) Die Koordinatenflächen sind
Ebenen und konzentrische Kugeloberflächen.
Bemerkung: Zusammenhang mit kartesischen Koordinaten:
x1 = r sin ϑ cos ϕ
x2 = r sin ϑ sin ϕ
x3 = r cos ϑ
und
ϑ = arccos (x3 /r)
ϕ = arctan (x2 /x1 )
q
r =
x21 + x22 + x23
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 37
(c) Zylinderkoordinaten
(ρ, ϕ, z):
::::::::::::::::::::::::::::::
Es gilt:
(1) ~r = ρ~eρ + z~ez
(2) Die Koordinatenflächen sind
Ebenen und koachsiale Zylindermäntel.
Bemerkung: Zusammenhang mit kartesischen Koordinaten:
x1 = ρ cos ϕ
x2 = ρ sin ϕ
x3 = z
q
x21 + x22
ρ =
und
ϕ = arctan (x2 /x1 )
z = x3
—————————————————————————————————————
38 ———————————————————————————————————–
(E) Anwendungsbeispiel für krummlinige Koordinaten: Fadenpendel
Für die Beschreibung des auch als mathematisches Pendel bezeichneten Fadenpendels sind
ebene Polarkoordinaten sehr hilfreich:
Es wirke auf die (Punkt-)Masse m an einem
(masselosen) Faden der Länge l die Gravitationskraft F~G und die Fadenkraft F~F :
F~G = FG,r~er + FG,ϕ~eϕ
= mg cos ϕ ~er − mg sin ϕ ~eϕ
F~F = −FF,r~er
Mit der Newtonschen Bewegungsgleichung (Physik I !?) folgt:
(D)
⇔
m~r¨ = F~gesamt = F~G + F~F
m (r̈ − rϕ̇2 )~er + (2ṙϕ̇ + rϕ̈)~eϕ = mg cos ϕ ~er − mg sin ϕ ~eϕ − FF,r~er
Da die Pendellänge r = l = const ⇒ ṙ = 0 und r̈ = 0:
⇒
⇒
(I) ⇒
(II) ⇒
−mlϕ̇2~er + mlϕ̈~eϕ = mg cos ϕ ~er − mg sin ϕ ~eϕ − FF,r~er
(
(I) (−mlϕ̇2 − mg cos ϕ + FF,r )~er = ~0;
(II) (mlϕ̈ + mg sin ϕ)~eϕ = ~0;
FF,r = mg cos ϕ + mlϕ̇2
mlϕ̈ + mg sin ϕ = 0
Radialkomp. der Grav.-Kraft + Zentrifugalkraft
Differentialgleichung mit “schwieriger” Lösung
(i.A. Elliptische Integrale)
Aber:
::::::
Bei kleinen Auslenkungen |ϕ| 1 ⇒ sin ϕ ≈ ϕ gilt:
(II) ⇒ mlϕ̈ + mgϕ ≈ 0
g
b Schwingungsgleichung
≈> ϕ̈ + ϕ = 0 =
l
Lösung:
::::::::
r
ϕ(t) = A sin(ωt) + B cos(ωt) ; ω =
g
; A, B = const
l
wobei hier die Konstanten A und B durch die Anfangsbedingungen festzulegen sind (siehe
unten).
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 39
2
Datenanalyse und Fehlerrechnung
−→ siehe Grundpraktikum
−→ siehe Physik I-Vorlesung
−→ siehe Tutorium
—————————————————————————————————————
40 ———————————————————————————————————–
3
Vektoranalysis I
Motivation:
:::::::::::
Die Untersuchung von (skalaren und vektoriellen) Feldern (die wir in Kapitel 1 definiert
haben) erfolgt hier zunächst in kartesischen Koordinaten. Die systematische “Erweiterung”
auf allgemeinere krummlinige Koordinaten erfolgt in Kapitel 9.
3.1
Der Gradient eines skalaren Feldes
(A) Die Richtungsableitung
Um eine Funktion von mehreren unabhängigen Variablen sinnvoll untersuchen zu können,
benötigen wir über die partielle(n) und totale Ableitungen hinaus noch die Änderung einer
Funktion in eine beliebige Richtung, also eine so genannte Richtungsableitung:
Sei eine Richtung mit einem Einheitsvektor ~n vorgegeben und eine Änderung ∆~r = |∆~r|~n
(⇒ ni = ∆xi /|∆~r|) betrachtet. Dann gilt:
lim
|∆~
r|→0
∆Φ |∆~r|
=
Φ(~r + ∆~r) − Φ(~r) lim
|∆~r|
n ∆Φ ∆x
∆Φ ∆x2
∆Φ ∆x3 o
1
= lim
+
+
|∆~
r|→0 ∆x1 |∆~
r| ∆x2 |∆~r| ∆x3 |∆~r|
|∆~
r|→0
Skalarprodukt
=
3 X
i=1
∂Φ ∂Φ ∂Φ ∂Φ ni =
,
,
· ~n
∂xi
∂x1 ∂x2 ∂x3
Die Änderung der Funktion Φ(~r) in eine beliebige Richtung ~n ist also gleich dem Skalarprodukt des aus den partiellen Ableitungen gebildeten Vektors und dem Einheitsvektor
in die betrachtete Richtung. Der Vektor
∂Φ
∂x1
,
∂Φ ∂Φ ,
≡ grad Φ
∂x2 ∂x3
heißt Gradient des skalaren Feldes.
Bemerkung: Der Vektor grad Φ(~r) gibt die Richtung der größten Änderung von
Φ(~r) am Ort ~r = (x1 , x2 , x3 ) an. Der Betrag des Gradienten ist ein
Maß für die Änderung.
Bemerkung: Jedem Punkt ~r = (x1 , x2 , x3 ) wird ein Vektor grad Φ(~r) zugeordnet,
das heißt die Menge aller dieser Vektoren bildet ein Vektorfeld, nämlich
das so genannte Gradientenfeld.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 41
(B) Der Nabla-Operator
Zur Vereinfachung (auch wenn’s zunächst nicht so erscheinen mag!) der Notation wird der
Nabla-Operator eingeführt:
kart. Koord.
∂
∂
∂
∂
∂
∂
~ :=
∇
,
,
= ~e1
+ ~e2
+ ~e3
∂x1 ∂x2 ∂x3
∂x1
∂x2
∂x3
Der Nabla-Operator ist ein vektorieller Differentialoperator, der eine kompakte und übersichtliche Schreibweise erlaubt. Für den Gradienten eines skalaren Feldes Φ gilt z.B.:
∂Φ ∂Φ ∂Φ
~
,
,
= ∇Φ
grad Φ =
∂x1 ∂x2 ∂x3
Bemerkung: Die obige Darstellung des Nabla-Operators gilt nur in kartesischen
Koordinaten.
Mit Hilfe des Nabla-Operators lässt sich ein weiterer Differentialoperator definieren, nämlich der (skalare) Laplace-Operator:
kart. Koord.
3
3
X
X
∂
∂2
∂2
∂2
∂
∂2
~
~
∆ = ∇·∇=
+
+
=
·
=
∂xi ∂xi
∂x21 ∂x22 ∂x23
∂x2i
i=1
i=1
Beispiel:
1
1
1
= =p 2
|~r|
r
x1 + x22 + x23
~ r) = − ~r
∇Φ(~
|~r|3
3
X
∂ 2Φ
3|~r|2 − 3|~r|2
~
~
∆Φ(~r) = ∇ · (∇Φ(~r)) =
=
=0
2
5
∂x
|~
r
|
i
i=1
Φ(~r) =
⇒
⇒
Bemerkung: Beide Differentialoperatoren sind z.B. für eine kompakte Formulierung
der Elektrodynamik unverzichtbar.
Bemerkung: Mit den Transformationsformeln zwischen kartesischen Koordinaten
und z.B. sphärischen Polarkoordinaten aus Kapitel 1 ist es (nach länglicher Rechnung) möglich, die Form des Nabla-Operators in letzteren
herzuleiten:
∂
1
∂
1
∂
~ = ~er
∇
+ ~eϑ
+ ~eϕ
∂r
r ∂ϑ
r sin ϑ ∂ϕ
—————————————————————————————————————
42 ———————————————————————————————————–
3.2
Quellenfelder, der Divergenz-Operator
Wie oben bemerkt, werden Strömungen oft über ihre Geschwindigkeitsfelder beschrieben.
Es ist mit vektoranalytischen Methoden leicht möglich, auch so genannte Quellen und
Senken (=
ˆ negative Quellen) zu beschreiben. Dazu folgende Überlegung:
Betrachtet sei eine Materieströmung (Luft, Wasser) mit Teilchenzahldichte n(~r) und Strö~ r) = n(~r)~u(~r) die Flussmungsgeschwindigkeit ~u(~r) = (u1 (~r), u2 (~r), u3 (~r)). Dann ist A(~
bzw. Stromdichte.
Für ein kleines Volumen ∆V gilt:
Nehmen wir weiter für die x1 Richtung an:
∆N + Teilchen fließen pro ∆t
in ∆V hinein.
∆N − Teilchen fließen pro ∆t
aus ∆V heraus.
Dann gilt:
f (x) ≈ f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 ), siehe 1.3
∆N +
∆N −
n
∆x1 ∂A1 ∆x1 o
= A1 x1 −
∆F ∆t ≈ A1 (x1 ) −
∆F ∆t
2
∂x1 2
n
∆x1 ∂A1 ∆x1 o
= A 1 x1 +
∆F ∆t ≈ A1 (x1 ) +
∆F ∆t
2
∂x1 2
∂A ∂A 1
1
⇒ ∆N = ∆N − ∆N ≈ −
∆x1 ∆F ∆t = −
∆V ∆t
∂x1
∂x1
(∆N /∆V ) ∂n ∂A1
=−
⇒
lim
=
∆V →0,∆t→0
∆t
∂t A1
∂x1
−
+
Analog erhält man für die anderen zwei Dimensionen:
∂n ∂t
=−
A2
∂A2
∂x2
;
∂n ∂t
=−
A3
∂A3
∂x3
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 43
Insgesamt also:
∂n ∂t
~
A
n ∂A
∂n
∂A2 ∂A3 o
1
~ ·A
~ =: −div A
~
=
=−
+
+
= −∇
∂t
∂x1
∂x2
∂x3
Die vektoranalytische Operation
kart. Koord.
~ ·A
~ = div A
~ = ∂A1 + ∂A2 + ∂A3
∇
∂x1
∂x2
∂x3
~ Falls div A(~
~ r) = 0, sagt man, das Feld A(~
~ r) ist in ~r
heißt Divergenz des Vektorfeldes A.
~
quellenfrei. Bei div A(~r) > 0 (< 0) hat das Feld in ~r eine Quelle (Senke).
Bemerkung: Die oben hergeleitete Gleichung
∂n
~=0
+ div A
∂t
⇔
∂n ~ ~
+∇·A=0
∂t
heißt Kontinuitätsgleichung und ist eine der Grundgleichungen der Hydrodynamik. Sie wird in analoger Form auch in der Elektrodynamik
für die Ladungsdichte und in der Quantenmechanik für die Wahrscheinlichkeitsdichte verwendet.
Beispiel:
(a)
(b)
~ r) = ~r = (x1 , x2 , x3 )
A(~
~ · A(~
~ r) = ∂A1 + ∂A2 + ∂A3 = 3
⇒ ∇
∂x1
∂x2
∂x3
~ r) = ~ar = (a1 r, a2 r, a3 r) ;
A(~
q
r = x21 + x22 + x23
~ · A(~
~ r) = a1 x1 + a2 x2 + a3 x3 = ~a · ~r
⇒ ∇
r
r
r
r
Bemerkung: Die obige Darstellung des Divergenz-Operators gilt nur in kartesischen
Koordinaten.
Bemerkung: Im Unterschied zum Gradienten, der einem skalaren Feld ein Vektorfeld zuordnet, ordnet die Divergenz einem Vektorfeld ein skalares Feld
zu.
—————————————————————————————————————
44 ———————————————————————————————————–
3.3
Wirbelfelder, der Rotations-Operator
Nachdem wir gesehen haben, dass der Nabla-Operator in nützlicher Weise skalar auf ein
Vektorfeld angewendet werden kann, liegt die Vermutung nahe, dass Ähnliches auch für
~ ×A
~ - und es zeigt
seine “vektorielle Anwendung” gilt, d.h. also für das Vektorprodukt ∇
sich, dass dem auch so ist.
Die vektoranalytische Operation
kart. Koord.
~ ×A
~ = rot A
~ = ∂A3 − ∂A2 , ∂A1 − ∂A3 , ∂A2 − ∂A1
∇
∂x2
∂x3
∂x3
∂x1
∂x1
∂x2
~
heißt Rotation des Vektorfeldes A.
~
Offenbar erhält man auf diese Weise ein weiteres Vektorfeld, welches nachfolgend als B
bezeichnet ist. Um die Bedeutung der Rotation zu veranschaulichen, betrachten wir die
explizite Darstellung dieses Vektorfeldes in kartesischen Koordinaten und verwenden dazu
die Notation mit dem Levi-Civita-Symbol (siehe 1.2.5):
~ ×A
~=
Bi = ∇
3
X
ijk
j,k=1
∂Ak
∂xj
Also explizit:
B1 =
∂A3 ∂A2
−
∂x2
∂x3
;
B2 =
∂A1 ∂A3
−
∂x3
∂x1
;
B3 =
∂A2 ∂A1
−
∂x1
∂x2
bzw.:
~ =
B
∂A3 ∂A2
−
∂x2
∂x3
~e1 +
∂A1 ∂A3
−
∂x3
∂x1
~e2 +
∂A2 ∂A1
−
∂x1
∂x2
~e3
~ berechnet:
Die Nützlichkeit der Rotation wird deutlich, wenn man nun die Divergenz von B
~ ·B
~ = ∂B1 + ∂B2 + ∂B3
∇
∂x1
∂x2
∂x3
∂ ∂A3 ∂A2 ∂ ∂A1 ∂A3 ∂ ∂A2 ∂A1 ~
=
−
+
−
+
−
=0
∂x1 ∂x2
∂x3
∂x2 ∂x3
∂x1
∂x3 ∂x1
∂x2
~ ×A
~ quellenfrei. Ein solches Feld, dessen
Offenkundig ist also jedes Vektorfeld der Form ∇
Divergenz für alle ~r verschwindet, heißt Wirbelfeld.
∂Φ ∂Φ ∂Φ ,
,
sind Gradientenfelder stets
∂x1 ∂x2 ∂x3
~ × ∇Φ
~ = ~0 (nachrechnen!).
wirbelfrei, da ∇
~ =
Bemerkung: Wegen grad Φ = ∇Φ
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 45
Beispiel:
(a)
~ r) = ~r = (x1 , x2 , x3 )
A(~
~ × A(~
~ r) = (0, 0, 0), da ∂xi = δij
⇒ ∇
∂xj
(b)
~ r) = ~ar = (a1 r, a2 r, a3 r)
A(~
a x
a2 x3 a1 x3 a3 x1 a2 x1 a1 x2 3 2
~
~
−
,
−
,
−
⇒ ∇ × A(~r) =
r
r
r
r
r
r
~r × ~a
=
r
Bemerkung: Die obige Darstellung des Rotations-Operators gilt nur in kartesischen
Koordinaten.
Bemerkung: Die Rotation ordnet einem Vektorfeld ein Vektorfeld zu.
Insgesamt gilt demnach für die eingeführten Differentialoperatoren
schematisch:
—————————————————————————————————————
46 ———————————————————————————————————–
Exkurs: Taylorentwicklung
Es ist oft hilfreich ein Feld ”lokal zu nähern”, um dann mit vereinfachten Termen oder Ausdrücken arbeiten zu können. Für eine solche Näherung bietet sich eine Taylorentwicklung
an. Wir motivieren zunächst noch einmal den “Normalfall” einer Funktion einer unabhängigen Veränderlichen (für eine exakte Herleitung siehe die Mathematik-Vorlesung):
Aus der Definition der Ableitung (Differentialquotient) folgt:
x = x0 + ∆x
x ≈ x0
f
(x)
−
f
(x
)
f
(x
+
∆x)
−
f
(x
)
f (x) − f (x0 )
df
0
0
0
≈ lim
≈
f 0 (x0 ) =
= lim
x→x0
dx x0 ∆x→0
∆x
x − x0
x − x0
Es gilt also
f (x) ≈ f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 )
Verbesserung der Näherung:
1
f (x) ≈ f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 ) + f 00 (x0 )(x − x0 )2
2
Allgemeiner gilt die Taylor-Entwicklung:
f 0 (x0 )
f 00 (x0 )
f (x) = f (x0 ) +
(x − x0 ) +
(x − x0 )2 + ...
1!
2!
∞
m
(n)
X
X
f (n) (x0 )
f
(x0 )
=
(x − x0 )n =
(x − x0 )n + Rm (x)
n!
n!
n=0
n=0
wobei
Rm (x) =
f (m+1) (x0 + η(x − x0 ))
(x − x0 )m+1 , 0 ≤ η ≤ 1
(m + 1)!
und
lim Rm (x) = 0
m→∞
Bemerkung: Eine unendlich oft stetig differenzierbare Funktion f (x) lässt sich also
für alle x aus ihren Ableitungen an einer Stelle x0 berechnen.
Bemerkung: Zumeist reicht für praktische Anwendungen eine Entwicklung bis zur
ersten oder zweiten Ordnung (Ableitung) aus.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 47
Beispiel:
(a) f (x) = exp(x) ⇒ f (n) (x) = exp(x) ⇒ f (n) (x0 = 0) = 1
∞
X
xn
⇒ exp(x) =
(“Entwicklung um x0 = 0”)
n!
n=0
(b) f (x) =
√
1
1
= (1 + x)−1/2
1 + x ⇒ f 0 (x) = √
2
2 1+x
1
⇒ f 00 (x) = − (1 + x)−3/2
4
x0 = 0
⇒
√
1
1
1 + x ≈ 1 + x − x2
2
8
(c) f (x) = x2 + 3x − 4 ⇒ f 0 (x) = 2x + 3 ⇒ f 00 (x) = 2
⇒ f (n≥3) (x) = 0
Sei wieder x0 = 0:
⇒ f (0) = −4 ; f 0 (0) = 3 ; f 00 (0) = 2
2
⇒ f (x) = −4 + 3x + x2 = x2 + 3x − 4
2!
Also:
Polynome
werden
vollständig reproduziert
:::::
Um diese Taylor-Entwicklung auf den Fall von Feldern zu übertragen, bedient man sich
eines ”Tricks”:
Sei ~r = ~r0 + ∆~r und ein Koordinatensystem mit Einheitsvektoren (~e10 , ~e20 , ~e30 ) so gewählt,
dass eine seiner Achsen in Richtung von ∆~r zeigt, also ∆~r = ∆x10 ~e10 gelte, dann gilt für
ein skalares Feld Φ(~r):
1 dΦ 1 d2 Φ 0
Φ(~r) = Φ(~r0 ) +
(∆x1 ) +
(∆x10 )2 + ...
1! dx10 ~r0
2! dx102 ~r0
Überlegung: Transformation auf diejenigen Koordinaten, in denen das Feld Φ(x1 , x2 , x3 )
gegeben ist: xi0 = xi0 (x1 , x2 , x3 ) ⇒ xj = xj (x10 , x20 , x30 ) Damit gilt:
3
∂Φ dx1
∂Φ dx2
∂Φ dx3 X ∂Φ dxj
dΦ
=
+
+
=
dx10
∂x1 dx10 ∂x2 dx10 ∂x3 dx10
∂xj dx10
j=1
Damit folgt:
3
1 X ∂Φ dxj Φ(~r) = Φ(~r0 ) +
(∆x10 )
1! j=1 ∂xj
dx10 ~r0
|
{z
}
∆xj
3
X
∂ 2 Φ dx dx 1
k
j +
(∆x10 )2 +...
0
0 2! k,j=1 ∂xk ∂xj
dx dx ~r0
| 1 1{z
}
∆xk ∆xj
—————————————————————————————————————
48 ———————————————————————————————————–
Da weiterhin gilt:
∆x20 = ∆x30 = 0
3
X
∂xj
∆xj =
i=1
dx
j
0
∆x
=
(∆x10 )
i
0
∂xi
dx10
folgt:
3
1 X
Φ(~r) = Φ(~r0 ) +
1! j=1
∂Φ
∂xj
3
1 X ∂ 2 Φ ∆xj +
∆xk ∆xj + ...
2! k,j=1 ∂xk ∂xj ~r0
~
r0
Damit ist die gesuchte Taylorentwicklung eines skalaren Feldes gefunden.
Eine geschlossene Form, die eine sehr kompakte Darstellung ermöglicht, ergibt sich wie
folgt. Obiges Ergebnis lässt sich zunächst schreiben als:
(
"( 3 )2 
) #
3 X
X
1
∂
∂
1
Φ + ...
Φ
+ 
∆xj
∆xj
Φ(~r) = Φ(~r0 ) +
1!
∂x
2!
∂x
j
j
j=1
j=1
~
r0
~
r0
Unter Ausnutzung einer anderen Schreibweise mit exp{x} =
∞
X
1 n
x ergibt sich:
n!
n=0
#
3 ∞
n
o
X
X
n
∂
1
∆xj
Φ(~r) =
Φ
n! j=1
∂xj
n=0
~
r0
"∞
#
on
X 1n
~ Φ
=
∆~r · ∇
n!
n=0
~
r0
h
n
o i
~ Φ
= exp ∆~r · ∇
"
~
r0
also eine sehr elegante und kurze Form der obigen Taylorentwicklung.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 49
1
; ~r0 = ~0 ⇒ ∆~r = ~r
|~a − ~r|
1
1
⇒ Φ(~0) =
=
|~a|
a
3
−1/2
∂Φ
∂ X
aj − x j
⇒
=
(ai − xi )2
=p
3
∂xj
∂xj i=1
(~a − ~r)2
3
3 X
X
∂Φ aj
aj x j
~a · ~r
∂Φ ⇒
= 3
~ = 3 ⇒
~ ∆xj =
3
∂xj 0 a
∂xj 0
a
a
j=1
j=1
Beispiel:
Φ(~r) =
3 X
~r2 3(~a · ~r)2
∂ 2 Φ ~ ∆xk ∆xj = − 3 +
∂xk ∂xj 0
a
a5
k,j=1
analog:
⇒
Φ(~r) =
o
~a · ~r 1 ~r2 3 (~a · ~r)2
1n
1+ 2 −
+
+
...
a
a
2 a2 2 a4
was dann für |~a| |~r| eine gute Näherung darstellt.
Alternativ mit ”Nabla-Notation”:
~
(∆~r · ∇)
n
o
1
1
~
= ∆~r · −
∇|~a − ~r| 2
~0
|~a − ~r|
|~a − ~r|
n
o
1
~ √... = ∆~r · −
∇
2
~0
|~a − ~r|
n
1
~a − ~r o
= ∆~r · −
−
~
|~a − ~r|2
|~a − ~r|
0
~a
= ∆~r · 3
a
∆~r = ~r
|
=
~a · ~r
a3
—————————————————————————————————————
50 ———————————————————————————————————–
4
Grundprobleme der Mechanik: Anwendungen aus der Newtonschen Mechanik
Die Newtonsche Mechanik beruht auf den so genannten Newton Axiomen (siehe z.B. Physik I-Vorlesung). Alle bisher vorgestellten mathematischen Methoden werden zu deren
Formulierung und Anwendung benötigt. Im Folgenden sind einige Anwendungen aufgeführt und zwei davon vertieft.
4.1
Gradientenfelder und Energieerhaltung
~ (~r).
Es sei ein Kraftfeld F~ (~r) als Gradient eines skalaren Feldes V (~r) gegeben: F~ (~r) = −∇V
Die Funktion V (~r) heißt Potential und kann als potentielle Energie interpretiert werden.
Betrachtet man die Summe aus letzterer und der kinetischen Energie mv 2 /2 = m~v 2 /2 =
m~r˙ 2 /2, so findet man (für den Fall zeitunabhängiger Masse m):
1
E = Ekin + Epot = m~r˙ 2 + V (~r)
2
Kettenregel
~
~
F = −∇V
dV
d~
r
dE
˙
¨
˙
¨
~
= Ė = m~r · ~r +
= m~r · ~r + ∇V (~r) ·
= m~r˙ · ~r¨ − F~ · ~r˙
⇒
dt
dt
dt
m = const.
2. Newton-Axiom:
F~ = m~r¨
= (m~r¨ − F~ ) · ~r˙ = 0
Es folgt also, dass die Gesamtenergie (in Inertialsystemen) erhalten ist:
1
E = m~r˙ 2 + V (~r) = const.
2
Bemerkung: Mit Hilfe der Energierhaltung gelingt in einigen Fällen die Lösung
mechanischer Problemstellungen, ohne dass eine Differentialgleichung
(=
ˆ Newtonsche Bewegungsgleichung) gelöst werden muss.
4.1.1
Der schräge Wurf
−→ siehe Kapitel zu Differentialgleichungen
4.1.2
Das Federpendel
−→ siehe Kapitel zu Differentialgleichungen
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 51
4.1.3
Das mathematische Pendel
−→ siehe Abschnitt 1.4(E) =
ˆ Fadenpendel
Hier:
:::::
4.1.4
Neues Konzept: Phasenraum, siehe Kapitelende
Bewegungsgleichung in Polarkoordinaten
−→ siehe Abschnitt 1.4(E)
4.2
Impulssatz und Drehimpulssatz
Beide kennen Sie wahrscheinlich bereits aus der Physik I-Vorlesung:
m 6= m(t)
Impulssatz :
Drehimpulssatz :
|
F~ = m~r¨ = m~v˙ = p~˙ also:
d~p
= F~
dt
~ = ~r × p~
L
| {z }
Drehimpuls
⇒
~˙ =
L
~r˙ × p~
| {z }
=0, da p
~=m~
r˙
~
+ ~r × p~˙ = ~|r × F~{z= M
}
Drehmoment
also:
~
dL
~
=M
dt
Diese Thematik wird ebenso in den Vorlesungen zur Theoretischen Mechanik behandelt
wie...
4.3
Das Zweiteilchensystem
−→ siehe Mechanik-Vorlesungen
4.4
Zentralkraftfelder und Drehimpulserhaltung
−→ siehe Mechanik-Vorlesungen
—————————————————————————————————————
52 ———————————————————————————————————–
Exkurs:
:::::::::
Der Phasenraum
... ist ein nützliches Konzept zur Beschreibung der dynamischen Möglichkeiten eines physikalischen Systems:
Definition:
Der von den (ggf. verallgemeinerten) Orts- und Geschwindigkeitsvektoren aufgespannte Raum heißt Phasenraum. Eine Kurve (~r(t), ~r˙ (t))
in diesem Raum heißt Phasenbahn.
Beispiel:
Das
Fadenpendel
::::::::::::::::::
Die Phasenbahnen ergeben sich aus der Betrachtung der Energieerhaltung:
~r = l~er ⇒ ~r˙ = l~e˙ r = lϕ̇~eϕ ⇒ ~r˙ 2 = l2 ϕ̇2
1
1
1
m~v 2 = m~r˙ 2 = ml2 ϕ̇2 ; l = const.
Ekin =
2
2
2
Epot = mgh = mg(l − l cos ϕ) = mgl(1 − cos ϕ)
1
⇒
E = Ekin + Epot = ml2 ϕ̇2 + mgl(1 − cos ϕ) = const.
2
r
2
[E − mgl(1 − cos ϕ)]
⇒
ϕ̇ = ±
ml2
Also:
:::::
(ϕ, ϕ̇) = (0, 0), (±2π, 0), ... =
ˆ stabile Fixpunkte (Pendel hängt nach unten)
(ϕ, ϕ̇) = (±π, 0), (±3π, 0), ... =
ˆ instabile Fixpunkte (Pendel hängt nach oben)
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 53
5
Matrizen und Tensoren
(A) Motivation zur Definition von Matrizen
Es gibt vielerlei Anwendungen für Matrizen, z.B.
(A1) Tabellenkalkulation
z.B. Lagerhaltungsbuchführung, Sportergebnisse, Börsenkurse
(A2) Lineare Gleichungssysteme
(I) :
(II) :
−3x1 − 5x2 = −6
2x1 + 3x2 = 3
Lösung mit verschiedenen Möglichkeiten, z.B.:
Alternative 1:
Additionsverfahren
2(I) = (I 0 ) : −6x1 − 10x2 = −12
3(I) = (II 00 ) :
6x1 + 9x2 = 9
(I 0 ) + (II 00 ) 0x1 − 1x2 = −3
Daraus folgt sofort x2 = 3 und x1 = −3 .
Alternative 2:
Matrizen
Man kann das Gleichungssystem formal wie folgt schreiben
M atrix
V ektor
V ektor
}|
z }| { z }| {
{ −3 −5
x1
−6
=
2
3
x2
3
|
{z
} | {z } | {z }
z
A
~
x
!
⇔
−3x1 − 5x2
2x1 + 3x2
=
−6
3
~c
Allgemein kann also geschrieben werden: A ~x = ~c
Wenn eine Matrix A−1 existiert, so dass gilt
A−1 A ~x = ~x = A−1 ~c
wäre die Lösung des Gleichungssystems gefunden.
Die Nutzbarkeit dieser zweiten Alternative erfordert nun die Beantwortung folgender drei
Fragen:
(1) Wie multipliziert man eine Matrix mit einem Vektor?
(2) Wie multipliziert man Matrizen miteinander?
(3) Wie findet man die Matrix A−1 zu der Matrix A?
—————————————————————————————————————
54 ———————————————————————————————————–
(B) Definition von Matrizen
Definition:
Ein rechteckiges Schema der

A11
 A21

A =  ..
 .
Am1
Form
A12
A22
..
.
Am2
A13 . . . A1n
. . . . . . A2n
..
..
..
.
.
.
. . . . . . Amn





von m·n Zahlen Aij heißt Matrix oder auch (m×n) - Matrix. Der erste
Index i = 1, . . . , m bezeichnet die Zeilen, der zweite Index j = 1, . . . , n
die Spalten der Matrix (daher spricht man auch vom Zeilen- bzw. Spaltenindex). Die Zahlen Aij heißen Elemente (oder auch Komponenten)
der Matrix A.
Bemerkung: Die Elemente einer Matrix können (reelle oder komplexe) Zahlen sein,
aber auch Funktionen. Im Folgenden werden die Matrixelemente in
der Regel Zahlen sein.
Definition:
Sind alle Elemente Aij einer Matrix gleich Null, dann spricht man von
einer (m × n) - Nullmatrix.
Definition:
Wenn die Zeilenzahl m und die Spaltenzahl n einer Matrix A gleich
sind, so ist A eine quadratische Matrix. In diesem Fall heißen die Aij
mit i = j Diagonalelemente. Sind nur die Diagonalelemente verschieden von Null und gleich Eins, spricht man von einer (m × n) Einheitsmatrix:


1 0 ... 0
 0 1 ... 0 


E =  ..
.. 
 .
. 
0 0 ... 1
Definition:
Die transponierte Matrix AT zu einer (m × n) - Matrix A ist gegeben
durch


A11 . . . Am1

..
.. 
AT =  ...
.
. 
A1n . . . Amn
und ist eine (n × m)- Matrix.
Beispiel:
2 3 −1
3 1 4
T


2 3
= 3 1 
−1 4
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 55
5.1
Rechenregeln für Matrizen
(A) Addition und Subtraktion von Matrizen
Die Summe S und die Differenz D zweier (m × n) - Matrizen A und B sind durch
Sij = (A + B)ij := Aij + Bij
Dij = (A − B)ij := Aij − Bij
definiert, sie werden also elementweise gebildet.
Beispiel:
3 5 −1
−1
+
2 0
4
0
3 5 −1
−1
−
2 0 4
0
2 3
2 7
=
1 6
2 1
2 3
4 3
=
1 6
2 −1
2
10
−4
−2
Bemerkung: Die Addition und Subtraktion von Matrizen wird also auf die “normale” (und bekannte!) Addition und Subtraktion von reellen (oder
komplexen) Zahlen zurückgeführt.
Bemerkung: Falls A und B nicht die gleiche Zeilen- und Spaltenzahl besitzen, sind
die Summe und die Differenz nicht definiert, also nicht bildbar.
Folgerung:
Aus der Definition der Matrixaddition folgt unmittelbar für die Multiplikation mit einer Zahl (einem Skalar)


λA11 . . . λA1n

..
..  ; λ ∈ R
λA =  ...
.
. 
λAm1 . . . λAmn
(B) Multiplikation von Matrizen
Sei A eine (m × n)-Matrix und B eine (l × m)-Matrix. Dann gilt für das Produkt BA:
(BA)ij :=
m
X
Bik Akj
k=1
welches eine (l × n)-Matrix ist.
Im Spezialfall, dass Akj ein Spaltenvektor ist (also j = 1), kann man schreiben Ak1 = Ak
~ = (A1 , ..., Ak )T und es gilt:
bzw. A
~ i=
(BA)
m
X
Bik Ak
k=1
—————————————————————————————————————
56 ———————————————————————————————————–
Beispiel:
(a)
(b)
(c)


0 2
1 −2 0 
2 −4

−1 3 =
3 2 5
13 17
3 1




0 2 6 4 10
−1 3 1 −2 0 = 8 8 15
3 2 5
3 1
6 −4 5


 
0 2 2
−1 3 4 = −1
1
3 1
13
Bemerkung: Die Matrixmultiplikation erfordert nicht, dass die Matrizen vom selben
Typ sind, sondern lediglich, dass die Spaltenzahl der ersten (’linken’)
gleich der Zeilenzahl der zweiten (’rechten’) Matrix ist.
ˆ verBemerkung: Das Beispiel zeigt, dass die Multiplikation nicht kommutativ (=
tauschbar) ist.
Bemerkung: Eine Division von Matrizen ist nicht definiert.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 57
5.2
Quadratische Matrizen und Determinanten
(A) Definition
Es lässt sich jeder quadratischen (n × n)-Matrix A eine Determinante det(A) = |A|
zuordnen:
Definition:
Die Determinante |A| einer quadratischen (n×n)-Matrix ist der durch
A11 . . . A1n n
X
..
.
.
..
.. =
|A| = .
(−1)1+j A1j ∆1j
An1 . . . Ann j=1
definierte Skalar. Man bezeichnet mit 4ij die ([n − 1] × [n − 1])Unterdeterminanten von A, die gegeben sind durch:
A11
...
A1(j−1)
A1(j+1)
...
A1n ..
..
..
..
..
..
.
.
.
.
.
.
A
.
.
.
A
A
.
.
.
A
(i−1)(j−1)
(i−1)(j+1)
(i−1)n 4ij = (i−1)1
A(i+1)1 . . . A(i+1)(j−1) A(i+1)(j+1) . . . A(i+1)n ..
..
..
..
..
..
.
.
.
.
.
.
A
...
A1(j−1)
A1(j+1)
. . . Ann n1
d.h. in A sind die i-te Zeile und die j-te Spalte gestrichen.
Bemerkung: Die Schreibweise | . . . | hat nichts mit dem Absolutbetrag zu tun. Insbesondere können Determinanten auch negativ sein.
—————————————————————————————————————
58 ———————————————————————————————————–
(B) Laplacescher Entwicklungssatz
Die Berechnung einer Determinante kann durch Entwicklung nach einer beliebigen Zeile
oder Spalte erfolgen:
P
|A| = (−1)i+j Aij 4ij
(Summe über die Spalten
j
=
ˆ Entwicklung nach der i-ten Zeile)
|A| =
P
(−1)i+j Aij 4ij
(Summe über die Zeilen
=
ˆ Entwicklung nach der j-ten Spalte)
i
Bemerkung: Der Faktor (−1)i+j ordnet den Elementen der Determinante ein Vorzeichen gemäß folgendem Schachbrettmuster zu:
+ − + ... − + − ... + − + ... ... ... ... ... Beispiel:
Entwicklung nach der dritten Spalte
3
1
−2
4
2 3
1
4
2
0 = −2 −0 −1 −2
−1 −2
−1 −2 5 3 1
+5 4 2
= 12+10 = 22
Für n = 1, 2, 3 liegen Sonderfälle vor, für die die Determinante besonders einfach berechnet
werden kann:
(1) n = 1 :
A = (A11 ) ⇒ det(A) = A11
(2) n = 2 :
A=
A11 A12
A21 A22
⇒ det(A) = A11 A22 − A12 A21

(3) n = 3 :

A11 A12 A13
A =  A21 A22 A23 
A31 A32 A33
⇒ det(A) = A11 A22 A33 + A12 A23 A31 + A13 A21 A32
−A13 A22 A31 − A11 A23 A32 − A12 A21 A33
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 59
Determinanten werden benötigt u.a. bei der Bestimmung von inversen Matrizen (s.u., (D))
oder auch zur Lösung von Gleichungssystemen. Wir hatten in (A2) z.B.:
−3x1 − 5x2 = −6
2x1 + 3x2 = 3
was sich in Matrixform als
−3 −5
x1
−6
=
2
3
x2
3
schreiben lässt. Aus den drei Determinanten:
−3 −5
= −9 + 10 = 1
D = 2
3
−6 −5
= −18 + 15 = −3
Dx1 = 3
3
−3 −6
= −9 + 12 = +3
Dx2 = 2
3
Daraus folgt:
x1 =
−3
Dx1
=
= −3
D
1
x2 =
Dx2
+3
=
= +3
D
1
Allgemein gilt die Cramersche Regel:
A~x = ~c mit det(A) 6= 0 ⇒ xi =
|Ai |
|A|
wobei die Matrix Ai gegeben ist durch


A11 . . . c1 . . . A1n
 ..
..
.. 
 .
.
. 
An1 . . . cn . . . Ann
d.h. die Elemente der i-te Spalte sind durch die des Vektors ~c ersetzt.
—————————————————————————————————————
60 ———————————————————————————————————–
(C) Eigenschaften von Determinanten
(1) Eine Determinante |A| ist homogen in Bezug auf die Elemente einer Zeile oder Spalte, d.h. multipliziert man eine Zeile oder Spalte mit einer Zahl λ, so gilt:
A11 . . . A1n A11 . . . A1n .
.
..
.. ..
.. .
.
.
. .
. .
.
λAi1 . . . λAin = λ Ai1 . . . Ain = λ |A|
.
.
..
.. ..
.. ..
..
.
. .
. A
A
... A ... A
n1
nn
n1
nn
Insbesondere gilt:
λA11 . . . λA1n
.
..
..
.
.
.
.
|λA| = λAi1 . . . λAin
.
..
..
..
.
.
λA
n1 . . . λAnn
A11 . . . A1n
.
..
..
.
.
.
.
n
= λ Ai1 . . . Ain
.
..
..
..
.
.
A
n1 . . . Ann
= λn |A|
(Beweis: Folgt aus der Definition in (A) bzw. (B))
(2) Eine Determinante
A11 + B11
..
.
An1
|A| ist additiv in Bezug auf die Elemente einer
. . . A1n + B1n A11 . . . A1n B11
..
..
..
..
.. + ..
= .
.
.
.
. .
An1 . . . Ann An1
...
Ann
Zeile oder Spalte
. . . B1n ..
.. .
. . . . Ann (Beweis: Spezialfall von (1) mit B1i = A1i ; i = 1, . . . , n und λ = 2)
(3) Eine Determinante |A| wechselt das Vorzeichen, wenn zwei benachbarte Zeilen (Spalten) vertauscht werden:
A21 . . . A2n A11 . . . A1n A21 . . . A2n A11 . . . A1n ..
..
.. = − ..
..
.. .
.
.
. .
. An1 . . . Ann An1 . . . Ann (Beweis: Folgt aus der Definition in (A), siehe auch (B))
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 61
(4) Sind die Elemente einer Zeile (Spalte) zu denen einer anderen Zeile (Spalte) proportional, so ist die Determinante gleich Null.
(Beweis: Proportionalitätsfaktor nach (1) herausziehen, somit ergeben sich zwei gleiche Zeilen (Spalten). Man sieht, die Vertauschung ändert nichts, jedoch muss nach
!
(3) ein Vorzeichenwechsel auftreten, woraus folgt det(A) = 0)
(5) Eine Determinante |A| ändert sich nicht, wenn man zu einer Zeile (Spalte) ein Vielfaches einer anderen Zeile (Spalte) addiert:
A11 . . . A1n A11 + λAi1 . . . A1n + λAin .
..
.. ..
..
..
.
.
.
.
.
.
.
Ai1
...
Ain
Ai1 . . . Ain = .
.
.
.
.
.
..
..
.. ..
..
..
A
... A
A
...
A
n1
nn
n1
nn
(Beweis: Nach (2) in zwei Determinanten aufspalten, woraus sich bei der zweiten
Determinante zwei zueinander proportionale Zeilen ergeben, somit folgt diese nach
(4) zu Null)
(6) Die Determinante der transponierten Matrix |AT | stimmt mit der Determinante |A|
der ursprünglichen Matrix A überein, also |AT | = |A|, d.h. eine Determinante verändert ihren Wert nicht, wenn man ihre Zeilen und Spalten vertauscht.
(Beweis: Siehe (B).)
Bemerkung: Eigenschaft (5) ist besonders wichtig, da sie die Berechnung von Determinanten wesentlich vereinfacht.
—————————————————————————————————————
62 ———————————————————————————————————–
(D) Die Inverse einer Matrix
Mit Hilfe des bisher Besprochenen lässt sich nun die in (A, Alternative 2) gesuchte Matrix
A−1 bestimmen. Es gilt:
Definition:
Die inverse Matrix A−1 zu einer quadratischen Matrix A erfüllt
A−1 A = E und A A−1 = E
und ihre Elemente sind gegeben durch
(A−1 )ij =
1
(−1)i+j 4ji =
|A|
1
(−1)i+j 4Tij
|A|
wobei 4ij die Unterdeterminanten (s.o.) der Matrix A sind.
Beispiel:
Wir hatten in Alternative A2 das lineare Gleichungssystem geschrieben als A~x = ~c mit
−3 −5
−6
A=
und ~c =
2
3
3
Mit obiger Definition und det A = 1 findet man:
(A−1 )11
(A−1 )12
(A−1 )21
(A−1 )22
=
=
=
=
(−1)1+1 411
(−1)1+2 421
(−1)2+1 412
(−1)2+2 422
= (−1)2 · 3 = 3
= (−1)3 · (−5) = 5
= (−1)3 · 2 = −2
= (−1)4 · (−3) = −3
Damit lässt sich das Gleichungssystem
3
5
−3 −5
x1
−2 −3
2
3
x2
1 0
x1
⇒
0 1
x2
x1
⇒
x2
⇒
A
−1
=
3
5
−2 −3
wie folgt lösen:
3
5
−6
=
−2 −3
3
−3
=
3
−3
=
3
Also: x1 = −3 und x2 = 3 X
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 63
5.2.1
Taylor-Entwicklung
Wir hatten gesehen, dass wir ein skalares Feld Φ(~r) Taylor-entwickeln können:
3
1 X
Φ(~r) = Φ(~r0 ) +
1! j=1
∂Φ
∂xj
3
1 X ∂ 2 Φ ∆x
+
∆xk ∆xj + ...
j
2! k,j=1 ∂xk ∂xj ~r0
~
r0
Das lässt sich mit Hilfe von Vektor- und Matrixnotation kompakter schreiben:
1
Φ(~r) = Φ(~r0 ) + d~ · (~r − ~r0 ) + (~r − ~r0 )T Q(~r − ~r0 )
2
wobei definiert wurde:
~
~
d = (∇Φ)
~
r0


x1 − x01
(~r − ~r0 ) = x2 − x02 
x3 − x03
(~r − ~r0 )T = (x1 − x01 , x2 − x02 , x3 − x03 )
(Q)jk =
∂ 2Φ
∂xk ∂xj
Die (neuen) Größen d~ und Q sind nicht nur hilfreiche Abkürzungen, sondern erhalten
im Rahmen einer so genannten Multipolentwicklung von Feldern eine anschauliche - und
damit physikalische - Bedeutung (Dipol- und Quadrupolmoment).
—————————————————————————————————————
64 ———————————————————————————————————–
5.2.2
Eigenwerte und Eigenvektoren
Einer Matrix A können besondere Skalare und Vektoren zugeordnet werden, nämlich so
genannte Eigenwerte und Eigenvektoren. Sie sind definiert durch:
A~x = λ~x ; ~x 6= ~0
Ist diese Gleichung erfüllt, ist λ ein Eigenwert von A und ~x ein Eigenvektor von A.
Folgerung:
Wenn ~x ein Eigenvektor von A ist, dann ist auch α~x, α 6= 0, ein
Eigenvektor von A.
Wie kann man alle Eigenwerte und Eigenvektoren zu einer Matrix A finden?
Dazu betrachte:
Einheitsmatrix: ~x = E~x
|
A~x = λ~x = λE~x
⇒
(A − λE)~x = ~0
Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten:
(a)
(b)
|A − λE| =
6 0
⇒
eindeutige Lösung: ~x = ~0
|A − λE| = 0


A11 . . . A1n

..
..  − λ
⇔  ...
.
. 
An1 . . . Ann
⇒
~x kein Eigenvektor (s.o.)

A11 − λ
A
.
.
.
A
12
1n 1 0 . . . 0 ..
..
0 1

.
A
−
λ
.


22
 ..
 = .
.
.
.
.
.
.

·
.
.
.
A
0
1 ...
Ann − λ
n1
|
{z
}
Polynom n-ten Grades in λ

⇔ (−1)n λn + ... + a2 λ2 + a1 λ + a0 = 0
Mit den n (i.A. komplexen) Nullstellen λ1 , ..., λn ∈ C gilt schließlich:
(λ1 − λ)(λ2 − λ)...(λn − λ) = 0
Zu jedem gefundenen λ1 , ..., λn lassen sich nun die Eigenvektoren berechnen.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 65
Beispiel:
A=
1 4
4 1
⇒
1 − λ
4
= (1 − λ)2 − 16 =! 0
|A − λE| = 4
1 − λ
⇒
1 − λ = ±4
⇒
λ1 = −3 ; λ2 = 5
=
ˆ Eigenwerte
Die Eigenvektoren folgen aus:
1 − λ1
4
x1
0
4x1 + 4x2
0
(i)
λ1 = −3 :
=
⇔
=
4
1 − λ1
x2
0
4x1 + 4x2
0
(ii)
λ1 = 5 :
⇒ x2 = −x1 ; Wähle x2 = 1 ⇒ x1 = −1
1 −1
⇒ Normierter Eigenvektor: √
2 1
0
0
−4x1 + 4x2
1 − λ2
4
x1
=
=
⇔
4x1 − 4x2
0
x2
0
4
1 − λ2
⇒ x2 = x1 ; Wähle x2 = 1 ⇒ x1 = 1
1 1
⇒ Normierter Eigenvektor: √
2 1
Man kann allgemein zeigen (siehe Korsch):
(1) Die Eigenwerte einer reellen, symmetrischen Matrix sind reell.
Bsp.:
:::::
X
(2) Die Eigenvektoren einer reellen, symmetrischen Matrix zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal.
1 1
1
1 −1
√
·√
= (−1 + 1) = 0 X
Bsp.:
:::::
2
2 1
2 1
(3) k Eigenvektoren einer Matrix A, deren zugehörige Eigenwerte sämtlich verschieden
sind, sind linear unabhängig.
Bsp.:
:::::
X
(Beweis: Vollständige Induktion)
—————————————————————————————————————
66 ———————————————————————————————————–
(4) Eine (n × n) Matrix A, deren Eigenwerte sämtlich verschieden sind, läßt sich durch
eine Matrix Q−1 mit Q−1 AQ auf Diagonalform transformieren. Die Matrix Q ist
gebildet aus den Eigenvektoren von A (als Spaltenvektoren von Q).
1 4
−1
1
Bsp.:
A=
; ~x1 =
; ~x2 =
:::::
4 1
1
1
1
−1 1
1 −1
−1
⇒ Q=
⇒ Q =−
1 1
2 −1 −1
3 5
1 4
−1 1
−1
−1
−1
=Q
⇒ Q AQ = Q
−3 5
4 1
1 1
1 6 0
1
1 −1
3 5
=−
=−
−3 5
2 −1 −1
2 0 −10
−3 0
λ1 0
=
=
=: Adiag
0 5
0 λ2
Dieses Ergebnis gilt allgemein:
(5) Mit den Bezeichnungen aus (4) gilt:
Q−1 AQ = Adiag = δjk λk
Oder:
A = QAdiag Q−1
Bemerkung: Es können auch so genannte singuläre Matrizen (d.h. solche mit Determinante Null) diagonalisiert werden.
Bemerkung: Es können nicht alle Matrizen diagonalisiert werden (Beispiele siehe
Korsch).
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 67
5.2.3
Der Trägheitstensor
Motivation:
::::::::::::
− Lineare Bewegung:
p~ = m~v ;
− Rotationsbewegung:
~ = I~ω ;
L
m=
ˆ Skalar
I=
ˆ Matrix
Der so genannte Trägheitstensor I beschreibt den (nicht trivialen!) Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit ω
~ und ist definiert als (r2 = x21 + x22 + x23 ):
dm
dV
ρ=
Z
Iij =
Z
[δij r − xi xj ]dm = [δij r2 − xi xj ] ρ dV
2
Offenbar ist wegen Iji = Iij der Trägheitstensor symmetrisch, hat daher reelle Eigenwerte I1 , I2 , I3 (=
ˆ Hauptträgheitsmomente) und zugehörige orthogonale Eigenvektoren (=
ˆ
Hauptträgheitsachsen). Letztere bilden ein ausgezeichnetes Bezugssystem (=
ˆ Hauptachsensystem).
Diese Thematik wird in der Physik I-Vorlesung angesprochen und in den Veranstaltungen
zur Theoretischen Mechanik (B.Sc.) und zu den Grundlagen der Mechanik und Elektrodynamik (B.A.) vertieft.
—————————————————————————————————————
68 ———————————————————————————————————–
5.3
Anwendung von Matrizen: Drehungen, Spiegelungen, etc.
Es lassen sich zunächst zwei Fälle unterscheiden, nämlich die Drehung eines Vektors in
einem Koordinatensystem und die Drehung eines Koordinatensystems.
(A) Drehung eines Vektors in einem Koordinatensystem
v = |~v | = |~v 0 | ;
α = α1 + α2 ;
v1
v2
v10
v20
= v sin α1
= v cos α1
= −v sin α2
= v cos α2
Mit den Additionstheoremen für sin und cos (vgl. Anhang, Abschnitt (f)):
sin(α ± β) = sin α cos β ± sin β cos α
cos(α ± β) = cos α cos β ∓ sin α sin β
gilt hier mit α = α1 sowie β = α2 :
v v 0 v v 0 2
1
2
1
−
v
v
v
v
v v 0 v v 0 2
1
2
1
cos α = cos(α1 + α2 ) = cos α1 cos α2 − sin α1 sin α2 =
+
v
v
v
v
Also:
sin α = sin(α1 + α2 ) = sin α1 cos α2 + cos α1 sin α2 =
v1 v20 = v 2 sin α + v2 v10
v 2 cos α = v2 v20 + v1 v10
| · v1
(I)
(II)
Durch Einsetzen von (I) in (II) ergibt sich somit:
⇒
v10 = v1 cos α − v2 sin α
v1 v20 = v 2 sin α + v2 v1 cos α − v22 sin α
v1 v20 = v12 sin α + v2 v1 cos α
⇒
v20 = v1 sin α + v2 cos α
v1 v 2 cos α = v2 v 2 sin α + v22 v10 + v12 v10
| {z }
v 2 v10
Setzt man nun v10 in (I) ein:
⇔
Folglich:
v10
v20
| {z }
gedrehter Vektor
=
cos α − sin α
sin α cos α
|
{z
}
Drehmatrix zur
Drehung eines Vektors
v1
v2
| {z }
ursprünglicherVektor
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 69
(B) Drehung des Koordinatensystems
~v =
v1
v2
=
K
v10
v20
; v = |~v |
K0
Hier gilt:
v1 = v cos β
v2 = v sin β
⇒
;
;
v10 = v cos(β − α) = v cos β cos α + v sin β sin α
v20 = v sin(β − α) = v sin β cos α − v cos β sin α
v10 =
v1 cos α + v2 sin α
v20 = −v1 sin α + v2 cos α
Folglich:
cos α sin α
v1
v10
=
− sin α cos α
v2
v20 K 0
{z
} | {z K}
|
| {z }
Vektor ~v in K’
Drehmatrix zur Dre- Vektor ~v in K
hung eines Koord.-Syst.
Bemerkung: Im Unterschied zu (A) bleibt der Vektor ~v derselbe, nur seine Darstellung in Bezug auf das neue Koordinatensystem ändert sich.
Bemerkung: Die beiden Drehmatrizen aus (A) und (B) lassen sich durch Übergang
von α zu −α ineinander überführen (anschaulich klar!).
—————————————————————————————————————
70 ———————————————————————————————————–
Die Drehmatrix zur Drehung eines Koordinatensystems kann auch mit Hilfe der Einheitsvektoren bestimmt werden:
~v = v10 ~e1 0 + v20 ~e2 0 = v1~e1 + v2~e2 | · ~e01
= v10 ~e1 0 · ~e1 0 +v20 ~e2 0 · ~e1 0 = v1 ~e1 · ~e1 0 +v2
| {z }
| {z }
| {z }
1
0
cos α
Analog
~e2 · ~e1 0
| {z }
⇒ v10 = v1 cos α + v2 sin α
cos(90o − α)
= sin α
~v = v10 ~e1 0 + v20 ~e2 0 = v1~e1 + v2~e2 | · ~e02
= v10 ~e1 0 · ~e2 0 +v20 ~e2 0 · ~e2 0 = v1
| {z }
| {z }
0
1
Also erneut
v10
v20
cos(90o + α)
= − sin α
=
K0
~e1 · ~e2 0
| {z }
+v2 ~e2 · ~e2 0
| {z }
⇒ v20 = −v1 sin α + v2 cos α
cos α
cos α sin α
− sin α cos α
v1
v2
K
Verallgemeinert man auf den R3 , so gilt für eine Drehung um den Winkel α um die


x1 − Achse:
D x1

1
0
0
=  0 cos α sin α 
0 − sin α cos α

0
~e20 = cos α
 sin α 
0
~e30 = − sin α
cos α


x2 − Achse:
D x2

cos α 0 − sin α

1
0
=  0
sin α 0 cos α

cos α
~e10 =  0 
− sin α
sin α
~e30 =  0 
cos α


x3 − Achse:
Folgerung:
D x3

cos α sin α 0
=  − sin α cos α 0 
0
0
1

cos α
~e10 =  sin α 
 0 
− sin α
0

~e2 = cos α 
0
Die Einheitsvektoren des gedrehten Koordinatensystems K’ sind gleich
den Zeilen der Drehmatrix, die K in K’ überführt.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 71
Wie lautet nun die Drehmatrix, die K’ in K überführt?
Das ist natürlich die ’Rückdrehung’, also die inverse Matrix.
Beispiel:
Für die Matrix D einer Drehung um den Winkel α um die Achse x3
gilt:


cos α sin α 0
D(α) =  − sin α cos α 0 
0
0
1
Die Inverse berechnet sich aus (siehe 5.2(D))
(D−1 )ij =
(−1)i+j ∆ji
|D|
Es gilt:
|D| = cos2 α + sin2 α = 1
∆11 = cos α
∆21 = sin α
∆31 =
0
⇒
D−1 (α)
;
;
;
=
∆12 = − sin α ; ∆13 = 0
∆22 = cos α ; ∆23 = 0
∆32 =
0 ; ∆33 = 1


cos α − sin α 0
 sin α cos α 0  = D(−α)
0
0
1
Offenbar gilt also:
D−1 = DT
Solche Matrizen heißen orthogonale Matrizen, die entsprechenden
Transformationen heißen orthogonale Transformationen.
—————————————————————————————————————
72 ———————————————————————————————————–
Aus dem Beispiel lässt sich ablesen (und auch beweisen, siehe Mathematikvorlesung):
Folgerung:
Drehmatrizen haben die Determinante 1.
Folgerung:
Drehmatrizen sind orthogonale Matrizen, das heißt D−1 = DT .
Folgerung:
Die Einheitsvektoren des Koordinatensystems K’ sind die Zeilen der
Drehmatrix D, die K in K’ überführt.
Folgerung:
Die Einheitsvektoren des Koordinatensystems K sind die Spalten der
Drehmatrix D, die K in K’ überführt, (=
ˆ die Zeilen der Drehmatrix
D−1 , die K’ in K überführt).
Es gilt allgemein für eine Drehung D von K nach K’:
 0

~e1 · ~e1
~e1 0 · ~e2
~e1 0 · ~e3
~e2 0 · ~e2
~e2 0 · ~e3 
D =  ~e2 0 · ~e1
mit ~ei 0 · ~ej = Dij = cos ^(~ei 0 , ~ej )
~e3 0 · ~e1
~e3 0 · ~e2
~e3 0 · ~e3
Insbesondere gilt dann:
3
P
• ~ei 0 , ~ei sind Einheitsvektoren ⇒
2
Dki
=1
(3 Bedingungen: i = 1, 2, 3)
k=1
• ~ei 0 bzw. ~ej 0 orthogonal ⇒
3
P
Dki Dkj = 0
(3 Bedingungen: (i, j) = (1, 2), (1, 3), (2, 3))
k=1
Kompakt lassen sich diese sechs Bedingungen schreiben als:
3
X
k=1
Dki Dkj = δij
bzw.
3
X
Dik Djk = δij
k=1
Wegen dieser Bedingungen sind nur drei Elemente Dij einer beliebigen Drehmatrix im R3
unabhängig (frei wählbar). Diese entsprechen anschaulich den Drehwinkeln.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 73
(C) Spiegelung, Inversion, Drehspiegelung
Diese Transformationen werden ebenfalls durch orthogonale Matrizen (s.o.) beschrieben,
allerdings durch solche mit Determinante -1.
Beispiel:


1 0 0
(a) Spiegelung an der x1 , x3 -Ebene: S =  0 −1 0 
0 0 1
S
−→


−1 0
0
(b) Inversion (=
ˆ Punktspiegelung): I =  0 −1 0 
0
0 −1
I
−→
(c) Drehspiegelung: Drehung um x3 -Achse und Spiegelung von x2 :


 

1 0 0
cos α sin α 0
cos α sin α 0
DS =  0 −1 0   − sin α cos α 0  =  sin α − cos α 0 
0 0 1
0
0
1
0
0
1
|
{z
}|
{z
}
S
D
Bemerkung: Motivation zur Definition solcher Symmetrieoperatoren ist z.B. die
Untersuchung von Molekülstrukturen bzw. deren physikalischen Eigenschaften.
—————————————————————————————————————
74 ———————————————————————————————————–
5.3.1
Transformation von Vektoren
Was bisher über orthogonale Transformationen gesagt wurde, lässt sich verallgemeinern:
Sei ~u ein Vektor in einem 3-dim. Vektorraum V mit der ’Basis’ B = {~v1 , ~v2 , ~v3 }, dann
gilt:
X
~u = u1~v1 + u2~v2 + u3~v3 =
uj ~vj = (u1 , u2 , u3 )B
j
Bezüglich einer anderen Basis B0 = {~v1 0 , ~v2 0 , ~v3 0 } gilt die Darstellung:
X
~u = u01~v1 0 + u02~v2 0 + u03~v3 0 =
u0i~vi 0 = (u01 , u02 , u03 )B0
i
Besteht nun zwischen den neuen und alten Basisvektoren der Zusammenhang
(mit Dij = Dij =
ˆ orthogonale Transformation):
X
~vi 0 =
Dij ~vj
j
so findet man:
~u =
X
u0i~vi 0 =
i
X
u0i
X
i
XX
Dij u0i ~vj
Dij ~vj =
j
j
|
{z
~vi
0
i
|
}
{z
!
}
=uj
Also:
uj =
X
Dij u0i
⇒
u0i =
i
Die letzte Folgerung ergibt sich aus
X
Dij uj
Transformation eines Vektors
Dkj uj =
XX
j
X
j
i
Dkj Dij u0i = u0k , dann ‘umindizie-
j
|
{z
δki
}
ren’ k → i.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 75
Beispiel:
       
1
0
0








0 ,
1 ,
0
Sei B = {~e1 , ~e2 , ~e3 } =


0
0
1
  
 

 
0
0
1


 0  , √1  1  , √1  −1 
und B0 = {~v1 0 , ~v2 0 , ~v3 0 } =


2
2
1
1
0


1
0√
0√
D = 0 1/ √2 1/√2
0 −1/ 2 1/ 2
⇒
⇒
 0
  

~e1
~v1
~e1
~v2 0  = D ~e2  =  √12 ~e2 + √12 ~e3 
− √12 ~e2 + √12 ~e3
~v3 0
~e3

 0
  
u1
u1
u1
u2 0  = D u2  =  √12 u2 + √12 u3 
− √12 u2 + √12 u3
u3 0
u3


2
Sei ~u = 2~e1 − 1~e2 + 3~e3 = −1 .
3 B
Dann folgt:
 

 
   

2
1
2
0
0
√
√
√
1  
1    




1 + 2 2√
−1 = −1
= 2 0 + 2√
~u =
√2
2
2
0
3
1
1
2 2 B0
X
Die Transformationsformel kann zur Definition eines Vektors verwendet werden, das heißt
ein Objekt ist genau dann ein Vektor, wenn seine Komponenten sich gemäß der Transformationsformel transformieren.
—————————————————————————————————————
76 ———————————————————————————————————–
Bemerkung: Es gibt ‘Vektoren’, die der obigen Formel nicht für alle orthogonalen
Transformationen genügen, siehe die Inversion I (s.o.):


 

−1 0
0
u1
−u1
I ~u =  0 −1 0   u2  =  −u2  = −~u
’polare Vektoren’
0
0 −1
u3
−u3
Und es gilt:
(I ~u) × (I ~v ) = (−~u) × (−~v ) = ~u × ~v
’achsiale Vektoren’
das heißt, dass ein über das Vektorprodukt definierter ’Vektor’ seine
Richtung bei Inversion (Punktspiegelung) nicht ändert.
Beispiel:
Physikalische Beispiele sind:
~ mit M
~ = ~r × F~
• Drehmoment M
~ mit L
~ = ~r × p~
• Drehimpuls L
• Winkelgeschwindigkeit ω
~ mit ~v = ω
~ × ~r
Dies sind achsiale Vektoren, die einen Drehsinn definieren. Der Drehsinn bleibt bei einer Inversion erhalten. Man spricht auch von Pseudovektoren.
Bemerkung: Analog kann man zwei verschiedene ’Typen’ von Skalaren unterscheiden, nämlich solche, die bei einer Inversion unverändert bleiben (echte
Skalare) bzw. ihr Vorzeichen ändern (Pseudoskalare). Ein Beispiel zu
letzteren ist das Spatprodukt (s.o.).
5.3.2
Transformation von Matrizen
Analog zur Vektortransformation in ein neues Koordinatensystem ist die Transformation
von Matrizen definiert:
PP
(A)0il =
Djk Dlk (A)jk
Transformation einer Matrix
j
k
d.h. die Matrixelemente (A)jk transformieren sich bzgl. beider Indizes wie ein Vektor.
Bemerkung: Die oben angegebene Transformation entspricht A0 = DADT .
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 77
Die in 5.3.1 und 5.3.2 angegebenen Transformationen lassen sich auf Größen mit n Indizes verallgemeinern. Damit können dann allgemein Tensoren n-ter Stufe definiert werden
(Bsp.: Levi-Civita-Symbol, s.o.).
Beispiel:
Für die Rotationsenergie eines starren Körpers in einem Koordinatensystem K gilt:
Erot
3
3
1 XX
=
Imn ωm ωn
2 m=1 n=1
In einem relativ zu K gedrehten Koordinatensystem K0 gilt:
3
0
Erot
3
1 XX 0 0 0 !
I ω ω = Erot
=
2 k=1 l=1 kl m n
weil die Rotationsenergie in beiden Koordinatensystemen gleich sein
muss. Unter Verwendung der Transformationsformeln aus 5.3.1 und
5.3.2 gilt hier:
ωk0
=
3
X
Dki ωi ;
i=1
ωl0
=
3
X
Dlj ωj ;
0
Ikl
=
3 X
3
X
Dkm Dln Imn
m=1 n=1
j=1
Damit hat man:
0
Erot
3
3
3
3
1 XX 0 0 0
I ω ω
=
2 k=1 l=1 kl m n
1 XX
=
2 k=1 l=1
3 X
3
X
!
Dkm Dln Imn
m=1 n=1
3
X
!
Dki ωi
i=1
3
X
!
Dlj ωj
j=1
Beachtet man die Eigenschaften der Drehung:
3
X
k=1
Dkm Dki = δmi und
3
X
Dln Dlj = δnj
l=1
so folgt:
0
Erot
3
3
3
3
1 XX XX
Imn ωi ωj δmi δnj
=
2 m=1 n=1 i=1 j=1
!
3
3
1 XX
=
Imn ωm ωn = Erot
2 m=1 n=1
und damit die geforderte Gleichheit der Rotationsenergie in beiden
Koordinatensystemen.
—————————————————————————————————————
78 ———————————————————————————————————–
6
Gewöhnliche Differentialgleichungen
(A) Motivation
Eine Gleichung für eine zu bestimmende Funktion und mindesten eine ihrer Ableitungen heißt Differentialgleichung (Dgl). Differentialgleichungen (Dgln) sind fundamental zur
Beschreibung von natürlichen, künstlichen oder auch gesellschaftlichen Vorgängen (man
denke zum Beispiel an die Newtonsche Bewegungsgleichung, technische Vorrichtungen,
Lernprozesse, etc.).
Betrachten wir zunächst einige Beispiele:
(A1) Populationswachstum
Eine Population (z.B. Tiere, Menschen, Pflanzen, Bakterien) habe zum Zeitpunkt t die
Größe P (t).
Annahme:
Sei ∆P ∼ P (t)∆t, dann gilt:
:::::::::::
∆P = P (t + ∆t) − P (t) = γP (t)∆t ,
γ = const.
Im Grenzfall ∆t → 0 gilt:
dP
∆P
=
= Ṗ = γP , γ = const. (Dgl I)
∆t→0 ∆t
dt
lim
Das Wachstum Ṗ einer Population ist in dieser Beschreibung also zum Zeitpunkt t proportional zur Population P (t).
Man sieht sofort, dass
P (t) = C exp(γt) ; C, γ = const.
die allgemeine Lösung der Dgl. ist.
Dieses exponentielle Wachstum kann nur für einen endlichen Zeitraum vorliegen, danach
werden beschränkte Resourcen das Wachstum negativ beeinflussen. Aus diesem Grund
macht man die weitere ::::::::::
Annahme: Es gibt eine Maximalpopulation Pmax , so dass
dP
= γP
dt
P
1−
= γP − τ P 2 mit τ = γ/Pmax ; γ, τ = const.
Pmax
(Dgl II)
Dies ist die sogenannte logistische Differentialgleichung.
Zusätzliche ::::::::::
Annahme: γ, τ können explizit zeitabhängig sein, und es existiert eine externe
Populationszu- oder -abnahme s(t). Damit gilt dann:
dP
= γ(t)P − τ (t)P 2 + s(t)
dt
(Dgl III)
Bei den bisherigen Beispielen handelt es sich um lineare (Dgl I) bzw. nichtlineare (Dgl
II,III) Differentialgleichungen, mit konstanten (Dgl I,II) und nicht-konstanten Koeffizienten (Dgl III). Man unterscheidet auch homogene (Dgl I,II) und inhomogene (Dgl III)
Differentialgleichungen. Alle drei Gleichungen sind von 1. Ordnung.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 79
(A2) Die Newtonsche Bewegungsgleichung
... ist eine Dgl zweiter Ordnung:
m
d2~r(t)
= m~r¨ = F~
dt2
Bezogen auf die Vektorkomponenten handelt es sich um ein System von drei (i.a. gekoppelten) Dgln. Siehe auch Kapitel 4.
(A3) Zerfallsgesetze
Annahme:
Die Zerfallsrate einer Substanz n sei proportional zur vorhandenen Menge:
::::::::::
dn
= −λn , 0 < λ = const. =
ˆ
dt
“inverses Wachstum” (vgl. mit Dgl I)
(Beispiele: Radioaktiver Zerfall, Wäschetrocknung,...)
(B) Terminologie
Definition:
Eine Dgl für eine Funktion einer einzelnen unabhängigen Veränderlichen heißt gewöhnliche Differentialgleichung. Man spricht von einer
partiellen Differentialgleichung, wenn die gesuchte Funktion von mehreren Variablen abhängt und partielle Ableitungen auftreten.
Die höchste auftretende Ableitung bestimmt die Ordnung der Differentialgleichung.
Eine gewöhnliche Dgl n-ter Ordnung hat die allgemeine implizite
Form:
dn y dy d2 y
F x, y, , 2 , ..., n = 0 ⇔ F (x, y, y 0 , y 00 , ..., y (n) ) = 0
dx dx
dx
mit einer Funktion F von (n + 2) unabhängigen Veränderlichen. Ist es
möglich, diese implizite Form auf
y (n) = f (x, y, y 0 , y 00 , ..., y (n−1) )
zu bringen, d.h. ein geeignetes f (=
b Funktion von (n + 1) unabhängigen Veränderlichen) zu finden, dann liegt eine explizite Differentialgleichung vor.
—————————————————————————————————————
80 ———————————————————————————————————–
(C) Lineare Differentialgleichung erster Ordnung
Eine solche hat die allgemeine Form:
y0 =
dy
= γ(x)y + s(x)
dx
mit y = y(x). Ist die so genannte Störfunktion s(x) = 0, liegt eine homogene Dgl erster
Ordnung vor, sonst eine inhomogene Dgl.
(C1) Allgemeine Lösung der homogenen Dgl
Es gilt:
dy
1 dy
dy
= γ(x)y ⇔
dx =
= γ(x)dx
dx
y dx
y
Zy
Zx
dy 0
⇒
= γ(x0 )dx0
y0
y(x0 )
(“Separation der Variablen”)
x0
Zx
y
= γ(x0 )dx0
ln(y) − ln(y(x0 )) = ln
y(x0 )
x0
 x

Z


y(x) = y(x0 ) exp
γ(x0 )dx0


⇒
⇒
x0
Der gegebene Wert y(x0 ) heißt Anfangswert und das mit y 0 = γ(x)y und y(x0 ) = y0
definierte Problem wird als Anfangswertproblem bezeichnet.
Ohne speziellen Anfangswert spricht man von der allgemeinen Lösung und schreibt:
Z
y(x) = C exp
0
γ(x )dx
0
; C = const.
Bemerkung: Mit γ(x0 ) = const. ergibt sich das exponentielle Wachstum einer beliebig gewählten Population (siehe oben).
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 81
Beispiel:
Verkaufsrückgang bei steigenden Preisen:
Sei v(p) der (z.B. wöchentliche) Verkauf eines Produktes zum Stückpreis von p Euro.
Annahme:
Die Verkaufsänderungsrate sei gegeben durch:
:::::::::::
λ
dv 1
=−
; λ = const. > 0
dp v
p
Mit den Zuordnungen
p ↔ x,
v(p) ↔ y(x) und
−
λ
↔ γ(x)
p
ist diese Dgl als lineare, homogene Differentialgleichung erster Ordnung klassifiziert. Folglich ist die Lösung:

 p
Z
λ 0
− 0 dp
v(p) = v(p0 ) exp


p
p0
λ
p
p0
= v(p0 ) exp −λ ln
= v(p0 )
p0
p
Zwar nimmt offenkundig v(p) mit steigendem/fallendem p ab/zu, aber
es gilt auch:
lim v(p) = ∞
p→0
Dies ist natürlich sehr schön für den Verkäufer, jedoch unrealistisch.
Daher kann der folgende verbesserte
Ansatz gemacht werden:
:::::::::::::::::::
v
dv
= −λ
; λ, µ = const. > 0
dp
µ+p
mit der Lösung:
v(p) = v(p0 )
µ + p0
µ+p
und damit
lim v(p) = v(p0 )
p→0
µ + p0
µ
λ
λ
<∞
womit der Verkauf endlich bleibt.
—————————————————————————————————————
82 ———————————————————————————————————–
(C2) Allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl
Sei yp (x) eine so genannte partikuläre Lösung, das heißt irgendeine (irgendwie bestimmte,
s.u.) Lösung der inhomogenen Dgl und y(x) eine beliebige andere. Dann gilt:
z 0 (x) :=
=
=
=
[y(x) − yp (x)]0 = y 0 (x) − yp0 (x)
[γ(x)y(x) + s(x)] − [γ(x)yp (x) + s(x)]
γ(x)[y(x) − yp (x)]
γ(x)z(x)
Offenbar ist z(x) := y(x) − yp (x) Lösung der homogenen Differentialgleichung. Folglich:
Z
0
0
z(x) = C exp
γ(x )dx = y(x) − yp (x)
Z
⇒ y(x) = yp (x) + C exp
0
γ(x )dx
0
;
C = const.
ähnlich wie oben lässt sich mit einem Anfangswert y(x0 ) die Konstante C bestimmen:
C = y(x0 ) − yp (x0 )
Also:
Die allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen Dgl erster Ordnung ergibt sich
:::::
aus der Summe einer speziellen (partikulären) Lösung der inhomogenen Dgl und der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen Dgl.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 83
Beispiel:
Lernprozess:
Sei L(t) die Menge eines Lernstoffes, der bis zum Zeitpunkt t von einer
Person aufgenommen wurde. Mit L(0) = 0 und den Erfahrungen
• Lernprozess anfangs rasch, dann langsamer
• Annäherung an Maximalwert Lmax
gilt der :::::::
Ansatz:
dL
= k(Lmax − L) ;
dt
k = const > 0
Eine partikuläre (spezielle) Lösung der inhomogenen Dgl lautet (hier
geraten, systematischer siehe unten):
Lp (t) = Lmax
Die allgemeine Lösung der homogenen Dgl
durch (siehe C1):
LH (t) = C exp {−kt}
dL
= −kL ist gegeben
dt
; C = const.
Also gilt für die allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl:
L(t) = Lp (t) + LH (t) = Lmax + C exp {−kt}
Mit dem Anfangswert L(0) = 0 findet man weiter:
L(0) = 0 = Lmax + C ⇒ C = −Lmax
⇒ L(t) = Lmax − Lmax exp {−kt}
⇒ L(t) = Lmax (1 − exp {−kt}) , t ≥ 0
Skizze:
:::::::
—————————————————————————————————————
84 ———————————————————————————————————–
Bemerkung: Die Darstellung der allgemeinen Lösung ist nicht eindeutig. Für das
angegebene Beispiel gilt nämlich alternativ:
Lp2 (t) = Lmax + exp{−kt}
⇒ L(t) = Lp2 (t) + LH (t) = Lmax + (C + 1) exp{−kt}
Da die Konstante C beliebig ist, ist diese Lösung gleichwertig zu der
aus obigem Beispiel.
Erst durch Vorgabe eines Anfangswertes wird die Lösung eindeutig:
L(0) = 0
⇒
Lmax + C + 1 = 0
⇒
C = −Lmax − 1
Damit findet man:
L(t) = Lmax + (−Lmax − 1 + 1) exp{−kt} = Lmax (1 − exp{−kt})
also die selbe Lösung wie im Beispiel.
Exkurs:
:::::::::
Wie findet man eine partikuläre Lösung?
(a) Eine solche partikuläre Lösung ist oft der Störfunktion ähnlich, so dass ein entsprechender Ansatz gemacht werden kann.
Beispiel:
y 0 = 3y + exp(2x)
:::::::::
⇒
s(x) = exp(2x)
Ansatz:
y = A exp(2x) , A = const.
:::::::: p
Einsetzen in Dgl:
⇒
yp0 = 2A exp(2x)
2A exp(2x) = 3A exp(2x) + exp(2x)
⇔0=A+1
⇒
A = −1
⇒
yp = − exp(2x)
(b) Systematischer gelingt die Bestimmung einer speziellen Lösung mit der so genannten
Variation der Konstanten. Dazu bestimmt man zunächst die allgemeine Lösung der
homogenen Dgl und variiert anschließend in ihr die Konstante C.
Beispiel:
y 0 = 3y + exp(2x)
:::::::::
⇒
homogene Dgl: y 0 = 3y
⇒
yH = C exp(3x)
Nun Variation der Konstanten, d.h. C = C(x):
Ansatz:
::::::::
yp = C(x) exp(3x)
⇒
yp0 = C 0 (x) exp(3x) + 3C(x) exp(3x)
C 0 (x) exp(3x) + 3C(x) exp(3x) = 3C(x) exp(3x) + exp(2x)
R
⇒ C 0 (x) = exp(−x) ⇒ C(x) = exp(−x)dx = − exp(−x)
Einsetzen in Dgl:
⇒ yp = C(x) exp(3x) = − exp(−x) exp(3x) = − exp(2x)
Bemerkung: Beide Alternativen können verallgemeinert werden (siehe unten).
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 85
(D) Nichtlineare Dgl erster Ordnung
Es gibt unendlich viele verschiedene Dgln diesen Typs. Sie lassen sich weiter klassifizieren;
es sei hier aber lediglich auf ein Lösungsverfahren sowie die allgemeine Bedingung für
Existenz und Eindeutigkeit der Lösung eingegangen. Das Lösungsverfahren ist bekannt
als:
Separation der Variablen
dy
Falls die Dgl auf die Form,
= f (x)g(y) gebracht werden kann, dann lässt sie sich durch
dx
Separation der Variablen lösen:
1 dy
= f (x)
g(y) dx
Z
⇒
dy
=
g(y)
Z
f (x)dx + C
Dies ist die allgemeine (implizite) Lösung einer Dgl erster Ordnung mit getrennten Veränderlichen.
Bemerkung: Die explizite Lösung erhält man natürlich nur, wenn diese Gleichung
entweder nach y oder nach x aufgelöst werden kann. Diese Methode
wurde bereits oben in (C1) angewendet.
Beispiel:
Dosis-Wirkungsfunktion eines Medikaments
Sei W (x) die Wirkung, die x Einheiten eines bestimmten Medikaments
ausüben und S die Sättigung. ::::::::::::
Annahmen (aus Beobachtung):
W 2
dW
=k
; k = const. ; lim W (x) = S = const. ; 0 < S < ∞
x→∞
dx
x
Separation der Variablen liefert:
Z
Z
dx
1
k
dW
=k
⇒ −
=− +c
2
2
W
x
W
x
⇒
W (x) =
−x
cx − k
⇒
W (x) =
Sx
x + Sk
Wegen:
lim W (x) = S = −
x→∞
1
c
⇒
c=−
1
S
Skizze:
:::::::
—————————————————————————————————————
86 ———————————————————————————————————–
(E) Der Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindelöf
Für einen Beweis siehe zum Beispiel das Buch ‘Gewöhnliche Differentialgleichungen’ von
H. Heuser, bzw. entsprechende Mathematikvorlesungen.
Satz:
Das Anfangswertproblem
dy
= f (x, y) ; y(xo ) = yo ; x, y ∈ R
dx
besitzt auf dem Intervall [xo − α, xo + α] mit α = min(a, b/M ) und
M = max|f (x, y)| genau eine Lösung, wenn f (x, y) stetig ist auf dem
Rechteck R = {(x, y)||x − xo | ≤ a, |y − yo | ≤ b}; a, b > 0 und es eine
positive (Lipschitz-) Konstante L gibt mit:
|f (x, y) − f (x, yb)| ≤ L|y − yb| f ür alle (x, y), (x, yb) ∈ R
Man sagt, f (x, y) genügt einer Lipschitz-Bedingung oder f (x, y) ist
Lipschitz-stetig auf R.
Bemerkung: Der Satz garantiert nicht nur die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung, sondern auch ihre Konstruierbarkeit durch Iteration (=
ˆ numerische Lösung).
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 87
6.1
Die lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung
Diese Form der Dgl ist besonders interessant, da viele Dgln der Physik als solche klassifiziert werden können. Die allgemeine Form:
y 00 (x) + a(x)y 0 (x) + b(x)y(x) = s(x)
Wie üblich spricht man im Falle von s(x) = 0 von einer homogenen, andernfalls von einer
inhomogenen Differentialgleichung.
(A) Die lineare Dgl zweiter Ordnung mit variablen Koeffizienten
Die allgemeine Lösung der homogenen Dgl (auf einem Intervall [a, b]) für stetige Koeffizientenfunktionen a(x), b(x)) lautet (‘Superpositionsprinzip’):
y(x) = c1 y1 (x) + c2 y2 (x)
wobei y1 (x) und y2 (x) zwei linear unabhängige Lösungen der Differentialgleichung bezeichnen, d.h. die so genannte ’Wronski-Determinante’ ist ungleich Null:
y1 (x) y2 (x) 0
y1 (x) y20 (x) 6= 0 in [a, b]
Die beiden linear unabhängigen Lösungen bilden ein Fundamentalsystem (auch Hauptsystem oder Integralbasis genannt) der homogenen linearen Dgl zweiter Ordnung.
Die allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl ergibt sich (auch hier) als Summe einer partikulären Lösung der inhomogenen Dgl und der allgemeinen Lösung der homogenen Dgl
(vgl. 6 (C2) oben).
Die Lösung eines Anfangswertproblems erfordert bei einer Dgl zweiter Ordnung zwei Anfangswerte, üblicherweise y(x0 ) = y0 und y 0 (x0 ) = y00 .
Bemerkung: Diese Betrachtungen können auf den Fall einer linearen Dgl n-ter Ordnung entsprechend übertragen werden.
Während viele physikalische Anwendungen auf die allgemeine Form führen, wollen wir uns
im folgenden auf den Fall mit konstanten Koeffizienten beschränken.
(B) Die homogene lineare Dgl zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten
Im Unterschied zum Fall variabler Koeffizienten gibt es hier Standardverfahren zur Bestimmung von linear unabhängigen Lösungen, also eines Fundamentalsystems.
Man betrachte die Differentialgleichung:
y 00 (x) + ay 0 (x) + by(x) = 0 ; a, b = const. ∈ R
und mache den Eulerschen Ansatz:
y(x) = C exp{λx} ; C, λ = const.
—————————————————————————————————————
88 ———————————————————————————————————–
der sich motiviert aus der Tatsache, dass exp0 (x) = exp(x) gilt.
Es folgt:
y 0 (x) = Cλ exp{λx} ; y 00 (x) = Cλ2 exp{λx}
und Einsetzen in die obige Dgl liefert:
λ2 + aλ + b = 0
Je nach der Natur der Lösungen λ1 , λ2 dieser charakteristischen Gleichung gilt für die
allgemeine Lösung (mit den Konstanten ∆ = a2 − 4b , C1 , C2 = const. ∈ R)

√
1


C1 exp{λ1 x} + C2 exp{λ2 x}
; λ1,2 = (−a ± ∆) ; ∆ > 0


2

a
x}
;
∆
=
0
[C
+
C
x]
exp{−
1
2
y(x) =
2
√



a

[C1 cos(βx) + C2 sin(βx)] exp{αx} ; α = − ; β = −∆ ; ∆ < 0
2
2
Die Konstanten C1 , C2 ergeben sich aus den Anfangswerten y(x0 ) = x0 und y 0 (x0 ) = y00 .
Beispiel:
Freie gedämpfte Schwingung
Newtonsche Bewegungsgleichung:
mẍ = −µẋ
|{z}
Reibung
−kx
|{z}
;
µ, k = const.
Rückstellkraf t
2
k
µ
k
2
ẋ +
x = 0 ⇒ ∆ = a − 4b = m
− 4m
⇒ ẍ +
m
m
| {z }
|{z}
µ
a
b
2
µ
Der Spezialfall ∆ = 0 führt auf k = 4m
und somit auf die allgemeine
Lösung:
n µ o
x(t) = [C1 + C2 t] exp −
t
2m
µ
Wegen x(0) = C1 und ẋ(0) = C2 − 2m
C1 gilt:
C1 = x(0) und C2 = ẋ(0) +
µ
x(0)
2m
und damit:
n
µ
µ o
x(t) = [x(0) + ẋ(0) +
x(0) t] exp −
t
2m
2m
Dies ist die Lösung für den aperiodischen Grenzfall, die man z.B. als
Anwendung in Schwingtüren oder Messinstrumenten findet.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 89
(C) Die inhomogene lineare Dgl zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten
Diese lautet allgemein:
y 00 (x) + ay 0 (x) + by(x) = s(x)
a, b = const.
Auch hier gilt: die allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl ist gleich der Summe einer
partikulären Lösung der inhomogenen Dgl und der allgemeinen Lösung der homogenen Dgl
(siehe oben). Daher stellt sich (wie üblich) das :::::::::
Problem: Wie findet man die benötigte
partikuläre Lösung der inhomogenen Dgl?
Ein Weg zur Berechnung einer solchen Lösung führt über folgende Formeln (siehe Heuser:
Gewöhnliche Differentialgleichungen):

Zx
Zx
i

1 h

0
0
0
0
0
0


exp{λ
x}
exp{−λ
x
}s(x
)dx
−
exp{λ
x}
exp{−λ
x
}s(x
)dx
1
1
2
2


λ1 − λ2


x0
x0

yp (x) =
; λ1 6= λ2

x
x

Z
Z

h
i


0
0
0
0
0
0
0

exp{λx}
x
exp{−λx
}s(x
)dx
−
x
exp{−λx
}s(x
)dx
; λ1 = λ2 = λ



x0
x0
wobei x0 beliebig ist.
In der Praxis oft schneller zum Ziel führen allerdings einige andere Alternativen:
• ’Geschicktes Raten’ =
ˆ geeigneter Ansatz
• Methode der Variation der Konstanten
• Methode der Laplace-Transformation (für Anfangswertprobleme)
(C1) ’Geschicktes Raten’ =
ˆ geeigneter Ansatz
Man macht sich oft die spezifische Form der Störfunktion s(x) zu Nutze. Sei letztere
gegeben durch:
cos(βx)
2
m
s(x) = k0 + k1 x + k2 x + ... + km x exp{αx}
sin(βx)
Dann führt der Ansatz (mit p(λ) = 0 =
ˆ charakteristische Gleichung. siehe oben)


[(A0 + A1 x + ... + Am xm ) cos(βx)+





+(B0 + B1 x + ... + Bm xm ) sin(βx)] exp{αx}
; p(α + iβ) 6= 0

ν
m
yp (x) = x [(A0 + A1 x + ... + Am x ) cos(βx)+



+(B0 + B1 x + ... + Bm xm ) sin(βx)] exp{αx}




; (α + iβ) ν-fache Nullstelle von p(λ)
stets zu einer partikulären Lösung.
—————————————————————————————————————
90 ———————————————————————————————————–
Beispiel:
Gesucht ist die allgemeine Lösung von:
ÿ + 4ẏ = cos(2t)
Homogene Dgl: ÿ + 4ẏ = 0 ; Ansatz
: yH (t) = C exp{λt}
:::::::
2
⇒ λ + 4λ = 0 ⇒ p(λ) = λ2 + 4λ
Vergleich der Störfunktion s(t) = cos(2t) mit der obigen allgemeinen
Form liefert:
k0 = 1 ; k1 = ... = km = 0 ; α = 0 ; β = 2
und motiviert wegen p(0 + 2i) = −4 + 8i 6= 0 den Ansatz:
:::::::
yp (t) = A0 cos(2t) + B0 sin(2t)
⇒ ẏp (t) = −2A0 sin(2t) + 2B0 cos(2t)
⇒ ÿp (t) = −4A0 cos(2t) − 4B0 sin(2t)
Einsetzen in die Dgl. liefert:
!
−4A0 cos(2t) − 4B0 sin(2t) − 8A0 sin(2t) + 8B0 cos(2t) = cos(2t)
⇒ (−4B0 − 8A0 ) sin(2t) + (−4A0 + 8B0 ) cos(2t) = cos(2t)
|
|
{z
}
{z
}
!
=0
8A0 + 4B0 = 0
⇒ −4A0 + 8B0 = 1
!
=1
1
⇒
B0 = 10
B
=
−2A0 ⇒
0
⇒ −4A0 − 16A0 = 1 ⇒ A0 = − 1
20
Also ist die gesuchte partikuläre Lösung:
yp (t) =
1
1
sin(2t) −
cos(2t)
10
20
Und die allgemeine Lösung:
y(t) = C1 + C2 exp(−4t) +
1
1
sin(2t) −
cos(2t)
10
20
Bemerkung: Die obige allgemeine Form der Störfunktion umfasst viele in der Praxis
häufig auftretende Spezialfälle.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 91
(C2) Variation der Konstanten
Die Grundidee ist (siehe oben), sich von der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung yH (x) = C1 y1 (x) + C2 y2 (x) leiten zu lassen:
Ansatz:
Betrachte die ”Konstanten” C1 , C2 als Funktionen von x:
:::::::
yp (x) = C1 (x)y1 (x) + C2 (x)y2 (x)
⇒ yp0 (x) = C1 (x)y10 (x) + C2 (x)y20 (x) + C10 (x)y1 (x) + C20 (x)y2 (x)
Da keine bestimmte, sondern eine beliebige partikuläre Lösung gesucht ist, versucht man
eine möglichst einfache zu finden. Daher macht man eine
1. Forderung:
:::::::::::::
C10 (x)y1 (x) + C20 (x)y2 (x) = 0
⇒ yP00 (x) = C1 (x)y100 (x) + C2 (x)y200 (x) + C10 (x)y10 (x) + C20 (x)y20 (x)
die vermeidet, dass zweite Ableitungen der Funktionen C1 (x), C2 (x) auftreten. Die
2. Forderung:
:::::::::::::
C10 (x)y10 (x) + C20 (x)y20 (x) = s(x)
ergibt sich nach dem Einsetzen in die inhomogene Dgl:
C1 (x)y100 (x) + C2 (x)y200 (x) + C10 (x)y10 (x) + C20 (x)y20 (x)
|
{z
}
=s(x)
+a{C1 (x)y10 (x)
+
C2 (x)y20 (x)}
+ b{C1 (x)y1 (x) + C2 (x)y2 (x)} = s(x)
⇒ C1 (x)[y100 (x) + ay10 (x) + by1 (x)] + C2 (x)[y200 (x) + ay20 (x) + by2 (x)] = 0
{z
}
{z
}
|
|
=0
=0
Die obigen eckigen Klammern sind Null, da y1 , y2 Lösungen der homogenen Dgl sind.
Also ist das so konstruierte yp (x) eine partikuläre Lösung der inhomogenen Dgl. Die Funktionen C1 (x) und C2 (x) können aus
C10 (x)y1 (x) + C20 (x)y2 (x) = 0
C10 (x)y10 (x) + C20 (x)y20 (x) = s(x)
berechnet werden, nämlich durch Lösung des linearen Gleichungssystems für C10 (x), C20 (x)
und anschließende Integration.
—————————————————————————————————————
92 ———————————————————————————————————–
Beispiel:
Gesucht sei wieder die allgemeine Lösung von:
ÿ + 4ẏ = cos(2t)
Lösung der homogenen Dgl ÿ + 4ẏ = 0 mit yH (t) = C exp{λt}
⇒ λ2 + 4λ = 0 ⇒ λ1 = 0; λ2 = −4 , also allgemeine Lösung:
yH (t) = C1 + C2 exp{−4t} ; C1 , C2 = const.
Daruas ergibtsich der Ansatz
für eine partikuläre Lösung der inhomo:::::::
genen Dgl (Variation der Konstanten!):
yp (t) = C1 (t) + C2 (t) exp{−4t}
Mit
C10 (t) + C20 (t) exp{−4t} = 0
−4C20 (t) exp{−4t} = cos(2t)
folgt
1
C20 (t) = − exp{−4t} cos(2t)
4
1
0
⇒ C1 (t) =
cos(2t)
4
Integration (siehe z.B. Bronstein’s Taschenbuch der Mathematik) führt
auf:
Z
1
1
C1 (t) =
cos(2t)dt = sin(2t)
4
8
Z
1 1
1
[4 cos(2t) + 2 sin(2t)] exp{4t}
C2 (t) =
− exp{+4t} cos(2t)dt = −
4
4 20
Damit also:
yp (t) =
1
1
1
1
1
sin(2t) −
cos(2t) −
sin(2t) =
sin(2t) −
cos(2t)
8
20
40
10
20
Die allgemeine Lösung lautet also:
y(t) = C1 + C2 exp(−4t) +
1
1
sin(2t) −
cos(2t)
10
20
und ist damit die selbe wie zuvor.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 93
Bemerkung: Die Methode der Variation der Konstanten ist auch im Falle von Differentialgleichungen n-ter Ordnung anwendbar. Man fordert dann:
C10 y1 + ... + Cn0 yn
C10 y10 + ... + Cn0 yn0
C10 y100 + ... + Cn0 yn00
..
.
0 (n−2)
0 (n−2)
C1 y 1
+ ... + Cn yn
(n−1)
C10 y1
= 0
= 0
= 0
= 0
+ ... + Cn0 yn(n−1) = s(x)
Das ist ein lineares Gleichungssystem bestehend aus n Gleichungen
für die n Unbekannten C10 , ... , Cn0 .
Bemerkung: Im Falle n = 1 vereinfacht sich die Methode auf das Einsetzen des
Ansatzes yp (x) = C1 (x)y1 (x) in die Differentialgleichung (siehe Exkurs
in 6(C2)).
Vor der Besprechung der dritten Methode sei die :::::::
Lösung::::::
eines:::::::::::::::::::::::
Anfangswertproblems
an folgendem ::::::::
Beispiel illustriert:
ÿ + 4ẏ = cos(2t) ;
y(0) = 0 ;
ẏ(0) = 1
Es gilt nun:
(1) Allgemeine Lösung der homogenen Dgl.:
yH (t) = C1 + C2 exp{−4t}
(2) Partikuläre Lösung der inhomogenen Dgl.:
yp (t) =
1
1
sin(2t) −
cos(2t)
10
20
(3) Allgemeine Lösung der inhomogenen Dgl.:
y(t) = yh (t) + yp (t) = C1 + C2 exp{−4t} +
1
1
sin(2t) −
cos(2t)
10
20
(4) Anfangswerte:
y(0) = 0
⇒
C1 + C2 −
ẏ(0) = 1
⇒
−4C2 +
1
=0
20
1
=1
5
⇒
⇒
1
4
1
+
=
20 20
4
1
C2 = −
5
C1 =
Also lautet die Lösung des Anfangswertproblems:
y(t) =
1 1
1
1
− exp{−4t} +
sin(2t) −
cos(2t)
4 5
10
20
—————————————————————————————————————
94 ———————————————————————————————————–
Für die Lösung solcher Anfangswertprobleme kann alternativ verwendet werden:
(C3) Die Methode der Laplace-Transformation
Idee: Transformation von (linearen) Dgln (mit konstanten Koeffizienten) in algebraische
Gleichungen. Die Laplace-Transformierte einer Funktion f (t), die für t ≥ 0 definiert
sei, ist gegeben durch:
:::::
Z∞
exp{−st}f (t)dt ≡ L[f ]
F (s) =
0
Bevor die Methode selbst angewendet wird zunächst zwei Beispielrechnungen:
Beispiel:
Z∞
(a) f (t) = 1 ⇒ F (s) =
ZT
exp{−st}dt = lim
exp{−st}dt
T →∞
0
0
1
exp{−st}
T →∞
s
0
h 1
1i 1
= lim − exp{−sT } +
= = L(1)
T →∞
s
s
s
=
lim
h
iT
−
Es muss s > 0 sein, da das Integral sonst divergiert.
Z∞
(b) f (t) = exp{at} ⇒ F (s) =
exp{−st} exp{at}dt
0
ZT
=
exp{(a − s)t}dt
lim
T →∞
0
h 1
iT
= lim
exp{(a − s)t}
T →∞ a − s
0
s>a
|
=
1
= L(exp{at})
s−a
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 95
Wesentlich für die Nützlichkeit der Laplace-Transformation ist der folgende:
Differentiationssatz:
::::::::::::::::::::
Die Laplace-Transformation der k-ten Ableitung einer Funktion f (t) ist durch
h
i
h
i
(k)
k
L f (t) = s L f (t) − sk−1 f (0) − sk−2 f˙(0) − ... − sf (k−2) (0) − f (k−1) (0)
gegeben. Also gilt insbesondere:
h
i
h
i
L f˙(t) = sL f (t) − f (0)
h
i
h
i
L f¨(t) = s2 L f (t) − sf (0) − f˙(0)
Damit ist die Bedeutung der Laplace-Transformation für die Lösung von Anfangswertproblemen klar: Die Dgl wird in eine algebraische Gleichung für die Laplace-Transformierte
transformiert. Eine solche Gleichung ist oft einfacher lösbar und erfodert “nur” noch eine
Rücktransformation.
Zur Veranschaulichung ein
Beispiel:
Betrachte noch einmal obiges Anfangswertproblem:
ÿ + 4ẏ = cos(2t) ; y(0) = 0 ; ẏ(0) = 1
Laplace-Transformation der einzelnen Terme ergibt:
⇒ L[ÿ] = s2 L[y] − sy(0) − ẏ(0) = s2 L[y] − 1
L[ẏ] = s2 L[y] − y(0) = s2 L[y]
Z∞
L[cos(2t)] =
exp{−st} cos(2t)dt
0
=
lim
h exp{−st}
s2 + 4
s
= 2
; s>0
s +4
T →∞
iT
{−s cos(2t) + 2 sin(2t)}
0
Folglich:
L[...]
s
⇒ s2 L[y] − 1 + 4sL[y] = 2
s +4
s
s2 + s + 4
⇒ {s2 + 4s}L[y] = 1 + 2
=
s +4
s2 + 4
s2 + s + 4
⇒ L[y] = 2
(s + 4)(s2 + 4s)
ÿ + 4ẏ = cos(2t)
|
—————————————————————————————————————
96 ———————————————————————————————————–
Das Problem ist gelöst, wenn man von der Laplace-Transformierten L[y] auf die ursprüngliche Funktion y(t) schließen kann. Das kann - in Analogie zu Integralen - durch “Nachschauen” in entsprechenden Zusammenstellungen geschehen. Im obigen Fall gilt nach einer
Partialbruchzerlegung:
L[y] =
1 1
1 s
1 1
1
s2 + s + 4
=
−
+ 2
+
2
2
2
(s + 4)(s + 4s)
20 s + 4 20 s + 4 5 s + 4 s(s + 4)
In Nachschlagewerken findet man:
1
s+4
s
L[cos(2t)] = 2
s +4
h1
i
1
L sin(2t) = 2
2
s +4
h1
i
1
L (1 − exp{−4t}) =
4
s(s + 4)
L[exp{−4t}] =
Demnach:
1
1
1
1
exp{−4t} −
cos(2t) +
sin(2t) + (1 − exp{−4t})
20
20
10
4
1 1
1
1
=
− exp{−4t} +
sin(2t) −
cos(2t)
4 5
10
20
y(t) =
wie bereits oben gefunden.
Die Vorgehensweise ist also sehr einfach, lediglich müssen die für die Laplace-Transformierten und die Rücktransformation auftretenden Integrationen ausführbar sein. Diese
Rücktransformation ist die inverse Laplace-Transformation:
1
f (t) = L [F (s)] =
2πi
−1
γ+i∞
Z
exp{st}F (s) ds ; f (t) = 0 für t < 0
γ−i∞
In der obigen Formel ist γ > s0 , wobei s0 der Realteil derjenigen Polstelle mit dem größtem
Realteil ist. Weitergehende Informationen zur Methode der Laplace-Transformation findet
man z.B. im Buch von Heuser.
Bemerkung: Auch dieses Verfahren ist nützlich bei Dgln höherer Ordnung.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 97
6.2
Systeme linearer Differentialgleichungen 1. Ordnung
Allgemein gilt, dass aus
y 00 + a(x)y 0 + b(x)y = s(x) ; y = y(x)
mit y 0 = z folgt
y0 = z
z 0 = s(x) − a(x)z − b(x)y
also ein System zweier Dgln erster Ordnung.
Beispiel:
Eine eindimensionale Bewegung sei beschrieben durch (Newtonsche
Bewegungsgleichung):
ẍ + aẋ + bx = f (t)
⇒ ẋ = v
v̇ = f (t) − av − bx
was als lineare Bewegung im Phasenraum (x, v) aufgefasst werden
kann, vgl. den Exkurs in Kapitel 4.
Hier bietet sich eine Matrixschreibweise an:
d x
0
1
x
0
=
+
−b −a
v
f (t)
dt v
Für die Lösung des so formulierten Problems im homogenen Fall
(f (t) = 0) siehe das Buch von Korsch.
—————————————————————————————————————
98 ———————————————————————————————————–
7
Lineare Schwingungen
Obwohl i.A. nichtlineare Dgln vorliegen führt eine Linearisierung oft auf hinreichend gute
Näherungslösungen. Von grundlegender Bedeutung ist...
7.1
Der harmonische Oszillator
... der im allgemeinsten Fall (=
ˆ angetriebener und gedämpfter harmonischer Oszillator)
folgender (Bewegungs-) Gleichung genügt:
ẍ + 2γ ẋ + ω02 x = f (t) ; γ, ω0 = const
In dieser Dgl beschreibt der erste Term die Trägheit, der zweite die Reibung, der dritte
die Rückstellkraft und die rechte Seite eine äußere Kraft.
Man unterscheidet:
Freie Schwingung: f (t) = 0
7.1.1
Hier gilt:
ẍ + 2γ ẋ + ω02 x = 0
und man macht folgende weitere Unterscheidung:
(i) Ungedämpfter harmonischer Oszillator (γ = 0):
ẍ + ω02 x = 0 ; ⇒ x1 = exp{iω0 t} ; x2 = exp{−iω0 t}
Allgemeine
Lösung:
::::::::::::::::::::
C1 , C2 ∈ C
a, b ∈ R
|
|
x(t) = C1 x1 + C2 x2 = a cos(ω0 t) + b sin(ω0 t)
(ii) Gedämpfter harmonischer Oszillator (γ 6= 0):
ẍ + 2γ ẋ +
ω02 x
= 0 ; ⇒ x1,2 = exp{λ1,2 t} ; λ1,2
q
= −γ ± γ 2 − ω02
(a) Schwingfall: ω0 > γ ⇒ λ1,2 komplex
(b) Kriechfall: ω0 < γ ⇒ λ1,2 reell
(c) Aperiodischer Grenzfall: ω0 = γ ⇒ λ1,2 = λ reell (vgl. 6.1(B))
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 99
Bemerkung: Der Begriff des harmonischen Oszillators ist so wichtig, da viele
Schwingungsvorgänge näherungsweise als harmonische Oszillatoren
beschrieben werden konnen. Das ist begründet in der oft gemachten
Näherung, dass die potentielle Energie V eines physikalischen Systems
um eine Gleichgewichtslage ((dV /dx)x0 = 0) in eine Taylorreihe entwickelt werden kann:
dV 1 d2 V x2 + ...
V (x) = V (0) +
x+
2
dx
2
dx
x=0
x=0
| {z }
| {z }
=0
=const.
und man annimmt, dass höhere als quadratische Glieder vernachläs d2 V dV
sigbar sind. Wegen F (x) = −
≈−
x = −kx, k = const ist
dx
dx2
die Rückstellkraft dann proportional zur Auslenkung x (Hookesches
Gesetz), was dem harmonischen Oszillator entspricht.
Diese hier im 1D-Fall gemachte Überlegung kann analog auf den 3DFall übertragen werden.
7.1.2
Erzwungene Schwingungen: f (t) 6= 0
Der oft vorliegende Fall eines harmonischen Antriebs (also einer äußeren Kraft) der Form
f (t) = f0 cos(Ωt) , f0 = const führt auf
ẍ + 2γ ẋ + ω02 x = f0 cos(Ωt)
was in komplexer Schreibweise lautet
z̈ + 2γ ż + ω02 z = f0 exp{iΩt} ; z ∈ C
Der Ansatz z(t) = A exp{iΩt} führt auf
f0
x(t) = |A| cos(Ωt + ϕ) ; |A| = p 2
2
(ω0 − Ω )2 + (2γΩ)2
also eine gegenüber der erzwingenden Kraft phasenverschobene Schwingung mit gleicher
Frequenz Ω und einer Amplitude |A|, die von letzterer, der Eigenfrequenz ω0 und der
Dämpfung γ abhängt:
Ω = ω0 ⇒ |A| = ∞ “Resonanzkatastrophe”
q
2
2
(ii) 2γ ≤ ω0 : Ω = ω02 − 2γ 2 =
ˆ |A|max
(i)
γ=0:
(iii) 2γ 2 > ω02 : kein |A|max mehr, keine Resonanz
Weiteres zu Schwingungen werden Sie in den Mechanik-Vorlesungen kennen lernen.
—————————————————————————————————————
100 ———————————————————————————————————–
Anhang
(a) Motivation zur Definition komplexer Zahlen
“Neue” Zahlen wurden stets dann definiert, wenn die Anwendung von Rechenoperationen
auf “bekannte” Zahlen innerhalb der Menge letzterer keine Lösung hat. Erinnerung (?!):
Symbol Addition Multiplikation Subtraktion Division
Menge
Natürliche Zahlen
Ganze Zahlen
Rationale Zahlen
Reelle Zahlen
Komplexe Zahlen
N
Z
Q
R
C
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
√
pos. Zahl
X
X
√
neg. Zahl
X
Bemerkung: Es gilt N ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R ⊂ C, d.h. die jeweils “bekannten” Zahlen
sind in den “neuen” eingebettet. In C liefern alle Rechenoperationen
Ergebnisse in C.
Bemerkung: Die Division durch Null ist nicht definiert, und eine Untersuchung
solcher Fälle benötigt Grenzwertprozesse.
Erstmals stieß Girolamo Cardano (1501–1576) auf die mögliche Nützlichkeit von (Quadrat-)
Wurzeln aus negativen Zahlen, da er die Gleichung x2 − 10x + 40 = 0 lösen wollte und als
Lösungen fand:
√
√
x1,2 = 5 ± 25 − 40 = 5 ± −15
Demnach gilt:
0 = (x − x1 )(x − x2 ) =
=
=
=
√
√
(x − 5 − −15)(x − 5 + −15)
√
√
x2 − 10x + 25 − −15 −15
x2 − 10x + 25 + 15
x2 − 10x + 40 (X)
√
Bemerkung: Die heutige Schreibweise mit i = −1 wurde von Leonard Euler
(1707–1783)
Notation
√
√ lauten obige Lösungen:
√ eingeführt.√In dieser
x1,2 = 5 ± −15 = 5 ± −1 15 = 5 ± i 15.
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 101
(b) Addition und Multiplikation komplexer Zahlen
Alternativ (und allgemeiner) gilt:
(x − x1 )(x − x2 ) = x2 − (x1 + x2 )x + x1 x2
=⇒
Frage:
::::::
Antwort:
:::::::::
Wie werden komplexe Zahlen addiert und multipliziert?
x1 + x2 = (a + ib) + (c + id) = (a + c) + i(b + d)
i2 = −1
|
x1 · x2 = (a + ib) · (c + id) = (ac − bd) + i(bc + ad)
(c) Geometrische Interpretation komplexer Zahlen
Formal kann man die Ergebnisse aus (b) auch wie folgt als Zahlenpaare schreiben:
a + ib → (a, b) ⇒ (a, b) + (c, d) = (a + c, b + d)
⇒ (a, b) · (c, d) = (ac − bd, bc + ad)
Insbesondere gilt:
1 = 1 + i · 0 → (1, 0)
i = 0 + i · 1 → (0, 1)
Letzteres legt folgende geometrische Interpretation (nach Carl Friedrich Gauß (1777–
1855)) nahe:
Es gilt natürlich:
√
|a + ib| = a2 + b2 ∈ R
Also:
:::::
Komplexe Zahlen können als Punkte in der Gaußschen Zahlenebene aufgefasst
werden.
—————————————————————————————————————
102 ———————————————————————————————————–
(d) Formale Definition komplexer Zahlen
Definition: (1)
Zu R2 = R × R werden eine Addition und eine Multiplikation eingeführt
durch:
(a, b) + (c, d) = (a + c, b + d)
(a, b) · (c, d) = (ac − bd, bc + ad)
Dadurch wird R2 zu einem Körper (siehe Mathematik-Vorlesung!), der
mit C bezeichnet wird. Die Elemente von C heißen komplexe Zahlen.
(2)
Ist z = x + iy ∈ C mit x, y ∈ R, so heißt Re(z) := x der Realteil und
Im(z) := y der Imaginärteil von z. z ist rein imaginär, wenn Re(z) = 0
und Im(z) 6= 0.
(3)
Ist z = x + iy, dann ist z = x − iy die zu z konjugiert komplexe Zahl.
Folgerung:
Seien z = x + iy, w ∈ C, dann gilt:
1
1
(F1) z · w = z · w, insbesondere
=
z
z
(F2) z + w = z + w
(F3) z · z = |z|2 ∈ R
(F4) |z · w| = |z||w|
w
w·z
(F5) z 6= (0, 0) ⇒ =
,
z
|z|2
1
z
x
y
insbesondere = 2 = 2
−i 2
2
z
|z|
x +y
x + y2
(F6) z = w ⇒ Re(z) = Re(w) und Im(z) = Im(w)
—————————————————————————————————————
———————————————————————————————————– 103
(e) Die Eulersche Formel
Die weitreichende (und tiefgehende) Bedeutung der komplexen Zahlen wird erst richtig
deutlich, wenn man sie als Argumente bekannter Funktionen zulässt. Das bekannteste und
vielleicht wichtigste Beispiel ergibt sich aus der Frage nach der Bedeutung von exp(z):
formal
|
exp(z) = exp(x + iy) = exp(x) exp(iy)
Wie aber ist exp(iy) zu interpretieren? Die Antwort ergibt sich in drei Schritten:
(1) Das Ergebnis soll eine komplexe Zahl sein:
y=
6 0 ⇒ exp(iy) = f (y) + ig(y) mit reellwertigen Funktionen f (y) und g(y)
y = 0 ⇒ exp(i0) = exp(0) = 1 ⇒ f (0) = 1 und g(y) = 0
(2) Es gilt (i = const):
exp(iy) 0 =
d
dg(y)
! df (y)
exp(iy) = i exp(iy) = if (y) − g(y) =
+i
=: f 0 + ig 0
dy
dy
dy
(3) Es folgt:
f 0 = −g ⇒ f 00 = −g 0 = −f mit f (0) = 1 ⇒ f (y) = cos(y)
g 0 = f ⇒ g 00 = f 0 = −g mit g(0) = 0 ⇒ g(y) = sin(y)
Damit folgt insgesamt:
exp(iy) = cos(y) + i sin(y)
“Eulersche Formel”
Bemerkung: Also z.B. exp(2πi) = cos(2π) + i sin(2π) = 1 + i · 0 = 1 (X)
Bemerkung: Neben diesem faszinierenden (?) Zusammenhang zwischen sin-, cos-,
und exp-Funktion gelten viele andere Beziehungen, wie z.B. (x ∈ R):
1
[exp(ix) + exp(−ix)]
2
1
cosh(x) =
[exp(x) + exp(−x)] = cos(ix)
2
cos(x) =
—————————————————————————————————————
104 ———————————————————————————————————–
(f) Die Polardarstellung komplexer Zahlen
Mit Hilfe der geometrischen Darstellung folgt:
x = |z| cos(φ)
y = |z| sin(φ)
y
x y
=: arg(z)
⇒ φ = arctan
x
⇒ tan(φ) =
Bemerkung: Die angegebene Formel für φ gilt im 1. Quadranten der komplexen
Ebene: Beachten Sie, dass bei der Berechnung von φ i.a. eine quadrantenabhängige Fallunterscheidung erforderlich ist.
Damit folgt insgesamt:
z = x + iy = |z|(cos(φ) + i sin(φ)) = |z| exp(iφ)
“Polardarstellung”
Bemerkung: Die Polardarstellung kann genutzt werden, um mühelos die bekannten
(?!) Additionstheoreme der Trigonometrie herzuleiten:
(1)
z1 · z2 = |z1 ||z2 | [cos(φ1 ) cos(φ2 ) − sin(φ1 ) sin(φ2 )
+ i(sin(φ1 ) cos(φ2 ) + cos(φ1 ) sin(φ2 )]
(2)
z1 · z2 = |z1 | exp(iφ1 ) |z2 | exp(iφ2 )
= |z1 ||z2 | exp{i(φ1 + φ2 )}
= |z1 ||z2 | [cos(φ1 + φ2 ) + i sin(φ1 + φ2 )]
Ein Koeffizientenvergleich ergibt:
cos(φ1 + φ2 ) = cos(φ1 ) cos(φ2 ) − sin(φ1 ) sin(φ2 )
sin(φ1 + φ2 ) = sin(φ1 ) cos(φ2 ) + cos(φ1 ) sin(φ2 )
—————————————————————————————————————
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