METAMORPHOSEN EINFÜHRUNG Metamorphose steht sinngemäss für einen Umwandlungsprozess. Bei den Metamorphosen des Ovid handelt es sich um ein mythologisches Werk aus 15 Büchern. Das Werk beschäftigt sich vornehmlich mit der Entstehung der Welt, unter der Berücksichtigung von Sagen. Dabei wird ein Mensch oder eine Gottheit in ein Tier oder eine Pflanze verwandelt. Metamorphes Gestein entsteht infolge einer Erhöhung des Umgebungsdruckes bzw. der Umgebungstemperatur tief in der Erdkruste. In folgender Aufstellung werden Metamorphosen bei Pflanzen und Tieren behandelt. PFLANZEN Grundorgane werden total oder partiell, häufig unter Funktionswechsel, umgewandelt. Bei der Blüte handelt es sich um eine metamorphosierte Blattanlage. Beim Mäusedorn (Ruscus aculeatus) werden Kurztriebe zu Phyllokladien umgebildet, die die Form und die Funktion von Blättern haben, in den Achseln von Tragblättern entspringen und Blüten tragen. Phyllokladien kommen auch bei anderen Asparagaceae vor. Als Platykladien werden blattartig abgeflachte, grüne Sprossachsen bezeichnet, die bei Xerophyten anstelle der Blätter photosynthetisch aktiv sind. Der Kaktus Zygocactus truncatus bildet lange Flachsprosse, die Kladodien. DORNEN Umbildungen von Sprossteilen zu Dornen finden wir bei vielen verholzenden Blütenpflanzen, wie z.B. dem Weissdorn (Crataegus oxyacantha). Die Langtriebe der Berberitze (Berberis vulgaris) werden zu Dornen umgestaltet. Kennzeichnend für die Cactaceae und die Mehrzahl der Euphorbiaceae sind die Blattdornen. RANKEN, HAFTORGANE Besonders Blüten tragende Achsen können zu Sprossranken umgebildet sein, die der Befestigung der Pflanze an Wänden, Spalieren oder dgl. dienen (z.B. Passiflora). Die Enden der Sprossranken von Parthenocissus (Vitales) sind zu Haftscheiben umgeformt. Ausser Sprossranken besitzen die Cucurbitaceae Blattranken. Die unpaarig angelegte Endfieder der Wicke (Vicia) wächst zur Ranke aus. Der Efeu (Hedera helix) bildet Haftwurzeln, die Vanille (Vanilla planifolia). Rankenwurzeln. STÜTZWURZELN, LUFTWURZELN, ATEMWURZELN Stelz- oder Stützwurzeln von Mangroven (z.B. Rhizophora) bzw. Ficus-Arten entstehen durch (sekundäre) Homorhizie. Epiphytische Orchidaceae, z.B. Phalaenopsis, verfügen über Chlorophyll führende Luftwurzeln. Stützwurzeln, die gleichzeitig die Funktion von Atemwurzeln haben können, sind z.B. beim 'Baumwürger' Ficus bengalensis (Moraceae), und der Sumpfzypresse Taxodium distichum (Coniferales) zu finden. SPEICHERORGANE Die Blätter vieler Blattsukkulenten, z.B. der Portulacaceae, sind fleischig verdickt und können Wasser speichern. Ebenso verfügen die Aizoaceae, die Crassulaceae und die meisten Agavaceae (Ausnahme z.B. Yucca) über solche Speicherblätter. Der Spross der Bedecktsamer (Angiospermae) erfährt vielfach eine Umbildung zum Speicherorgan. Cactaceae und viele Euphorbiaceae speichern als Stammsukkulenten grosse Wassermengen. Verdickungen unterster Sprossabschnitte (Hypokotyle) dienen z.B. bei Cyclamen) als Speichergewebe. Sie bilden die 'Augen', denen ein neuer Spross entspringt. Verdickungen sprossbürtiger Wurzeln kommen z.B. bei der Dahlie vor. Bei ausbleibender Seitenwurzelbildung entstehen solche Wurzelknollen z.B. beim Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) und den Orchideen. Pflanzenzüchtungen mit dem Ziel eine verdickte Haupt- d.h. Pfahlwurzel (Rübe) zu erzeugen sind z.B. die Karotte (Daucus sativa) und die Zuckerrübe (eine Subspezies/ Form von Beta vulgaris). UMWANDLUNGEN VON BLÄTTERN Bei der Kannenpflanze (Nepenthes) erfahren die Blätter eine tüten- bzw. kannenförmige Umgestaltung zu Fallgruben. Beim jungen Blatt ist das Innere der Kanne vollständig vom Deckel verschlossen, der als Auswuchs der Blattspreite entsteht. Dischidia rafflesiana (Asclepiadaceae) besitzt Urnenblätter, in denen Ameisen leben und an deren Grund sich Erde befindet. Von benachbarten Stängelknoten aus wachsen Wurzeln in die Urnen ein. Die Wasserblätter des Schwimmfarns Salvinia zeigen eine wurzelartige Umgestaltung unter Verlust des Blattgrüns. Die schuppenförmigen Gebilde am Stiel einiger chlorophylloser, parasitierender Blütenpflanzen (Sommerwurz, Orobanche) und Fichtenspargel (Monotropa hypopitys) können als Rückbildungen des Blattes gedeutet werden. TIERE Metamorphose (Metamerie) bedeutet im Tierreich den Wechsel eines larvalen Phänotyps zum adulten Phänotyp, d.h. i.a. von der ungeschlechtlichen zur geschlechtlichen Generation. Häufig findet ein Wechsel des Lebensraums statt und damit tiefgreifende Veränderungen (z.B. bei Libellen, Amphibien) der Anatomie und Physiologie. Unter Vorbehalt kann die Metamorphose der Tiere als eine Art sekundäre Embryonalentwicklung angesehen werden. Bei der Bildung es adulten Organismus aus dem larvalen kann ein weitgehend neuer Phänotyp entstehen - unter der Umgestaltung der Gewebe, die von Adultus übernommen werden (z.B. Nervensystem), - durch Neuentwicklungen von z.B. Insektenflügeln, Lungen oder Genitalsystem. Die Imagines von Lepidoptera (Schmetterlinge) besitzen mit dem einrollbaren Saugrüssel saugende, die Larven (Raupen) kauende Mundwerkzeuge. INSEKTEN Es sind 2 Haupttypen der Metamorphose zu unterscheiden: - Hemimetabol: Die Larve ist bereits der Imago ähnlich; es kommt häufig zu Häutungen; Neubildungen sind die Flügel und das Genitalsystem. Apterygota, Odonata, Saltatoria, Blattodea, Isoptera, Heteroptera. Weitere mögliche Unterteilung der Hemimetabolie: Epimetabolie der Apterygota, mit wenigen Umwandlungen; Prometabolie der Ephemeroptera, Larven mit Tracheenkiemen, bereits flugfähige Subimago; die Neometabolie (z.B. Odonata) leitet zur Holometabolie über: Flügelund Genitalanlagen erscheinen 'relativ' spät, tiefgreifende Änderungen beim Erreichen des Pronymphenstadiums. - Holometabol: Weitgehende Umgestaltung der Gewebe innerhalb der Puppenhülle. Coleoptera, Lepidoptera, Hymenoptera, Diptera. Beispiel einer Hypermetabolie, einer besonderen Form der Holometabolie (vorletztes Larvenstadium entspricht einer Scheinpuppe): Meloidae (Ölkäfer). Die Primärlarve ist campodeid, d.h. die Fortbewegung erfolgt mit Hilfe der Thoraxbeine. AMPHIBIEN Bei den Amphibien kommt es während der Umwandlung zum Adultus i.a. zum Abbau von Kiemen, Schwanz, Hornzähnen und Seitenorganen. Die Ausscheidung des Stickstoffs als Stoffwechselendprodukt erfolgt in Ammoniak bei der Larve und in Harnstoff beim adulten Tier. In der Retina erfolgt die Umstellung von Porphyropsin auf Rhodopsin der Landwirbeltiere. UNVOLLSTÄNDIGE METAMORPHOSE Bei ausbleibender bzw. unvollständiger Metamorphose kann die Geschlechtsreife bereits im Larven- bzw. Juvenilstadium eintreten. Beispiele einer solchen Neotenie: Olme (Proteinae), Querzahnmolche (Ambystomatidae, mit Ambystoma mexicanum, dem Axolotl). Die (äusseren) Kiemen des Japanischen Riesensalamanders (Andrias japonicus; Urodela-Cryptobranchidae) werden zunächst rückgebildet und erst später abgestossen. Augen und Zähne bleiben zeitlebens die der Larve. ANDERE SPEZIES M=Männchen, F=Weibchen Die als Adulti sessilen Suctoria (Ciliophora; z.B. Dendrocometes paradoxus an den Kiemenblättchen von Rivulogammarus pulex) durchlaufen in der Übergangsphase vom bewimperten Schwärmer zum Adultus eine Metamorphose, indem die Zilien reduziert und die Tentakeln gebildet werden. Unter den Cnidaria zeigen z.B. die Würfelquallen (Cubozoa) die vollständige Metamorphose des Polypen zur Meduse*. *Metagenese: Form des homophasischen Generationswechsels, wobei verschiedengestaltige Generationen miteinander abwechseln; eine Generation vermehrt sich geschlechtlich, die andere ungeschlechtlich Im Verlauf der Metamorphose der Tantulocarida (Crustacea) entsteht das F unmittelbar aus der Tantulus-Larve; Thorakopoden und Abdomen werden abgestossen. Die juvenile Form von Birgus latro (Palmendieb), die eine Schneckenschale bewohnt, atmet mit Kiemen. Beim Übergang zum Leben an Land entsteht in der Kiemenhöhle eine Form von Lungenepithel. Das frei bewegliche 'präadulte' F von Lernaea cyprinacea (Copepoda, Lernaeidae) gleicht dem M. Das begattete F sucht den Wirt (Fisch oder Lurch) auf und erfährt dort eine tiefgreifende Umwandlung zum Acetabularia-ähnlichen Parasiten. HORMONELLE STEUERUNG DER METAMORPHOSE INSEKTEN Ein prothorakotropes Hormon (PTTH) wird über die Corpora cardiaca in die Hämolymphe abgegeben um die Prothoraxdrüse zur Freisetzung des Häutungshormons, nämlich des C27-Steroidhormons -Ecdyson anzuregen. Als die eigentliche wirksame Form wird -Ecdyson (20-Hydroxy-Ecdyson, Ecdysteron) angesehen, das durch Hydroxylierung von -Ecdyson entsteht. Ecdysone sind in 'Häutungstieren' wie Insekten, Spinnen und einigen Krebsen nachweisbar. -Ecdyson kommt auch in vielen Pflanzen vor. Zusammen mit dem Ecdyson wird das Juvenilhormon wirksam, ein Isoprenderivat, das in den Corpora allata gebildet wird. Es dient vor allem dem erhalt der Larvalstruktur und wird vor Einsetzen der Metamorphose bzw. des Verpuppungsprozesses abgebaut, um bei der Imago für die Entwicklung der Gonaden wieder neu synthetisiert zu werden. AMPHIBIEN Biochemisch wird die Metamorphose vom thyreotropin-releasing hormone (TRH) eingeleitet, das Hypophysenvorderlappen (HVL) die Bildung des thyreotropen Hormons (Thyreotropin, TSH) in der Schilddrüse anregt. Es folgt die über die Synthese von Thyroxin T4 durch Dejodierung die Bildung des eigentlichen Metamorphose-induzierenden T3 (Trijodthyronin). Ein 'Proteinhormon', das ebenfalls für die Metamorphose von Bedeutung ist, ist das Prolaktin aus dem Hypophysenvorderlappen (HVL). Wahrscheinlich wirkt das Hormon während der Umwandlung der Larve zum adulten Amphib u.a. osmoregulatorisch. NACHTRAG 'Metamorphose' der Myxomycota Entwicklungszyklus von Fuligo septica (F. varians): Das Plasmodium wendet sich dem Licht zu (Phototropotaxis) und metamorphosiert zu den Fruchtkörpern, in deren Innerem einzellige, einkernige Dauersporen entstehen. Die Sporen keimen in feuchtem Substrat zu (a) mobilen Myxamöben und zu (b) heterokonten Myxoflagellaten aus. Beide 'protozoide' Stadien teilen sich äqual. Die neuen Individuen verschmelzen paarweise (Isogamie) zur Amöbozygote, wobei die Geisseln der Myxoflagellaten abgestossen werden. Die Amöbozygoten kriechen zu neuen Plasmodien zusammen. 01.03.2016 Dr. H. Fritz