Sprechstunde: Eltern fragen – Ärzte antworten

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Sprechstunde:
Eltern fragen – Ärzte antworten
Wann operieren?
Unsere zweite Tochter Klara-Sophie wurde am
12.11.1999 in der Universitätsklinik in Mainz
geboren. Leider lautete die Diagnose nach der
Geburt „Herzfehler“. Dies war zunächst ein großer
Schock für uns. Dennoch werden wir uns nun
intensiv mit der Materie beschäftigen, um unserer
Tochter einen optimalen Weg ins Leben zu ebnen.
Dazu gehört die vollständige Information, die
manchmal schwierig zu beschaffen ist.
Klara-Sophie hat laut Diagnose des Ultraschalls und
einer Katheter-Untersuchung ein 8 mm großes
Loch in der Herzkammerscheidewand, und die
Pulmonalklappe ist nicht angelegt. Ein kleineres
Loch von der rechten Vorkammer zur Lungenvene gesellt sich leider noch dazu. Ihre SauerstoffSättigungswerte liegen derzeit bei 80 – 85 %. Sie
atmet selbständig und beginnt langsam Nahrung
über die Flasche aufzunehmen. Ihr Geburtsgewicht lag bei 3550 g und ihre Größe betrug 53
cm. Haben Sie Informationen zu diesem komplexen Herzfehler? Gibt es Veröffentlichungen
über Operationsmöglichkeiten?
Wir freuen uns, dass es die Herzstiftung gibt und
haben eben unsere Mitgliedschaft bestätigt.
Familie W., Darmstadt
Liebe Familie W.,
sicher werden Sie verstehen, dass man ohne
genaue Kenntnis der Krankenunterlagen bzw.
des aktuellen Gesundheitszustandes keine exakten Angaben über die Notwendigkeit und den
Zeitpunkt einer operativen Behandlung machen
kann. Unabhängig davon möchte ich Ihnen allgemeine Informationen über den derzeitigen
Stand der Behandlung und die möglichen Vorgehensweisen geben.
Aus Ihrem Schreiben entnehme ich, dass Ihre
Tochter Klara-Sophie an dem angeborenen Herzfehler einer Pulmonalatresie (nicht angelegte Pulmonalklappe) mit Ventrikelseptumdefekt (Loch
in der Kammerscheidewand) leidet. Das zweite,
kleinere Loch in der rechten Vorkammer ist wohl
ein so genannter Vorhofseptumdefekt (Loch in
der Vorhofscheidewand) oder ein offenes Foramen
ovale (Öffnung in der Scheidewand zwischen
beiden Vorhöfen), welches auf das Ganze gesehen von untergeordneter Bedeutung ist und in
jedem Fall bei einer späteren Korrekturoperation
mühelos mit behandelt werden kann.
Bei Patienten mit Pulmonalatresie muss zunächst
zur Überlebenssicherung des Neugeborenen die
Durchgängigkeit des Ductus arteriosus Botalli (=
Verbindung von Aorta zur Pulmonalarterie) mit
Medikamenten aufrechterhalten werden. Das ist
sicherlich bei Ihrem Kind geschehen. Diese ductusabhängige Lungendurchblutung ist meist nur
für wenige Wochen auf diese Weise zu sichern.
Während dieser Zeit sollte entweder ein Shunt
(= kleine Gefäßprothese) zwischen der Armschlagader und der Lungenarterie (so genannter
Blalock-Taussig-Shunt) angelegt werden oder die
verschlossene Pulmonalklappe im Rahmen einer
Herzkatheteruntersuchung geöffnet werden, um
die Durchblutung zu gewährleisten. Welches Vorgehen im Einzelfall das günstigere ist, hängt von
der Ausprägung der Pulmonalatresie ab (Fehlt
nur die Pulmonalklappe? Oder aber der gesamte Hauptstamm der Lungenschlagader? Besteht
eine Verbindung zwischen linker und rechter Pulmonalarterie? etc.).
Bei Patienten mit einer ausreichend angelegten
rechten Herzkammer (Ventrikel) erscheint eine
so genannte biventrikuläre Korrektur, d. h. eine
Korrektur bei der – wie beim Herzgesunden –
die rechte Herzkammer den Lungenkreislauf und
die linke Herzkammer den Körperkreislauf trägt,
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prinzipiell realistisch. Bei günstiger Konstellation
kann heutzutage dieser Herzfehler bereits im
Kleinkindesalter unter Einsatz der Herzlungenmaschine komplett korrigiert werden, in dem
eine Gefäßprothese (Homograft)
zwischen der rechten Herzkammer und dem Zusammenfluss der
Lungenarterien eingesetzt wird.
Zugleich wird der Kammerscheidewanddefekt als auch der Vorhofseptumdefekt verschlossen.
Diese komplexe Operation kann
von erfahrenen Kinderherzchirurgen mit relativ geringem Risiko
durchgeführt werden.
Ist allerdings die rechte Herzkammer aufgrund einer Unterentwicklung nicht voll funktionsfähig, wird bei
dieser Form des univentrikulären Herzens die
dann nur funktionell mögliche Korrektur als
Kreislauftrennung durch eine modifizierte Fontan-Operation angestrebt. Dabei wird der Blutrückfluss zum Herzen direkt in die Lungenschlagader ohne zwischengeschaltete Pumpkammer
geleitet, während die einzig funktionierende (linke)
Herzkammer weiterhin den Körperkreislauf trägt.
Wie eingangs erwähnt, ist es für mich anhand
der begrenzten Information über den bei Ihrer
Tochter vorliegenden Herzfehler sehr schwierig,
den richtigen Weg aufzuzeigen. Unabhängig davon
möchte ich Ihnen aber insofern Mut zusprechen,
als es für nahezu alle Varianten der Pulmonalatresie
heute ein therapeutisches Konzept gibt, das den
betroffenen Kindern ein lebenswertes Leben für
viele Jahre in Aussicht stellen kann.
Prof. Dr. med. Franz-Xaver Schmid
Solche und andere Fragen können schriftlich oder
in der Telefonsprechstunde der Deutschen Herzstiftung jeden ersten Mittwoch im Monat zwischen
18 und 20 Uhr unter der Telefonnummer (0 69) 95 51 28 - 200 gestellt
werden.
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