20. 08. 2009, 125. Geburtstag Rudolf Karl Bultmann (1884 – 1976) Neutestamentliche Wissenschaft, Theologie und weltweite Kirche verdanken Bultmanns Arbeit wichtige Impulse, die bis heute wirksam sind. Seine „Geschichte der synoptischen Tradition“ (1921) wurde lange Zeit als bedeutendster Beitrag zur Vorgeschichte der ersten drei Evangelien gelesen. Sein Johanneskommentar (1941) zeichnet ein theologisch fundiertes, historisch jedoch heftig umstrittenes Bild des vierten Evangeliums. Die „Theologie des Neuen Testaments“ (1953) stellt wohl die Krönung seines Lebenswerks dar. Rudolf Karl Bultmann wurde am 20. August 1884 in Wiefelstede geboren. Als Sohn eines Pfarrers wuchs er im Oldenburgischen auf. Sein Studium führte ihn zunächst nach Tübingen, von dort über Berlin nach Marburg. Kurze Lehrtätigkeiten in Breslau und Gießen mündeten ein in die Berufung auf den neutestamentlichen Lehrstuhl in Marburg (1921), wo er bis zu seinem Tod am 30. Juli 1976 lebte, lehrte und wirkte. Die Familie mit den drei Töchtern unterhielt ein offenes Haus. Literarische und musikalische Interessen wurden gepflegt und Kontakte mit Gelehrten und Künstlern in aller Welt (z.B. Hans Jonas, Martin Heidegger, Ricarda Huch, Marie Luise Kaschnitz) bestimmten das Milieu. Nicht weniger wichtig waren dem bescheidenen Manne die oft über Jahrzehnte lebendigen Verbindungen zu seinen Schülern, ganz gleich, ob sie auf Lehrstühlen oder im Pfarramt tätig waren. „Von Gott zu reden, bedeutet auch, vom Menschen zu reden“ Weit über die Grenzen der Fachwissenschaft hinaus wurde Bultmann bekannt durch einen Vortrag, den er in der Pfingstwoche 1941 in Alpirsbach hielt: „Neues Testament und Mythologie“. Schon 1925 hatte Bultmann unterstrichen, dass von Gott zu reden immer auch bedeute, vom Menschen zu reden (und umgekehrt!). Aussagen über Gott, die nicht auch zugleich das Selbstverständnis des Menschen betreffen, sind ohne Sinn. Im Alpirsbacher Vortrag stellt er nun heraus, dass viele Aspekte des neutestamentlichen Weltbildes vom modernen Menschen nicht geteilt werden können, wie z.B. die Vorstellung von einer Welt in drei Ebenen (Erde, Himmel, Hölle) oder der Geister- und Dämonenglaube des Neuen Testaments. „Man kann nicht ... in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ Bultmann plädiert – im Unterschied zu seinen liberalen Lehrern - nicht dafür, mythologische Aussagen zu eliminieren, sondern fordert, sie „existential“ zu interpretieren, d.h. sie auf ihre Bedeutung für das Selbstverständnis des Glaubens hin zu befragen. Dem Gebot der Wahrhaftigkeit verpflichtet und zutiefst geprägt von der Theologie Luthers, stieß Bultmann mit seinem „Entmythologisierungsprogramm“ – gerade auch in Württemberg - bis heute auf heftige Kritik. Dass er die Auferstehung Christi leugne, gehört dabei zu den unsinnigsten Vorwürfen, denn Kreuz und Auferstehung Christi stehen im Zentrum seiner Theologie und seines Glaubens. Klaus Müller