VU 401.014, Karl-Franzens-Universität Graz, SS 2015 Modelle erziehungswissenschaftlicher Theoriebildung Silvia Stoller Im 18. Jh. wird die Pädagogik erstmalig institutionalisiert (Trapp hat den ersten Lehrstuhl 1778 in Halle). Bis dahin ging es um die Erziehung des Herrschernachwuchses, nun verlangt die Wirtschaft Arbeitskräfte, die rechnen und lesen können, und der Staat kann das Denken der Bevölkerung kontrollieren. Anfänge der Pädagogik und Erziehungswissenschaft (Platon) Ziele der LV Sokrates („Ich weiß, dass ich nichts weiß“) starb durch einen Schierlingsbecher, nachdem ihm vorgeworfen wurde, die Jugend aufzuwiegeln und die Götter zu entehren. Platon war Sokrates‘ Schüler. • Einsicht in die Bedeutung von Theorien für die Erziehungswissenschaft sowie pädagogische Praxis • Verständnis zentraler theoretischer Grundbegriffe • wichtige methodische Ansätze kennenlernen, verstehen und praktisch durchführen können Erziehungswissenschaften könnten unterteilt werden in • empirisch / naturwissenschaftlich: empirisch-analytische Verfahren, rationalistisch, erfassen Daten, kausale Erklärungen Methode des Erklärens: allgemeine Gesetze werden gesucht und beschrieben (nomothetischer Ansatz) • hermeneutisch / geisteswissenschaftlich: interpretative Verfahren, sucht Bedeutungen und Sinn in Texten und Situationen Methode des Verstehens • kritisch: Analyse von Erkenntnisinteressen, Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung und nach den moralischen Grundsätzen geht zurück auf die 1960er Jahre und die Frankfurter Schule [Kritische Theorie] • Weitere Ansätze: Feministische, Psychoanalytische, Interkulturelle, Praxeologische, Transzendentalphilosophische, Historisch-materialistische, Phänomenologische, Systemtheoretische und Konstruktivistische Pädagogik sowie Strukturalistische, Ökologische und Postmoderne Ansätze Fragen: Wie heißen die drei großen Theorieströmungen der Erziehungswissenschaft? Viele heutigen Auffassungen haben ihre Ursprünge in der griechischen Philosophie. Whitehead meint überhaupt: „Seit Platon gibt es nichts Neues“. (Das ist natürlich positivistischer Schwachsinn.) Platon, 427 – 347 v. Chr. Menon: Kann Tugend gelehrt werden? Die Frage bleibt offen, anstelle dessen rückt die Frage nach dem Lernen in den Mittelpunkt. Durch Anleitungen des Lehrers wird das latente Wissen des Schülers bewusst (manifest) gemacht. Methode der „Hebammenkunst“ (Mäeutik): Der Lernende trägt das Wissen bereits in sich. Der Lehrende unterstützt ihn am Weg der eigenen Erkenntnis. Politea: Die Politea ist das politische Hauptwerk Platons und eines der wichtigsten Werke politischer Philosophie überhaupt. Platon entwirft darin einen idealen Staat (polis). Zentrales Thema: Frage nach der Erziehung der Mitglieder des Stadtstaates: Regentenerziehung. Die oberste Leitung des Stadtstaates obliegt den Philosophen, die eine jahrzehntelange Erziehung durchlaufen müssen. Höhlengleichnis: Unterscheidung zwischen Schein und Wirklichkeit, Meinen und Wissen. Was wir in einem ursprünglichen Zustand (1. Höhle) meinen, ist ein Scheinwissen (Schattenbilder). Durch Anleitung gerät man von diesem Scheinwissen weg (2. Aufstieg), erfährt einen Schmerz (blendendes Feuer, strahlende Sonne) und erkennt, dass man vorhin nur Schattenbilder gesehen hat. Man kehrt zurück zu den verbliebenen Gefesselten, um ihnen die Wahrheit zu verkünden (3. Rückkehr). Was charakterisiert diese in Grundzügen? Freie Uni für alle! freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 1 Empirische Erziehungswissenschaft Wolfgang Brezinka, geb. 1928 Hauptvertreter der Empirischen Erziehungswissenschaft und der Wissenschaftlichen Pädagogik unterscheidet drei Ebenen der Theoriebildung: Fragen: Wer ist Wolfgang Brezinka? Welchen methodischen Ansatz vertritt er in den Erziehungswissenschaften? • Erziehungswissenschaft: trifft allgemeine Aussagen, um zu „informieren“, dh. beschreiben, erklären und voraussagen, wobei eine wissenschaftliche Erklärung das Ereignis, die Bedingungen und die allgemeinen Gesetze umfasst (Modell nach Hempel nach dem Vorbild der Naturwissenschaften). Was heißt nach Brezinka „informieren“ im Rahmen der Erziehungswissenschaft? Aus welchen drei Komponenten besteht nach Brezinka und Hempel eine wissenschaftliche Erklärung und was bedeuten sie? Erläutern Sie die Komponenten und geben Sie ein Beispiel. • Philosophie der Erziehung • Praktische Pädagogik Was bedeuten die Prinzipien der Kausalität und der Gesetzmäßigkeit im Rahmen der Empirischen Erziehungswissenschaft? Erklären Beim Erklären handelt es sich um die Beschreibung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Erscheinungen und Sachverhalte werden auf allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten (Naturgesetze) zurückgeführt. Was bedeutet „Erklären“ im Kontext der Empirischen Erziehungswissenschaft? Was heißt „nomothetisch“? nomothetisch: am Aufstellen von Gesetzen orientiert kausal: ein Verursacher löst ein Ereignis aus Beispiel: Über Nacht platzt der Behälter der Kühlflüssigkeit eines Autos (= Ereignis). Warum ist der Behälter der Kühlflüssigkeit des Autos geplatzt? (= dasjenige, was „erklärt“ werden soll). Beispiel: Vermutung: Der Medienkonsum von Gewaltdarstellungen ist die Ursache für das Auftreten von Gewalttaten. Würde die Vermtung durch entsprechende Untersuchungen bestätigt, so ist dieser Sachverhalt erklärt. Der Begriff „Erklärung“ wird in der Wissenschaft (inkl. Pädagogik und Erziehungswissenschaft) nicht wie im Alltagssprachgebrauch verwendet. Alltagssprachlich heißt etwas „erklären“: etwas offenlegen (z. B. Liebeserklärung) oder etwas klarlegen (z. B. jemandem den Sinn eines Text nahebringen). Was sind Naturgesetze? Gesetze, die in der Natur mittels der Physik nachgewiesen werden können. Diese Gesetze müssen in einem Experiment nachvollzogen und mathematisch beschrieben werden können. Beispiele: Newtons Gravitationsgesetz (Anziehungskraft), Thermodynamische Gesetze (Körper dehnen sich bei Wärme aus), … Freie Uni für alle! freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 2 Methodendiskussion im 19. Jahrhundert Geisteswissenschaftliche Pädagogik Unterscheidung zwischen Erklären und Verstehen als unterschiedliche Methoden in der Natur- und der Geisteswissenschaft: • • Naturwissenschaften: erklären Geisteswissenschaften: verstehen „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.“ (Dilthey) Verstehen Als Verstehen gilt eine methodische Vorgehensweise, der es darauf ankommt, eine Erscheinung oder einen Sachverhalt als Folge bestimmter Intentionen, Zielsetzungen oder Zwecke zu begreifen. Es geht nicht so sehr darum, allgemeine Gesetzmäßigkeiten herauszufinden, sondern vielmehr eine Erscheinung oder einen Sachverhalt in ihrer Besonderheit zu beschreiben. teleologisch: will Zielsetzung ergründen idiographisch: beschreibt Besonderheiten Historizität: Verstehen unterliegt historischen Bedingungen. Beispiel: „Haus“ kann vieles bedeuten: früher Höhlen, Hütten etc.; barockes Bürgerspital, Renaissanceschloss, modernes Hochhaus etc. Abgrenzung vom Psychologismus: Verstehen ist nicht psychologische Erkenntnis, denn die seelische Verfassung des Autors interessiert uns nicht. Beispiel Dichtung: Es handelt sich bei den Worten einer Dichtung nicht um die inneren Vorgänge in dem Dichter. Fragen: Worum geht es bei der Erklären-VerstehenDebatte in Grundzügen? Erläutern Sie den Unterschied zwischen „Erklären“ und „Verstehen“ und geben Sie ein Beispiel dafür. Was heißt „teleologisch“? Beispiel: Wenn ein Kind sehr wütend ist, so kann dies daran liegen, dass die Mutter dem Kind etwas verboten hat, das es unbedingt will. Die Ursache des Wütendseins des Kindes liegt im Verhalten der Mutter. Auf der anderen Seite kann es sein, dass das Kind mit seiner Wut erreichen will, dass die Mutter das Verbot aufhebt. Das Ziel des Wütendseins des Kindes ist die Änderung des Verhaltens der Mutter. Verstehen ist kulturabhängig, historisch gewachsen und gebunden. Im Gegensatz zum alltäglichen Verstehen bedeutet Hermeneutik das mittelbare Verstehen durch Reflexion. Was bedeutet „Verstehen“ im Kontext der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik? Spielen Geschichtlichkeit und Kulturalität eine Rolle in der Hermeneutik? Wie lautet der berühmte Satz, mit dem Wilhelm Dilthey den Unterschied zwischen Erklären und Verstehen zusammenfasst? Was ist gemäß der Hermeneutik eine Voraussetzung für das Verstehen (Wort mit 14 Buchstaben)? Vorverständnis: Verstehen (Bedeutung erkennen) geht immer vom Vorverständnis (Vorwissen) aus als Voraussetzung für das Verstehen. Beispiel: Ohne Fremdsprachenkenntnis kann man keinen Fremdsprachentext verstehen. Kulturalität: Verstehen ist kulturabhängig. Beispiel: Unter dem deutschen Wort „Brot“ verstehen manche Schwarzbrot, andere Weißbrot. Wenn man in Frankreich „pain“ bestellt, bekommt man Weißbrot. Freie Uni für alle! freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 3 Hermeneutik Dilthey und Droysen entwickeln in den 1920er Jahren eine Methode des Verstehens: Um menschliches Tun zu erfassen, reicht die Beobachtung nicht aus, ich muss es auch verstehen. Ihre Methode ist die Hermeneutik, sodass man auch vom hermeneutischen Ansatz spricht. Unter Hermeneutik versteht man die Kunstfertigkeit des Verstehens eines Textes oder eines anderen menschlichen Produktes (Auslegungs- oder Interpretationskunst). Wilhelm Dilthey, 1833 – 1911 Begründer der Geisteswissenschaften als selbständigen Wissenschaftstyp neben den Naturwissenschaften und der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Hauptwerk „Einleitung in die Geisteswissenschaften“ (1883): Ein Mensch reagiert nicht einfach auf äußere Einflüsse, sondern er verbindet mit seinem Tun einen Sinn: Er verfolgt Ziele, hat Erwartungen, Befürchtungen. Menschen reagieren nicht nur nach Art physischer Gegenstände, sie handeln sehr individuell, unterscheiden sich also in ihrem Verhalten. Ihr Handeln zielt - bewusst oder unbewusst - auf etwas ab. Der Ansatz des Verstehens fragt nach dem Sinn eines Verhaltens. Johann Gustav Droysen, 1808 – 1884 deutscher Historiker und Geschichtstheoretiker Objektivität in den Geschichtswissenschaften gibt es nicht. Einführung der Methode der Hermeneutik in die modernen Geschichtswissenschaften. Die Hermeneutik beschäftigt sich mit folgenden Bereichen: • • • • • • • Quellenkritik Vorverständnis textimmanente Interpretation (nach Denner) Semantik und Syntax(Wortbedeutung und Satzbau) logischer Aufbau hermeneutische Regel: Der Autor wird für vernünftig gehalten. Koordinierte Interpretation: - Erfassung des Kontexts im Gesamtentwurf - bewusste und unbewusste Voraussetzungen von Seiten des Autors - Übertragung auf konkrete Situationen - Formulierung von Hypothesen Klafki fügt hinzu: • • • • • Hermeneutischer Zirkel 1: charakterisiert den Prozess des Verstehens als eine Art Paradox: Das, was verstanden werden soll, muss irgendwie schon vorweg verstanden sein. Beim Verstehen eines Textes bringt man ein Vorwissen mit, dieses wird korrigiert und vertieft, und so versteht man den Text wieder besser (Bewegung zwischen Vorwissen und Wissen). Beispiel: Eine Mutter, holt sich Rat bezüglich der Erziehung ihres Kindes über einen Erziehungsratgeber. Ihr Vorverständnis umfasst das Wissen darum, dass Erziehung nicht leicht ist; dass man sich in Büchern Rat holen kann; dass es Buchbuchhandlungen gibt; sowie Sprachwissen, Lesekompetenz und die eigene, bisherige Vorstellung darüber, was Erziehung ist. Hermeneutischer Zirkel 2: Wenn ich einen Teil eines Textes verstehe, dann verstehe ich den Gesamtzusammenhang des Textes besser. Wenn ich den Gesamtzusammenhang besser verstehe, dann verstehe ich auch einen Teil des Textes besser. Hermeneutische Differenz: Differenz zwischen demjenigen, der verstehen, und demjenigen, der etwas zu verstehen geben möchte. (Die hermeneutische Differenz gehört als Strukturmoment zu jeder hermeneutischen Situation. Wo fragelose Übereinstimmung herrscht, gibt es nichts zu verstehen.) Beim hermeneutischen Verstehen kommt es darauf an, diese Differenz zu verringern. • • • linguistische Differenz: Sender und Empfänger sprechen nicht dieselbe Sprache historische Differenz: besonders bei älteren Texten rhetorische Differenz: jene Differenz, die im Zusammenhang mit sprachlichen Stilmitteln (z. B. poetische Sprache, Reime) entsteht. Beispiele: • • Freie Uni für alle! dauerhafte Fixierung des zu Verstehenden Darlegung des eigenen Vorverständnisses Berücksichtigung des Kontextes hermeneutischer Zirkel Problem der Objektivierung Die Leserin eines neuen Buches ist zunächst mit einer ihr noch unbekannten Thematik konfrontiert. Einem Pädagogikstudenten kommt die Lektüre von Platons Höhlengleichnis anfänglich fremd vor. freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 4 hermeneutische Regeln: sind eher Fragen als Ansatzpunkte der Interpretation, zB: Wie sieht der geschichtliche Kontext aus? Zeichen: „Verstehen ist das Erkennen eines Inneren am Äußeren eines Zeichens durch Herstellung eines geistigen Zusammenhangs.“ (Dilthey) Zeichen sind • Beispiel Textzeichen (Buchstaben, Sätze, Bücher, etc.): Das Äußere sind Buchstaben, Schrift, Druck – der physische Gegenstand. Das Innere sind die Stimmung, die Darstellungsmittel, das Motiv – das geistige Objekt. • Beispiel Verkehrszeichen (Stoppschild): Das Äußere sind Farbe, Form, Buchstaben – der physische Gegenstand. Das Innere sind seine Bedeutung – das geistige Objekt. • Gestik (Zeigegesten), Gebärde (Gebärdensprache), Mimik (Gesichtsausdruck) • Zeichen im weitesten Sinne Fragen: Wer hat den Unterschied zwischen Erklären und Verstehen im 19. Jahrhundert eingeführt? Wie heißt der Begründer der modernen Geisteswissenschaften? Er ist gleichzeitig die Gründerfigur der geisteswissenschaftlichen Pädagogik. Was versteht Wilhelm Dilthey unter dem „Inneren“ eines Zeichens im Unterschied zu dessen „Äußerem“? Was versteht man unter Hermeneutik (Definition)? Was versteht man unter der „hermeneutischen Differenz“? Was versteht die Hermeneutik unter dem sogenannten „hermeneutischen Zirkel“ ? Freie Uni für alle! freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 5 Phänomenologie wörtlich genommen, die Lehre vom sich konkret Zeigenden oder Erscheinenden, ist eng verwandt mit der Hermeneutik und wurde vom deutschen Philosophen Edmund Husserl um 1915 begründet. • Deskription: bedient sich der Methode der Deskription von sinnlichen Erfahrungen (Beschreibung des Vorgefundenen) • Vorurteilsfreiheit: Die Dinge selbst sprechen lassen, dh. vorurteilsfrei beschreiben (Vormeinung einklammern) und sich jedes Urteils enthalten. Beispiel: Kind zeigt Trotzverhalten. Vormeinung: Kind ist im Trotzalter. Die phänomenologische Beschreibung versucht, dieses Vorwissen beiseite zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, was zu sehen ist. Phänomenologische Maxime: „Zu den Sachen selbst!“ • Perspektivität: Es gibt keine objektive Wahrnehmung, jede Wahrnehmung ist perspektivisch. Daraus ergibt sich die typische Horizontstruktur der Wahrnehmung (zB vorne/hinten; früher/später etc.). Die Perspektivität ist kein Mangel der Wahrnehmung, sondern für die Wahrnehmung konstitutiv. • Horizontstruktur als Grundmodell der phänomenologischen Analyse der Wahrnehmung: Jeder Wahrnehmungsgegenstand hebt sich von seinen Horizonten ab. Es geht um die Erfassung des Gegenstands vor dem räumlichen [innen und außen (Einrichtung und Hinterwand eines Hauses, das von vorn zu sehen ist)], und zeitlichen Horizont [Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft], in Verbindung mit anonymen, latenten und unbewussten Inhalten. • Mitgegegenwärtigkeit: Die nicht sichtbaren Seiten eines wahrgenommenen Gegenstandes sind „mitgegenwärtig“ bzw. „mitpräsent“. Man „sieht“ ein Haus als solches und nicht nur beispielsweise die Frontseite! • Intentionalität: Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas als etwas. (Intentionalität im engen Sinne) Erfahrung ist immer Erfahrung von etwas als etwas. (Intentionalität im weiten Sinne) Freie Uni für alle! Was alles sind „Phänomene“? • • • • • Wahrgenommenes (z. B. Gegenstände) Erfahrenes (z. B. Schmerz) Gedachtes (z. B. Ideen) Geträumtes (Traum) Halluzination (z. B. Fata Morgana) Fragen: Wer war der Begründer der Phänomenologie in Deutschland? Wie lautet die berühmte Maxime der Phänomenologie? Wie heißt die Methode der Phänomenologie? Wie lautet das Grundmodell, das einer Analyse der Wahrnehmung im Zuge der phänomenologischen Deskription zugrunde liegt? Was bedeutet „Vorurteilsfreiheit“ in der Phänomenologie? freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 6 Die Kritische Erziehungswissenschaft Die Kritische Erziehungswissenschaft beruht auf dem philosophischen und gesellschaftskritischen Ansatz der in Deutschland in den 1930er-Jahren entwickelten sogenannten Kritischen Theorie (gelegentlich auch als Frankfurter Schule bezeichnet). Hauptvertreter: Fragen: Wer heißen die historischen Gründer der Kritischen Theorie in Deutschland? Was steht im Zentrum der Kritischen Theorie und folglich auch der Kritischen Erziehungswissenschaft? Auf welchen gesellschaftskritischen Ansatz geht die Kritische Erziehungswissenschaft zurück? • Max Horkheimer (1895–1973) • Ludwig Marcuse (1894–1971) • Theodor W. Adorno (1903–1969) • Jürgen Habermas (geb. 1929) Wie lautet die Kritik der Kritischen Erziehungswissenschaft an der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik? Hauptvertreter_innen (Pädagogik) • Wolfgang Klafki (geb. 1927) • Wolfgang Lempert (geb. 1930) • Herwig Blankertz (1927–1983) • Klaus Mollenhauer (1928–1998) Hauptthesen der Kritischen Erziehungswissenschaft • Gegenstand der Kritischen Theorie ist die Gesellschaft selbst, sie verbindet wissenschaftliche Analyse und philosophische Reflexion in ihrem Verhältnis von Wissenschafts- und Gesellschaftskritik. Wissenschaftliche Theorien müssen stets im Zusammenhang mit einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet werden. • Die Kritische Erziehungswissenschaft wendet sich sowohl gegen die verhaltenstheoretische Erziehungswissenschaft als auch gegen die Geisteswissenschaftliche Pädagogik, deren Wissenschaftsverständnis sich als blind gegenüber den gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung erwiesen hatte. • Die Kritik richtet sich gegen den selbstzerstörerischen Charakter der modernen, instrumentellen Vernunft und die technischrationale Unterwerfung der Natur, aber auch gegen die individualistische Betrachtungsweise der Hermeneutiker . • Aufgabe einer Kritischen Erziehungswissenschaft ist es zunächst, ideologiekritisch die Abhängigkeit der Erziehung von gesellschaftlichen Prozessen aufzuzeigen (emanzipatorisches Erkenntnisinteresse). Freie Uni für alle! freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 7 Horkheimer, 1952 Wie soll man studieren? Was soll man sich vom Studium erwarten? Was soll das Ziel des Studiums sein? Kritik an „Definition“ von Bildung: Definitionen sind widerspruchsfrei, die Wirklichkeit ist widerspruchsvoll. Der Begriff der Bildung soll nicht Ausgangspunkt von Erkenntnis sein, sondern Gegenstand kritischer Reflexion. Im 20. Jahrhundert gibt es nichts Ungeformtes mehr, keine unbeherrschte Natur im menschlichen Bereich. Es sieht so aus, als wäre überhaupt kein Stückchen unerfasster Natur mehr übrig, weder draußen noch drinnen. Die Gesellschaft reguliert ihre Menschen bis ins kleinste Detail. Beispiele (Horkheimer): Die dank Schongesetze in Afrika noch nicht ganz ausgerotteten Tiere bilden eine Sicherheitsgefährdung und „Störung der Flughäfen“ dar. Betriebe schreiben ihren MitarbeiterInnen bestimmte Verhaltensregeln vor (z. B. Lächeln der VerkäuferInnen) und werden aus verkaufsstrategischen Gründen in eigenen Kursen in ihrem Verhalten geschult (natürliches vs. künstliches Verhalten). Beispiele aus der Gegenwart: Kritik am idealistischen Bildungsbegriff: Eine Rückwendung auf das Individuum (Selbstbildung, Persönlichkeitsbildung, Verinnerlichung etc.) führt zur „Barbarisierung der Menschheit“. Im Hintergrund stehen die Erfahrung des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. Bildung hat sich auch um die Gemeinschaft und um ihr Wohlergehen zu kümmern. Es geht also bei der Bildung immer auch um den ethischen Anspruch einer Verbesserung und Vermenschlichung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Horkheimer fordert Mitwirkung an der studentischen Selbstverwaltung; lernen, sich als junge Menschen durchzusetzen; Förderung des kritischen Geistes; Zivilcourage; Widerstandskraft; innere Unabhängigkeit; Gegengeist. Bildung darf sich nach Horkheimer nicht auf die individuelle Entwicklung der Persönlichkeit beschränken. (Individualismuskritik) Die gesellschaftliche Dimension von Bildungsprozessen steht im Mittelpunkt des Bildungsbegriffs der Kritischen Theorie. (Gesellschaftskritik) Berater_innen für Politiker_innen (Imagepflege, Medienauftritte, politische Beratung) Bildung wird in einem normativen Sinne verstanden, das heißt, Bildung soll eine Orientierung für menschliches Handeln bieten. (Ethik) Was ist dafür verantwortlich? Menschen sollen in ihrer Fähigkeit zur Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse gestärkt werden. (Bildungsauftrag) • • • • • Prozess der universalen Vergesellschaftung Geformt- und Erfasstwerden eines jeglichen durch die Totalität Durchorganisation der industriellen Gesellschaft Technologisierung oberflächliche Massenkultur Die unterdrückte Natur lässt sich aber nach Horkheimer nicht gänzlich zerstören. Vielmehr kehrt sie in destruktiver Form wieder – im Irrationalismus der modernen Massenkultur, der uns in zwei Weltkriege und in den Nationalsozialismus geführt hat. Freie Uni für alle! Fragen: Was wünscht der Rektor der Universität Frankfurt und Hauptvertreter der Kritischen Theorie, Max Horkheimer, 1952 seinen Studentinnen und Studenten für ihr Studium? Wie lautet in Grundzügen die Gesellschaftsdiagnose von Max Horkheimer? freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 8 Wolfgang Klafki Entwicklung von Grundzügen eines zeitgemäßen und zukunftsoffenen Bildungsbegriffs: • Bildungsfragen sind Gesellschaftsfragen: Gesellschaft ist nicht einfach da, sie wird von Menschen gemacht. Es gibt die grundsätzliche Möglichkeit zur Gestaltung der Gesellschaft. Der Mensch ist: denkfähig, mitbestimmungs- und handlungsfähig. • Bildung als Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur Mitbestimmung und zur Solidarität. • Bildung als Allgemeinbildung im Zeichen des Demokratieprinzips. Bildung für alle darf keine Elitebildung sein und gesellschaftliche Ungleichheit hervorbringen. Sie folgt einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag, der sich um die Gegenwart und die Zukunft der Gesellschaft kümmert. Und sie berücksichtigt kognitive, handwerkliche, soziale, ästhetische, ethische und politische Fähigkeiten. • Dazu sind Bildungsreformen und bildungspolitische Maßnahmen erforderlich, wie zB der Abbau von selektiven Faktoren im Bildungswesen; die Verwirklichung einer mindestens zehnjährigen Schulpflicht; die Ausdehnung und Intensivierung gemeinsamer Bildungseinrichtungen; die Integration von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulformen und der Ausbau der Erwachsenenbildung. • Konzentration auf Schlüsselprobleme. Dies sind Fragen des Friedens, der Umwelt, der Ungleichheit, der Medien, sowie der Subjektivität und der sozialen Beziehungen der Menschen. Notwendige Fähigkeiten sind Kritikbereitschaft & Kritikfähigkeit, Argumentationsbereitschaft & Argumentationsfähigkeit, sowie Empathiefähigkeit und Vernetzendes Denken. • Der Unterricht muss folgendes erfüllen: Exemplarisches Lehren und Lernen; Methodenorientiertes Lernen; Handlungsorientierter Unterricht; Verbindung von sachbezogenem und sozialbezogenem Lernen • Vielseitige Bildung: Die Fokussierung auf Schlüsselprobleme birgt die Gefahr einer Verengung in sich. Daher muss stets auf die Möglichkeit einer vielseitigen Bildung geachtet werden, z. B. auf die Möglichkeit frei wählbarer individueller Interessenschwerpunkte (verbindliche Lehrplanelemente und Schwerpunktbildungen). Freie Uni für alle! • Die Ausbildung instrumenteller Fähigkeiten (wie Selbstdisziplin, kommunikativ verständliches Sprechen u.v.a.m.) muss nicht vorausgesetzt werden, sondern diese Fähigkeiten können erst im Zusammenhang mit emanzipatorischen Zielsetzungen, Inhalten und Fähigkeiten erlernt werden. • Revision des Leistungsbegriffs: Der produkt- bzw. konkurrenzorientierte Leistungsbegriff muss ersetzt werden durch soziale und solidarische Leistungskompetenz. Anstelle von Endbeurteilungen sollen prozessorientierte Leistungsbeurteilungen treten (zB zwischenzeitliche Rückmeldungen). freieswissenfueralle.wordpress.com Seite 9