8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen 1 von 26 Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen (Teil I) © INTERFOTO / TV-Yesterday U A H C Abb. 1: Löwe-Radio von 1926 Foto: Jörg Borchers. Quelle: http://www.jogis-roehrenbude.de/Leserbriefe/Hammer/Hammer.htm Dr. Rolf Winter, Potsdam Skizzen zu den Versuchen: W. Zettlmeier II/C Abb. 2: modernes UKW-Röhrenradio mit 28 Röhren Alte Radioempfänger trugen ihre wichtigsten Bauteile als Schmuck: eine Spule und eine Röhre. Mit einem Regler konnte man die Kapazität eines Drehkondensators so einstellen, dass sich ein bestimmter Sender empfangen ließ (links). Auch bei modernen Empfängern ist der Retrostil wieder gefragt (rechts). Wir beschreiben in diesem Beitrag nicht nur die physikalischen Grundlagen von elektromagnetischen Wellen, sondern gehen auch auf solche Anwendungen und interessante Schüler- bzw. Lehrerexperimente ein. S R O V Elektromagnetische Wellen ermöglichen eine weltweite Kommunikation! Der Beitrag im Überblick Klasse: 11/12 Dauer: 8 Stunden Ihr Plus: üviele Experimente üDemonstration der Eigenschaften elektromagnetischer Wellen Inhalt: • Entstehung elektromagnetischer Wellen • Dipole und ihre Eigenschaften • Ausbreitung elektromagnetischer Wellen • Modulation und Demodulation • Experimente zur Erzeugung elektromagnetischer Wellen • Prinzip der Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen zur Vollversion 42 RAAbits Physik Februar 2016 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen 2 von 26 Fachliche und didaktisch-methodische Hinweise Als elektromagnetische Welle werden die Schwingungen gekoppelter elektrischer und magnetischer Felder bezeichnet, die sich räumlich ausbreiten. Man unterscheidet je nach Frequenz bzw. Wellenlänge Radiowellen, Mikrowellen, Wärmestrahlung (Infrarot), sichtbares Licht, Röntgenstrahlung und Gammastrahlung. Elektromagnetische Wellen sind Transversalwellen. Ihre Auswirkungen werden nur durch eine Wechselwirkung mit Materie erkennbar. II/C In diesem Beitrag geht es um die Informationsübertragung mithilfe von Radiowellen, die auch als Hertz‘sche Wellen bezeichnet werden. Radiowellen entstehen durch schwingende elektrische Dipole (Antennen). Ihre Existenz wurde 1865 von J. C. Maxwell (1831–1879) theoretisch vorhergesagt und von H. Hertz (1857–1894) 1888 an der Technischen Hochschule Karlsruhe experimentell nachgewiesen. Radiowellen erstrecken sich vom Bereich der Langwellen mit einer Wellenlänge von etwa 10 km bis in den Bereich der Mikrowellen mit ungefähr 1 mm Wellenlänge. U A Aus der Maxwell‘schen Theorie folgt, dass für eine effektive Abstrahlung der Radiowellen von einem Dipol ihre Frequenz mindestens 100 kHz betragen muss. Unterhalb dieser Frequenz bildet sich nur ein Nahfeld der gekoppelten elektrischen und magnetischen Felder um den Dipol. Während im Nahfeld zwischen den senkrecht aufeinander stehenden Vektoren für die elektrische und die magnetische Feldstärke eine Phasenverschiebung auftritt, sind in größerer Entfernung vom Dipol die Schwingungen der elektrischen und magnetischen Feldstärke phasengleich. Elektromagnetische Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit im Raum aus. H C Zur Beschreibung der Übertragung von Informationen bzw. Signalen gibt es zwei Betrachtungsweisen: S R Im Zeitbereich wird das Signal als Zeitfunktion, z. B. als U = f(t) dargestellt, im Frequenzbereich als Amplituden-FrequenzSpektrum, z. B. als Umax = f(f). Abb. 3 zeigt das Beispiel einer mit einer Diode gleichgerichteten sinusförmigen Wechselspannung. Der Übergang vom Zeitbereich in den Frequenzbereich kann rechnerisch durch Transformationsalgorithmen, z. B. Fouriertransformation, erfolgen. In den meisten Fällen gelingt die Erklärung eines Problems der Signalübertragung nur, wenn man beide Bereiche einbezieht. Ein Beispiel ist die Erklärung der Funktion eines einfachen Diodenmodulators. O V Spannung Zeitfunktion Zeit Spannung Frequenzfunktion Frequenz Abb. 3: gleichgerichtete Wechselspannung Informationen, die in Sprache oder Musik enthalten sind, können nicht unmittelbar durch elektromagnetische Wellen übertragen werden: Der Frequenzbereich von wenigen Kilohertz ist für die Abstrahlung einer elektromagnetischen Welle vom Dipol zu klein. Deshalb müssen die zu übertragenden Signale in einen höheren Frequenzbereich umgesetzt werden. Dieses Verfahren nennt man Modulation. Dazu wird eine hochfrequente harmonische Schwingung benötigt, die so verändert wird, dass das Signal vollständig in diesen Veränderungen enthalten ist. Das niederfrequente Signal ist damit als solches nicht mehr vorhanden. Die Information ist im hochfrequenten Signal enthalten. Die Wellen werden also zur Informationsübertragung moduliert: Das zu übertragende Signal wird der elektromagnetischen Trägerwelle aufgeprägt. Je nachdem, welche Größe der harmonischen Schwingung verändert wird, unterscheidet man Amplitudenmodulation (AM), Frequenzmodulation (FM) und Phasenwinkelmodulation (PM). Es gibt aber auch Kombinationen, z. B. wird das Fernsehbild amplitudenmoduliert und der Fernsehton frequenzmoduliert übertragen. Beim Empfänger muss aus der modulierten hochfrequenten Schwingung wieder die niederfrequente Signalschwingung gewonnen werden. Dieses Verfahren wird als Demodulation bezeichnet. 42 RAAbits Physik Februar 2016 zur Vollversion 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen 5 von 26 Mediathek Meschede, Dieter (Hrsg.): Gerthsen Physik. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2006. S. 425-439. ISBN 364-2-12893-9 Lexikon der Physik. Band 5. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 2000. S. 424-425. ISBN 382-7-41462-8 Lexikon der Physik. Band 2. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2000. S. 183/184. ISBN 382-7-41462-8 Wilke, Hans-Joachim (Hrsg.): Physikalische Schulexperimente. Band 2. Volk und Wissen Verlag, Berlin 1999. S. 211/212. ISBN 3-06-022298-3 II/C Wilke, Hans-Joachim (Hrsg.): Physikalische Schulexperimente. Band 3. Volk und Wissen Verlag, Berlin 2002. S. 222-238. ISBN 3-06-022299-1 U A Kuhn, Jochen, Vogt, Patrick, Müller, Sebastian: Handys und Smartphones – Einsatzmöglichkeiten und Beispielexperimente im Physikunterricht. IN: Praxis der Naturwissenschaften, 7/60 (2011). Aulis Verlag, Hallbergmoos. S. 5. Beuth, Klaus: Nachrichtentechnik. Vogel-Buchverlag, Würzburg 2009. ISBN: 978-3-8343-3365-0 H C Internet-Adressen Sehr zu empfehlen sind die Seiten von LEIFI Physik, die Grundwissen, Experimente und Simulationen zum Thema elektromagnetische Wellen bieten: http://www.leifiphysik.de/themenbereiche/elektromagnetische-wellen S R Simulationsprogramme http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/13/vlu/spektroskopie/theorie/ strahlung.vlu/Page/vsc/de/ch/13/pc/spektroskopie/theorie/strahlung/dipol2.vscml.html 1 O V http://www.walter-fendt.de/ph6de/electromagneticwave_de.htm 1 gesamten Link in eine Browserzeile kopieren! zur Vollversion 42 RAAbits Physik Februar 2016 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen 6 von 26 Materialübersicht V = Vorbereitungszeit SV = Schülerversuch Ab = Arbeitsblatt/Informationsblatt D = Durchführungszeit LV = Lehrerversuch Fo = Folie WH = Wiederholungsblatt M1 WH Frischen Sie Ihr Wissen auf! M2 Ab Die Entstehung elektromagnetischer Wellen an einem Dipol M3 SV / LV Experiment zur Verteilung der Feldstärken an einem Dipol V: 5 min rDezimeterwellensender für Unterrichtszwecke D: 10 min rλ/2-Dipol mit 3 Glühlampen, je 3,8 V/70 mA II/C rλ/2-Antennenstab U A rLeuchtstofflampe, etwa 50 cm rPVC-Stab rWolltuch M4 Ab Informationsübertragung mit Radiowellen M5 Fo Prinzip der Informationsübertragung mit Radiowellen M6 Ab Die Modulation und Demodulation M7 LV Ein Experiment zur Amplitudenmodulation V: 10 min rSinusgenerator, 10 Hz bis 100 kHz D: 20 min rHF–Halbleiterdiode, GA 100, AA 105 o. Ä. H C S R rKondensator, 0,1 µF rSpule, 500 Windungen rMikrofon O V rStimmgabel rTonquelle (Radio, CD–Player usw.) r2 Drehwiderstände, 47 kΩ M8 Ab M9 LV Für Experten: Die Theorie der Amplitudenmodulation Ein Experiment zur Demodulation V: 15 min rQuelle für amplitudenmodulierte Schwingung D: 30 min rHF–Halbleiterdiode, GA 100, AA 105 o. Ä. rKondensator, 0,47 µF rWiderstand, 4,7 kΩ rOszilloskop Die Erläuterungen und Lösungen zu den Materialien finden Sie ab Seite 22. Minimalplan Bei Zeitknappheit lassen Sie das Material M 8 weg. 42 RAAbits Physik Februar 2016 zur Vollversion 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen M1 7 von 26 Frischen Sie Ihr Wissen auf! Zum Thema elektromagnetische Wellen benötigen Sie Vorkenntnisse zu folgenden Themen: − elektrisches und magnetisches Feld, − hochfrequente elektromagnetische Schwingungen, − Resonanz von Schwingkreisen, − mechanische Wellen, II/C − Halbleiterdioden, − Frequenzfilter. Aufgaben U A 1. Beschreiben Sie das elektrische und das magnetische Feld. Verwenden Sie die Begriffe „elektrische Ladung”, „Kräfte zwischen geladenen Körpern”, „Feldlinien” bzw. „Feld um stromdurchflossene Leiter”, „Materie im Magnetfeld”. H C 2. Wie kann man hochfrequente elektromagnetische Schwingungen erzeugen und nachweisen? 3. Was versteht man unter der „Resonanz” von Schwingkreisen? Wodurch ist sie gekennzeichnet? S R Verwenden Sie die Begriffe „Anregung”, „schwingungsfähiges System”, „Eigenfrequenz”, „Erregerfrequenz”. 4. Beschreiben Sie die Kenngrößen harmonischer mechanischer Wellen. O V Verwenden Sie die Begriffe „Amplitude”, „Wellenlänge”, „Frequenz und „Ausbreitungsgeschwindigkeit”. Für Experten Wie lautet die Gleichung für eine fortschreitende harmonische mechanische Welle? 5. Erklären Sie den Begriff „stehende Welle”. Verwenden Sie das Beispiel einer stehenden Seilwelle. 6. Erklären Sie Aufbau und Wirkungsweise einer Halbleiterdiode. Verwenden Sie die Begriffe „pn-Übergang”, „Grenzschicht”, „Durchlass- und Sperrrichtung”. Für Experten Warum sind für Hochfrequenzanwendungen nur Dioden mit kleiner Sperrschichtkapazität geeignet? 7. Beschreiben Sie Aufbau und Wirkungsweise von Frequenzfiltern. Verwenden Sie die Begriffe „Hochpass”, „Tiefpass” und „Bandpass”. zur Vollversion 42 RAAbits Physik Februar 2016 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen M2 9 von 26 Fortsetzung Merkkasten Elektromagnetische Wellen entstehen an Dipolen bzw. Antennen. Ein Dipol kann als ein besonders einfacher elektrischer Schwingkreis betrachtet werden, bei dem sowohl Spule als auch Kondensator stabförmig ausgebildet sind. Eine elektromagnetische Welle breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit als Schwingung des elektrischen und des magnetischen Felds in den Raum aus. II/C Aufgaben 1. Beschreiben Sie, wie sich in Abb. 4 a–d die Induktivität L, die Kapazität C und die Eigenfrequenz f 0 der Anordnung entwickeln. U A Verwenden Sie dazu die Gleichungen für die Abhängigkeit der Induktivität einer Spule und der Kapazität eines Kondensators von den Baugrößen sowie die Thomson‘sche Schwingungsgleichung. H C 2. Erläutern Sie, wie es in der in Abb. 5 gezeigten Schaltung zu der notwendigen Übertragung von Energie in die Antenne kommt. Berücksichtigen Sie das Transformatorprinzip. S R 3. Beschreiben Sie die Strahlungscharakteristik eines Dipols (Abb. 6). 4. Berechnen Sie die erforderliche Dipollänge für die optimale Abstrahlung eines 100-MHz-UKW-Senders. Für Experten O V 5. Vergleichen Sie das Ausbilden einer stehenden mechanischen Welle bei einer schwingenden Saite mit den Verhältnissen in einem Dipol (Abb. 7). y Auslenkung y einer schwingenden Saite l Stromstärke I eines schwingenden Dipols Abb. 7: Vergleich einer schwingenden Saite mit einem schwingenden Dipol zur Vollversion 42 RAAbits Physik Februar 2016 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen 14 von 26 M5 Prinzip der Informationsübertragung mit Radiowellen II/C U A Abb. 12 H C Verschiedene Schwingungen US Signalschwingung S R Abb. 13 UT Abb. 14 O V t Trägerschwingung t Verschiedene Modulationstypen Umod Hüllkurve modulierte Schwingung Amplitudenmodulation t Abb. 15 UFM t Frequenzmodulation Abb. 16 42 RAAbits Physik Februar 2016 zur Vollversion 8. Informationsübertragung mit elektromagnetischen Wellen 20 von 26 M8 Fortsetzung Die Differenz zwischen den Seitenbändern wird als Bandbreite eines amplitudenmodulierten Senders bezeichnet. Sie beträgt 2 f S,max . Man erkennt: 1. Die amplitudenmodulierte Schwingung besteht aus 3 Teilschwingungen, der Trägerschwingung mit der Frequenz f Tr und 2 Seitenschwingungen mit f Tr – fS bzw. f Tr + fS. II/C 2. Die ursprüngliche Signalschwingung ist in der amplitudenmodulierten Schwingung nicht mehr vorhanden. 3. Die zu übertragende Information ist nicht in der Trägerschwingung, sondern nur in den beiden Seitenschwingungen bzw. Seitenbändern enthalten. Da die Kennlinie einer Diode nur näherungsweise quadratisch ist, entstehen nicht nur die drei in Abb. 25 dargestellten Teilschwingungen, sondern noch eine ganze Reihe weiterer störender unerwünschter Schwingungen (Abb. 27). U A U fTr + fS fTr – fS fS H C 2fTr fTr 3fTr f Abb. 27: Frequenzspektrum bei der realen Amplitudenmodulation Abb. 28: Schwingungsbild am MP4 (siehe Abb.22) Die Überlagerung bzw. Summe aller dieser Schwingungen ergibt die Zeitfunktion, die man eigentlich am MP4 erwartet hat (Abb. 28). Um am Modulatorausgang nur die gewünschte amplitudenmodulierte Schwingung, die aus den 3 Teilen mit f Tr, f Tr – fS bzw. f Tr + fS besteht, zu erhalten, werden mithilfe des aus Spule und Kondensator gebildeten Parallelschwingkreises diese drei Schwingungen ausgefiltert. Der Parallelschwingkreis wirkt als Bandpass. S R O V Im Experiment M 7 kann man die gleichgerichtete amplitudenmodulierte Schwingung auch zeigen, indem man den Parallelschwingkreis hinter der Diode einfach abklemmt. Merke Die Erklärung der Funktionsweise eines einfachen Diodenmodulators erfordert tiefere theoretische Überlegungen zur Amplitudenmodulation. Die Diode erscheint in einem neuen Licht: Das Gleichrichten einer Wechselspannung bedeutet nicht nur den Wegfall der negativen Halbwellen, sondern gleichzeitig auch die Erzeugung vieler neuer Teilschwingungen im Frequenzspektrum. Aufgaben 1. Begründen Sie, warum ein amplitudenmodulierter Radiosender theoretisch eine Bandbreite von 30 kHz benötigt. Denken Sie an das Hörvermögen des Menschen. 2. Warum erzeugt eine Diode, die sich in einem Wechselstromkreis befindet, viele neue Teilschwingungen? 3. Erklären Sie, warum man auch mit einem Transistor einen Modulator aufbauen kann. 42 RAAbits Physik Februar 2016 zur Vollversion