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Hermeneutik: Hermeneutik und Kritik, beide philologische Disziplinen, beide Kunstlehren, gehören zusammen,
weil die Ausübung einer jeden die andere voraussetzt. Jene ist im allgemeinen die Kunst, die Rede eines andern,
vornehmlich die schriftliche, richtig zu verstehen, diese die Kunst, die Echtheit der Schriften und Schriftstellen
richtig zu beurteilen und aus genügenden Zeugnissen und Datis zu konstatieren.
F. D. E. Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik. Frankfurt 1977, S 71.
Diltheys spezielle Aufgabe ist durch den methodischen Anspruch der Naturwissenschaften herausgefordert. Dabei
reicht sie nicht weniger weit als Kants Vernunftkritik. Diese ist eine Metatheorie, die aber nur für die
Naturwissenschaften Gültigkeit hat; für die Gesamtheit der auf das geschichtliche Leben ausgerichteten
Wissenschaften fehlt aber noch eine solche. Dilthey versteht daher im Anschluss an Kant die Lösung der Aufgabe
einer erkenntnistheoretischen Grundlegung der Geisteswissenschaften als eine Kritik der historischen Vernunft:
„Die Lösung dieser Aufgabe könnte als Kritik der historischen Vernunft, d. h. des Vermögens des Menschen, sich
selber und die von ihm geschaffene Gesellschaft und Geschichte zu erkennen, bezeichnet werden.“ (Wilhelm
Dilthey: Einleitung in die Geisteswissenschaften. I, 116)
Helmuth Vetter: Vo Hermeneutik. - http://sammelpunkt.philo.at:8080/archive/00000384/01/Vetter_Hermeneutik.pdf, S 21 f
Hermeneutik ist weder Phänomenologie, noch Anthropologie, noch Philosophie überhaupt; sie ist auch nicht
Ideologiekritik oder Theologie; sie ist kein weltanschauliches und kein politisches Programm. Hermeneutik muß
auch von 'Geisteswissenschaft' oder 'geisteswissenschaftlicher Pädagogik' abgegrenzt werden; denn dort gehen
variierende Setzungen ein, die nicht zwingend mit der Hermeneutik gegeben sind, wie etwa die 'Teleologie des
Seelenlebens' (Dilthey) oder ein religiöses Menschenbild (Spranger, W. Flitner) oder existenzphilosophische
Erkenntnisse (Bollnow). Erwartet man also von der hermeneutischen 'Methode' nicht mehr, als sie leisten kann,
dann erweist sie sich als äußerst fruchtbar. Sie ist ein aspektreiches und befreiendes Denken, das andere toleriert
und Dogmatisierungen aufbricht. Hermeneutik erhellt sinnhaltige Sachverhalte, kann aber Neues nicht begründen.
Somit ist sie ein 'komplementäres Denken und ein komplementierendes Verfahren', d.h. sie ist auf ergänzende
Methoden angewiesen, so wie sie diese ergänzt. Mit anderen Worten: Eine 'reine' Hermeneutik ist eine
Konstruktion; sie reicht für vollständiges wissenschaftliches Erkennen nicht aus.
Danner, Helmut: Methoden geisteswissenschaftlicher Pädagogik.- München, Basel: E. Reinhardt, 19984
Phänomenologie Aber der Naturforscher macht sich nicht klar, daß das ständige Fundament seiner doch
subjektiven Denkarbeit die Lebensumwelt ist, sie ist ständig vorausgesetzt als Boden, als Arbeitsfeld, auf dem
seine Fragen, seine Denkmethoden allein Sinn haben. Wo wird nun das gewaltige Stück Methode, das von der
anschaulichen Umwelt zu den Idealisierungen der Mathematik und zu ihrer Interpretation als objektives Sein
führt, der Kritik und Klärung unterworfen?
Edmund Husserl: Die Krisis des Europäischen Menschentums und die Philosophie, Rede vom 3.10. 1935, II, Abs. 8 + 13
Kritische Theorie: Die traditionelle Theorie bezieht sich auf 'beschreiben', 'erklären, 'verstehen' und – auf dieser
Grundlage – auf das zur Verfügungstellen von Potenzen für die Machbarkeit von vorgegebenen, im Prinzip
beliebigen Zwecken. Die kritische Theorie hingegen lässt die Verwertungszwecke nicht äußerlich sein, sondern
bezieht sie selber auf die durch Wissenschaft freigesetzten Mittel und wird eben dadurch zur Kritik.
Blankertz, Herwig: Kritische Erziehungswissenschaft.- In: Schaller 1979, S. 28-45.
Im Begriff der Erkenntnis im strengen Sinne liegt es, ein Urteil zu sein, das nicht bloß den Anspruch erhebt, die
Wahrheit zu treffen, sondern auch der Berechtigung dieses Anspruches gewiss ist und diese Berechtigung auch
wirklich besitzt.
Adorno, Theodor W.: Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Frankfurt am Main 1997. (Gesammelte Schriften Band 5), S. 63
Theorie kommunikativen Handelns: In dem Maße, wie die Kommunikationsteilnehmer das, worüber sie sich
verständigen, als Etwas in einer Welt, vom lebensweltlichen Hintergrund Abgelöstes, aus ihm Hervorgetretenes
verstehen, trennt sich das explizit Gewußte von den implizit bleibenden Gewißheiten, nehmen die kommunizierten
Inhalte den Charakter eines Wissens an, das mit einem Potential von Gründen verknüpft ist, Gültigkeit
beansprucht und kritisiert, d. h. mit Gründen bestritten werden kann.
Habermas, Jürgen: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln.- Frankfurt am Main: Suhrkamp 19914a, S 148f.
Kritischer Rationalismus: Vermutungen werden durch Kritik kontrolliert, und das heißt: durch versuchte
Widerlegungen, also durch strenge kritische Prüfungen. Unsere Vermutungen können solche Prüfungen bestehen,
aber sie können durch Überprüfung niemals positiv gerechtfertigt werden: man kann weder ihre Wahrheit
sicherstellen noch ihre "Wahrscheinlichkeit" (im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung). Die Kritik unserer
Vermutungen ist von entscheidender Wichtigkeit: durch Aufdecken unserer Fehler hilft sie uns, die
Schwierigkeiten unseres Problems überhaupt zu verstehen. [...] Diejenigen unserer Theorien, die auch der
schärfsten Kritik widerstehen und die uns zur Zeit als bessere Annäherungen an die Wahrheit erscheinen als
andere bekannte Theorien, können (zusammen mit den Berichten über ihre Prüfungen) als "die Wissenschaft"
unserer Zeit bezeichnet werden. Keine von diesen Theorien kann positiv gerechtfertigt werden; und so ist es im
wesentlichen ihr kritischer und progressiver Charakter, der die Rationalität der Wissenschaft ausmacht: die
Tatsache, daß wir aufgrund von Argumenten entscheiden können, daß sie die Probleme besser lösen als andere
Theorien.
Popper, Karl R.: Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis. Teilband I. Vermutungen. Tübingen 1994. S. XI-XII.
Transzendentalkritische Skepsis: Transzendentalkritische Pädagogik, obwohl selber nicht voraussetzungslos,
hebt sich von allen positionellen pädagogischen Metaphysiken, sie mögen sich in ihren Aussagen wissenschaftlich
begreifen oder auch nicht, dadurch ab, daß sie deren Aussagen- und Begründungsböden nicht stehenläßt. Sie will
das dort nicht radikal in Frage Gestellte,sondern die Arbeit Steuernde - wie etwa das Dictum von einer
"emanzipativen Eigenstruktur der Erziehung" als "grundlegender Wahrheit einer jeden Wissenschaft von der
Erziehung" (BLANKERTZ) – auf die Bedingungen seiner Möglichkeit zurückführen. ...
Die transzendentalkritische Pädagogik knüpft in ihrer Bezeichnung an Kants Philosophie an. Kant nannte eine
Erkenntnis transzendental, die sich nicht auf Dinge, Sachverhalte, Tatsachen bezieht, sondern auf unsere
Erkenntnisart von Gegenständlichem. Eine empirische Erkenntnis ist z.B. die Feststellung, daß ein Stein warm
wird, wenn die Sonne ihn bescheint. Die dazugehörige transzendentale Erkenntnis entdeckt das Prinzip der
Kausalität. Ihm verdankt das Urteil, die Sonne wärmt den Stein, den Anspruch, objektiv gültig sein zu können.
Transzendentalkritische Pädagogik nimmt den Gedanken auf, daß alle unsere Behauptungen, Urteile, Theorien von
Voraussetzungen und Bedingungen abhängen. Sie geben den Grund ab, daß wir etwas als pädagogisch
rechtmäßig, vertretbar oder auch unakzeptabel ausweisen. So hängt etwa das Konzept einer
Persönlichkeitsbildung unter anderem davon ab, daß der Mensch wesentlich von einem freien und guten Willen,
vom Gewissen oder von in ihm "wohnenden" Kräften und Anlagen her interpretiert wird. Diese "Metaphysik", die
als Basis praktischer und theoretischer Bemühungen fungiert, ist – exemplarisch - Gegenstand
transzendentalkritisch-pädagogischer Untersuchungen. Sie nehmen sich der Grundbegriffe, Kategorien,
Einstellungen, Methoden an, die ansonsten nicht oder kaum als durch und durch problematisch aufzufallen
pflegen. Insofern ist transzendentalkritische Pädagogik radikale, skeptische Aufklärung, die nichts unbefragt
stehen läßt, was beansprucht, mit der Sache der Pädagogik für jetzt oder für immer mehr oder weniger definitiv
fertiggeworden zu sein oder fertigwerden zu können. Sie verhält sich in einem gewissen Sinne nicht normal - nicht
weil sie "die Wahrheit" hat oder weiß, sondern um vorliegende Geltungsansprüche, Überzeugungen, Methoden
nicht zu einem selbst- und andere täuschenden Zwang werden zu lassen.
Wolfgang Fischer: Unterwegs zu einer skeptisch-transzendentalkritischen Pädagogik. Sankt Augustin 1989.S. 85f und 91
Konstruktivismus
Kybernetik: Entweder betrachte ich mich als Bürger eines unabhängigen Universums, dessen Regelmäßigkeiten,
Gesetze und Gewohnheiten ich im Lauf der Zeit entdecke, oder ich betrachte mich als Teilnehmer einer
Verschwörung, deren Gewohnheiten, Gesetze und Regelmäßigkeiten wir nun erfinden. Immer wenn ich mit
denjenigen spreche, die sich dafür entschieden haben, entweder Entdecker oder Erfinder zu sein, bin ich immer
von neuem von der Tatsache beeindruckt, daß keiner von ihnen erkennt, jemals eine derartige Entscheidung
getroffen zu haben. Wenn sie überdies herausgefordert werden, ihre Position zu rechtfertigen, bedienen sie sich
eines Begriffssystems, das nachweislich auf einer Entscheidung über eine prinzipiell unentscheidbare Frage
basiert.
Heinz von Foerster, KybernEthik 1993, S. 75.
Systemtheorie: Theorien mit Universalitätsanspruch sind leicht daran zu erkennen, daß sie selbst als ihr eigener
Gegenstand vorkommen (denn wenn sie das ausschließen wollten, würden sie auf Universalität verzichten
müssen). Damit sind, und das gilt für alle 'global theories' (auch zum Beispiel für die Quantenphysik), bestimmte
Sektionen der klassischen Wissenschaftstheorie außer Kraft gesetzt; so vor allem alles, was mit unabhängiger
Bestätigung (confirmation) des Wahrheitsanspruchs der Theorie zu tun hat. Man wird also immer sagen können,
ich hätte in den falschen Apfel gebissen - nicht vom Baume der Erkenntnis. Jeder Streit kann damit ins
Unentscheidbare getrieben werden. Aber man kann dann wohl verlangen, daß der Kritiker für den
Aussagenbereich der Theorie adäquate Alternativen entwickelt und sich nicht mit dem Hinweis auf seine Theorie
begnügt, wonach im Verblendungszusammenhang des Spätkapitalismus die Wirklichkeit nicht begriffen werden
könne.
Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie.- Frankfurt am Main: Suhrkamp 19966, S 9
Postmoderne: Die Wissenschaft ist von Beginn an in Konflikt mit den Erzählungen. Gemessen an ihren eigenen
Kriterien, erweisen sich die meisten als Fabeln. Aber insofern sie sich nicht darauf beschränkt, die nützlichen
Regelmäßigkeiten aufzuzeigen und das Wahre sucht, muß sie ihre Spielregeln legitimieren. So führt sie über ihr
eigenes Statut einen Legitimationsdiskurs, der sich Philosophie genannt hat. Wenn dieser Metadiskurs explizit auf
diese oder jene große Erzählung zurückgreift wie die Dialektik des Geistes, die Hermeneutik des Sinns, die
Emanzipation des vernünftigen oder arbeitenden Subjekts, so beschließt man, „modern" jene Wissenschaft zu
nennen, die sich auf ihn bezieht, um sich zu legitimieren. So wird etwa die Konsensregel zwischen Sender und
Empfänger bei einer Aussage mit Wahrheitswert für annehmbar gehalten, wenn sie sich in die Perspektive einer
möglichen Einstimmigkeit der mit vernünftigem Geist begabten einschreibt: das war die Erzählung der Aufklärung,
worin der Heros der Wissenschaft an einem guten ethisch-politischen Ziel, dem universellen Frieden, arbeitet. Man
sieht daran, daß die Legitimierung des Wissens durch eine Metaerzählung, die eine Geschichtsphilosophie
impliziert, zur Frage über die Gültigkeit der Institutionen führt, die den sozialen Zusammenhang bestimmen: Auch
sie verlangen, legitimiert zu werden. So sieht sich die Gerechtigkeit ebenso wie die Wahrheit auf die große
Erzählung bezogen. Bei extremer Vereinfachung hält man die Skepsis gegenüber den Metaerzählungen für
„postmodern". Diese ist ohne Zweifel ein Resultat des Fortschritts der Wissenschaften; aber dieser Fortschritt
setzt seinerseits diese Skepsis voraus.
Die postmodeme Lage ist dennoch der Entzauberung fremd, wie auch der blinden Positivität der Delegitimation.
Wovon kann die Legitimation nach den Metaerzählungen ausgehen? Das Kriterium der Operabilität ist ein
technologisches, es taugt nicht, um über die Wahrheit und das Rechte zu urteilen. Der durch Diskussion erreichte
Konsens, wie Habermas denkt? Er tut der Heterogenität der Sprachspiele Gewalt an. Und die Erfindung entsteht
immer in der Meinungsverschiedenheit. Das postmoderne Wissen ist nicht allein das Instrument der Mächte. Es
verfeinert unsere Sensibilität für die Unterschiede und verstärkt unsere Fähigkeit, das Inkommensurable zu
ertragen. Es selbst findet seinen Grund nicht in der Übereinstimmung der Experten, sondern in der Paralogie der
Erfinder.
Jean Francois Lyotard: Das postmoderne Wissen, Edition Passagen 1979, S 13ff.
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