Zur Elektrodynamik bewegter Körper

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ZUR ELEKTRODYNAMIK BEWEGTER KÖRPER
Albert Einsteins erste Veröffentlichung zur Speziellen Relativitätstheorie
(Annalen der Physik und Chemie, Jg. 17, 1905, S. 891–921)
Kommentiert und erläutert
von
SIEGFRIED PETRY
03. August 2014
Inhalt
Vorbemerkungen
2
Zur Elektrodynamik bewegter Körper
3
Kinematischer Teil
7
§ 1 Definition der Gleichzeitigkeit
7
§ 2 Über die Relativität von Längen und Zeiten
12
§ 3 Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation
17
§ 4 Physikalische Bedeutung der erhaltenen Gleichungen
29
§ 5 Additionstheorem der Geschwindigkeiten
32
Elektrodynamischer Teil
35
§ 6 Transformation der Maxwellschen Gleichungen
für den leeren Raum
35
§ 7 Dopplersches Prinzip und Aberration
43
§ 8 Transformation der Energie der Lichtstrahlen.
Theorie des Strahlungsdrucks
49
§ 9 Transformation der Maxwellschen Gleichungen
mit Berücksichtigung der Konvektionsströme
53
§ 10 Dynamik des (langsam beschleunigten) Elektrons
58
Anlage 1: Induktionsvorgänge
67
Anlage 2: Relevante Probleme der Physik vor 1905
68
Anlage 3: Über die »verschiedenen Massen«
eines Körpers
68
Anlage 4: Über die Trägheit der Energie
70
Anlage 5: Kannte Einstein damals (1905) den Versuch
von Michelson und Morley?
70
Anlage 6: Zu den »Größen zweiter Ordnung«
71
1
Vorbemerkungen
Einsteins grundlegende erste Veröffentlichung zu dem, was später »Spezielle Relativitätstheorie« genannt wurde, ist nun über 100 Jahre alt. In dieser Zeit haben sich die deutsche Sprache
und ihr Gebrauch gewandelt, und dies erschwert uns heute manchmal das Verständnis des
Textes.
Außerdem verzichtet Einstein fast völlig auf die mathematische Herleitung seiner Ergebnisse; er
begnügt sich mit der Angabe des Ansatzes und – nach einem lapidaren »Hieraus folgt« – des
Ergebnisses. Der Weg dazwischen ist nicht immer leicht zu erkennen und besteht manchmal aus
seitenlangen Berechnungen. Erschwerend kommt hinzu, dass Einstein das heute veraltete CGSMaßsystem verwendet.
Mit diesem Kommentar zu dem wohl folgenreichsten Text der Physik versuche ich, die drei
genannten Schwierigkeiten zu mildern oder zu beheben, bevor das Voranschreiten der Zeit und
der weitere Wandel der Sprache sie noch steigern. Dabei führe ich Einsteins Text, in kleine
Abschnitte unterteilt, in einer Kopie an, einschließlich der Seitenumbrüche und der Kopfzeilen.
Seit Jahrzehnten bewundere ich das Genie Einsteins, die Kühnheit seiner Gedanken, seine
Fähigkeit, Neues zu denken und scheinbar Selbstverständliches in Frage zu stellen. Nachdem
ich mich viele Jahre mit seiner Speziellen Relativitätstheorie (und mit der Gedankenwelt
Minkowskis) beschäftigt hatte, wagte ich mich an Einsteins grundlegende Veröffentlichung zur
Speziellen Relativitätstheorie, jenen 31 Seiten langen Aufsatz in den Annalen der Physik, der
die Welt verändert hat. Er hat mich lange Zeit beschäftigt, und nicht selten war ich drauf und
dran aufzugeben. Anfangs waren es die Schwierigkeiten bei der Lektüre, die mich entmutigten,
später überwog oft der Ärger über Einsteins Unbekümmertheit im Umgang mit physikalischen
Begriffen und Grundsätzen, über seine (zeitweilige) penible Umständlichkeit, dann wieder über
seine Leichtfertigkeit und seine Schlampereien, auch über seine Rücksichtslosigkeit gegenüber
dem Leser. Selbst nachdem ich eine erste Fassung meines Kommentars veröffentlicht hatte, ließ
der Aufsatz mich nicht los – bis heute, nach wiederum einigen Jahren. In dieser Zeit entdeckte
ich weitere beachtliche Fehler und Mängel. Aber trotz all dieser Schwächen und Ärgerlichkeiten
ist meine Bewunderung für Einstein unvermindert geblieben, und auch die Fehler können den
Wert und die Gültigkeit der Speziellen Relativitätstheorie nicht beeinträchtigen; sie alle lassen
sich nämlich reparieren, sodass die Aussagen der Theorie gültig bleiben. Allerdings ist im Laufe
der Zeit neben dem geplanten Kommentar und den angestrebten Erläuterungen auch eine
kritische Auseinandersetzung mit dem Aufsatz Einsteins entstanden, deren Formulierung meine
Verärgerung nicht immer verleugnen kann (und soll). Aber auch und gerade diese Kritik soll der
Wahrheitsfindung und der Wissenschaft dienen.
Dies alles sage ich auch, damit ich nicht missverstanden werde. Ich bin kein Ansprechpartner
für Hobby-Physiker, die glauben, stichhaltige Argumente oder gar empirische Beweise gegen
die Relativitätstheorie gefunden zu haben. Über den Energiesatz und die Spezielle Relativitätstheorie verhandle ich nicht.
2
Zur Elektrodynamik bewegter Körper
Wenn man den ersten Satz – ohne seinen Inhalt im Geringsten zu verändern – anders formuliert,
merkt man schnell, welch sprachlichen Unsinn er enthält:
»Es ist bekannt, dass die Elektrodynamik Maxwells die Gewohnheit hat, gegenwärtig so aufgefasst zu werden, dass sie, wenn man sie auf bewegte Körper anwendet, zu Asymmetrien führt,
die den Phänomenen nicht anzuhaften scheinen.«
Zum physikalischen Inhalt ist anzumerken: Es geht hier – genau wie in der Überschrift – nicht
um bewegte Körper, sondern um bewegte Bezugssysteme. Und: Die Asymmetrien scheinen
nicht nur den Phänomenen nicht anzuhaften, sondern sie tun es tatsächlich nicht. Und schließlich: Der ganze erste Absatz könnte schadlos – nein, sogar mit Vorteil – ohne Ersatz gestrichen
werden, denn er hat mit dem eigentlichen Thema nichts – aber auch gar nichts – zu tun. (Das
folgt schon daraus, dass die genannten elektrodynamischen Wechselwirkungen schon bei sehr
kleinen Geschwindigkeiten auftreten, also im Geltungsbereich der »klassischen Physik«.)
Noch eine Anmerkung zu den von Einstein benutzten Begriffen: Die elektromotorische Kraft
wird seit geraumer Zeit als (eingeprägte) elektrische Spannung bezeichnet, mit den elektrischen
3
Kräften meint Einstein hier das elektrische Feld; später benutzt er die Bezeichnung elektrische
Kraft auch für die elektrische Feldstärke.
Natürlich sind es auch nicht »die Beispiele ähnlicher Art«, die eine Basis für die revolutionäre
Vermutung Einsteins abgeben können1. Vielmehr geht es ausschließlich um »die mißlungenen
Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum „Lichtmedium“ zu konstatieren«, welche die
Physik seinerzeit in große Schwierigkeiten brachte. Dabei handelt es sich unter anderem um die
Versuche von Michelson 1881 in Potsdam und von Michelson und Morley 1887 in Cleveland.
(Siehe dazu Anlage 5.) Es wäre besser gewesen, wenn Einstein gleich diese Versuche
herangezogen und ihnen andere Versuche gegenübergestellt hätte, deren Ergebnisse – auf die es
hier entscheidend ankommt – eine Mitnahme des Lichtäthers durch die Erde bei ihrer
Bewegung um die Sonne ausschlossen. Erst dadurch wäre das damalige Dilemma der Physik
richtig deutlich geworden und wäre die Notwendigkeit radikaler Veränderungen der
Grundannahmen der Physik plausibel geworden. (Auch dazu Näheres im Anhang.) Der
1
Um diese Untersuchung nicht auf dieselben Abwege zu führen, habe ich eine ins Einzelne gehende
Auseinandersetzung mit den Problemen in den Anhang verlegt.
4
Michelson-Morley-Versuch ist – wie Einstein später selbst einräumte – tatsächlich das
Experimentum crucis der Speziellen Relativitätstheorie; mit seinem Ergebnis steht und fällt die
gesamte Theorie. Erst diese Beobachtungen »führen zu der Vermutung, daß dem Begriffe der
absoluten Ruhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine
Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen ...« Das bedeutet, dass es auch mit Hilfe
elektromagnetischer Wellen (Licht) nicht möglich ist, absolute Geschwindigkeiten (Geschwindigkeiten relativ zum »absoluten Raum«) zu messen und die »absolute Ruhe« eines
Bezugssystems zu konstatieren. Daraus folgt als Nächstes, dass der »Lichtäther«, seit Christiaan
Huyghens (1629–1695) der (hypothetische) materielle Träger der elektromagnetischen Wellen,
nicht existiert. Damit aber werden schließlich die Begriffe »absolute Geschwindigkeit«,
»absolute Ruhe«, ja sogar der Begriff des »absoluten Raumes« physikalisch sinnlos.
Die »Koordinatensysteme, für welche die mechanischen Gleichungen gelten«, sind unbeschleunigte Bezugssysteme, heute Inertialsysteme genannt. Ein Inertialsystem ist eine nicht realisierbare Abstraktion, jedoch ist ein auf der Erdoberfläche ruhendes Bezugssystem eine fast immer
brauchbare Annäherung an das Ideal. Dasselbe gilt für ein auf der Erdoberfläche mit konstanter
Geschwindigkeit bewegtes Bezugssystem.
In allen Inertialsystemen gelten dieselben Gesetze der Mechanik und nun – nach Einstein –
vermutlich auch dieselben Gesetze der Elektrodynamik und der Optik (die als Teil der Elektrodynamik anzusehen ist).
Die Bedeutung des Nebensatzes »wie dies für die Größen erster Ordnung bereits erwiesen ist«
konnte nicht zweifelsfrei ermittelt werden. – Anmerkung: Hierzu konnten neue Erkenntnisse
gewonnen werden. Siehe dazu Anlage 6.
Als Nächstes macht Einstein die Gleichwertigkeit aller Inertialsysteme auch für die Elektrodynamik zur Voraussetzung seiner folgenden Betrachtungen. Dieses Prinzip der Gleichwertigkeit aller Inertialsysteme nennt er »das Prinzip der Relativität«. Hier taucht zum ersten Mal
der ominöse Begriff »Relativität« auf, der später in den Namen der Theorie einging – zum
Missvergnügen Einsteins. Der Sinn dieses Begriffs ist an dieser Stelle noch nicht recht erkennbar.
Weiterhin führt Einstein als Voraussetzung ein, »daß sich das Licht im leeren Raume stets mit
einer bestimmten, vom Bewegungszustande des emittierenden Körpers unabhängigen Geschwindigkeit V fortpflanze.« Dieser Teilsatz müsste heißen: »dass sich das Licht im leeren
Raume stets mit einer bestimmten, von der Relativgeschwindigkeit zwischen emittierendem
Körper (Lichtquelle) und Beobachter unabhängigen Geschwindigkeit V fortpflanze.« Anders
und einfacher ausgedrückt: Die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit hat in allen Inertialsystemen den
gleichen Wert (Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit). Später (S. 895, § 2) wird uns
diese Problematik nochmals begegnen.
Warum nun dieses Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit als mit dem Relativitätsprinzip (Prinzip der Gleichberechtigung der Inertialsysteme) unverträglich erscheinen könnte,
ist völlig unverständlich. Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist vielmehr geradezu eine
Konsequenz des Relativitätsprinzips und bedarf gar keiner eigenen Erwähnung. Denn wenn die
Lichtgeschwindigkeit in relativ zueinander bewegten Bezugssystemen verschiedene Werte
5
hätte, dann könnte das nur daran liegen, dass die Bezugssysteme unterschiedliche Geschwindigkeiten relativ zum absoluten Raum (oder relativ zum Lichtäther) hätten, womit bewiesen wäre,
dass beides existiert. Und dann müsste es auch möglich sein, absolut ruhende Bezugssysteme
als solche zu erkennen.
Außerdem fordert das Relativitätsprinzip, dass in allen Inertialsystemen die gleichen Gesetze
gelten, also auch die Maxwellschen Gleichungen. Nun gehorchen aber die elektromagnetischen
Wellen diesen Gleichungen, aus denen wiederum folgt, dass sich elektromagnetische Wellen im
Vakuum mit einer Geschwindigkeit ausbreiten, die nur von der elektrischen Feldkonstanten 0
und der magnetischen Feldkonstanten 0 abhängt und somit vom Bezugssystem unabhängig ist.
»Diese beiden Voraussetzungen genügen, um zu einer einfachen und widerspruchsfreien Elektrodynamik ...« und nun muss es heißen: ... in Bezugssystemen zu gelangen, die sich relativ
zum Beobachter bewegen, unter Zugrundelegung der Maxwellschen Theorie für ein Bezugssystem, das relativ zu diesem Beobachter ruht. – Erst so lässt sich dem Satz ein Sinn
abgewinnen.
Aus dem Kontext geht klar hervor, dass Einstein mit »starren Körpern« hier »Koordinatensysteme« meint. Nimmt man die Uhren gleich dazu, dann könnte der Nebensatz lauten »da die
Aussagen einer jeden elektrodynamischen Theorie die Beschreibung von elektromagnetischen
Prozessen in bestimmten Bezugssystemen betreffen.« (Demnach könnte – und sollte eigentlich
– der Titel des Aufsatzes heißen: »Zur Elektrodynamik in relativ zu einander bewegten Bezugssystemen«.)
Die »nicht genügende Berücksichtigung dieses Umstandes« (gemeint ist die Tatsache, dass die
Aussagen einer jeden elektrodynamischen Theorie die Beschreibung elektromagnetischer Prozesse in Bezugssystemen betreffen) ist allerdings nur die Wurzel derjenigen Schwierigkeiten,
mit denen die Elektrodynamik zu kämpfen hatte, wenn es um Bezugssysteme ging, die sich
relativ zum »absoluten Raum« oder auch relativ zum Beobachter schnell bewegten. Dabei ging
es nicht um die Experimente mit bewegten Magneten und Leiterschleifen, sondern um den
Michelson-Morley-Versuch. Vor allem aber müssen die Veränderungen berücksichtigt werden,
die für einen Beobachter auftreten können, wenn sich das Bezugssystem relativ zu ihm schnell
bewegt. Die Vernachlässigung dieser Veränderungen, die damals gar nicht für möglich gehalten
wurden, ist der eigentliche Grund der genannten Schwierigkeiten.
Einstein hatte im Laufe seiner Untersuchungen herausgefunden, dass das Problem in der Beurteilung der Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse gründet, die an verschiedenen Orten stattfinden.
6
Bis dahin galt als selbstverständlich, dass die Gleichzeitigkeit (oder die Nicht-Gleichzeitigkeit)
zweier solcher Ereignisse ein absolutes Charakteristikum des Geschehens und für alle Beobachter gültig wäre. Einstein zeigt nun, dass dies nicht richtig ist. Dazu benötigt er eine Definition
der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die nicht am selben Ort stattfinden..
Kinematischer Teil
§ 1 Definition der Gleichzeitigkeit
Ein Koordinatensystem (genauer: ein Bezugssystem), in dem die Newtonschen Gleichungen
gelten, ist ein Inertialsystem (siehe dazu die Ausführungen auf S. 6). Nach Einsteins Definition
könnte jedes Inertialsystem »das ruhende System« sein. Dagegen ist nichts einzuwenden, jedoch
ist die Bezeichnung »ruhendes System« unglücklich gewählt, provoziert sie doch die Frage,
relativ wozu das System denn ruhe? Die Nichtexistenz einer absoluten Ruhe ist ja gerade das
große Thema der Relativitätstheorie. Es muss also heißen: Ein relativ zum Beobachter (das ist z.
B. der Leser) ruhendes Inertialsystem. Von diesem Beobachter wiederum wird angenommen,
dass er relativ zur Erdoberfläche ruht oder sich in nicht beschleunigter Bewegung dazu befindet.
»Wollen wir die Bewegung eines materiellen Punktes beschreiben, so geben wir die Werte
seiner Koordinaten in Funktion der Zeit.« Diese Ausdrucksweise ist seit langem ungewöhnlich;
ihre Bedeutung ist jedoch leicht zu erraten: »... so geben wir die Werte seiner Koordinaten als
Funktionen der Zeit an.«
7
Dies stimmt natürlich nur, wenn Einsteins Uhr mit den Uhren des Eisenbahnsystems synchron
geht, und dies wirft die Frage auf, wie im Jahr 1905 – also vor der Zeit des Rundfunks – eine
solche Synchronisation überhaupt durchgeführt werden konnte. Das einzige einigermaßen
zuverlässig synchronisierte System von Uhren war tatsächlich das der Eisenbahnen, die über ein
internes Telegraphensystem verfügten, über das die Uhren abgeglichen werden konnten. In
dieses System wurde die Mitteleuropäische Zeit von einer Sternwarte eingespeist. (Da sich die
Telegraphensignale »nur« mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiteten, war die Synchronisation nicht
exakt, aber natürlich bei weitem ausreichend.) Dann bedeutet der Satz »Der Zug trifft um 7 Uhr
hier ein: Das Eintreffen des Zuges und das Zeigen der Bahnhofsuhr auf 7 sind gleichzeitige
Ereignisse.
Hier führt Einstein im Handstreich eine sehr pragmatische »operationale« Definition der Zeit
(genauer: des Zeitpunkts) ein: Der jeweilige Zeitpunkt ist das, was der kleine Zeiger seiner Uhr
anzeigt. – Als Nächstes tritt das Problem auf, voneinander entfernt stehende Uhren zu synchronisieren. Im System der Eisenbahn geschieht dies auf die unten von Einstein beschriebene
Weise, wobei die Laufzeit des elektrischen Signals einfach vernachlässigt wird. Dieses Vorgehen ist bei beschränkten Entfernungen durchaus brauchbar, aber prinzipiell falsch.
8
Die hier versuchsweise vorgeschlagene Definition des Zeitpunkts eines vom Beobachter
entfernten Ereignisses bedeutet: Ein Geschehen ereignet sich dann, wenn der Beobachter durch
ein Lichtsignal davon erfährt. Natürlich verwirft Einstein diese absurde Definition sofort. Der
von Einstein eingeräumte Mangel des Verfahrens beruht allerdings nicht darauf, dass die
zeitliche Zuordnung vom Standpunkt des Beobachters abhängig ist (er soll ja im Koordinatenursprung stehen!), sondern von der Entfernung der Ereignisse vom Beobachter. Im Folgenden beschreibt Einstein ein brauchbares Verfahren. Dazu ist anzumerken: 1. Die Gleichheit
der Laufzeiten in den beiden einander entgegengesetzten Richtungen muss nicht »durch Definition festgesetzt« werden, da dieses bereits durch das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit geregelt wird. – 2. Es gibt ein sehr viel einfacheres Verfahren, die Uhren zu
synchronisieren: Die Lichtquelle, von der die Lichtimpulse ausgehen, wird in der Mitte der
Strecke AB angebracht. Die beiden Uhren gehen synchron, wenn stets tA = tB ist, wobei tA und tB
die Zeitpunkte (d. h. die Anzeige der jeweiligen Uhr) bedeuten, zu denen das Lichtsignal in A
bzw. B eintrifft.
9
Hinsichtlich der ersten Beziehung fällt auf, dass Einstein weiter oben die Synchronizität zweier
Uhren als etwas Gegenseitiges (Bilaterales) betrachtet hat: »Die beiden Uhren in A und B sind
synchron, wenn ...« Nun unterscheidet er auf einmal zwischen
1. der Synchronizität der Uhr in B mit der in A, und
2. der Synchronizität der Uhr in A mit der in B
und nimmt dann an, dass eines aus dem anderen folgt.
Die Unterscheidung setzt allerdings einen Unterschied in der Definition voraus: Wann ist die
Uhr in B mit der in A synchron und wann die Uhr in A mit der in B?
Übrigens: Nach einer sauberen Definition der beiden Synchronizitäten kann man ihre Identität
tatsächlich unschwer beweisen. Und danach lässt sich auch die zweite Annahme bestätigen.
Wenn der Synchronlauf der beiden Uhren hergestellt ist, dann sind zwei Ereignisse EA und EB,
die in A bzw. in B stattfinden, genau dann gleichzeitig, wenn die Anzeigen der beiden Uhren im
Moment des Eintreffens der Ereignisse EA bzw. EB gleich sind, wenn also
t A( EA )  tB ( EB )
ist.
10
Auf diese Weise hat Einstein eine Definition (und eine Messvorschrift) für die Gleichzeitigkeit
zweier Ereignisse gewonnen, die an verschiedenen Orten stattfinden.
Die Erfahrung, auf welche die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gründet und auf die sich
Einstein hier beruft, kann wiederum nur das Ergebnis des Michelson-Morley-Versuchs sein. Die
hier getroffene »Festsetzung« ist nichts anderes als die Wiederholung des Postulats der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
Auch hier bedeutet »ruhendes System« stets »relativ zum Beobachter ruhendes System«.
11
§ 2 Über die Relativität von Längen und Zeiten
Im Grunde hatten wir das schon mindestens einmal. Immerhin wird das erste Prinzip jetzt
präziser formuliert. Warum es »Relativitätsprinzip« genannt wird, ist immer noch nicht
erkennbar.
Der Begriff »Relativität« dagegen, wie er in der Überschrift des § 2 benutzt wird (Relativität
von Längen und Zeiten) bedeutet etwas ganz anderes und ist dort sinnvoll: Längen, Zeitspannen
und die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse sind keine absoluten Gegebenheiten, sondern hängen
vom Bezugssystem ab, von dem aus sie beobachtet werden; sie sind in diesem Sinne »relativ«.
Zum 2. Prinzip: Hier haben wir wieder das ärgerliche, aber nun immerhin in Anführungszeichen
gesetzte »ruhende« Koordinatensystem (eigentlich: Bezugssystem). Es gibt nicht das ruhende
Bezugssystem, sondern nur ein zum jeweiligen Beobachter ruhendes Bezugssystem. Worauf es
ankommt: In allen, auch in relativ zu einander bewegten Bezugssystemen (genauer: Inertialsystemen) hat die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit denselben Wert.
Allerdings sucht man in § 1 vergeblich eine Definition der »Zeitdauer«. Gemeint ist hier die
Zeitspanne zwischen dem Eintreten zweier Ereignisse an verschiedenen Orten (hier: Start des
Lichtstrahls im Punkt A und sein Eintreffen in Punkt B). Dazu sind zwei Uhren erforderlich,
deren Synchronizität nach dem oben angegebenen Kriterium überprüft wurde.
12
Hier nimmt sich Einstein die nur scheinbar banale Aufgabe vor, die Länge eines relativ zum
Beobachter bewegten Stabes zu bestimmen. Es wird sich zeigen, dass von diesem einfachen
Gedankenversuch die Revolution der Kinematik ausgeht.
Einsteins Beschreibung mutet etwas umständlich an, zudem spricht er wieder vom ruhenden
System, wozu nun auch noch ein bewegtes System kommt. Zweckmäßiger ist es, stets von zwei
relativ zu einander bewegten Systemen S und S' (oder K und k) zu sprechen und es von Fall zu
Fall dem Beobachter zu überlassen, in welchem System er sich gerade aufhalten will.
Inhaltlich geht es um Folgendes:
a) Im System S' befinde sich ruhend eine starrer Stab, dessen Achse parallel zur X'-Achse sei.
Ein im System S' ruhender Beobachter messe auf die übliche Weise (z. B. mit einem Maßband)
die Länge dieses Stabes. Der so ermittelte Wert sei l'.
13
b) Wenn ein im System S ruhender Beobachter die Länge des sich an ihm vorbei bewegenden
Stabes messen will, so bietet sich dazu folgende Methode an: Der Beobachter im System S
ermittelt (auf irgendeine scharfsinnig ausgedachte Weise) mit Hilfe von Uhren, die in S ruhen
und gemäß § 1 synchronisiert wurden, in welchen Punkten des Systems S sich Anfang und Ende
des auszumessenden Stabes zu einer bestimmten Zeit t befinden. Der Abstand dieser beiden
Punkte ist dann die Länge l des Stabes im System S. Dieses Verfahren vereinbaren wir als
Messvorschrift für die Länge von Körpern, die sich relativ zum Beobachter bewegen.
Es wird sich zeigen, dass l und l’ verschieden sind. Anders gesagt: Der Stab hat für einen relativ
zu ihm bewegten Beobachter eine andere Länge als für einen relativ zu ihm ruhenden
(»Relativität von Längen«). Einstein begründet diese Behauptung an dieser Stelle nicht, und er
könnte es auch noch nicht tun.
Anmerkung: Im Zusammenhang mit der »Relativität von Längen« wird noch immer von
»Lorentz-Kontraktion« gesprochen. Das ist zwar bequem, aber irreführend: Körper kontrahieren
nicht, wenn sie in Bewegung gesetzt werden. Sie haben lediglich für einen relativ zu ihnen
bewegten Beobachter eine geringere Länge, weil die Uhren dieses Beobachters anders gehen.
(Daraus erklärt sich auch das »Bell-Paradoxon«, das keines ist.) Übrigens ist der Begriff
»Lorentz-Kontraktion« einige Jahre älter als die Spezielle Relativitätstheorie und ist durch diese
hinfällig geworden.
Mit Zeitepoche t meint Einstein einen bestimmten Zeitpunkt t. Zu diesem Zeitpunkt könne –
nach Meinung der »allgemein gebrauchten Kinematik« – der im System S’ ruhende Stab mit
einem gleich langen, in S ruhenden Stab zur Deckung gebracht werden.
Einstein macht sich nun daran, diese Annahme zu widerlegen. Dies ist nicht möglich, ohne auf
die Relativität von Zeitspannen und -punkten einzugehen. Und das geschieht als Nächstes.
Damit ist gemeint: Die Uhren gehen für einen Beobachter in S (bzw. K) synchron.
14
Erläuterung: Wie Abb. 1 zeigt, legt der Lichtstrahl für den Beobachter in S auf dem Hinweg die
Strecke
s  rAB  s1  rAB  v  tB  t A 
zurück. Da der Lichtstrahl für den Beobachter die Geschwindigkeit V hat (Prinzip der Konstanz
der Lichtgeschwindigkeit), ist
tB  t A 
rAB  s1 rAB   tB  t A  v

.
V
V
Auflösen nach tB – tA ergibt
tB  t A 
rAB
.
V v
Analog findet man das folgende Ergebnis.
15
Abb. 1: Gedankenversuch zur Gleichzeitigkeit
Daraus folgt, dass dem Prädikat »gleichzeitig« keine absolute Bedeutung zukommt: Die beiden
Uhren, die im System S gleichzeitig eine bestimmte Zeigerstellung annehmen, tun dies für einen
Beobachter in S' nicht.
Die »Relativität der Gleichzeitigkeit« ist auch der Grund für die »Relativität von Längen«: Die
korrekte Messung der Länge eines sich vorbei bewegenden Stabes erfordert, dass die Position
seines Anfangs- und die seines Endpunktes gleichzeitig ermittelt werden. Wenn sich aber die
Beobachter in den beiden Systemen nicht darüber einig sind, was »gleichzeitig« ist, kommen sie
natürlich auch zu unterschiedlichen Auffassungen über die Länge des Stabes. So wird der
Beobachter in S' reklamieren, dass die Position des Punktes A nicht gleichzeitig mit der Position
des Punktes B ermittelt wurde, sondern später. In der Zwischenzeit habe sich der Punkt A weiter
nach rechts bewegt, und folglich falle das Messergebnis des Beobachters in S zu klein aus.
16
§ 3 Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation
Damit ist die so genannte Ausgangssituation der beiden Bezugssysteme beschrieben, auf die
nun immer wieder zurückgegriffen wird. Hier unterläuft Einstein ein schwerer Fehler: Er nimmt
leichtfertig an, dass durch die Beschleunigung des Systems k die Gleichberechtigung (und
Gleichwertigkeit) der beiden Systeme nicht verletzt wird. Diese Annahme ist falsch. Wie sich
später zeigt, wird durch die Beschleunigung des Systems k der Gang der Uhren in ihm verlangsamt (siehe zum Beispiel das so genannte Zwillingsparadoxon). Damit aber ist eine unerlässliche Voraussetzung der folgenden Betrachtungen und Berechnungen nicht mehr erfüllt.
Nun wäre es allerdings voreilig, deswegen die gesamte Spezielle Relativitätstheorie für hinfällig
zu erklären. Es ist nämlich durchaus möglich, eine Relativbewegung der beiden Bezugssysteme
mit der Geschwindigkeit v herzustellen, ohne deren Gleichwertigkeit zu beeinträchtigen. Dazu
müssen die beiden System zunächst in einen genügenden Abstand gebracht werden. Dann
müssen
a) die Uhren in den Ursprüngen der beiden Systeme und danach
b) die Uhren eines jeden Systems mit der Uhr in seinem Ursprung synchronisiert werden.
Wenn man dann die beiden Systeme in entgegengesetzten Richtungen auf die Geschwindigkeit
u beschleunigt, sind alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt. (Wegen des relativistischen
Additionstheorems für Geschwindigkeiten ist u > v/2.) Zwar gehen dann die Uhren in
beiden Systemen gegenüber den Uhren eines dritten, nicht beschleunigten Referenzsystems
nach, aber das beeinträchtigt die Gleichberechtigung der beiden betrachteten Systeme nicht.
17
Anders gesagt: Ort und Zeit eines beliebigen Ereignisses können nun im System K durch die
drei Ortskoordinaten x, y, z und durch die Zeitkoordinate t beschrieben werden, im System k
durch die Ortskoordinaten , η, ζ und die Zeitkoordinate τ. Dann muss ein System von Gleichungen gefunden werden, mit denen aus den Koordinaten eines Ereignisses im System K seine
Koordinaten im System k berechnet werden können und umgekehrt.
Dass Raum und Zeit als homogen gelten, bedeutet, dass alle Punkte des Raumes und alle
»Zeitpunkte« als je gleichwertig angesehen werden. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass
ein Kreis den Umfang 2r und die Fläche r² hat, einerlei ob sich sein Mittelpunkt in
Washington oder in Bagdad befindet, und dass ein physikalischer Vorgang unter sonst gleichen
Bedingungen morgen genau so abläuft wie heute. Beim Übergang in ein anderes Bezugssystem
würden diese Eigenschaften verloren gehen, wenn die Transformations-Gleichungen nicht
linear wären.
18
Den ersten Satz wird auch ein sehr sanftmütiger und geduldiger Leser als Zumutung betrachten.
Wenn wir annehmen, dass x die erste Ortskoordinate eines im System k ruhenden Punktes P
bezüglich des Systems K ist, dann muss x’ der Abstand des Punktes P vom Ursprung O’ sein –
gemessen in K. Damit ergibt sich folgendes Bild, wobei zur Vereinfachung y und z gleich null
gesetzt wurden:
Abb. 2: Die Koordinaten des Punktes P zur Zeit t
Einstein führt hier eine neue, in k ruhende X’-Achse ein, deren Nullpunkt in O' liegt. Die auf
dieser Achse liegenden Strecken (z. B. O'P) werden jedoch im System K gemessen und mit x’
bezeichnet. Mit Hilfe dieser Achse will Einstein zunächst den Ablauf der Zeit t in der nächsten
Umgebung von O' berechnen. Dazu fasst er  als Funktion der Koordinaten x’, y, z und t auf:
    x', y, z, t 
Nun betrachtet er drei Ereignisse E0, E1 und E2, die folgende Bedeutung haben:
E0: Start eines Lichtimpulses in O' zur Zeit  0 nach rechts, wobei
 0    0, 0, 0, t 
und t die zum Ereignis E0 gehörige Zeit in K ist.
E1: Ankunft und Reflexion des Lichtimpulses in einem Punkt P mit der Koordinate x’ zur Zeit
1, mit
1    x', 0, 0, t 

x' 
.
V v
E2: Ankunft des Lichtimpulses in O' zur Zeit 2 mit
 2    0, 0, 0, t 

x'
x' 

.
V v V v
Wegen der Laufzeiten siehe S. 896 und 897.
19
(Die Bezeichnung der Gleichung mit (A) und der nächsten mit (B) wurde von mir hinzugefügt.
S. P.)
Da der Lichtimpuls im System k für den Hin- und den Rückweg die gleiche Zeitspanne
benötigt, ist
1   0   2  1 
1
2
 0   2   1
 B
Daraus ergibt sich dann wie im Text beschrieben die Gleichung (A).
Die Unart des Rechnens mit »unendlich kleinen Größen « (schon der Begriff ist sinnlos!) war zur
damaligen Zeit noch gang und gäbe – und ist selbst heute noch nicht ganz ausgerottet, trotz
anhaltender Anstrengungen der Mathematiker.
Zunächst aber: Wie kommt man überhaupt zu diesem Ergebnis?
Der zweite und dritte der in der Gleichung (A) auftretenden Funktionen werden in TaylorReihen entwickelt, wobei wegen der Linearität der Funktionen alle höheren Ableitungen
verschwinden. So erhält man
 2    0, 0, 0, t 

  x'
x'
x' 
x' 


    0, 0, 0, t  

,
t V  v V  v 
V v V v
und
20
1    x', 0, 0, t 


 x'
x' 
x' 
,
    0, 0, 0, t  
 x'
t V  v
V v
wobei die partiellen Ableitungen alle an der Stelle (0, 0, 0, t) zu bilden sind. Durch Einsetzen in
Gleichung (B) ergibt sich

1

 x'
x'
x'  
  0, 0, 0, t     0, 0, 0, t   
x' 
,

     0, 0, 0, t  

 t  V  v V  v 
2
 x'
t V  v
und hieraus
1   1
   1 
1 



 x'  
 x' .
2 t V  v V  v 
  x'  t V  v 
Nach einfachen Umformungen ergibt sich daraus schließlich die im Punkt O’ gültige partielle
Differentialgleichung

v 
 2 2
 0.
 x' V  v  t
Da man diese Betrachtung in jedem beliebigen Punkt des Raumes anstellen kann, gilt die
Differentialgleichung überall.
(Die Buchstaben H und Z sind das große griechische Eta bzw. Zeta.)
Diesen Ergebnissen liegt wiederum ein Gedankenexperiment zugrunde:
21
Abb. 3: Ein weiteres Gedankenexperiment
Zur Zeit  = 0 = 0 starte in O' ein Lichtimpuls in Richtung der Y-Achse (in k die H-Achse), der
in P nach O' reflektiert wird. Vom System K aus sieht der Lichtweg wie in Abbildung 3 aus, da
sich das System k mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt. Der Abstand O'P sei – in K
gemessen – gleich y’. In K bewegt sich der Lichtimpuls mit der Geschwindigkeit V zunächst
von O' nach P1, wobei die Strecke O'P1 = V t ist (t = Laufzeit des Lichtimpulses von O' nach
P1.)
Im rechtwinkligen Dreieck O'P1O'1 ist
V t  2   y '  2   v t  2

t
y'
V 2  v2
.
Einstein folgert daraus: »... dass sich das Licht längs dieser Achsen vom ruhenden System aus
betrachtet stets mit der Geschwindigkeit
V 2  v 2 fortpflanzt.«
Das ist umständlich und irreführend ausgedrückt. Es genügt völlig, die Zeit t berechnet zu
haben.
Wir definieren nun wieder drei Ereignisse:
E0: Start des Lichtimpulses in O = O' zur Zeit t0 = 0. Für denselben Zeitpunkt gilt in k
 0    0, 0, 0, 0 
E1: Ankunft und Reflexion des Impulses in P1. Hier ist x = v t, y = y’, z = 0, t = t und daher
 1    vt, y ', 0, t 
E2: Ankunft des Impulses in O’2. Hier ist x = 2 v t, y = 0, z = 0, t := 2 t und daher
 2    2vt, 0, 0, 2t 
Setzt man für t den oben berechneten Wert ein, so erhält man
22

v y'
1   
 V v
2

2
2v y '
2   
2
2
 V v
, y', 0,

,
V v 
, 0, 0,

.
V 2  v2 
y'
2
2
2 y'
Durch Entwicklung in eine Taylor-Reihe (in der wieder alle höheren Ableitungen verschwinden) erhält man analog zu oben
1   0 

v y'



y '
x' V 2  v 2 y'
t
y'
V 2  v2
und
2  0 
 2 v y'

2 y'

.
x' V 2  v 2 t V 2  v 2
Auch hier ist  der Mittelwert von 0 und 2, also ist
1
2
 0   2   1.
Setzt man die oben erhaltenen Werte ein, ergibt sich schließlich

y'  0
y
Analog findet man

 0.
y


 0. 
z
 ist also nur eine Funktion von x und t.
Es ist logisch gerade umgekehrt: Aus den Differentialgleichungen folgt, dass  – wie zu erwarten – eine lineare Funktion von t und x ist. Die Lösung findet man mit dem Ansatz
  a t  b x ' c,
wobei a und b Funktionen von v sein können. Da für t = 0 und x’ = 0 auch 0 sein soll, muss
c = 0 sein.
Aus dem Ansatz folgt

 a,
t

 b.
x '
Durch Einsetzen in die erste Differentialgleichung erhält man
23
ba
v
0
V  v2
2

b  a
v
V  v2
2
und schließlich
  a  t 

v

x ' .
2
V v

2
Hier ist wieder die irritierende Aussage über die Lichtgeschwindigkeit (V – v) im System k. Ich
berufe mich einfach auf die Abb. 2, aus der man sofort entnehmen kann, dass
24
x '  Vt  vt

t
x'
.
V v
Der für x’ eingesetzte Wert ist x’ = x – v t (s. S. 898, Abs. 4).
Einstein führt hier eine neue Funktion (v) ein, die mit der auf Seite 899 genannten Funktion
(v) = a nicht identisch ist! Vielmehr ist jetzt
 v 
a
v
1  
V 
2
.
Danach wäre es sicher sinnvoll gewesen, zunächst einmal die Transformations-Gleichungen zu
vervollständigen. Etwa so:
Wegen der Gleichberechtigung der Systeme K und k ergeben sich durch Vertauschung der
einander entsprechenden Koordinaten und indem man v durch –v ersetzt (k bewegt sich relativ
zu K mit der Geschwindigkeit –v) aus den obigen Transformationsgleichungen sofort die
»inversen« Gleichungen:
v 

t    v      2   ,
V 

x    v      v  ,
y    v ,
z    v   .
Nebenbei bemerkt: Aus
erhält man sofort
    v y
und
y    v 
  v    v   1 ,
wofür Einstein (S. 901 f.) deutlich mehr Mühe aufwendet.
25
Dieser »Beweis« wäre allerdings ein Zirkelschluss, denn auf Seite 899 (im letzten vollständigen
Absatz) hat Einstein zur Herleitung der Transformationsgleichungen für alle drei Achsen des
Systems k ausdrücklich die gleiche Lichtgeschwindigkeit V vorausgesetzt, worauf er sich im
Folgenden auch stützt. Es handelt sich hier also nicht um einen Beweis, sondern lediglich um
eine Verifizierung, d. h. um die Bestätigung, dass die gefundenen Gleichungen der Voraussetzung, der sie ihre Existenz verdanken, nicht widersprechen.
Die hier benötigten inversen Transformations-Gleichungen stehen allerdings noch gar nicht zur
Verfügung. Einstein hätte hier lediglich die zweite Gleichung in die erste transformieren können.
Anschließend führt er die Herleitung der Transformationsgleichungen durch Berechnung von
(v) zu Ende:
26
27
An dieser Stelle fehlen wieder die inversen Transformationsgleichungen, die hier nachgetragen
werden:

v 
 ,
V2 

x     v  .
t    
Man erhält sie, indem man in den oben stehenden Gleichungen die einander entsprechenden
Koordinaten vertauscht und v durch –v ersetzt.
Damit hat Einstein mit beträchtlichem Aufwand ein System von Gleichungen hergeleitet, aus
denen sich alle anderen Resultate der Speziellen Relativitätstheorie ableiten lassen. Diese Gleichungen sind nichts anderes als die so genannten Lorentz-Transformationen. Sie hätten ganz
einfach mit dem linearen Ansatz
x  k    v  ,   k  x  vt 
gefunden werden können.
(Einzelheiten siehe dazu »Spezielle Relativitätstheorie, 1. Teil, auf dieser Website.)
28
§ 4 Physikalische Bedeutung der erhaltenen Gleichungen
Die vor dem letzten Absatz aufgeführten Werte gelten für die Halbachsen des Ellipsoids.
»Für Überlichtgeschwindigkeit werden die Überlegungen sinnlos;« – dies gilt schon für die
Transformations-Gleichungen selbst, weil dann die auftretende Wurzel imaginär würde.
» ... dass die Lichtgeschwindigkeit in unserer Theorie physikalisch die Rolle der unendlich
großen Geschwindigkeiten spielt.« Diese etwas dunkle Formulierung bedeutet Folgendes: Die
Lichtgeschwindigkeit ist eine nicht zu übertreffende, ja nicht einmal erreichbare Grenzgeschwindigkeit.
29
Darüber hinaus lässt sich erkennen: Für V gegen unendlich gingen die TransformationsGleichungen der Relativitätstheorie in die Galilei-Transformationen der klassischen Physik
über. Anders ausgedrückt: Wenn die Lichtgeschwindigkeit unendlich groß wäre, dann wären die
Galilei-Transformationen und die nicht-relativistische Physik gültig.
Es wird hier die im Ursprung O' von k ruhende Uhr von K aus beobachtet. Zur Zeit t0 = 0
befindet sich diese Uhr gegenüber von O mit x = 0. Also ist – wie zu erwarten – auch 0 = 0. Zu
einer beliebigen Zeit t > 0 befindet sich die Uhr in einem Punkt P mit x = v t. Sie zeigt dann den
oben angegebenen Wert  an, welcher kleiner ist als t. Für einen Beobachter in K geht also die
Uhr (und damit alle Uhren) in k langsamer als die Uhren in K. Dieser Effekt (»Zeitdilatation«)
ist jedoch – genau wie die Längenkontraktion – »relativ«, und er muss es wegen der
Gleichberechtigung der beiden Systeme auch sein: Auch für einen Beobachter in k gehen die
Uhren in K langsamer als seine eigenen Uhren. Dies bestätigt folgende Rechnung: Es ist
t
v 



 .

2
2
V


v
 
1  
V 
1
Da sich die in O befindliche Uhr für einen Beobachter in k nach links bewegt, ist
30
  v ,
und daher
2
v
t   1   .
V 
Dies ist ein folgenreicher Irrtum. Die Uhr in A ruht nämlich zunächst in K (nicht in k!) und muss
erst beschleunigt werden, bevor sie die Geschwindigkeit v haben kann. Dadurch sind aber das
System K und das System k, in welchem die betrachtete Uhr jetzt ruht, nicht mehr gleichberechtigt. Vielmehr geht die in k ruhende Uhr jetzt »absolut« nach. Dies ist der beim so
genannten »Zwillingsparadoxon« entscheidende Effekt, den richtig zu begründen Einstein
später einige Schwierigkeiten hatte. Außerdem gilt der angegebene Wert für die Verzögerung
der Zeit nur, wenn die Beschleunigung der Uhr so groß ist, dass die Dauer der Beschleunigungsphase gegenüber der gesamten Bewegungsdauer vernachlässigt werden kann. (Siehe
dazu »Das Zwillingsparadoxon« auf dieser Website.)
31
§ 5 Additionstheorem der Geschwindigkeiten
Die Konstanten w und w sind die Komponenten der Geschwindigkeit des betrachteten Punktes
bezüglich k.
Setzt man




    x  vt  ,     t  v2 x 
V
in die erste der sechs Gleichungen ein, dann erhält man durch Auflösen nach x die vierte
Gleichung, welche die Bewegung des Körpers im System K beschreibt:
x
w  v
t.
v w
1 2
V
32
Dies ist die Gleichung einer gleichförmigen Bewegung mit der Geschwindigkeit
wx 
w  v
.
v w
1 2
V
Darin ist wx die Geschwindigkeit des Körpers in X-Richtung im System K.
Die Transformation der zweiten Gleichung erfordert etwas mehr Rechenaufwand, da man x mit
Hilfe der eben erhaltenen Gleichung eliminieren muss:

v
y  w   t  2
V


 .

v w  v

x   w  t 1  2

V  v w


y
 
1  v 
V 


2
w t.
vw
1  2
V
Dies wiederum ist die Gleichung einer gleichförmigen Bewegung mit der Geschwindigkeit
wy 
 
1  v 
V 
2
w .
vw
1  2
V
Die letzten Ausführungen sind wieder recht unklar und unpräzise. Selbstverständlich dürfen wξ
und wη vektoriell addiert werden, ebenso die durch Transformationen gewonnenen Werte von wx
und wy.
Die letzte Zeile enthält zwei Druckfehler: Selbstverständlich muss es heißen
  arctan
w
w
.
Ferner ist
w  w cos 
und w  w sin  .
33
Dabei ist auch der Winkel zwischen der X'-Achse und w. Damit wird das Folgende
verständlich.
34
Elektrodynamischer Teil
§ 6 Transformation der Maxwellschen Gleichungen für den leeren Raum.
Nun endlich kann sich Einstein seinem eigentlichen Anliegen zuwenden, das der ganzen Arbeit
den Titel gegeben
(X, Y, Z) ist natürlich nicht der Vektor der elektrischen Kraft, sondern der Vektor der elektrischen Feldstärke, und analog ist (L, M, N) der Vektor der magnetischen Feldstärke.
Hier geht es um Folgendes: In einem Raumstück des Systems K sind ein örtlich und zeitlich
veränderliches elektrisches Feld und ein ebensolches Magnetfeld vorhanden. Die Feldvektoren
dieser Felder sind
E   Ex , Ey , Ez    X , Y , Z 
und
H   H x , H y , H z    L, M , N  ,
wobei die Komponenten von E und H Funktionen von x, y, z und t sind (oder sein können).
Die örtlichen und zeitlichen Veränderungen der beiden Feldvektoren bedingen einander und
bringen einander hervor. Die zwischen den Feldvektoren bestehenden Verknüpfungen werden
durch die (heute so genannten) Maxwellschen Gleichungen beschrieben.
Die sechs Gleichungen in Einsteins Text sind die Komponentendarstellungen der ersten beiden
Maxwellschen Gleichungen im heute veralteten »CGS-System«:
35
1 E
1 H
 rot H ,
  rot E.
V t
V t
V ist wieder die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit.
Anmerkung: Im Internationalen Maßsystem (SI) lauten diese beiden Gleichungen:
0
E
H
 rot H , 0
  rot E.
t
t
Wir bleiben jedoch zur Vereinfachung bei der Schreibweise Einsteins.
Mit
 H z H y   H x H z 
 H y H x 
rot H  



 j
i 
k
z   z
y 
x 
 y
 x
und
 E E y
rot E   z 
z
 y
  Ex Ez 
 E y Ex 


 j
i 
 k,
y 
x 
  z
 x
sowie mit den Abkürzungen
Ex  X ,
Ey  Y ,
Ez  Z ,
H x  L,
H y  M,
Hz  N
ergeben sich die sechs oben stehenden Gleichungen, worin i, j, k die Einheitsvektoren des
Bezugssystems sind.
Diese Gleichungen sollen nun in das System k transformiert werden. Das geschieht im Prinzip
so, dass die partiellen Ableitungen nach x, y, z und t mit Hilfe der Transformationsgleichungen
(Lorentz-Transformationen) durch solche nach  und  ersetzt werden. Dabei muss man
berücksichtigen, dass im System K die Koordinaten x, y, z und t voneinander unabhängige
Größen sind, nach denen die Feldstärkenkomponenten partiell differenziert werden können. Im
anderen System aber hängt die Zeitkoordinate nicht nur von t, sondern auch von x ab. Folglich
gilt für die linke Seite der ersten Gleichung
1 X 1  X  X  


,
V t V   t  t 
und wegen

  v
t
und


t
ist
X
X 
1 X 1  X  X   1 


 
   v
.


 
V t V   t  t  V 
Da y nur von und z nur von  abhängt und
 

1
y z
ist, erhält man für die rechte Seite der Gleichung
36
N M N  M  N M





.
y
z
 y  z  
Diese Ergebnisse in die erste Gleichung eingesetzt und diese dann geordnet, ergibt
 X
v X N M



V 
V   
(1)
Die Tatsache, dass im Vakuum das elektrische Feld quellenfrei und folglich
div E  0
ist (3. Maxwellsche Gleichung), kann man dazu nutzen, in dieser (und später auch in der vierten
Gleichung) die partielle Ableitung von X nach  durch solche nach  und  zu ersetzen und
dadurch eine Symmetrie der Gleichungen herzustellen, sodass sie verglichen werden können
Die 3. Maxwellsche Gleichung bedeutet explizit
X Y Z


 0, 
x y z
X
Y Z


x
y z
(2)
Für die linke Seite der Gleichung erhält man durch Transformation
X X  X 
X
v X



 2
,
x  x  x

V 
für die rechte Seite

Y Z
Y  Z 
Y Z





.
y z
 y  z
 
Eingesetzt in (2) ergibt

X
v X Y Z
 2


.

V   
Dieses wiederum in (1) eingesetzt, ergibt nach einfachen Umformungen schließlich
v 

 N  Y 
1 X
V 
 
V 

v 

M  Z 
V .


Ganz analog erhält man die übrigen fünf der im Folgenden angegebenen sechs Gleichungen:
37
Betrachten wir nun das vorliegende elektromagnetische Feld vom System k aus: Wir müssen
damit rechnen, dass die beiden Vektoren E und H des Feldes in k andere Werte E’ bzw. H’
haben als in K, aber für diese anderen Werte müssen wegen der Gleichberechtigung der
Systeme (oder: wegen des Relativitätsprinzips) die Maxwellschen Gleichungen unverändert
gelten. Das heißt, es muss sein
1 E '
1 H '
 rot H ' und
  rot E '.
V 
V 
Die Komponentendarstellung dieser beiden Gleichungen sind die sechs Gleichungen im folgenden Abschnitt.
Mit »ponderomotorische Wirkungen« meint Einstein die beschleunigenden Kräfte; mit
»elektrische bez. magnetische Massen« elektrische Ladungen bzw. Magnetpole und mit der
»elektrischen und magnetischen Kraft« wieder die entsprechenden Feldstärken.
38
Da die durch Transformation gewonnenen Gleichungen auf S. 907 unten und S. 908 oben
dasselbe aussagen, müssen die einander entsprechenden Terme in den Gleichungen identisch
sein. Einstein meint dagegen, sie könnten sich noch durch einen (allen gemeinsamen ) Faktor 
unterscheiden, der sich später – wie zu erwarten – als gleich 1 erweist.
Nach dem oben Gesagten muss also sein:
X ' X

,


v 

 Y  N 
Y '
V  , usw.
 


Daraus folgt
v 

X '  X  C1, Y '    Y  N  + C2 , usw.
V 

Die bei der Integration auftretenden Konstanten (die Einstein einfach weggelassen hat) stellen
die Komponenten eines homogenen und zeitlich konstanten Feldes dar, das im System k dem
veränderlichen elektromagnetischen Feld überlagert ist. Einem solchen Feld würde auch im
System K ein homogenes, konstantes Feld (wenn auch evtl. mit anderer Feldstärke) entsprechen.
Von einem solchen Feld aber haben wir von Anfang an abgesehen, weil es in den Maxwellschen Gleichungen ohnehin keine Rolle spielen würde. Also setzen wir C1 = C2 = 0 und erhalten
X '  X,
v 

Y '  ß  Y  N ,
V 

39
usw.
Hier ist zunächst fünfmal  durch  zu ersetzen.
Die Interpretation bereitet keine Probleme:
1. Die X-Komponente (nämlich X) der elektrischen Feldstärke hat in k und K denselben Wert.
2. Dasselbe gilt für die X-Komponente L der magnetischen Feldstärke.
3. Die Y-Komponente der elektrischen Feldstärke in k (nämlich Y’) hängt außer von Y auch von
N ab, also von der Y-Komponente der magnetischen Feldstärke in K. Selbst wenn in K kein
elektrisches Feld existiert, kann in k eines vorhanden sein, nämlich dann, wenn es in K ein
entsprechendes Magnetfeld gibt.
4. Analoges gilt für die Z'-Komponente der elektrischen Feldstärke in k.
Und so weiter.
Der »numerische Wert« in der Fußnote ist natürlich der Zahlenwert.
Die unten folgende Interpretation Einsteins erübrigt sich weitgehend, wenn man die in den
Gleichungen auftretenden (Feld-)Größen als das interpretiert, was sie sind, nämlich als die
Komponenten der elektrischen und magnetischen Feldstärke, und nicht als die Komponenten
der elektrischen und magnetischen Kräfte auf »Einheitspole«. Feldstärken sind nicht identisch
40
mit Kräften auf Einheitspole, sondern sind Quotienten aus jeweils einer Kraft und einer Ladung.
Auch im CGS-System haben die beiden Größen verschiedene Dimensionen.
41
Mit »Elektrizitätsmenge« ist eine »elektrische Ladung« gemeint; sie kann nicht von der »Größe
„eins“« sein, sondern nur vom Zahlenwert eins, denn eine Größe hat außer ihrem Zahlenwert
auch noch eine Maßeinheit.
Im CGS-System ist die Einheit der elektrischen Ladung definiert als die punktförmige Ladung,
die auf eine gleiche Ladung im Abstand 1 cm die Kraft 1 Dyn (= 10-5 Newton) ausübt.
»Nach dem Relativitätsprinzip ist diese elektrische Masse auch im bewegten System gemessen
von der Größe „eins“.« Die Begründung ist falsch. Das Relativitätsprinzip besagt lediglich,
dass alle physikalischen Vorgänge (einschließlich der Ausbreitung des Lichts) in allen Inertialsystemen nach denselben Gesetzen ablaufen. Es besagt nicht, dass alle physikalischen Größen
überall gleich sind. Sonst gäbe es keine Relativität der Dauer und keine Relativität der Länge.
Nun erweist sich später allerdings, dass die elektrische Ladung eines Körpers tatsächlich vom
Bezugssystem unabhängig ist. Sie ist wie die Masse eines Körpers eine »absolute Größe«.
»... so ist die auf sie wirkende, im bewegten System gemessene Kraft gleich dem Vektor
(X', Y', Z').« Richtig ist: Die Kraft ist das Produkt aus dem Vektor der Feldstärke und der
Ladung.
42
§ 7 Dopplersches Prinzip und Aberration
Der Entdecker des nach ihm benannten Prinzips heißt Doppler, nicht Doppeler.
Elektrodynamische Wellen sind elektromagnetische Wellen.
Bei sehr großer Entfernung der Quelle von O sind die Wellen in der Umgebung von O praktisch
eben, und als solche werden sie hier mathematisch dargestellt. Mit Vektorgleichungen können
sie so beschrieben werden:
E  E0 sin  ,
H  H 0 sin  . 
 ist der so genannte Phasenwinkel. Für eine ebene Welle kann er dargestellt werden als
    t 

ax  by  cz 
,
V

wenn zur Zeit t = 0 im Ursprung O  = 0 ist.  ist die Kreisfrequenz der Welle ( = 2 f). In
der folgenden Abbildung ist zur Vereinfachung angenommen, dass die Frontebenen der Welle
(blaue Linien) auf der XY-Ebene senkrecht stehen.
Abb. 4: Frontlinien einer ebenen Welle
43
Der Einheitsvektor der Wellennormalen ist n = (a, b, c) = (cos  cos , cos ).
Der Betrag des Skalarprodukts r n = ax + by + cz ist gleich der Länge der senkrechten Projektion von r auf n, also gleich dem Abstand OA. Der Quotient
ax  by  cz
V
ist die Laufzeit der Welle von O nach A. (Im abgebildeten Fall ist diese negativ, da r und n
einen stumpfen Winkel bilden und der Punkt A von der Welle früher erreicht wird als O.)
Dies bedarf wohl einer Erklärung. Zunächst ist siebenmal ' durch  zu ersetzen, denn der
Phasenwinkel der Welle im Punkt P ist eine »absolute Größe«, die nicht vom Bezugssystem
abhängt. Er kann zwar sowohl durch die Parameter , a, b, c und die Orts- und Zeitkoordinaten
x, y, z, t in K, als auch durch die entsprechenden Größen in k ausgedrückt werden, aber das
44
rechtfertigt noch nicht zwei verschiedene Bezeichnungen für dieselbe Größe. Dies bestätigt
auch die Durchführung der Rechnung. Ausgehend von
    t 

a x  by  cz 
,
V

findet man mittels der Transformationsgleichungen für t, x, y und z zunächst:

a    v   b  c 
       v2  


V
V

und dann durch Ordnen

v

 a

av
V

      1   
V 
 


c 
 b
    
 
 
. (3)
V



Im System k muss für  gelten
   '   

a'   b'  c '
V

 , (4)

wobei ’ die Kreisfrequenz der Welle in k,
 der betrachtete Zeitpunkt in k,
 die Koordinaten von P in k und
a’, b’, c’ die Richtungskosinus der Wellennormalen in k sind.
Um die beiden Gleichungen vergleichen zu können, müssen wir die Gleichung (3) zunächst
umformen:
b
c 

v
  a       


av
V 

.
    1    
av


V 


1  V V




Jetzt ergibt der Vergleich der einander entsprechenden Größen:
av
 '    1   ,
V 

v
b
c
V , b' 
a' 
, c' 
.
av
av 
av 


1
 1  
 1  
V
V 
V 


a
Das sind genau die von Einstein angegebenen Werte.
45
Den Inhalt dieses Satzes erklärt folgende Abbildung:
Abb. 5: Eine Frontlinie in den beiden Bezugssystemen
cos  ist der »erste« Richtungskosinus, meist cos  genannt, und hier identisch mit der Größe
a in den obigen Formeln.
Es muss hier heißen: »für v = –V die Frequenz  '= ∞ ist.«
46
Für = 0 bewegt sich das Licht nach rechts, parallel zur X-Achse. Wenn dann noch v < 0 ist,
bewegt sich k dem Licht genau entgegen.
Anmerkung zum 1. Absatz: φ' ist der Winkel zwischen der Wellennormalen im System k und
der X'-Achse.
Anmerkung zum 4. Absatz: Es ist gleichgültig, ob man mit A die Amplitude des elektrischen
oder die des magnetischen Feldvektors (nicht: »der elektrischen oder magnetischen Kraft«)
bezeichnet, weil diese im CGS-System gleich sind.
Zu dem angegebenen Ergebnis kommt man folgendermaßen:
Wir betrachten einen Lichtstrahl, der in der XY-Ebene verläuft und mit der X-Achse den Winkel
 bildet. Der Lichtstrahl sei linear polarisiert, und zwar so, dass der elektrische Feldvektor in
der XY-Ebene, der magnetische Feldvektor parallel zur Z-Achse schwingt. Die Amplitude der
elektrischen Feldstärke sei E0, die der magnetischen Feldstärke H0 = N0.
47
Abb. 6: Elektrischer Feldvektor der Welle
Im CGS-System ist E0 = H0.
Wir zerlegen E0 in die Komponenten X0 und Y0. Es ist
X 0  E0 sin  , Y0  E0 cos 
und
E02  X 02  Y02 .
Im relativ zu K mit der Geschwindigkeit v bewegten System k ist
 E '0 
2
2
2
v


  X '0    Y '0   X 02   2  Y0  N0 
V


2
oder
 E '0 
2
v 

 E sin     E0 cos   E0 
V 

2
0
2
2
2
und somit
v

v2  2

sin    cos   
2
1

2


2
 E '0 
v
V

 V 
2
2
 E   sin     cos    
2
v
V

 0 
1 2
V
2
und schließlich
v

v2 
v



1  2  1  cos 2     cos   

 1  cos  
 E '0 
V

 V 
 V 2  .
 E  
2
v
v
 0 
1 2
1 2
V
V
2
2
2
Dasselbe Ergebnis erhält man, wenn die Polarisationsrichtung der Welle um 90° gedreht ist. Bei
beliebiger Polarisationsrichtung kann die Welle in zwei Teilwellen zerlegt werden, welche die
oben behandelten Polarisationsrichtungen haben. Das Ergebnis gilt also ganz allgemein.
48
§ 8 Transformation der Energie der Lichtstrahlen –
Theorie des Strahlungsdrucks
»Lichtenergie pro Volumeneinheit« wird heute als »Energiedichte« bezeichnet. Im zweiten
Halbsatz fehlt hinter »Lichtenergie« der Zusatz »pro Volumeneinheit«.
Mit einem »Lichtkomplex« meint Einstein das in einem bestimmten Volumen – zum Beispiel in
einer Kugel – vorhandene elektromagnetische Feld.
Aus der allgemeinen Kugelgleichung entsteht durch Anwendung der inversen TransformationsGleichungen auf die Koordinaten x, y, z und t die Gleichung eines mit Lichtgeschwindigkeit
bewegten Ellipsoids. Einstein macht von diesem Ellipsoid zur Zeit  = 0 eine Momentaufnahme. So entsteht die zweite Gleichung. Das Volumen dieses Ellipsoids findet man zum
Beispiel durch Integration.
49
Für = 0 erhält man die Gleichung des Kreises, in dem das Ellipsoid die -Ebene (Eta-ZetaEbene) schneidet:
 2   2  R2
Für einen beliebigen Wert von  erhält man den Schnittkreis des Ellipsoids mit der Ebene
 = konstant. Für dessen Radius r gilt:
2
av 

r  R    1   .
V 

2
2
2
2
Der Radius r wird null in dem am weitesten links und in dem am. rechts gelegenen Punkt des
Ellipsoids. Für diese Punkte gilt daher:
1,2  m
R
av
  1  
V 

.
Damit ergibt sich das Volumen des Ellipsoids:
S'  

2
1
2
 2
4 R3
av   d  
2 2
.
R



1



 
av 

V  


3  1  
V 

Zum selben Ergebnis kommt man ohne Integration, indem man nach dem Satz von
Cavalieri das gegebene Ellipsoid durch ein volumengleiches Rotationsellipsoid ersetzt,
das die Hauptachsen
R
r1  r2  R und r3 
av
  1  
V 

hat und dessen Volumen sich aus
S' 
4
rr r
3 1 2 3
ergibt.
Mit

1
v
1  
V 
2
, a  cos 
und S 
erhält man
2
v
1  
S'
V 

.
v
S 1  cos 
V
50
4 R3
3
51
Die mittlere Energiedichte des Wellenfeldes im ist CGS-System (s. S. 913)
w
W A2

,
S 8
wobei A die Amplitude des elektrischen (oder magnetischen) Feldvektors ist. »S« steht hier
wieder für Volumen, da »V« für die Lichtgeschwindigkeit reserviert ist. Vom System K aus
gesehen beträgt die Horizontalkomponente der Geschwindigkeit der Welle gegenüber dem
Spiegel
vh  V cos   v.
Die in der Zeit t auf die Spiegelfläche a treffende Lichtenergie ist demnach
W1 
A2
V cos   v  a t ,
8
die flächen- und zeitbezogene Energie (also die flächenbezogene Leistung) ist
52
W1 A2
A2 
v

V cos   v   V  cos    .
a t 8
8 
V
Korrektur: Innerhalb des Textes muss dieser Ausdruck mit zwei Klammern geschrieben werden:
(A²/8)(V cos  - v).
Für die reflektierte flächenbezogene Leistung gilt entsprechend
W2  A'''

a t
8
2
 V cos  '''  v  
 A'''
2
v

V   cos  '''   .
8
V

Die Differenz ist die auf den Spiegel übertragene flächenbezogene Leistung:
W W1  W2 P

 ,
a t
a t
a
wobei P die Leistung dieses Vorgangs ist. Nun ist
PFv
und
P F
 v  p v,
a a
wobei F der Betrag der auf den Spiegel ausgeübte Kraft und F / a = p der ausgeübte Druck ist.
Durch Transformieren findet man
2
v

cos   

2
W
A
V ,
 2 v
2
a t
8
v
1  
V 
und durch Vergleich schließlich das angegebene Ergebnis, wobei P durch p zu ersetzen ist.
§ 9 Transformation der Maxwellschen Gleichungen mit Berücksichtigung
der Konvektionsströme
In dem betrachteten Raumstück sei keine Materie (Dielektrikum) vorhanden, jedoch bewegte
elektrische Ladungen, die quasi kontinuierlich (aber nicht notwendig gleichmäßig) im Raum
verteilt seien. Diese Raumladungen mit der Raumladungsdichte
Q d Q

V  0 V
dV
  lim
bewirken zweierlei:
53
1. Sie sind Quellen eines elektrischen Feldes, für das im CGS-System gilt:
4  div E 
Ex E y Ez X Y Z





.
x
y
z
x y z
2. Sie stellen, wenn sie sich bewegen, elektrische Ströme im Raum dar (»Konvektionsströme«).
Für die Stromdichte j dieser Ströme gilt, wenn u die Geschwindigkeit der Ladung an der
betreffenden Stelle ist,
j   u.
Damit lautet die 1. Maxwellsche Gleichung (mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit V)
rot H 
1 E 1
 4  u.
V t V
Um den lästigen Faktor 4loszuwerden, ersetzt Einstein 4 durch , (das nunmehr also das
4-fache der Raumladungsdichte bedeutet) und schreibt das 1. Maxwellsche Gesetz in der
Komponentendarstellung wie unten angegeben. Das 2. Maxwellsche Gesetz (dessen Komponentendarstellung die Gleichungen in der rechten Spalte sind) bleibt unverändert.
54
Nach dem Absatz »Transformiert man diese Gleichungen (...) so erhält man die Gleichungen:«
fehlen im Text die angekündigten transformierten Gleichungen, von denen die ersten drei
(analog zu den Gleichungen auf S. 907 unten) lauten:
v 
v 


 N  Y 
M  Z 
X 
 u  v  ux v 
1 x
 1 2   
V  
V ,

ux v 
   
V


V 1  2


 V


uy
1
 u v
  1  x2    

V   ux v  
V 
 1 2 
 
V 

uz
1
 u v
  1  x2    

V   ux v  
V 
 1 2 
 
V 
v 

 Y  N  
V   L  



 

v 

 Z  M 
V  





v 

 N  Y 
V ,


v 

M  Z 
V   L .



Die restlichen drei Gleichungen (das 2. Maxwellsche Gesetz betreffend) sind identisch mit der
untersten Gleichung auf S. 907 und den obersten zwei Gleichungen auf S. 908.
Außerdem fehlt ein Text analog zum ersten Textabsatz auf S. 908, der sinngemäß etwa lauten
müsste:
Nach dem Relativitätsprinzip müssen die Maxwellschen Gleichungen im System k genau so
lauten wie in K, es muss also sein:
1  E '

 4  ' u'   rot H ',

V  

1 H '
  rot E '.
V 
Wenn man diese beiden Gleichungen in Komponenten schreibt, erhält man die folgenden sechs
Gleichungen: ...
55
An dieser Stelle wären dann die sechs Gleichungen einzufügen, die auf S.916 nicht ganz unten
(und in diesem Text auf S.55 unten und auf S.56 oben stehen). In diesen Gleichungen ist wieder
4’ durch ’ ersetzt worden. In den drei Gleichungen in der rechten Spalte fehlt auf der linken
Seite jeweils der Faktor 1/V (siehe dazu die entsprechenden Gleichungen auf S. 908).
Die oben genannte Transformation soll hier beispielhaft an der ersten Gleichung skizziert werden, wobei ich zur Abkürzung auf den Rechengang im § 6 verweise. Zunächst werden die
partiellen Ableitungen nach t, y und z wieder durch solche nach und ersetzt. Dadurch
erhält man zunächst:
X
X  N M
1
ux    v



.


   
V
Um
(5)
X

eliminieren zu können, bilden wir zunächst
X
X
v X

 2
x

V 
und setzen dies in die Divergenzgleichung
div E 
X Y Z



x y z
ein. Das ergibt

X
v X
Y Z
Y Z
 2




,

V 
y z
 
woraus folgt

X
v X Y Z
 2


.

V   
Dies in Gleichung (5) eingesetzt ergibt:
1
v 2 X
Y
Z
X  N M

,
u


v



v
v

 x

2
V
V 


   
1

v 2  X  N M v Y v Z
u

v





,





x



V 
V 2      V  V 

v 
v 


 N  Y  M  Z 
1
X 
V ,
 ux  v      1  v 2     V   

V


 V   
2
und nach Multiplikation mit :
56
v 

 N  Y 
1
X 
V 
 
ux  v   


V

 
v 

M  Z 
V ,


v 
v 


 N  Y 
M  Z 
X 
 ux  v  ux v 
1
 1 2   
V  
V .

ux v 
   
V


V 1  2


 V

Ein Vergleich der transformierten Gleichungen mit denen, die durch Anwendung des Relativitätsprinzips gewonnen wurden, ergibt dann neben den aus § 6 schon bekannten Beziehungen
zwischen den Feldstärken in beiden Systemen die wichtigen Gleichungen
u 
uy
ux  v
uz
, u 
, u 
,
ux v
 ux v 
 ux v 
1 2
 1  2 
 1  2 
V
V 
V 


die nichts anderes sind als die Additionstheoreme der Geschwindigkeit. Ferner erhalten wir eine
Aussage über die Transformation der Raumladungsdichte


 '   1 
ux v 
 .
V2 
Dieser „wichtige Satz“ ist eher trivial. Viel wichtiger ist ein anderer Satz, der an dieser Stelle
bewiesen werden kann: Die elektrische Ladung eines Körpers hat für alle Beobachter –
unabhängig von deren Relativgeschwindigkeit zur Ladung – dieselbe Größe. (Diese Tatsache
glaubte Einstein früher ohne weiteren Beweis aus dem Relativitätsprinzip ableiten zu können.
Siehe dazu § 6.) Den Beweis kann man so führen:
Im System K ruhe eine Kugel vom Radius r. Sie umschließe eine elektrische Ladung mit der
konstanten Raumladungsdichte . Ihre Ladung ist dann
4
Q   r 3 .
3
57
Für einen Beobachter in k mit der Relativgeschwindigkeit v ist diese Kugel ein Rotationsellipsoid, dessen in Bewegungsrichtung liegende Halbachse die Länge
r'  1 
v2
r
V2
hat. Dieses Rotationsellipsoid besitzt für einen Beobachter in k das Volumen
S' 
4 3
v2
 r 1 2 .
3
V
Die Raumladungsdichte der elektrischen Ladung für diesen Beobachter ist (wegen ux = 0)
' 

v2
1 2
V
.
Die Ladung der Kugel ist daher für den Beobachter in k:
4
Q'  S '  '   r 3   Q.
3
§ 10 Dynamik des (langsam beschleunigten) Elektrons
58
Hier geht es um Folgendes: Zur Zeit  = 0 ruhe ein Elektron im Ursprung des Systems k. Für
einen Beobachter in K bewegt es sich mit der Geschwindigkeit v nach rechts.
Nach dem dynamischen Grundgesetz »Masse x Beschleunigung = Kraft« lauten die Bewegungsgleichungen des Elektrons im System k:

d 2
d 2
d 2


X
',



Y
',

  Z ',
d 2
d 2
d 2
59
wenn in O' ein elektrisches Feld mit den Komponenten X’, Y’, Z’ existiert.
Diese Gleichungen werden nun in das System K transformiert.
Dazu müssen wir zunächst untersuchen, wie Beschleunigungen von einem System ins andere
transformiert werden. Dazu betrachten wir einen Punkt, der zur Zeit t =  = 0 im Ursprung O'
des Systems k ruht. Dieser Punkt erfahre bezüglich k die Beschleunigungen a und a. Wie
groß sind dann seine Beschleunigungen ax und ay bezüglich des Systems K?
1. Aus dem Additionstheorem für Geschwindigkeiten
wx 
w  v
wv
1  2
V
folgt
d w  w v 
v d w
1  2    w  v  2

d wx
dt 
V dt
V 
ax 

2
dt
 w v 
1  2 
V 

und mit w= 0
3

v 2  d w 
v 2  d w d  
v2  2
ax   1  2 
 1 2 
  1  2  a ,
 V  dt
 V  d d t  V 
wegen
d w
d
1
 a
und
d 
v2  2
 1  2  .
dt  V 
2. Aus dem Additionstheorem für wy folgt mit w = 0
v2
wy  1  2 w
V

v 2 d w d 
 1 2
dt
V d d t
d wy
und schließlich

v2 
a y   1  2  a .
 V 
Analog findet man

v2 
az   1  2  a .
 V 
Dass die Transformationsgleichungen für ax und ay bzw. az sich unterscheiden, leuchtet unmittelbar ein. Die »transversale Beschleunigung« des Punktes (das ist die Beschleunigung senkrecht zur Bewegungsrichtung) ist im System K kleiner als in k, weil die Uhr des Beobachters in
K für ihn schneller geht als die in k ruhende Uhr. Wegen der zweimaligen Differentiation tritt
der Wurzelfaktor zweimal auf. Dasselbe gilt auch für die »longitudinale Beschleunigung« (das
ist die Beschleunigung in Bewegungsrichtung), jedoch tritt hier der Faktor noch ein drittes Mal
60
auf, weil die Geschwindigkeit des Punktes in K wegen der relativistischen Addition der
Geschwindigkeiten langsamer wächst als in k.
In der Schreibweise Einsteins ist also
2
2
2
d 2
d 2
d 2
3 d x
2 d y
2 d z


,


,


.
d 2
d t2
d 2
d t2
d 2
d t2
Transformiert man auch die Feldstärken nach den angegebenen Gleichungen, so erhält man die
Gleichungen auf S. 919 oben, nämlich:
 3
2
d2 x
v 

2 d y


X
,


    Y  N  usw.
2
2
dt
dt
V 

(6)
Betrachten wir zunächst die erste Gleichung: Wenn wir annehmen, dass das Elektron auch im
System K die Ladung  besitzt, was durch frühere Betrachtungen gerechtfertigt ist, dann ist X
die in K auf das Elektron in X-Richtung wirkende Kraft. (Dabei nehmen wir an, dass die
Gleichung »Kraft = Ladung mal Feldstärke« auch für ein im Feld bewegtes Elektron gilt.)
Setzen wir ferner die Gültigkeit des dynamischen Grundgesetzes in der Form »Kraft = Masse
mal Beschleunigung« voraus, dann hat das Elektron im System K bei Beschleunigung in XRichtung die Masse
mX    3 


v2 
1  2 
 V 
3
.
2
Die zweite Gleichung von (6) kann zunächst durch gekürzt werden:
     Y 

v 
N .
V 
Der Term auf der rechten Seite ist die im System K auf das Elektron in Y-Richtung wirkende
Kraft. Folglich hat das Elektron im System K bei Beschleunigung in Y-Richtung die Masse
mY    

v2
1 2
V
.
Der gleiche Wert gilt für Beschleunigung in Z-Richtung.
Diese Ergebnisse waren zur damaligen Zeit bereits aus Messungen an schnell bewegten Elektronen bekannt. Die beiden verschiedenen Massen wurden als »longitudinale Masse« ml = mX
und »transversale Masse« mt = mY (bzw. mZ) bezeichnet.
In Einsteins Text ist das alles etwas umständlicher – und zum Teil falsch.
61
Hier geschieht etwas einigermaßen Ungewöhnliches: Einstein verwendet in ein und derselben
Bewegungsgleichung links Größen, die im System K gemessen werden, und rechts solche, die
im System k gemessen werden. Er setzt nämlich das Produkt Masse mal Beschleunigung –
gemessen in K – gleich der Kraft, welche in k gemessen wird. Sehr wohl war ihm dabei offenbar
nicht, denn weiter unten schreibt er: »Natürlich würde man bei anderer Definition der Kraft und
der Beschleunigung andere Zahlen für die Massen erhalten ...« ( Dabei ist auch das nicht richtig
formuliert: Es geht hier nicht um die Definition der Kraft und schon gar nicht um die Definition
der Beschleunigung – die Begriffe sind längst definiert –, sondern darum, welche Werte man für
die Kraft einsetzt.) Wegen dieses Fehlers erhielt Einstein für die transversale Masse einen
falschen Wert.
62
Offensichtlich kannte Einstein die Begriffe »longitudinale und transversale Masse«. Er muss
folglich auch die damals experimentell ermittelten Werte für diese Größen gekannt haben,
nämlich
Longitudinale Masse mlong 
Transversale Masse mtrans 

  v 2 2 
1   2  
 V  


3

  v 2 2 
1   2  
 V  


1
,
2
.
2
Es bleibt für immer ein Geheimnis, warum Einstein der Ursache der Diskrepanz bei der
transversalen Masse (welche ihm bekannt sein musste und die zu beseitigen ein Leichtes
gewesen wäre) nicht nachgegangen ist. (Siehe dazu auch Anlage 4 am Ende dieser Abhandlung
und „Einstein, Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?“ auf dieser
Website.
Im nächsten Absatz zeigt Einstein, dass und wie sein an einem Elektron gewonnenes Ergebnis
mühelos verallgemeinert werden kann. Sodann leitet er die »relativistische« Formel für die
kinetische Energie eines Körpers der Masse  bei der Geschwindigkeit v her.
63
Die »elektrostatische Kraft X« ist natürlich wieder die elektrische Feldstärke
Beim ersten Integral fehlen die Grenzen, vor dem zweiten Integral fehlt der Faktor .
Mit dem Integranden nimmt Einstein nacheinander folgende Umformungen vor:
 X d x   3
d2 x
dv
dx
  3
d x   3
d v    3v d v.
2
dt
dt
dt
Nach der Substitution
1
v2
u
V2
ist die Integration einfach.
»Ponderable Massen« bedeutet wörtlich »wägbare Massen«, gemeint sind aber »träge Massen«.
Der im Folgenden wiedergegebene letzte Abschnitt der bahnbrechenden Arbeit Einsteins zeigt
lediglich Möglichkeiten der experimentellen Prüfung auf und ist nicht von grundsätzlicher
Bedeutung. Auch ist er ohne weiteres verständlich.
64
65
Danksagung: Ich bedanke mich bei Herrn Jürgen Wagner, Radebeul, der mich auf fünf
Tippfehler sowie auf einen von mir nicht bemerkten Fehler in Einsteins Text (S. 912)
aufmerksam gemacht hat.
66
Anlagen
Anlage 1: Induktionsvorgänge
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war immerhin bekannt, dass die Erde um ihre Achse und
außerdem um die Sonne rotiert. Es war also damals schon unerlaubt naiv, zwischen den Fällen
»ruhender Magnet/bewegter Leiter« und »bewegter Magnet/ruhender Leiter« zu unterscheiden.
In der Tat hängt das beobachtbare Phänomen nur von der Relativbewegung zwischen Magnet
und Leiter ab. Die von Einstein bemängelten Asymmetrien entstehen nicht, wenn man ein
Bezugssystem einführt, in dem der Magnet ruht und ein zweites, in dem die (relativ zum
Magneten bewegte) Leiterschleife ruht. Eines der beiden Systeme kann bezüglich der
Erdoberfläche ruhen; ob dies tatsächlich der Fall ist und für welches der beiden Systeme dies
gilt, ist völlig gleichgültig. Im ersten Bezugssystem existiert natürlich nirgendwo ein (vom
Magneten erzeugtes) elektrisches Feld. Im zweiten Bezugssystem entsteht überall dort, wo das
Magnetfeld inhomogen ist, ein elektrisches Wirbelfeld mit geschlossenen Feldlinien – einerlei,
ob dort ein Leiter vorhanden ist oder nicht. Dieses Wirbelfeld wird für jeden Punkt des zweiten
Bezugssystems beschrieben durch die 2. Maxwellsche Gleichung:
rot E  
B
.
t
Dabei ist E der Vektor der elektrischen Feldstärke, B der Vektor der magnetischen Induktion.
Durch Anwendung des Stokesschen Integralsatzes
 rot E dA   E ds
A
K
darauf ergibt sich schließlich das Induktionsgesetz in der Form
U ind    

.
t
Dabei ist Uind der (induzierte) elektrische Potentialunterschied, den ein Punkt durchläuft, wenn
er auf der geschlossenen Kurve K (welche die Fläche A umrandet) einen ganzen Umlauf macht.
Dabei ist es gleichgültig, ob auf der Kurve K ein Leiter liegt oder nicht.
All das war 1905 wohlbekannt. Wie man sieht, treten hier nirgends Asymmetrien auf. Und wäre
dies bei einem »Beispiel ähnlicher Art« (Einstein) dennoch der Fall, so läge dies einfach an
einer fehlerhaften Interpretation. Jedenfalls bestand kein Grund, deswegen die Grundpfeiler der
Physik umzustürzen.
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Anlage 2: Relevante Probleme der Physik vor 1905
1. In der Lorentzschen Elektronentheorie ist die Geschwindigkeit schnell bewegter Elektronen
in einem Magnetfeld von großer Bedeutung. Dabei stellt sich sofort die Frage nach dem
Bezugssystem, in dem die Geschwindigkeit gemessen wird. In der Lorentzschen Theorie gilt als
Bezugssystem der Lichtäther, der – genau wie das System der Fixsterne – als unbeweglich
betrachtet wird. Welche Geschwindigkeit aber hat das irdische Labor, in dem die Beobachtungen und Messungen stattfinden, gegenüber dem Äther?
2. In der Maxwellschen Elektrodynamik ist die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum in jeder
Richtung gleich. Sie wird ausschließlich bestimmt durch die elektrische Feldkonstante 0 und
durch die magnetische Feldkonstante 0. Dies bedingt aber, dass – nach damaliger Auffassung –
die Elektrodynamik nur in einem ausgezeichneten Bezugssystem streng gelten kann. Dieses
Bezugssystem aber ist wiederum der Lichtäther. So ist es nur konsequent, dass Maxwell selbst
zu dem Ergebnis kam, dass es durch optische Versuche möglich sein müsste, die Bewegung des
Sonnensystems relativ zum Lichtäther, also seine »absolute Geschwindigkeit« nachzuweisen (J.
C. Maxwell, On a possible mode of detecting a motion of the solar system through the
luminiferous aether. Proc. Roy. Soc. 30, S. 108; 1879/80). Diese Hoffnung musste nach dem
Versuch von Michelson und Morley (1887) aufgegeben werden.
3. Eine mögliche Erklärung des negativen Ergebnisses des Michelson-Versuchs ist, dass der
Lichtäther von der Erde mitgeführt wird und folglich relativ zur Erde ruht. Dem widerspricht
jedoch die im Laufe eines Jahres periodisch wechselnde »Aberration der Fixsterne«, die
maximal 20,5 Bogensekunden beträgt, wie Bradley schon 1727 fand. Das entspricht einer
Bahngeschwindigkeit der Erde von 30 km/s, was der richtige Wert ist.
4. Ein Versuch von Fizeau (1851) betraf die Veränderung der Lichtgeschwindigkeit in
strömendem Wasser. Das Ergebnis ist weder durch die Mitführung des Äthers durch die Erde,
noch mit seiner Ruhe im System der Fixsterne erklärbar.
Dies also war die Situation in den Jahren nach 1887. Sie war schlimm genug, aber die Induktionsversuche waren daran unschuldig.
Anlage 3: Über die »verschiedenen Massen« eines Körpers
Schon mehrere Jahre vor der Veröffentlichung der Relativitätstheorie hatte die Beobachtung
schnell bewegter Elektronen gezeigt, dass diese bei Beschleunigung in Bewegungsrichtung
(longitudinal) eine andere Trägheit besitzen als bei Beschleunigung quer zur Bewegungsrichtung (transversal). Man schloss daraus, dass Elektronen (und andere Körper) drei
verschiedene Massen besitzen, die Ruhemasse, die transversale Masse und die longitudinale
Masse. Diese einigermaßen absurde Vorstellung schien zunächst durch die Spezielle
Relativitätstheorie bestätigt zu werden. Nach Entdeckung der Trägheit der Energie (A. Einstein,
Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?, Annalen der Physik, Jg. 18,
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1905, S. 639 ff.) setzte sich im Laufe von Jahrzehnten jedoch die Auffassung durch, dass die
Masse eines Körper von der Relativgeschwindigkeit des Beobachters unabhängig ist und dass
die drei verschiedenen Größenwerte der Trägheit von der Trägheit der kinetischen Energie
herrühren. Das soll nun im Einzelnen gezeigt werden.
Bei transversaler Beschleunigung eines Körpers bewegt dieser sich mit konstanter Geschwindigkeit auf einem Kreis. Dabei bleiben seine kinetische Energie und deren Masse unverändert.
Die transversal wirkende Kraft muss dabei die Masse  des Körpers und die Masse mE seiner
kinetischen Energie beschleunigen. Also gilt für die so genannte transversale Masse:
mtrans    mE .
Daraus folgt
mE  mtrans  ,
und wegen
E  mE c 2
ist
E   mtrans    c 2 .
Für die transversale Masse liefert die Spezielle Relativitätstheorie (bei richtiger Berechnung) in
Übereinstimmung mit experimentellen Befunden den Wert
mtrans 


v2 
1



c2 

1
.
2
Folglich ist die kinetische Energie des Körpers bei der Geschwindigkeit v
1


E  c2 
 1 .
1
v2  2


1



2 
c




Bei longitudinaler Beschleunigung dagegen nimmt die Geschwindigkeit v des Körpers zu, und
damit auch seine kinetische Energie und deren Masse. Die dafür erforderliche Energie muss von
der beschleunigenden Kraft F zusätzlich aufgebracht werden. Nach dem Energiesatz ist
F ds  dE  F 
d E d E dv dt d E 1


a .
d s dv dt d s dv v
Daraus ergibt sich schließlich
F

 v 
1  2 
 c 
2
3
a.
2
Der Faktor vor der Beschleunigung a ist genau die so genannte longitudinale Masse.
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Damit ist die Abhängigkeit der Trägheit der Körper von der Geschwindigkeit und von der
Richtung der Beschleunigung durch die Trägheit ihrer kinetischen Energie erklärt. Die früher
als »Ruhemasse«  bezeichnete Größe ist die unveränderliche und vom Bezugssystem
unabhängige Masse des Körpers. Alle weiteren Begriffe wie relativistische Masse und
Impulsmasse sind unnötig und irreführend.
Anmerkung: Man beachte, dass diese Ergebnisse gewonnen werden können, ohne wie üblich
die Gleichung
F
dp d
  mv 
dt dt
zu benutzen, deren Gültigkeit auch für veränderliche Massen in der Literatur einfach ohne
Beweis angenommen wird. (Häufig wird dabei auf Newton als Kronzeugen verwiesen, für den
aber die Masse unveränderlich war.)
Anlage 4: Über die Trägheit der Energie
Im § 10 (S. 920) fand Einstein für die kinetische Energie E eines mit der Geschwindigkeit v
bewegten Elektrons den Wert
 1

 

E   c2 
 1  c 2 

2
2
 1 v

 1 v





2
2
c
c




Wenn er (S. 919) für die transversale Masse den richtigen Wert, nämlich

1
v2
c2
gefunden hätte, dann wäre der Schluss nahe gelegen, die Differenz in der rechten Klammer der
oberen Gleichung wäre die der Trägheit der kinetischen Energie entsprechende Masse mE.
Daraus hätte sich dann sofort die Beziehung
E  mE c2
ergeben.
Anlage 5: Kannte Einstein damals (1905) den Versuch von Michelson und
Morley?
Diese häufig und kontrovers diskutierte Frage dürfte durch Albrecht FÖLSINGs verdienstvolle
biographische Forschungen endgültig entschieden sein: Einstein kannte 1899 nicht nur den oben
genannten Versuch, sondern auch zwölf weitere Experimente zur Ätherbewegung. Einzelheiten
dazu in Albrecht Fölsing, Albert Einstein, Suhrkamp 1999, S. 80 und Anmerkung 72 auf S. 837.
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Anlage 6: Zu den »Größen zweiter Ordnung«
In Einsteins Aufsatz Über das Relativitätsprinzip und die aus demselben gezogenen
Folgerungen, Jahrbuch der Radioaktivität und Elektronik, 4, 1907, S. 411-462 (tatsächlich
erschienen am 22. Januar 1908) findet sich auf S. 412 folgendes:
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