BÜCHER PSYCHOANALYSE Hohe Qualität und vielfältige Themen Den Schwerpunkt des deutschen Auswahlbandes des International Journal of Psychoanalysis bilden in diesem Jahr der Körper und sein Stellenwert in der klinischen Arbeit und der psychoanalytischen Theoriebildung. Die Auswahl besticht durch hohe Qualität und die Vielfalt der Themen. Vorangestellt wird diesen Arbeiten der „Brief aus Paris“ von Marilia Aisenstein, griechisch-französische Lehranalytikerin mit dem Schwerpunkt Psychosomatik. Sie gibt einen Überblick über die Entwicklung der französischen Institutslandschaften. Interessant ist ihr dialektisches Verständnis der französischen Entwicklung: Während Lacan die Sprache und den Signifikanten betont, stellt die französische Psychosomatik eher wie in einer Ergänzungsreihe den Affekt und die Identifikation in den Mittelpunkt. Lombardi und Pola beschreiben die zentrale Bedeutung des Körpers in der Adoleszenz. Nahezu regelhaft sind passagere psychotische Prozesse aufgrund der stürmischen Kon- flikte zwischen Trennungsanforderungen und Erfahrungen von Begrenztheit einerseits und verstärkter Triebe andererseits, was katastrophische Veränderungen darstellt. Sensibel veranschaulichen die Autoren, wie wichtig die Zurückhaltung in Bezug auf Übertragungsdeutungen hier ist, da der adoleszente Patient zunächst einmal „Rudimente eines funktionierenden psychischen Metabolismus“ aufbauen muss. Germano Vollmer jr. und Antonio Carlos J. Pires beschäftigen sich in „Produktive und störende Turbulenzen im Feld der Supervision“ mit stagnierenden Supervisionen. Hier werden gemeinsame psychische Schmerzen bei Supervisand und Supervisor abgewehrt, so dass eine unbewusste Kollusion entsteht. Interessant dabei ist, dass sich die Autoren nicht auf das projektiv Identifikatorische beschränken, also auf eine Übertragungsverlängerung hinein in die Supervision, sondern auch eigene Übertragungen des Su- Angela Mauss-Hanke (Hrsg.): Internationale Psychoanalyse 2011. Ausgewählte Beiträge aus dem International Journal of Psychoanalysis, Band 6. Psychosozial-Verlag, Gießen 2011, 310 Seiten, broschiert, 29,90 Euro pervisors auf den Patienten, Supervisanden und den gemeinsamen Kontext (Ausbildungsinstitut, Kollegen) nicht ausklammern. Ein Juwel in diesem Band: Adele Abella verhilft in ihrem Aufsatz „Zeitgenössische Kunst und Hanna Segals Überlegungen zur Ästhetik“ zu neuen Einsichten zum Stellenwert zeitgenössischer Kunst. Sie liefert in einem Bogen eine Synopsis ausgehend von Freuds kunsttheoretischen Schriften (Kunst als Sublimierung) über Hanna Segals Gedanken, die über Freud hinausweisen (Kunst als Wiedergutmachung aggressiver Impulse, die durch die formale Ästhetik im Kunstwerk bewältigt werden) bis zu eigenen Reflexionen zur zeitgenössischen Kunst, die die formale Ästhetik gewollt verwirft. Sie provoziert eine seelische Transformation durch die Differenz zwischen dem Wunsch nach Befriedigung, Abrundung und Auflösung in Harmonie und deren Ausbleiben. Delaram Habibi-Kohlen PANIKSTÖRUNG MIT AGORAPHOBIE Gut verständlich und praxisorientiert Thomas Lang, Sylvia Helbig-Lang, Dorte Westphal, Andrew T. Gloster, Hans-Ulrich Wittchen: Expositionsbasierte Therapie der Panikstörung mit Agoraphobie. Hogrefe, Göttingen 2011, 159 Seiten, kartoniert, 36,95 Euro Ausführlich werden im Manual zwölf Behandlungssitzungen zur Einzeltherapie der Panikstörung mit Agoraphobie beschrieben. In den ersten drei Sitzungen geht es um die Psychoedukation: Es werden Informationen über Angst und Angstentstehung vermittelt und in das Teufelskreismodell eingeführt. Die Wirkung von Vermeidungsverhalten wird besprochen, und die Therapieziele werden abgeleitet. In der vierten Sitzung werden die interozeptiven Expositionssitzungen durchgeführt und in der folgenden Sitzung wiederholt. Hierbei wird eine Angsthierarchie hinsichtlich gefürchteter Körpersymptome erstellt. In den nächsten fünf Sitzungen geht es um die In-vivo-Exposition. Nach der Ableitung des Behandlungsrationals geht es um die Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2012 Durchführung sowie die Vor- und Nachbereitung von standardisierten Expositionsübungen. Die drei Standardübungen sind eine längere Fahrt mit einem Bus oder einer Straßenbahn, der Besuch eines mehrstöckigen, gut besuchten Kaufhauses sowie das Betreten eines wenig frequentierten Waldstücks, bei dem keine Straße einsehbar ist. Planmäßig sollen in der neunten Sitzung Veränderungen der Erwartungsangst und Probleme der Exposition thematisiert werden. In den nächsten beiden Sitzungen werden dann individuelle Expositionsübungen durchgeführt. Die zwölfte Sitzung sowie zwei Auffrischungssitzungen stehen unter der Überschrift „Rückfallprophylaxe“. Das Buch ist sehr praxisorientiert; die Inhalte sind sehr gut verständlich dargelegt. Alle notwendigen Info- und Arbeitsblätter (auch auf CD-ROM) sind für den sofortigen Gebrauch vorbereitet und können zur Durchführung des Therapieprogramms verwendet werden. Joachim Koch 279