Sepsis erkennen, initiale Diagnostik und Therapie Vortragender Institution Themen des Vortrags: Erkennen der Sepsis Welche Patienten sind besonders bedroht? Behandeln der Sepsis Prävention der Sepsis Sepsis – eine häufige Krankheit, und eine häufige Todesursache Neuerkrankungen Todesfälle Herzinfarkt 300/100.000 60.000/Jahr Sepsis 220/100.000 60.000/Jahr Brustkrebs 110/100.000 18.000/Jahr Kolonkarzinom 50/100.000 30.000/Jahr AIDS 3,5/100.000 504/Jahr Ungefähre jährliche Neuerkrankungen und Todesfälle in der BRD Aber was ist Sepsis? Was sagt die Leitlinie ! Sepsis ist eine komplexe systemische inflammatorische Wirtsreaktion auf eine Infektion. ! Sepsis, schwere Sepsis und septischer Schock definieren ein Krankheitskontinuum, das über eine Kombination aus Vitalparametern, Laborwerten, hämodynamischen Daten und Organfunktionen definiert wird. ! Es wird empfohlen, die Sepsiskriterien des SepNet für die klinische Diagnose der schweren Sepsis bzw. des septischen Schocks zu verwenden. Aus der S2k-Leitlinie: Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis (www.awmf.de) Definition der Sepsis SIRS-Kriterien mind. 2 Kriterien erfüllt SIRS entsprechend den ACCP/SCCM Konsensus-Konferenz Kriterien (systemic inflammatory response syndrom) Fieber ≥ 38°C oder ≤ 36°C Leukozytose ≥ 12.000 oder ≤ 4.000 SIRS + Infekt SEPSIS (mikrobiologischer oder ≥ 10% unreife FormenNachweis oder klinischer Fokus) Tachykardie Tachypnoe ≥ 90/min ≥ 20/min Sepsis + ODF SCHWERE SEPSIS (ODF = neue, sepsisbedingte Organdysfunktion) oder PaCO mmHg Sepsis + Kreislaufversagen SEPTISCHER SCHOCK 2 ≤ 4,3 kPa / 32 (Systolischer Blutdruck < 90mmHg oder Katecholamine trotz ausreichender Volumenzufuhr) Aus der S2k-Leitlinie: Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis (www.awmf.de) Abgrenzungsprobleme Pankreatitis Bakterien Sepsis Trauma Viren INFEKTION schwere SEPSIS SIRS Verbrennung Pilze Burns Operation Parasiten modifiziert von: www.survivesepsis.org Eine „alltagstaugliche“ Definition ! Sepsis ist ein lebensbedrohlicher Zustand der entsteht, wenn die körpereigene Reaktion auf eine Infektion eigene Gewebe und Organe schädigt. ! Sepsis führt zu Schock, Versagen von Organsystemen und zum Tod, insbesondere wenn sie nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird. New Structures in Academic Medicine with flat Hierarchies ! Sepsis ist eine der Haupttodesursachen durch Infektionen, trotz Fortschritten in der modernen Medizin, inkl. Impfungen, Antibiotikatherapie und Akutversorgung. ! Millionen von Menschen sterben weltweit jedes Jahr an Sepsis. Definition der “Global Sepsis Alliance” (GSA) auf dem Merinoff-Symposium, September 2010 Sterblichkeit ITS Krankenhaus 7% 7% 7% 55% 40% Schwere Sepsis Septischer Schock 47% 54% gesamt * 454 Intensivstationen (310 Krankenhäuser) repräsentativ für 1380 Krankenhäuser (490.000Betten), 2.075 Intensivstationen (19.000 Betten) Risikopatienten Sepsis tritt gehäuft auf… ! bei älteren Menschen ! in Entwicklungsländern ! bei Menschen mit Begleiterkrankungen ! nach Trauma, großen operativen Eingriffen ! bei immunsupprimierten Patienten Inzidenzrate (# / 100.000) Bei älteren Patienten Jahr Sepsisinzidenz bei Patienten im Krankenhaus nach Alter Martin; Crit Care Med 2006 Einfluss von Begleiterkrankungen und Alter Angus et al, Crit Care Med, 2001 Herzchirurgische Eingriffe 50 45 1990 Verteilung (%) 40 1995 35 30 2000 25 2007 20 15 10 5 0 <59 59-69 69-79 >80 Alter (Jahre) Friedrich I; Dtsch Arztebl Int 2009 Wo begegnet uns die schwere Sepsis? 50% 44% 45% 39% 40% 35% 33% 30% 30% 25% 25% 20% 15% 14% 14% 10% 5% 0% k.A. ambulant MEDUSA Beobachtungsphase nosokomial KH nosokomial ITS Prävalenzstudie 2007 Engel C et al. Intensive Care Med; 2007 Sepsis erkennen Eine Sepsis beginnt unspezifisch… Sepsis erkennen Symptome: ! Verwirrtheit ! schlechte Ausscheidung ! Apathie ! Fieber ! Atemnot ! Hypothermie ! schnelle Atmung ! Schüttelfrost ! hoher Puls ! kalte Extremitäten ! niedriger Blutdruck • marmorierte Haut ! Hoher BZ Lokalisation des Fokus 70% 63% 60% 50% 43% 36% 40% 33% 30% 20% 12% 7% 10% 7% 9% 0% Atemwege Abdomen MEDUSA Beobachtungsphase Urogenital Knochen/Weichteile Prävalenzstudie 2007 Engel et al., Intensive Care Med 2007 Sepsis? SIRS ? SEPSIS ! Organdysfunktion? Daran denken ist halb erkennen! Wenn es klingt wie eine Infektion (Anamnese) oder aussieht wie eine Infektion (Klinische Zeichen, Laborwerte)… …dann ist es wahrscheinlich eine Infektion! “THINK SEPSIS – SAY SEPSIS!” www.survivesepsis.org Sepsis behandeln Sepsis – ein medizinischer Notfall •Sepsis ist ein Notfall, wie der Herzinfarkt, das Polytrauma oder der Schlaganfall. •Das Überleben der Patienten ist von der Zeit bis zur Gabe eines wirksamen Antibiotikums und dem Beginn einer Volumentherapie abhängig. •Jede Stunde zählt! 23 Sepsis – ein medizinischer Notfall Blutkulturen – wann? Bei klinischem V.a. eine Sepsis oder • Fieber, Schüttelfrost, Hypothermie • Leukozytose, Linksverschiebung, Neutropenie • erhöhtem PCT oder CRP schnellstmöglich vor Antibiotikagabe Mikrobiologie vom vermuteten Infektionsfokus: • Nativmaterial /Abstrich incl. Gramfärbung • Sekrete aus den tiefen Atemwegen • Quantitative oder semiquantitative Techniken Aus der S2k-Leitlinie: Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis (www.awmf.de) Optimierung des Erregernachweises: • 50% <1 CFU/ml, 20 % < 0,1 CFU/ml • Keimnachweis volumenabhängig, ~3% falsch negativ pro ml weniger Blut 100 80 11 8 1 7.8 16 15 60 40 80 91.5 65 3. BK 2. BK 1. BK 20 0 Wahington Weinstein Cockerill Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards der DGHM 2007 Kontamination minimieren: •Adäquate Hautdesinfektion, danach keine erneute Palpation •Gummistopfen desinfizieren •Liegende Katheter nur ergänzend, hohe Kolonisationsrate 14% 12% 10% 8% 12% 10% 8% Blutkulturabnahme bei Punktion: 8% Erregernachweis 6% 3% 4% 4% Kontamination 2% 0% ZVK Arterie peripher Stohl et al, J Clin Microbiol. 2011 Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards der DGHM 2007 Antibiotikatherapie - Altes Konzept Frapper fort et frapper vite Hit hard and hit early Antibiotikatherapie - Altes Konzept Frapper fort et frapper vite Hit hard and hit early Paul Ehrlich, address to the 17th. International Congress of Medicine, London, Lancet 1913 Antibiotikatherapie Hit hard and early ! Empirische hoch dossierte Breitspektrumantibiose i.v. ! Zeitliche Verzögerung höhere Mortalität ! Inadäquate Therapie (Resistenzen, unzureichende Gewebespiegel) höhere Mortalität ! Initiale Versäumnisse können nicht mehr gut gemacht werden Kumar et al, Crit Care Med 2006 Ferrer et al., Am J Respir Crit Care Med. 2009 Labelle et al., Crit Care Med. 2012 Tarragona-Strategie •Look at your patient: Fokusverdacht, Vorantibiose, Risikofaktoren •Listen to your hospital: Resistenzstatistiken, lokale Problemkeime •Hit hard and early: Erste Stunde, breit wirksam, hoch dosiert •Get to the point: Spiegel am Ort der Infektion entscheidet •Focus, focus, focus: Kurze Therapiedauer, Deeskalation Volumentherapie Mindestens 20 ml/kgKG in der 1. Stunde! Bei klinischem Bedarf großzügig mehr! (Vorsicht bei Herzinsuffizienz) S2k-Leitlinie: Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis (www.awmf.de) Laktat Warum Laktat messen? •Erhöhtes Laktat Minderperfusion •Kann auch bei normalen Blutdrucken auftreten („cryptic shock“) •Der Rückgang des Laktats („lactate clearance“) ist ein Indikator für erfolgreiche Therapie Trzeciak S, Intensive Care Med 2007 „Sepsis Six“ aus Großbrittanien In der ersten Stunde: ! Gib Sauerstoff ! Nimm Blutkulturen ! Gib i.v. Breitbandantibiose ! Gib i.v. Volumen ! Überprüfe Laktat ! Überprüfe Urinausscheidung Ron Daniels Sterblichkeit bei Einhaltung “Sepsis Six” n (%) Mortalität % Total 567 (100) 34.7 Sepsis Six 220 (38.8) 20.0 Sepsis Six 347 (61.2) 37.5 Daniels R et al., Emerg Med J. 2011 Infektionsfokus Fokussuche • Anamnese, Klinische Untersuchung, Bildgebung • Häufigste Foki: Lunge, Abdomen, urogenital, Knochen/Weichteile • Ggf. Ausschluss Endokarditis, Spondylodiszitis, Sinusitis Frühzeitige Fokussanierung Zusammenfassung 1 Sepsis ist ein medizinischer Notfall ! Achten Sie auf die Warnzeichen ! Bei Sepsis läuft die Zeit ! Einfache Therapiemaßnahmen, früh angewendet, retten Leben Prävention Infektionsprävention = Sepsisprävention Händedesinfektion – womit? Anteil der exogen bedingten nosokomialen Infektionen liegt bei bis zu 38%1 Händedesinfektion alleine ist nicht sporizid!(Clostridium spp., Bacillus spp.) 1Weist K et al. Infect Control Hosp Epidemiol 2002; 23: 127-132 Problem Warum Händedesinfektion? Keim e Keime Patient A Patient B Mitarbeiter Eigenschutz!!! Keime Patient A 5 Indikationen der Händedesinfektion Abklatschprobe OP - 184 elektive Operationen, von denen 164 ausgewertet werden konnten OP OP ....19/164 (11.5%) bakterielle Übertragung auf Dreiwegehahn, wobei in 47% (9/19) der Fälle als Quelle Anästhesiemitarbeiter identifiziert werden konnten..... Lokalisation HD-Spender 2 1 3 2 41 ✘ Desinfektionsmittelspender 1= vor Patientenkontakt 2 = vor einer aseptischen Tätigkeit 3 = nach Kontakt mit potentiell infektiösem Material 4 = nach Patientenkontakt 3 4 Lokalisation HD-Spender ✘ 1 2 41 3 4 3 2 Lokalisation HD-Spender Lokalisation Beatmungspneumonie Präventionsmaßnahmen ! Oberkörper-Hochlagerung 45° ! Orale Antiseptika zur Infektionsprophylaxe ! Vermeidung von Muskelrelaxantien ! Frühzeitige enterale Ernährung ! Subglottische Sekretdrainage ZVK-Infektionen Katheteranlage – Maximal sterile Bedingungen ! Mund-Nasenschutz, OP-Haube ! Hygienische Händedesinfektion ! Großflächige Hautdesinfektion ! Steriler Kittel, sterile Handschuhe ! Sterile Ganzkörper-Abdeckung ! 2 Personen (Arzt plus Assistenzperson) ! Abbruch bei Nichteinhaltung Asepsis ZVK-Infektionen Liegende Katheter ! Asepsis beim Handling ! Wechsel über Seldingerdraht nur in Ausnahmefällen ! Indikation täglich prüfen ! Schnellstmögliche Entfernung ! Chlorhexidinauflagen (leider teuer) Harnwegsinfektionen Blasenkatheterassoziiert (80%) ! 23% der nosokomialen Infektionen auf ITS ! Das Risiko für eine Bakteriurie steigt pro Tag um 3-10% ! Indikation Blasenkatheter täglich prüfen ! Schnellstmögliche Entfernung ! Kein routinemäßiger Wechsel Zusammenfassung 2 Sepsis ! Ist eine wichtige Todesursache, nimmt an Häufigkeit zu ! Die Sterblichkeit ist hoch ! Für Prävention, Erkennen und schnelle Therapie sind Aufgabe aller Pflegenden und Ärzte