Zur Ideengeschichte von Kunstreinheit und Intermedia Uns sind heute Begriffe geläufig wie Cross Culture, Fusion, Hyprid, Appropriation, Sampling (Wiederaufnahme von alten Bildern in neuen > vgl das Verfahren in der Musik). Es sind alles Begriffe und Verfahren, welche einem "Reinheitsgebot" widersprechen. Tatsächlich zeichnet sich Kunst heute oft durch einen Mix der Medien und Bildtypen aus, sei es in einzelnen Werken oder in der Arbeitsweise der Künstler. Historisch geht es zuerst einfach mal um die Frage der "reinen Künste", um deren Vergleichbarkeit oder deren Annäherung. Vom spätantiken Autor Horaz stammt die Formulierung: "ut pictura poesis" (in seinem Buch "Ars Poetica", 1.Jh. v.Ch.). Übersetzt heisst das etwa: "wie Malerei ist, ist auch die Posesie" (als literarische Gattung). Diese lateinische Sprachformel "ut pictura poesis" wurde im 18. und 19.Jh. für den Vergleich der Künste wieder aufgenommen. Wichtige deutschsprachige Schriftsteller vertraten dabei unterschiedliche Positionen. Der Dramatiker und "Kunsttheoretiker" Gotthold Ephraim Lessing sprach sich in seinem Buch "Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie" aus dem Jahre 1766 gegen die Vermischung von Kunst und Literatur aus. Die Unterschiede beschreibt er so: Die Poesie ordnet Worte „aufeinander folgend“ (in der Zeit), während die Malerei durch Farben und Formen „nebeneinander“ (im Raum) anordnet. (-) Die Malerei kann deshalb nur Gegenstände darstellen, die Dichtung nur Handlungen. Lessing interpretiert für seine Ausführungen beispielhaft ein Kunstwerk der Antike, die Laokoon-Gruppe. Er beschreibt, wie der Künstler den „fruchtbaren Augenblick“ gefunden hat, in dem eine ganze Geschichte, in diesem Fall die Geschichte des Priesters Laokoon und seiner Söhne, in einem einzigen Augenblick zusammengefasst ist. Der Betrachter kann die Spannung im Geschehen nachempfinden, der Kampf ist in diesem Moment weder gewonnen noch verloren. Eine ambivalente Situation." Interessant ist hier vor allem, dass es Lessing ablehnt, dass sich Maler mit Dichtern vergleichen sollen und umgekehrt. Er fordert eine Reinheit der Künste. Lessings Abhandlung erlangte in der folgenden Zeit einen grossen Einfluss auf die bildende Kunst und Kunsttheorie. Daneben gab es Ende 18.Jh. aber auch wichtige Philosophen und Dichter, welche die Vergleichbarkeit der Künste postulierten. So zählte Imanuel Kant die Landschaftsgärtnerei zur Gattung der Landschaftsmalerei (Das eine ist die schöne Schilderung der Natur, das andere die schöne Zusammenstellung ihrer Produkte.) und Friedrich Schiller verglich den Landschaftmaler mit einem Musikkomponisten. Bald hiess es auch über die Architektur, sie sei "erstarrte Musik", "versteinerte Musik" oder, noch suggestiver, "gefrorene Musik". Wurde zuerst die Musik als gemeinsamer Ursprung der verschiedenen Kunstgattungen verstanden, postulierte man schliesslich eine Konvertierbarkeit zwischen allen Künsten. August Wilhelm Schlegel schrieb etwa um 1800, man sollte "die Künste einander nähern und Übergänge aus einer in die andere suchen. Für die Kunst der Moderne und der Gegenwart findet man immer wieder die Festellung, dass die Mischung von Medien und Kunstgattungen, von Bildtypen und -techniken ein wesentliches Merkmal ist. Bekannt ist etwa die Assoziation von Malerei und Musik, wie sie Einleitung 1 Wassily Kandinsky formulierte. Man kann auch an die Collage- und Montageformen des Kubismus, Dadaismus und Surrealismus denken. Aber immer wieder taucht auch die Forderung nach einer reinen Kunst auf, welche sich auf die besonderen Eigenarten einer Kunstgattung - etwa der Malerei - besinnt. Wichtige Argumente findet man um 1940 beim amerikanischen Kunstkritiker Clement Greenberg, der über Jahrzehnte hinweg die Rezeption des amerikanischen "abtrakten Expressionismus" von Pollock bis zur Color Field-Malerei von Künstlern wie Rothko und Barnett Nerwman prägte. (Also ein sehr einflussreicher Theoretiker.) Er schrieb 1940 einen Aufsatz, in dem er sich im Titel auf Lessing bezieht. Der Titel von Greenbergs Text heisst: Towards a newer Laokoon. Das Schlüsswort im Text heisst "Purity" und unter diesem Begriff fordert Greenberg die Besinnung der Künste auf das ihrem Medium eigene Material (Zitat): ''Purity in art consists in the acceptance, willing acceptance, of the limitations of the medium of the specific art."1 Das Rezept der Reinheit war Kapitulation: ''The history of avant-garde painting is that of a progressive surrender to the resistance of its medium." Dies bedeutete für die Malerei zum Beispiel, die Flachheit des Mediums zu akzeptieren und Versuche aufzugeben, die Realität in ihrer Dreidimensionalität zu imitieren. Wie Greenberg in einem späteren Essay deutlich macht, entspricht die Besinnung auf das Material des eigenen Mediums zugleich dem Wesen der Moderne, die er bestimmt als (Zitat) "the use of characteristic methods of a discipline to criticize the discipline itself not in order to subvert (untergraben) it but in order to entrench (verschanzen) it more firmly in its area of competence." Während die alten Meister die Grenzen des Materials zu überwinden und verstecken suchten, macht die moderne Malerei diese Grenzen selbstreflexiv zum Gegenstand." Die Aufgabe der Malerei besteht also darin, sich ganz auf das eigene Material - Farbe und Form - zu besinnen und die narrativen Aspekte der Literatur zu überlassen. In einem späteren Essay erklärt Greenberg den Formalismus (also die selbstreferenzielle Auseinandersetzung mit den formalen Bedingungen) noch einmal zum zentralen Merkmal der Moderne und den Fokus auf das Handwerkliche als Begleiterscheinung dieser Materialbezogenheit. Später (1968 - also zur Zeit der Pop Art) beklagte Greenberg dann die Konfusion der zeitgenössischen Kunst (Zitat): "Everything conspires, it would seem, in the interests of confusion. The different mediums are exploding: painting turns into sculpture, sculpture into architecture, engineering, theatre, environment, 'participation'." Die Reinheit der Kunstgattungen, die Greenberg rund 30 Jahre zuvor als Merkmal der Avantgarde eingefordert hatte, schien verlorengegangen zu sein und mit Begriffen wie Intermedia wurde die Tendenz der Grenzüberschreitung in der Kunst ausdrücklich gefordert." (durch Fluxus. Vgl. Dick Higgins "Statement on Intermedia" 1966) Bekannt ist etwa der Aufsatz des Fluxuskünstlers Dick Higgins, New York, August 3, 1966 mit dem Titel "Statement on Intermedia". In diesem Text verlangte Higgins, der selber Komponist, Schriftsteller und Künstler war, (und an John Cage's Kompositionsklasse studiert hatte), vom zeitgenössischen Künstler explizit die Überschreitung der medialen Grenzen zwischen den Kunstformen. Zitat Higgins: "Im Grunde können wir solche Arbeiten als Fluxus bezeichnen, die von ihrer Anlage her intermedial sind: visuelle Poesie und poetische Bilder, Aktionsmusik und Einleitung 2 musikalische Aktion und auch Happenings und Events, sofern sie Musik, Literatur und bildende Kunst konzeptuell verpflichtet sind."[6] Dick Higgins und Alison Knowles haben sich, in Zusammenarbeit mit dem Komponisten James Tenney früh für die Möglichkeiten des Computers interessiert und Higgins aleatorischer Text A Book About War & Love & Death ist in seiner umfangreichsten Fassung von 1972 teilweise durch ein Programm erzeugt worden. Ein Aufsatz von Roberto Simanowski trägt den Titel "Transmedialität als Kennzeichen moderner Kunst". Informationen zum Thema: Wolfgang Ullrich, Was war Kunst? Biographien eines Begriffs. Frankfurt: Fischer 2005 Einleitung 3