Sprechstunde: Eltern fragen – Ärzte antworten Dilatative Kardiomyopathie Unser Sohn Mike ist jetzt zweieinhalb Jahre alt. Mit 18 Monaten wurde bei ihm eine dilatative Kardiomyopathie (DCM) diagnostiziert. Er bekommt Medikamente. Unser Hausarzt hier in England möchte ihm eine Grippeimpfung geben. Ist das notwendig? Zurzeit hat er eine kleine Erkältung und muss sie erst auskurieren. Wenn Sie eine Impfung empfehlen, wie lange sollte nach einer Erkältung mit der Impfung gewartet werden? Was sollten wir beachten? Vielen Dank, dass Sie sich für meine Frage Zeit nehmen. Fam. S., London Ihr Sohn Mike hat eine DCM. Eine Grippeimpfung ist absolut angesagt und sinnvoll, um eine Belastung des Herzens durch eine Lungenentzündung zu vermeiden, die als mögliche Komplikation einer Grippe auftreten kann. Der Abstand der Impfung zur letzten Erkältung sollte ein bis zwei Wochen betragen. Prof. Dr. med. Achim A. Schmaltz, Essen Taussig-Bing-Komplex Meine Schwester ist in der 24. Schwangerschaftswoche und hat die Diagnose eines Taussig-Bing-Komplexes ihres ungeborenen Jungen bekommen. Da ich selbst Anästhesistin bin – allerdings ohne jede Erfahrung in der Kinderkardiologie –, sucht sie Rat bei mir. Leider kann ich ihr da wenig helfen, was ich herzlich gern tun würde. Aus diesem Grund würde ich mich sehr freuen, von Ihnen ein paar Fragen beantwortet zu bekommen: Wie ist das Vorgehen nach der Geburt des 10 Kindes? Wie häufig wird eine solche Fehlbildung operiert? Wie lange sind diese Kinder erfahrungsgemäß in der Klinik? Wie sieht das Leben eines operierten Kindes aus im Hinblick auf Infekte, körperliche Anstrengung, eventuelle spätere Operationen? Hanna B., Osnabrück Beim Taussig-Bing-Komplex handelt es sich um eine Sonderform der Transposition der großen Arterien: Die Aorta entspringt aus der rechten Herzkammer und die Pulmonalarterie reitet über einem Ventrikelseptumdefekt und nimmt das Blut aus beiden Herzkammern auf. Das venöse Blut aus dem Körperkreislauf fließt über den rechten Vorhof in die rechte Herzkammer und von da weiter in die Aorta und in den Körperkreislauf. Das arterielle Blut aus der Lunge fließt über die linke Vorkammer in die linke Herzkammer und dann zum größeren Teil durch die „reitende“ Pulmonalarterie wieder in die Lunge und zum kleineren Teil durch den Ventrikelseptumdefekt in die rechte Herzkammer und dann über die Aorta in den Körperkreislauf. Das Kind sollte am besten in einem Perinatalzentrum entbunden werden, um sofort von Neonatologen und Kinderkardiologen betreut werden zu können. In der Regel wird eine frühe Korrektur im Neugeborenenalter durchgeführt. Dabei werden Aorta und Lungenschlagader kurz oberhalb der Herzklappen abgetrennt und vertauscht wieder angenäht. Dabei müssen die Herzkranzgefäße ebenfalls verpflanzt werden. Der Ventrikelseptumdefekt wird verschlossen. Der Kreislauf entspricht dann dem anatomisch richtigen Kreislauf. Es handelt sich um eine komplexe Ope- Fettfreie Diät ration, mit welcher wir in unserer Klinik bereits viel Erfahrung haben. Prinzipiell sind wir auch bemüht, kleinste Kinder ohne Fremdblut zu operieren, da wir miniaturisierte Herz-Lungen-Maschinen zur Verfügung haben. In der Regel muss man mit einem dreiwöchigen Aufenthalt rechnen. Die Kinder geben den Takt vor: Wenn alles optimal geht, kann das Kind natürlich auch früher entlassen werden. Die Kinder entwickeln sich in der Regel ganz komplikationslos und normal. Sie bedürfen aber einer weiteren kinderkardiologischen Überwachung. Dr. med. Nicole Nagdyman, Berlin Schmerzen in den Beinen Wir waren mit unserer Tochter (7 Jahre) mit Beinschmerzen beim Orthopäden. Nach längerem Gehen oder Stehen treten Schmerzen in den Beinen auf (mal Wade, mal Oberschenkel oder Kniekehle), die durch Hinhocken wieder verschwinden oder geringer werden. Orthopädisch ist alles in Ordnung, aber der Arzt wies angesichts dieser Beschwerden auf die Möglichkeit eines Herzfehlers oder einer Gefäßanomalie hin. In welcher Art und mit welchen Konsequenzen können solche Zusammenhänge vorliegen? Wie sollten wir weiter vorgehen? Fam. Z., Coburg Die geschilderten Beschwerden lassen nicht primär an einen Herzfehler oder eine Gefäßmissbildung denken. Um dies auszuschließen, rate ich jedoch, Ihre Tochter beim Kinderarzt vorzustellen, damit dieser die Pulse in der Leiste und an den Füßen tastet, gegebenenfalls die Umfänge der Beine misst und überprüft, ob der venöse Abfluss unbehindert ist. Durch Abhören des Herzens und mittels EKG sollten die meisten Herzfehler auszuschließen sein. Falls sich nach diesen diagnostischen Maßnahmen noch Unsicherheiten ergeben, rate ich die Vorstellung beim Kinderkardiologen zum Farbdopplerultraschall des Herzens und der Gefäße. Dr. med. Elmo Feil, Darmstadt Unsere Tochter kam mit einem schweren Herzfehler zur Welt (Hypoplastisches Rechtsherz). Nach der 2. Operation (Glenn-Anastomose) zeigte sich ein Chylothorax, so dass eine fettfreie Diät notwendig wurde (basic-f Milch von Milupa). Kann dies bei der 3. Operation (zwischen dem 2./3. Lebensjahr) wieder auftreten? Wenn ja, wie kann ich dann mein Kind ernähren? Welche Lebensmittel sind zugelassen? Fam. H., Eisenach Ein Chylothorax entwickelt sich bei der sogenannten Fontanzirkulation bei Kindern mit nur einer Herzkammer. Denn das Zwischenzellwasser kann über die entsprechenden anatomischen Strukturen nicht so gut in das Venensystem abfließen wie bei einem gesunden Menschen. Der Grund ist, dass der Druck in den Venen eines Kindes mit Fontanzirkulation deutlich höher (10 – 15 mmHg) ist als normal (5 – 7 mmHg). Wegen dieser Abflussschwierigkeiten sammelt sich das Zwischenzellwasser, das auch verschiedene Fette enthält, in Körperhöhlen an, so auch zwischen Lungenfell und Brustfell (Chylothorax). Im Verlauf einiger Tage bis seltener einiger Wochen stellt sich ein neues Gleichgewicht ein, und der Chylothorax verschwindet. Sinn der Diät ist es, möglichst wenig Fette, die über das Zwischenzellwasser transportiert werden, dem Körper zuzuführen. Hierzu dienen spezielle Milchdiäten (wie in Ihrem Fall die basic-f Milch von Milupa) oder ein spezieller Diätplan für das Kleinkind. Den Diätplan unserer Diätassistentin lege ich bei. Die Dauer dieser Diät beträgt meistens nur wenige Wochen, seltener länger. Prof. Dr. med. Hans Heiner Kramer, Kiel Herzrhythmusstörungen In der Broschüre der Deutschen Herzstiftung „Herzrhythmusstörungen heute“ habe ich den Artikel „Herzrhythmusstörungen nach Operation angeborener Herzfehler“ gelesen. Dazu hätte ich folgende Frage: Können Herzrhythmusstörungen nach einer Operation oder einer erfolgreichen Katheterablation durch emotionalen Stress nochmals 11 auftreten? Ich bin 51 Jahre und wusste bis Mai 2005 nichts von meinem Herzfehler. 2004 war ich noch aufgrund meiner angeblich eingeschränkten Lungenfunktion gründlich untersucht worden. Es wurde nur ein etwas vergrößertes Herz festgestellt. Dieses führten die Ärzte auf mein tägliches Schwimmen (70 Bahnen in 45 Min.) zurück. Da meine sportlichen Leistungen sich immer mehr verschlechterten, und mir zum Schluss schwarz vor Augen wurde, wies mich mein Hausarzt ins Krankenhaus ein. Dort stellte man Anfälle von Vorhofflimmern (paroxysmales Vorhofflimmern) und einen Vorhofseptumdefekt fest. Dann bin ich in eine andere Klinik gegangen, wo folgendes festgestellt wurde: Cor triatriatum und Ostium-secundum-Defekt (ASD II), Mitralklappeninsuffizienz I. Grades, paroxysmales Vorhofflimmern, zu hohes Cholesterin, Übergewicht. Daraufhin wurde ich operiert. Das Cor triatriatum wurde plastisch korrigiert und der ASD II mit einem Patch verschlossen. Nach der erfolgreichen Operation wurde ich mit einer Herzfrequenz von 77/min. und einem regelmäßigen Herzrhythmus entlassen. Vier Tage später, als ich in der Reha-Klinik eintraf, hatte ich eine absolute Arrhythmie bei Vorhofflattern/-flimmern. Die Ärzte meinten, damit müsse ich jetzt leben und verdonnerten mich zu fünf verschiedenen Tabletten. Da ich mich damit nicht abfinden wollte und dank „Herz heute“ erfuhr, dass es noch andere Möglichkeiten als Tabletten gibt, bin ich in ein Herzzentrum gefahren, wo man mir eine Kardioversion vorschlug. Nach erfolgreicher Kardioversion hatte ich nach sechs Wochen Anfälle von Vorhofflattern. Deshalb habe ich mich entschlossen, in einem dafür spezialisierten Herzzentrum eine Katheterablation durchführen zu lassen. Die Katheterablation war erfolgreich, und seit August 2006 nehme ich keine Tabletten mehr. Ich fühle mich körperlich wohl. Nur manchmal überkommt mich die Angst, dass doch wieder Herzrhythmusstörungen auftreten können und dann zum Schlaganfall führen. Ich schwimme wieder jeden Tag 60 Bahnen in ca. 40 bis 45 Minuten. Zusätzlich mache ich 12 dreimal die Woche eine Stunde Nordic walking. Ich habe meine Ernährung umgestellt und esse jetzt viel Obst und Gemüse sowie weniger Fett. Mein letztes Langzeit-EKG war vollständig in Ordnung. Ist meine Angst vor einer erneuten Herzrhythmusstörung begründet? Inge Sch., Verden Der Vorhofseptumdefekt ist unter der Vielzahl angeborener Herzfehler jener, welcher leider nicht selten erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird. Viele Patienten mit einem Vorhofseptumdefekt entwickeln unabhängig davon, ob der Defekt verschlossen wurde (mittels Chirurgie oder Katheter), Vorhofrhythmusstörungen in Form von Vorhofflattern und Vorhofflimmern. Über diese grundsätzliche Neigung zur Entwicklung dieser Arrhythmien hinaus treten häufig nach der Operation solcher Defekte besondere kreisende Erregungen auf, die auf Vernarbungen in der Vorhofmuskulatur als Folge des chirurgischen Eingriffes zurückzuführen sind (Narben-Reentry-Tachykardien). Die Wahrscheinlichkeit für solche Vorhoftachykardien steigt mit der Komplexität des chirurgischen Eingriffes. In Ihrem Fall wurde nicht nur der Vorhofseptumdefekt über eine Eröffnung des rechten Vorhofes verschlossen, sondern zusätzlich wurde das Cor triatriatum durch die Entfernung einer Membran im linken Vorhof korrigiert. Ihre Herzrhythmusstörungen lassen sich also auf den angeborenen Herzfehler und auf den komplexen chirurgischen Eingriff zurückführen. Seit mehr als zehn Jahren können solche Vorhof-Reentry-Tachykardien mit einer großen Wahrscheinlichkeit (> 80 %) dauerhaft durch eine Katheterablation behandelt werden. Da Sie seit dem Eingriff in 2005 auch ohne Medikamente frei von Beschwerden sind, ist dies auch bei Ihnen offensichtlich gelungen. Mit einem Wiederauftreten der Vorhof-Reentry-Tachykardien, ist nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit zu rechnen, grundsätzlich besteht nach solchen Eingriffen ein Rückfallrisiko von 5 – 15 %. Im Falle eines solchen Rezidives könnte eine erneute Ablation mit vergleichbaren Erfolgsquoten durchgeführt werden. Die Wahrscheinlichkeit, mit der wiederum Vorhofflimmern auftreten könnte, ist nicht sicher zu beziffern. Auch hier haben Faktoren wie Lebensführung, Sport, Gewicht, Blutdruck, Ernährung, um nur einige exemplarisch zu nennen, neben dem angeborenen Herzfehler einen hohen Einfluss. Ich darf Sie in diesem Sinne nur bestärken, den von Ihnen eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen. Außerdem sollten Sie sich in regelmäßigen Abständen (z. B. alle 6 – 12 Monate) in einem geeigneten Zentrum untersuchen lassen (angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter, idealerweise kombiniert mit Rhythmologie/Elektrophysiologie), um die Herzfunktion nach späterer Korrektur des angeborenen Herzfehlers langfristig zu kontrollieren und selbst, wenn Sie keine Beschwerden haben, unbemerkte Vorhoftachykardien/Vorhofflimmern rechtzeitig erkennen und gegebenenfalls behandeln zu können. Dr. med. Joachim Hebe, Bremen Vorhofseptumdefekt Unsere Tochter Juliane hat einen etwa 7 mm großen Vorhofseptumdefekt in der Fossa ovalis. Juliane ist ein völlig normales Kind, besucht den Kindergarten, lernt Flöte und übt zweimal wöchentlich Kunstturnen. Der Kinderkardiologe sagte mir bei der letzten Untersuchung nach bohrendem Nachfragen meinerseits, was wir beachten müssten, ob es irgendwelche Besonderheiten gäbe, dass Juliane keinesfalls einen Schlag auf das Brustbein bekommen sollte, dadurch könnte sich der Vorhofseptumdefekt vergrößern bzw. schlimmstenfalls gar „aufreißen“. Weitere Informationen konnte ich nicht „herausquetschen“, so dass ich verunsichert bin, ob Kunstturnen, das Juliane gern betreibt, für sie der geeignete Sport ist oder nicht. Können Sie mir bitte weitere Informationen dazu geben? Ulli H., Unterhaching Dem Anschreiben entnehme ich, dass Juliane einen Vorhofseptumdefekt von etwa 7 mm Durchmesser hat. Ein Alter ist nicht genannt, aber mit Kindergartenbesuch und Flötenunterricht dürfte sie kurz vor der Einschulung stehen. Sie sei völlig normal und gut belastbar. Es ist den Informationen nicht zu entnehmen, ob dem Defekt eine Bedeutung für die Herzkreislaufsituation zukommt, also ob eine Vergrößerung von rechter Herzkammer oder Vorkammer besteht. Wenn dem so wäre, dann wird allgemein in diesem Alter ein Verschluss empfohlen, gerade auch, weil er an dieser Stelle sehr risikoarm mit Kathetertechnik durchgeführt werden kann. Ist die Herzkreislaufsituation normal, so gehen die allgemeinen Empfehlungen dahin, dass sich die Betroffenen in ihrem Alltag in keiner Weise einschränken müssen, also auch sportlich aktiv sein dürfen. Dass sich der Defekt durch einen Schlag von außen vergrößern könne, ist in der einschlägigen Literatur meines Wissens nicht bekannt. Es gibt seltene Berichte über Ventrikelseptumdefekte, die durch Einwirkung von außen entstanden sind, aber wohl nur im Zusammenhang mit ganz erheblichen Verletzungen (Verkehrsunfälle). Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass hier ein Missverständnis vorlag, dass also der Kinderkardiologe etwas anderes zum Ausdruck bringen wollte. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass bestehende Defekte sich nicht vergrößern, wohl aber spontan verkleinern oder verschließen können. Das ist allerdings im Vorschulalter nicht mehr sehr wahrscheinlich. Dr. med. Uwe Seitz, Maintal 13