Universität Osnabrück Fachbereich Sozialwissenschaften WS 2007/08 Anja Röpke Erfahrungsbericht ERASMUS-Aufenthalt an der ESCEM in Poitiers, Frankreich An der Universität Osnabrück studiere ich Social Sciences (Major Politik, Minor Soziologie), mein 5. Semester habe ich an der École Superièure de Commerce et Management (ESCEM) Poitiers in Frankreich verbracht. Die ESCEM ist eine Business School und gerade diese einmalige Kooperation mit dem Fachbereich Sozialwissenschaften hat mich gereizt, weil ich nach dem Bachelor eventuell in dieser Richtung meinen Master machen wollte. Deswegen habe ich mich auch für Poitiers entschieden, obwohl die Lehrveranstaltungen auf Englisch sind und nicht auf Französisch, was unter sprachlichen Aspekten sicherlich besser gewesen wäre. Die Bewerbung war nicht besonders umfangreich, man sollte sich nur schon frühzeitig über sein Ziel Gedanken machen und das Motivationsschreiben verfassen. Die Stadt Poitiers ist eine recht kleine Stadt, mit ca. 90.000 Einwohnern, wovon ein Drittel Studenten sind. Die Stadt zeichnet sich vor allem durch ihre Geschichte und die vielen historischen Gebäude aus. Im Innenstadtbereich findet man kaum moderne Gebäude und viele kleine Geschäfte. Auch die vielen Kirchen prägen das Stadtbild. Poitiers liegt an der TGV-Strecke Paris-Bordeaux. Die Fahrt nach Paris dauert ca 1h30min, nach Bordeaux 1h45min. Ein Flughafen ist vorhanden, bietet allerdings nur Verbindungen nach London und Lyon. Das Wetter war immer recht gut. Im Winter war es zwar auch kalt, aber der blaue Himmel war ein großer Unterschied zum deutschen Schmuddelwetter. Im Gegensatz zu Osnabrück braucht man in Poitiers keine Regenjacke. Zu Fuß kann man sehr gut die meisten Ziele erreichen, ansonsten kann man den Bus benutzen. Fahrradfahren ist sehr beschwerlich und auch gefährlich. Poitiers ist ziemlich hügelig und die 1 Straßen und Bürgersteige sind sehr eng. Autofahrer sind Fahrradfahrer nicht gewohnt und nehmen deshalb auch keine Rücksicht. Ankunft Die meisten internationalen Studenten sind nach Paris geflogen und dann mit dem TGV nach Poitiers gefahren. Um mehr als die 20kg Gepäck mitnehmen zu können, bin ich mit meinem Vater 12h mit dem Auto gefahren. Von der Studentenorganisation Aloha, die sich um die internationalen Studenten kümmert, wurde ich empfangen und zu meiner Unterkunft gebracht. Unterkunft Die Informationen der International Office in Poitiers waren sehr hilfreich und die Betreuung gut, sogar eine Unterkunft wird besorgt. Man kann wählen zwischen einem Zimmer im Wohnheim, einem Zimmer in einer internationalen WG und einem Studio, das ist eine Ein-Zimmer-Wohnung. Ich habe mich für ein Zimmer in einer internationalen WG entschieden und in 15 bis rue Jean Jaurès gewohnt, zusammen mit einer Kolumbianerin, einer Costa Ricanerin, einer Chinesin und zwei Slowakinnen. Die Miete lag bei 280 Euro im Monat. Sehr gut war die Nähe zur ESCEM, die ca. 50 Meter entfernt war. Somit war auch die Innenstadt mit Einkaufsmöglichkeiten gleich um die Ecke. Allerdings war die Wohnung sehr alt und ziemlich laut, weil die Türen und Wände recht dünn waren. Mein Zimmer war groß und lag zur Gartenseite, welches ein großer Vorteil war. Zum einen konnte ich aus meinem Fenster auf eine Palme schauen, zum anderen hatte ich keinen Straßenlärm zu ertragen. Die rue Jean Jaurès ist stark befahren und eine der Haupteinfahrtsstraßen in die Innenstadt, obwohl sie recht schmal ist. Eine Waschmaschine war in der Wohnung nicht vorhanden, ebenso wenig ein Ofen. Es gab zwei Kochplatten, Toaster, Mikrowelle, Geschirr, Besteck und Töpfe. Eine W-lan Verbindung war vorhanden, allerdings hatte das Netz öfter Störungen. Die Uni Die ESCEM ist eine private Wirtschaftshochschule. Meine Kommilitonen haben mir berichtet, dass die jährliche Studiengebühren 7.000 Euro betragen, als ErasmusStudent ist man davon befreit. Dementsprechend sind die Räumlichkeiten und die Ausstattung auch sehr gut. In allen Räumen gibt es W-lan, es gibt Computerräume 2 mit Druckern und einen 24h-Raum, zu dem man Zugang mit der student card hat und einen Aufenthaltsraum mit Billardtisch, Kicker und einer Theke, an der in den Pausen Kaffee serviert wird und in der Mittagspause Snacks. Die Studenten fangen an der ESCEM an nachdem sie den Concours bestanden haben, auf den sie sich zwei Jahre lang nach dem Baccalaureat in Vorbereitungsklassen vorbereitet haben. Ich wurde ins zweite Jahr eingeteilt, wie der Großteil der anderen internationalen Studenten. Das zweite Jahr wurde in vier Gruppen eingeteilt, die im Klassenverband zusammen die Veranstaltungen besuchten. Alles hat sehr an Schule erinnert, die Gruppen an Klassen, die Lehrveranstaltungen an Unterricht, die Dozenten an Lehrer, außerdem gab es häufig Hausaufgaben. Folgende Kurse habe ich besucht, die bis auf die Electifs vorgeschrieben waren: Financial strategies and decisions Management control Marketing management (Strategic Marketing, International Marketing, Quantitative Techniques) Als Information systems management and logistics Languages (French) General studies electifs (China, India) Prüfungsleistungen wurden Klausuren oder Essays geschrieben oder Gruppenarbeiten mit Power Point präsentiert. Gruppenarbeiten gab es in fast jedem Fach, wobei darauf geachtet wurde, dass die internationalen Studenten sich mit den Franzosen mischen. Die Gruppentreffen waren recht zeitintensiv, weil oft diskutiert wurde. Bei der Präsentation wurde auf das Erscheinungsbild sehr viel Wert gelegt. Bei den schriftlichen Arbeiten wurde nicht immer Wert auf wissenschaftliche Arbeitsund Zitierweise gelegt. Strategic Marketing wurde von einer Amerikanerin unterrichtet und International Marketing von einem Briten. Die restlichen Kurse wurden von Nichtmuttersprachlern unterrichtet, was am Anfang schwierig zu verstehen war, da einige Dozenten einen starken Akzent hatten. Ein besonderes Merkmal der ESCEM ist, dass es jede Woche einen anderen Stundenplan gibt. Für die internationalen Studenten gab es Französischkurse, die in Anfänger und Fortgeschrittene geteilt waren. Das Niveau war nicht besonders hoch. Meist wurden Konversationen zu einem bestimmten Thema geübt, was das Sprechen verbessert hat, aber Grammatikübungen wurden kaum gemacht. Der 3 Großteil der internationalen Studierenden konnte auch wenig bis gar kein Französisch. Als deutscher Student mit 5 Jahren Französischunterricht auf dem Gymnasium gehört man schon mit zu den Besten. Der Stundenplan an einem Tag mit zwei Veranstaltungen sah folgendermaßen aus: 9:15 – 12:30 Veranstaltung 1, Mittagspause, 14:15 – 17:30 Veranstaltung 2. In der Mitte der Veranstaltung gab es eine 15 min Pause, die allerdings von den Dozenten auch mal vergessen bzw. verschoben wird. Da sich der Stundenplan immer verändert hat, gab es auch Tage ohne Veranstaltungen bzw. nur mit einer. Das Semester hat Anfang September begonnen und am 21. Dezember geendet. Alle Prüfungen werden in dieser Zeit abgelegt, so dass man Weihnachten schon ganz nach Deutschland zurückkehrt. Erasmusleben Dadurch, dass die Stadt und die Hochschule so klein sind, lernt man schnell Leute kennen. Aloha hat gerade am Anfang einige Partys veranstaltet, wodurch man schnell Kontakte knüpfen konnte. Das Studentenbüro BDE Addict’him hat jeden Donnerstag eine Party auf dem Uni-Gelände veranstaltet und alle vier Wochen gab es eine Open Bar, für 15 Euro Freitrinken, in Clubs außerhalb von Poitiers. Somit kommen wir auch zum Nachtleben von Poitiers. Es gibt einige Restaurants, aber nur zwei Clubs in der Innenstadt und ein paar Bars mit Tanzfläche. In Clubs in Frankreich herrscht meist Garderobenpflicht, wobei man in manchen Lokalitäten als Frau sogar seine Handtasche abgeben muss, sei sie noch so klein. Der Großteil der internationalen Gemeinschaft bestand aus Mexikanern, Kolumbianern und Spaniern, so dass ich auch meine Spanischkenntnisse verbessern konnte. Ansonsten waren noch viele andere Nationalitäten vertreten, was ein sehr internationales Flair ergeben hat. Da einige französische Kommilitonen im Sommersemester ins Ausland gehen, waren sie auch an anderen Kulturen interessiert und Ausländern gegenüber aufgeschlossener als ich das zum Beispiel an einer Pariser Uni erfahren habe, auf die ein Freund von mir ging. Reisen Durch seine Lage bietet sich Poitiers für weitere Reisen sehr an. Ich habe die wunderschönen Schlösser in der Loire Region besucht, Chateau Chenonceau ist für einen Besichtigung sehr zu empfehlen. Bordeaux ist nicht nur wegen des Weins eine 4 Reise wert. Paris darf natürlich fehlen, das Großstadtleben ist eine gute Abwechslung zum Kleinstadt-Charakter von Poitiers. Bis zum Atlantik ist es nicht weit, La Rochelle kann man in 1,5h mit dem Zug erreichen. Es ist auf jeden Fall lohnenswert eine Carte 12-25 bei der SNCF für 49 Euro zu kaufen. Damit bekommt man auf Zugfahrten 25–50% Ermäßigung. Die Kartenpreise berechnen sich in Frankreich immer auch danach, ob man in verkehrsstarken Zeiten fährt. Deshalb sollte man nicht in der Rush-Hour fahren, weil das die teuersten Tickets sind. In den einwöchigen Herbstferien bin ich mit einer spanischen Freundin in ihre Heimat gefahren und habe Bilbao, San Sebástian und Pamplona besucht. Viele der anderen internationalen Studenten haben sich in dieser Zeit Autos gemietet und Roadtrips durch Südfrankreich und Spanien gemacht. Die Nähe zur spanischen Grenze sollte man auf jeden Fall ausnutzen und ins Baskenland fahren, vor allem San Sebástian ist ein absoluter Geheimtipp. Finanzen Die Lebenshaltungskosten sind in Frankreich deutlich höher als in Deutschland. Vor allem die Einkäufe im Supermarkt sind ein großer Kostenfaktor, weil es in Poitiers im Innenstadtbereich nur zwei Supermärkte gibt, Monoprix und Super Marché, die sich in den hohen Preisen kaum unterschieden. Discounter gibt es außerhalb von Poitiers, um dorthin zu kommen braucht man allerdings ein Auto oder muss eine längere Busfahrtzeit in Kauf nehmen. Zusätzliche Ausgaben sind dann noch das Ausgehen und das Reisen. Von der CAF bekommt man als Europäer Aide de Logement, welches bei mir 120 Euro im Monat betragen hat. Um das Wohngeld zu beantragen, braucht man ein französisches Konto. Mit der Kontoeröffnung und dem Wohngeld hat Aloha geholfen. Ich hatte ein Konto bei der Société Générale, die auch als Sponsor bei Studentenveranstaltungen auftrat. Man bekommt eine carte bleu, die der EC-Karte gleicht, und mit der die Franzosen ihre meisten Einkäufe bezahlen. Fazit Den Wunsch ins Ausland zu gehen hatte ich schon zu Beginn meines Studiums und abschließend kann ich auch sagen, dass es sich sehr gelohnt hat. Ich hatte das beste Semester meines Studiums, vor allem weil ich so viele Erfahrungen gemacht habe und Freunde von der ganzen Welt gewonnen habe. In Business und 5 Management habe ich einen guten Einblick erhalten, auch wenn die Art des Unterrichts mir nicht immer gefallen hat. Mein Französisch hat sich schon verbessert, aber eher im Sprechen als im Schreiben. Obwohl die internationalen Studenten immer sehr präsent waren, war es aufgrund der Große der Uni auch möglich Franzosen kennen zu lernen. Alle Studenten, die überlegen ins Ausland zu gehen, möchte ich hiermit ermutigen es zu tun!! 6