Aus der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik der Heinrich-Heine-Düsseldorf Direktor: Prof. Dr. med. W. Gaebel Emotionales Erleben und Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit schizophrenen Psychosen und anderen psychotischen Syndromen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin Der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vorgelegt von Isabell Krasenbrink 2003 Als Inauguraldissertation gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gez.: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil Alfons Labisch, M.A., Dekan Referent: Prof. Dr. Dr. F. Schneider Koreferent: Prof. Dr. Dr. W. Tress Für meine Eltern Vorwort Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Dr. F. Schneider für die Überlassung des Themas, für seine fachlichen Anregungen, seine zuverlässige Unterstützung sowie für seine stets gute, geduldige und konstruktive Zusammenarbeit. Frau Dr. Ott, Leiterin der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der Rheinischen Kliniken Düsseldorf, danke ich für die Erlaubnis, die Arbeit in ihrer Abteilung durchführen zu können. Sowohl bei Fr. Dr. Ott als auch bei ihren Mitarbeitern der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie möchte ich mich für die engagierte Unterstützung und den fachlichen Rat bedanken. Besonders Frau Dr. Dipl.-Psych. U. Bowi danke ich für ihre großzügige Hilfsbereitschaft und ihren Einsatz sowie für die wertvolle Ratschläge bei der Durchführung der Untersuchungen. Herzlichen Dank richte ich an Fr. Dr. Dipl.-Psych. U. Habel für die Übernahme der statistischen Auswertungen und für die hilfreiche und beratende Unterstützung bei der Durchführung der Untersuchungen. Eine gute und produktive Zusammenarbeit konnte mit den kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen der Westfälischen Klinik Marl sowie der Rheinischen Klinik Bedburg-Hau entstehen, ich danke Herrn Dr. Dipl.-Psych. R.G. Siefen, leitender Arzt der Westfälischen Klinik in der Haard, sowie Herrn Dr. U. Stollner, leitender Arzt der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau, einschließlich ihren Mitarbeiter für die Bereitschaft an der Studienteilnahme. Herrn Stefan Krasenbrink sowie Herrn Dr. med. Michael Seeber danke ich für die Durchsicht des Manuskripts und die produktive Unterstützung bei der Suche nach Kontrollprobanden. Schließlich gilt mein Dank all denjenigen Kindern und Jugendlichen, ohne deren freiwillige Teilnahme als Patient bzw. als gesunde Kontrollperson die vorliegende Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Auch deren Eltern danke ich für ihr Einverständnis zur Durchführung der Untersuchungen ihrer Kinder. INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung 01 1.1 1.1.1 01 1.1.2 1.1.3 Literaturübersicht Stand der Forschung zu emotionalen Störungen bei psychotischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter Formen experimenteller Emotionsinduktion und Emotionsdiskrimination bei Kindern und Jugendlichen in der Literatur Dekodierungsdefizite und Enkodierungsdefizite von Schizophrenen Stand der Wissenschaft 02 03 04 2 Wissenschaftlicher Hintergrund 07 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.3.1 2.1.3.2 2.1.3.3 2.1.4 2.1.4.1 2.1.5 2.2 2.2.1 2.2.2 07 07 08 10 10 10 11 12 13 14 17 17 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.4 2.2.4.1 2.2.4.2 2.2.4.3 Emotionen Definition von Emotionen Beschreibung und Charakterisierung von Emotionen Möglichkeiten zur Messung von Emotionen Verhaltensorientierte Ansätze Ratingverfahren Experimentelle Messungen von emotionalen Reaktionen Ausdrucksformen und Erkennung von Emotionen Enkodieren und Dekodieren des emotionalen Gesichtsausdrucks Affektstörungen als charakteristisches Syndrom schizophrener Psychosen Grundlagen kinder- und jugendpsychiatrischer Klassifikationen Epidemiologie Allgemeine Klassifikation von psychischen Erkrankungen im Kindesund Jugendalter Kindliche und juvenile schizophrene Psychosen und andere psychotische Syndrome Klinische Symptome und diagnostische Kriterien Drogenassoziierte Psychosen Differenzialdiagnostische Probleme bei psychotischen Syndromen Abgrenzung zu Adoleszentenkrisen Prodromalstadien schizophrener Psychosen Einfluss von traumatisierenden Lebensereignissen (Life events) 17 18 18 20 21 22 22 24 3 Aufgabenstellung 25 4 Methodik 28 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 28 31 31 32 33 Versuchsteilnehmer Demographische Daten Demographische Daten der Versuchsteilnehmer Demographische Daten der Patientensubgruppen Psychopharmakologische Behandlung der Patienten 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.2.1 4.5.2.2 4.5.3 4.5.3.1 4.5.3.2 4.5.3.3 4.5.4 4.6 4.6.1 4.6.2 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 Psychopathologie Youth Self Report (YSR) Beschreibung der Kompetenzskala und des Auswertungsprofils Beschreibung der Syndromskala und des Auswertungsprofils Durchführung des Fragebogens Gesamtauswertung des Fragebogen Methodisches Vorgehen Standardisierte Emotionsinduktion durch Gesichterportraits Geschlechterdiskrimination Abhängige Variablen Unabhängige Variablen PENN Facial Discrimination Test (PFDT) Emotionsdiskrimination Altersdiskrimination Abhängige Variablen PANAS und ESR Versuchsdurchführung Vorarbeiten Versuchsablauf Auswertung Emotionsinduktion Auswertung der Ratingskalen PANAS und ESR Dekodierung von Emotionen 34 34 35 35 36 37 37 37 38 39 39 40 40 40 41 41 42 42 43 44 44 45 46 5 Ergebnisse 48 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.6.1 5.6.1.1 5.6.1.2 5.6.1.3 48 48 51 54 55 57 60 61 61 61 62 5.6.2 5.7 5.7.1 5.7.1.1 5.7.1.2 5.7.1.3 5.7.1.4 5.7.2 5.7.2.1 5.7.2.2 5.7.2.3 Enkodierung von Emotionen (Emotionsinduktion) PANAS ESR Emotionsinduktionseffekt Signifikanzberechnungen Dekodierung von Emotionen (Emotionsdiskrimination) Altersdiskrimination Psychopathologie Fragebogen YSR für Jugendliche Kompetenzskalen Syndromskalen Korrelation zwischen den psychopathologischen Befunden des YSR und der Emotionsinduktion Psychopathologischer Aufnahmebefund Patientensubgruppen Schizophrene Psychosen und andere psychotische Syndrome Enkodierung von Emotionen Dekodierung von Emotionen Altersdiskrimination Psychopathologische Daten Drogenassoziierte und nicht drogenassoziierte Psychosen Enkodierung von Emotionen Dekodierung von Emotionen Altersdiskrimination 65 66 67 67 67 69 69 69 70 71 72 73 5.7.2.4 Psychopathologische Daten 73 6 Diskussion 75 6.1 6.1.1 6.1.1.1 6.1.1.2 6.1.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.4 6.4.1 75 75 75 77 79 80 81 84 85 85 86 6.4.2 6.5 6.5.1 6.6 6.7 Enkodierung von Emotionen bei Gesunden und psychotischen Patienten Subjektives Emotionserleben anhand PANAS- und ESR-Urteile Patienten versus gesunde Kontrollpersonen Schizophrenie versus andere psychotische Syndrome Drogenassoziierte versus non-drogenassoziierte Psychosen Dekodierung von Emotionen bei Gesunden und psychotisch Kranken Geschlechtsunterschiede Schizophrenien versus psychotische Syndrome Drogenassoziierte versus nicht drogenassoziierte Psychosen Altersdiskrimination und Geschlechterdiskrimination Psychopathologische Befunde Psychopathologische Befunde von schizophrenen Patienten und Patienten mit anderen psychotischen Syndromen Psychopathologische Befunde von Patienten mit drogenassoziierten Psychosen Charakteristische Merkmale der Patientengruppe Prodromalsymptomatik und Life events Limitationen der Untersuchung Aussicht und Folgerungen für die klinische Praxis 7 Zusammenfassung 8 Literatur 88 89 90 90 91 92 94 I-VIII 9 Anhang IX 9.1 9.2 9.3 9.4 IX XVI XVII Tabellen Intensitätsskala für die Altersdiskrimination und Emotionsdiskrimination PANAS- und ESR-Urteilsbogen mit fünfstufiger Likert-Skala YSR Fragebogen für Jugendliche 1.0 Einleitung Affektive Störungen stellen ein wichtiges Merkmal von psychotischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter dar. Neben unspezifischen emotionalen Auffälligkeiten bereits vor Erstmanifestation einer schizophrenen Psychose im Jugendalter im Sinne eines Prodromalstadiums gehören Affektstörungen zum Symptomenkomplex der Schizophrenien wie auch der psychotischen Störungen im Allgemeinen. Emotionen besitzen im sozialen Kontext eine wichtige Funktion. Die psychische und soziale Entwicklung im Kindes- und Jugendalter wird insbesondere vom sozialen Umfeld wie Familie, Schule und Freundeskreis mitgeprägt. Die Entwicklung von emotionalen Fähigkeiten sind fundamental für eine erfolgreiche Integration in soziale Gruppen und für jede Art des Lernens. Emotionale Störungen können in diesem Zusammenhang weitreichende Folgen haben. Ebenso kann der Krankheitsverlauf einer Psychose durch emotionale Störungen geprägt und mitbestimmt werden. Die Thematik Affektstörungen bei schizophrenen Kindern und Jugendlichen gewann in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse. Vor allem moderne Emotionstheorien, entwicklungsdynamische und neuropsychologische Ansätze zur Erklärung der emotionalen Auffälligkeiten junger schizophrener Patienten stellten die Grundlagen einflussreicher Studien dar. Neben der Ursachenforschung und der Differenzierung schizophrener Erkrankungen ist in der Kinder- und Jugendpsychiatrie insbesondere die Früherkennung von juvenilen schizophrenen Psychosen z.B. anhand der Erkennung von präpsychotischen Verhaltensmerkmalen für Patienten, betroffene Familien und Ärzte bzw. Pflegepersonal, von großer Bedeutung geworden. Fortlaufend wird derzeit der Versuch unternommen wird, Mittel zur Frühdiagnostik einer Schizophrenie bei Kindern und Jugendlichen zu finden. 1.1 Literaturübersicht 1.1.1 Stand der Forschung zu emotionalen Störungen bei psychotischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter In zahlreichen Studien wurde das emotionale Ausdrucksrepertoire und das emotionale Verhalten bei Kindern beschrieben (Bridges, 1932; Camras et al., 1991; Haviland &. Lelwica, 1987). Die Entwicklung und Differenzierung von emotionalem Erleben und Verhalten bei 1 gesunden Menschen war eine wichtige Voraussetzung, Affektstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit psychotischen Erkrankungen untersuchen und beschreiben zu können, um hieraus verschiedene Theorien zur Entstehung emotionaler Störungen bei juvenilen Psychosen zu entwickeln. Aufgrund neurobiologischer Kenntnisse entstanden ätiopathogenetische Erklärungssmodelle, in denen Veränderungen des emotionalen Erlebens bei schizophrenen Patienten als Folge von Reifungsstörungen der verantwortlichen Hirnstrukturen durch früh einwirkende Faktoren wie peri- oder postnatale Schädigungen aufgefasst werden. Diese Schlussfolgerung ist aus Sicht der Erwachsenenpsychiatrie problematisch, da definitiv früh einsetzende vulnerable Einflussfaktoren sich bisher schwer nachweisen lassen. In kernspintomographischen Untersuchungen an Kindern und Jugendlichen mit einer early-onset Schizophrenie besaß der Hippocampus in diesen frühen Stadien der Erkrankung im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden ein reduziertes Volumen (Matsumoto et al., 2001). Eine linksseitige Volumenabnahme des Hippocampus korrelierte sogar mit der Dauer der Erkrankung und der Ausprägung der psychopathologischen Symptome. Strukturelle Veränderungen des Hippocampus als wichtiges Organ bei der Emotionsverarbeitung wurden von Matsumoto et al. (2001) in Verbindung mit Affektstörungen bei psychotischen Jugendlichen gesehen. Die Psychoanalyse beschäftigte sich mit der Entwicklungsdynamik von Affekten in den ersten Lebensjahren und konzipierte verschiedene, nur zum Teil empirisch begründete Modelle zur Entstehung von emotionalem Verhalten und Erleben und deren Störungen (Übersicht bei Green, 1979). In prospektiven Untersuchungen an High-risk-for-schizophrenia-Kindern, d.h. Kinder mit einem genetisch erhöhten Risiko, an einer Schizophrenie zu erkranken, fanden sich emotionale Störungen bei Kindern schizophrener Mütter im Schulalter und insbesondere in der Adoleszenz (Parnas et al., 1982). Bisherige Ergebnisse aus den High-risk-Studien lassen ferner darauf schließen, dass bei vulnerablen Kindern, d.h. bei Kindern und Jugendlichen mit einem genetischen Schizophrenie-Risiko (so genannte high-risk-for-schizophrenia-children) neben sozialer Auffälligkeit sowie Beeinträchtigungen der Informationsverarbeitung, die sich zum Beispiel in Aufmerksamkeitsstörungen oder verminderten kognitiven Leistungen äußerten, insbesondere Störungen der Affektkontrolle im Vordergrund stehen (ErlenmeyerKimling 1987; Süllwold 1977; Huber, 1979; Mac Grimmon et al., 1980; Rolf, 1972). Vermehrte Angst und Depressivität, emotionale Labilität, Reizbarkeit und Ablenkbarkeit und ein geringeres Selbstgefühl war für die high-risk-Kinder im Vergleich zu Kontrollkindern signifikant häufiger vorhanden. 2 Familiendynamische Studien, aus denen milieuabhängige Risikofaktoren für eine spätere Manifestation einer schizophrenen Psychose im Sinne einer Vulnerabilität entstanden, zeigten neben spezifischen Auffälligkeiten Jugendlicher ein emotionales Überengagement wie kritische, feindselige oder überemotional eindringliche Haltungen seitens der Eltern. Eine gegenüber bereits erkrankten Patienten sehr hohe ”expressive Emotionalität” bewirkte eine erhöhte Rezidivhäufigkeit von schizophrenen Episoden (Schwartz et al., 1990). Prodromalsymptome, welche auch emotionale Verhaltensauffälligkeiten implizieren, wurden bereits mehrfach vor Manifestation einer Psychose in der Adoleszenz beschrieben (Huber et al., 1979; Erlenmeyer-Kimling et al., 1984a; Cornblatt et al., 1997; Watt et al.,1984, Nüchterlein, 1992). In den Untersuchungen von Häfner und Maurer (1991) fanden sich Frühsymptome wie Affektverflachung und sozialer Rückzug bei ersterkrankten Schizophrenen bereits ca. 3,5 Jahre vor Ausbruch der vollen Symptomatik. Tatsächlich konnte soziales Rückzugsverhalten bei biologischen Verwandten von frühadoptierten Schizophrenen signifikant häufiger identifiziert werden als bei biologischen Verwandten adoptierter Kontrollprobanden (Kendler, 1982). Solche auch als autistische Kontaktstörungen beschriebene Verhaltensauffälligkeiten erwiesen sich als die häufigsten prämorbiden Symptomen bei früherkrankten Schizophrenen (Eggers, 1973). 1.1.2 Formen experimenteller Emotionsinduktion und Emotionsdiskrimination bei Kindern und Jugendlichen in der Literatur Die experimentelle Emotionsinduktion an Kindern und Jugendlichen wurde bisher nur in wenigen Studien eingesetzt. Einen Zusammenhang zwischen traurig und freudig induzierten Emotionszuständen und deren Auswirkungen auf die Stimme konnten die amerikanischen Autoren Bugental & Moore (1979) in Untersuchungen an jungen Kindern demonstrieren. Es zeigte sich, dass die Induktion von Freude im Unterschied zur neutralen Emotionsinduktionsbedingung eine deutliche Veränderung der Stimme in Richtung Freude bewirkte. Auswirkungen der Induktion von Trauer im Sinne einer traurigen Verfärbung der Stimme konnten nur bei sehr jungen Kindern festgestellt werden. Eine valide Methode zur Induktion von Emotionen wurde von Silverman (1986) bei Kindern angewandt, um direkte Aussagen auf Verhalten und Kognition treffen zu können. Die Untersuchungen zur Diskrimination von verschiedenen, mimisch dargestellten emotionalen Zuständen und Altersdekaden kamen bisher bei mental retardierten Kindern zum Einsatz (Rojahn et al., 1995). Hierbei wurde der Einfluss des geistigen Entwicklungsstandes 3 auf die Fähigkeit zur Dekodierung von Emotionen demonstriert. Dekodierungsdefizite, d.h. Schwierigkeiten, in Gesichtern intendierte Gefühlszustände voneinander differenzieren zu können, bestanden nämlich insbesondere bei Kindern mit mentalem Entwicklungsrückstand im Vergleich zu normal entwickelten Kindern. Alle bekannten Untersuchungen an gesunden wie kranken Probanden zeigen die Möglichkeit auf, die bisher bei Erwachsenen benutzte Methodik der Emotionsinduktion zur Erzeugung von bestimmten emotionalen Zuständen auch bei Kindern und Jugendlichen heranzuziehen, um den Einfluss bestimmter Variablen, wie zum Beispiel eine psychiatrische Erkrankung, auf emotionales Verhalten genauer untersuchen zu können. 1.1.3 Dekodierungsdefizite und Enkodierungsdefizite von schizophrenen Patienten Stand der Wissenschaft In zahlreichen Untersuchungen sind relativ übereinstimmend Schwierigkeiten erwachsener Schizophrener in der Erkennung, der Differenzierung und im Ausdruck von Emotionen nachgewiesen worden. Enkodierungs- und Dekodierungsdefizite gelten als charakteristische Symptome einer Affektverflachung bei schizophrenen Patienten (Gaebel & Wölwer, 1992;1996). Die Auswirkungen solcher Defizite auf weitere für Schizophrene kennzeichnende Schwierigkeiten im sozialen und kommunikativen Bereich der Patienten sind nahe liegend und werden für das Gesamtbild der Erkrankung verständlicher. Eine verminderte Fähigkeit, Emotionen in demselben Ausmaß wie gesunde Kontrollprobanden auszudrücken, konnte bei erwachsenen Schizophrenen weitgehend unabhängig vom Stimulusmaterial nachgewiesen werden (Schneider et al. 1992a, Whittaker et al. 1994 u.a.). Die tachistoskopische Darbietung von emotionalen Gesichtsausdrücken zeigte bei der Erkennung von Emotionen, dass erwachsene Schizophrene negative Emotionen im Vergleich zu positiven und neutralen schneller erkannten. Auch wurden positive Emotionsdarstellungen mit negativen verwechselt (Schneider et al., 1992b), wohingegen bei der Emotionsdiskrimination von freudigen, traurigen und neutralen Gesichtern Schizophrene häufiger neutrale Emotionen als Freude einschätzten (Schneider et al., 1995b). Solche Dekodierungsdefizite von schizophrenen Patienten in der Differenzierung von Emotionen anhand verschiedener Gesichtsausdrücke konnten wiederholt festgestellt werden. Stärkere Beeinträchtigungen fielen bei der Erkennung von negativen Emotionen wie Angst, Ärger, 4 Ekel oder Trauer auf und waren teilweise sogar ausschließlich auf diese beschränkt (Borod et al., 1993; Muzekari & Bates, 1977). Der Umgang mit mimisch dargebotenen positiven Gefühlszuständen wie Freude oder Überraschung erbrachte nur in wenigen Fällen stärkere Probleme (Heimberg et al., 1992; Schneider et al., 1992b), sie wurden in den meisten Fällen richtig zugeordnet und erkannt (Bellack et al., 1992; Garfield et al., 1987; Mandal & Rai, 1987). Ursächlich dürften das häufigere Auftreten im Alltag und die vergleichsweise einfacheren mimischen Ausdrucksmuster für das bessere Erkennen positiver Emotionen herangezogen werden (Ekman et al., 1972). Vergleichbare Dekodierungsdefizite in Bezug auf negative Emotionen wurden ebenfalls bei Patienten mit Schädigungen der rechten Gehirnhälfte gefunden. Sie stützten die Hypothese, das schlechtere Erkennen negativ emotionaler Ausdrücke von solchen Patienten, die an einer Schizophrenie mit überwiegender Negativsymptomatik erkrankt waren, beruhe auf eine rechtshemisphärischen Dysfunktion (Borod et al., 1989). Diese Schlussfolgerung stand allerdings im Widerspruch zu den Annahmen einer linkshemisphärisch lokalisierten Störung Schizophrener und der gefundenen Schwierigkeiten, selber positive Gefühlszustände auszudrücken (Martin et al., 1990; Flor-Henry, 1997). Auch in der Differenzierung des Alters als nicht-emotionalen Kontrollaufgabe, welche üblicherweise mit Aufgaben zur Emotionsdiskrimination gekoppelt wird, traten bei erwachsenen Patienten mit schizophrenen Störungen Fehlleistungen auf (Archer et al., 1992; Heimberg et al., 1992; Gessler et al., 1989; Kerr & Neale, 1993). Die Fähigkeit zur Differenzierung von emotionalen Gesichtsausdrücken war allerdings weitaus stärker beeinträchtigt als die Zuordnung des Alters der dargestellten Personen (Feinberg et al., 1986; Heimberg et al., 1992, Schneider et al., 1995b). Erkennungsdefizite korrelierten nicht mit psychopathologischen Merkmalen der schizophrenen Erkrankung und waren demnach nicht syndromspezifisch (Muzekari & Bates, 1977). Größere Dekodierungsdefizite wurden auch bei schizophrenen Patienten im durchschnittlichen Alter von 19 Jahren gegenüber Patienten aus der vierten Lebensdekade ermittelt (Berndl et al., 1986c). Für die Kinder- und Jugendpsychiatrie bedeutend sind die retrograd verhaltensanalytischen Auswertungen privater Videoaufzeichnungen aus der frühen Kindheit später schizophren Erkrankter (Walker & Lewine, 1990, Walker et al., 1993; 1996). Sie lassen darauf schließen, dass das Dekodierungsdefizit bereits im Frühstadium der schizophrenen Erkrankung auftritt. Präschizophrene Kinder und Jugendliche im Alter von 8-19 Jahren zeigten gegenüber erwachsenen Schizophrenen (20-50 Jahre) größere Schwierigkeiten in der Erkennung mimisch dargestellter Emotionen. Die von Walker & Lewine (1990) beschriebene geringere 5 „Responsivität” beinhaltete im Einzelnen einen verminderten Blickkontakt und eine Erhöhung negativer Affektformen neben einer zusätzlich auffallenden Fein- und Grobmotorik. Insbesondere bei weiblichen präschizophrenen Personen waren weniger emotionale Ausdrucksformen der Freude in dem gesamten Zeitraum der Kindheit bis hin zur Adoleszenz kennzeichnend. Wie ferner aus der angloamerikanischen Literatur bekannt geworden ist, sind reduzierte Fähigkeiten in der Erkennung emotionaler Gesichtsausdrücke auch bei autistischen Kindern und solchen mit Lernbehinderungen charakteristisch (Hobson et al., 1988, 1989a; Ozonoff et al., 1990). Nach Einführung des Begriffs des frühkindlichen Autismus bzw. der autistischen Psychopathie nach Kanner (1944) und Asperger (1965) wurde Autismus zu den psychotischen Störungen gezählt. Die frühere Zuordnung wurden jedoch nach den aktuellen diagnostischen Kriterien (ICD 10, 1991; DSM IV, 1994) in so genannte tief greifende Entwicklungsstörungen revidiert. Dennoch lassen sich Dekodierungsdefizite von autistischen Kindern mit Schizophrenen durchaus vergleichen, da autistische Verhaltensweisen auch bei schizophrenen Patienten oder geistesbehinderten Kindern gefunden werden. Alle genannten Ergebnisse weisen darauf hin, dass Störungen in der De- und Enkodierung von Emotionen bei Patienten mit sich bereits im Kindes- und Jugendalter manifestierenden schizophrenen Syndromen vorliegen, die durchaus eine weitere Spezifizierung erfordern. 6 2.0 Wissenschaftlicher Hintergrund 2.1 Emotionen Emotionen bilden eine ganz wesentliche Ausdrucksform und Entscheidungsgrundlage für den Menschen. Gefühle sagen etwas über den inneren Zustand eines Menschen aus und sind meist mit bestimmten Körperempfindungen verbunden. An Mimik, Gestik oder Sprechweise lassen sich Emotionen zum Teil ablesen und dienen somit den Menschen als Kommunikationsmittel. 2.1.1 Definition von Emotionen Die verschiedenen Begriffe Affekt, Emotion, Gefühl und Empfindung werden uneinheitlich definiert. Von manchen Autoren werden sie als Synonyme benutzt, andere hingegen grenzen die einzelnen Begriffe streng voneinander ab. Damasio zum Beispiel unterscheidet die Emotion selbst von der damit assoziierten subjektiven Empfindung. Ein Gefühl beruhe auf der Überlagerung eines kognitiven Inhalts. Eine Emotion wird von ihm als mental evaluativer Prozess definiert, einhergehend mit bestimmten körperlichen Reaktionen und folgenden mentalen Änderungen (Damasio, 1995). Emotion wird häufig als übergeordneter Begriff für ein weitgefächertes unscharfes Phänomen benutzt, welcher unterschiedliche Teilaspekte der verschiedenen Bezeichnungen betont (Gaebel, 1996). Auch der Begriff Affekt soll als typischer Oberbegriff alle in der Literatur geläufigen, teils überlappenden und unterschiedlich definierten Termini wie Emotion, Gefühl, Stimmung oder Mood (engl.) umfassen. Hinsichtlich der zeitlichen Dimension fordern Birbaumer und Schmidt (1996), in Anlehnung an Schmidt-Atzert (1981) und an den DSM-IV-Glossar (Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders; American Psychiatric Association, 1994), eine Differenzierung zwischen Emotionen und Stimmungen. Als länger andauernd, stabilere Zustände werden Stimmungen verstanden, wohingegen Emotionen kurzzeitig vorübergehenden Änderungen der Befindlichkeit entsprechen. Die verschiedenen Definitionen und Beschreibungen von Emotionen sind durch unterschiedliche Auffassungen und Konzepte zur Entstehung von Emotionen entstanden. Calhoun & Solomon (1984) unterscheiden aus historischer Sicht fünf theoretische Ansätze: Gefühlstheorien, physiologische Theorien, Verhaltenstheorien, evaluative und kognitive Theorien. Die verschiedenen Emotionskonzepte werden in der einschlägigen Literatur zur 7 Emotionsforschung ausführlich beschrieben und diskutiert (z.B. Lewis & Haviland, 1993; Clark, 1992). 2.1.2 Beschreibung und Charakterisierung von Emotionen Mit dem Ansatz, Art und Anzahl unterschiedlicher Emotionsqualitäten zu beschreiben, erfolgte gleichzeitig die Einteilung in fundamentale Klassen. Nach Darwin (1872) besteht das affektive Erleben aus den Kategorien Freude, Traurigkeit, Furcht, Zorn, Ekel, Überraschung, Interesse, Scham sowie deren Kombinationen. Verschiedene Autoren postulieren genetisch angelegte, transkulturell vorhandene Emotionen, da sich in allen untersuchten Kulturen die gleiche mimische Ausdruckweise und Erlebnisqualität von Emotionen fand (Ekman, 1992; Izard, 1971, 1977, 1981; Tomkins, 1962). Folgende Basisemotionen bzw. fundamentale Emotionen wurden identifiziert und klassifiziert: Interesse-Erregung, Freude, Überraschung, Kummer-Schmerz, Zorn, Ekel, Geringschätzung, Angst, Scham und Schuldgefühl. Plutchik (1980) reduzierte die Basisemotionen auf acht grundlegende Emotionen aus gegensätzlichen Paaren bestehend: Furcht und Traurigkeit, Furcht und Wut, Überraschung und Vorahnung, Akzeptanz und Ekel. In der Regel wird heute von der Existenz von fünf bis neun Basisemotionen ausgegangen, von denen folgende als gesichert gelten: Interesse, Angst, Wut, Freude und Trauer (Ciompi, 1997). Die Entwicklung und Dynamik basaler Emotionen werden auch in dem Entwicklungsmodell der Kleinkindforschung formuliert, wo angeborene Wahrnehmungstendenzen und präferenzen von Säuglingen und Kleinkindern, zum Beispiel für das menschliche Gesicht postuliert werden. Nach der Affekttheorie von Tomkins (1963) einerseits und der kognitiven Epistemologie von Piaget (1981) andererseits besitzen basale Emotionen aus psychoanalytischer Betrachtung eine grundlegende Bedeutung in der frühen Kindheit. Als allgemein gültiges Kriterium treten primäre Emotionen innerhalb des ersten Lebensjahres auf (Fox & Davidson, 1984). Nach Tomkins (1963) verfügt der Säugling bereits bei Geburt über ein hochdifferenziertes Ausdrucksmuster, wonach sich acht Primäraffekte differenzieren lassen. Als positive Affekte werden Interesse/Aufregung, Frohsein/Freude, Überraschung/Verblüfftsein bezeichnet, negative Affekte beinhalten Merkmale wie Unwohlsein/Ängstlichkeit, Furcht/Schrecken, Scham/Erniedrigung, Verachtung/Ekel und Ärger/Wut. Beide charakteristische Affektformen bilden ein primäres motivationales System und sind auf bestimmte adaptive Ziele ausgerichtet. 8 Wie aus der modernen Bindungsforschung über die Verhaltensentwicklung des Säuglings anhand von Videoaufnahmen bekannt ist, können ständig Reaktionen beobachtet werden, die durch endogene sowie exogene Reize ausgelöst werden, sobald das Kind nach der Geburt mit seinen Beziehungspersonen Kontakt aufnimmt und Interaktionen auftreten (Papousek & Papousek, 1984;1990). Jede fundamentale Emotion besteht definitionsgemäß aus einer neuralen Komponente, die sich auf die zentrale Verarbeitung in Gehirn und Nervensystem bezieht, aus einer Komponente des subjektiven Erlebens und Empfindens der Gefühle und aus dem charakteristischen mimischen Ausdruck (Izard, 1981). Eine festgelegte Reihenfolge der Basisemotionen in Hunger, Angst, Aggression, Trauer und Freude wird in dem Modell der Gefühlskaskade postuliert und schließlich in der Kleinkindforschung wieder aufgegriffen (Stern, 1995). Emotionale Verhaltensweisen und Reaktionen zwischen Säuglingen und Bezugspersonen besitzen biologische und soziale Funktionen, die Versorgung und Überleben des Kindes gewährleisten (Plutchik, 1980; Izard, 1989). Neben primären (basalen) existieren auch sekundäre Emotionen, welche über individuell assoziierte Erfahrungen erlernt werden und in zukünftigen Entscheidungssituationen als gefühlsmäßige Einschätzungen dienen (Damasio, 1995). Fundamentale Emotionen werden somit nicht nur von soziokulturellen und individuellen Faktoren beeinflusst, sondern auch verändert (Ekman, 1992). Nach Birbaumer und Schmidt (1996) stellen Emotionen Reaktionen auf körperinterne und externe Reize dar, die beim Menschen unterschiedlich ausgeprägt und meist getrennt auf den Reaktions- und Beschreibungsebenen physiologisch-humoral, motorisch-verhaltensmäßig und subjektiv-psychologisch ablaufen. Auf der subjektiven Ebene unterscheiden sich emotionale Zustände durch die Komponenten des Erlebens und der Kognition (Kleinginna, 1981), sie erlangen somit bewertende Dimensionen wie angenehm bzw. unangenehm. Auf der motorisch-verhaltensmäßigen Ebene kann zwischen Ausdruck und Verhalten differenziert werden (Debus, 1977). In einer neuroendokrinen Theorie werden die Emotionen dichotom als positiv oder negativ bewertet (Henry, 1986). Zu den positiven gehören Zufriedenheit und Freude und zu den negativen Wut, Angst und Depression. Die verschiedenen Arten von Emotionen erfolgen durch Aktivierung verschiedener neurovegetativer Mechanismen, zum Beispiel die Aktivierung der Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse mit Ausschüttung von Corticosteroiden. 9 2.1.3 Möglichkeiten zur Messung von Emotionen Die Beschreibung emotionaler Vorgänge beruht in erster Linie auf beobachtende Veränderungen der verschiedenen Reaktionsebenen. Methodische Ansätze, die Informationen über alle Merkmalsebenen von Emotionen gewinnen, stützen sich auf Verhaltensbeobachtungen, auf die Erfassung von Selbst- oder Fremdbeurteilungen mittels bestimmter Ratingverfahren sowie auf Messungen von Reaktionen in experimentell gefühlsinduzierten Situationen. 2.1.3.1 Verhaltensorientierte Ansätze Funktionale Verhaltensanalysen erfassen mit Hilfe audiovisueller Untersuchungsmethoden verschiedene funktionelle Bereiche psychomotorischer Aktivität wie Mimik, Gestik, Blickmotorik, Sprech- und Stimmcharakteristika. Mit Hilfe von objektiven Verfahren besteht die Möglichkeit, Affektstörungen schizophrener Erkrankungen genauer zu untersuchen (Andreasen, 1982). Die Messung mimischer Ausdrucksweisen beruht darauf, bestimmte Gesichtsäußerungen nach einer objektiven Punkteskala (Facial Affect Scoring Technique/ Facial Acting Coding System) transkulturell zu identifizieren, um daraus Emotionskategorien zu erstellen (Ekman & Friesen, 1978). 2.1.3.2 Ratingverfahren Um psychopathologische Phänomene schizophrener Erkrankungen, z.B. die Positiv- und Negativsymptomatik, differenzieren zu können, wurden in der Erwachsenenpsychiatrie entsprechende Ratingskalen entwickelt, die auf Fremdbeurteilungen, klinischen Interviews oder auf Selbstbeurteilungsskalen basieren. Für psychotische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter existieren kaum spezifische Bewertungssysteme. Die Erfassung von Syndromprävalenzen oder Auffälligkeiten stützen sich auf Interview- oder Fragebogendaten, die nicht auf spezifische Erkrankungen ausgerichtet sind. 10 2.1.3.3 Experimentelle Messungen von emotionalen Reaktionen Bei der experimentellen Untersuchung von Emotionen greift man auf die Möglichkeit der Emotionsinduktion zurück, bei der Gefühlszustände von Probanden unter kontrollierten Bedingungen bewusst oder unbewusst beeinflusst werden können. In der Literatur sind zahlreiche unterschiedliche Methoden zur Emotionsinduktion von Gesunden zu finden, wenige sind bisher mit psychiatrischen Kindern und Jugendlichen durchgeführt worden. Bei der experimentellen Emotionsinduktion sind folgende fünf verschiedene Formen bekannt (Gerrards-Hesse et al., 1994): 1. Das Hineinversetzen in einen bestimmten Gefühlszustand durch Darbietung emotionalen Materials nach einer vorgegebenen Instruktion 2. Die Freie Erinnerung an eigene Erlebnisse 3. Die einfache Darbietung emotionalen Materials ohne zusätzliche Instruktionen 4. Die Rückmeldung von Erfolg bzw. Misserfolg sowie Befriedigung und Frustration 5. Experimentelle physiologische Veränderungen z. B. Gabe von Medikamenten Mit Hilfe der einzelnen Methoden zur Emotionsinduktion sollen emotionalen Reaktionen auf den Dimensionen Erleben, Verhalten und physiologische Veränderungen valide interpretiert werden. Als Nachweis einer erfolgreichen Emotionsinduktion werden üblicherweise offene Beschreibungen der Gefühlszustände, Beurteilungsskalen wie auch standardisierte Checklisten und Fragebögen verwendet. Aus der Aktivierungsforschung ist bekannt geworden, das jede Form der Emotion durch eine gleichzeitige, aber zeitverschobene Änderung verschiedener vegetativer Systeme charakterisiert ist. Somit können periphere Veränderungen von Herzaktivität, Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz und des elektrischen Hautwiderstandes (psychogalvanische Reaktion) sowie zentrale Veränderungen im EEG-Muster als Indikatoren des jeweiligen psychophysiologischen Musters der Emotion gemessen werden (Birbaumer, 1975). Freudige Gefühlzustände gehen mit einer dominierenden sympathischen, Trauer hingegen mit einer parasympathischen Aktivität einher (Henry, 1986). Neben dem vegetativen Nervensystem wurde das Limbische Systems als die an emotionalen Prozessen entscheidend beteiligte Hirnstruktur untersucht, um spezifische Emotionen in bestimmten Hirnstrukturen zu lokalisieren. Die experimentelle Induktion von Emotionen erfordert somit die Evaluation und Standardisierung von Aufgaben und verschiedenen Bedingungen hinsichtlich 11 Stimulusmaterial und Reaktionsmodus, welche die Interpretation der Ergebnisse interindividuell ermöglichen. Schneider et al. (1994) entwickelten eine Methode, die in standardisierter Form freudige und traurige Stimmungen induzieren. Die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Emotionsinduktionsbedingungen und aufeinander folgenden Untersuchungen ist bei dieser Form der Emotionsinduktion gewährleistet. Das Vorgehen beinhaltet die Präsentation von unterschiedlichen emotionalen Gesichtsausdrücken in Form von Diaserien. Die ursprüngliche amerikanische Version wurde in einer weiteren Untersuchung auf deutsche Verhältnisse übertragen (Schneider, Meyer, unveröffentlicht). Die vom Probanden selbst eingeschätzte Emotionalität als abhängige Variabel des Stimmungsinduktionstests wird im Anschluss der dargebotenen emotionalen Stimuli mit einem standardisierten Fragebogen, dem Positive and Negative Affect Schedule (PANAS, Watson et al., 1988) sowie einer Skala zur emotionalen Selbstbeurteilung (Emotional SelfRating (ESR), Schneider et al., 1994a) erfasst. Beide Fragebögen erfolgen unmittelbar nach den vorangegangenen experimentellen Aufgaben und ermitteln den vom Probanden erlebten Gefühlszustand während der einzelnen Aufgaben. Die Wirksamkeit dieser Methodik, gemessen anhand der subjektiv erlebten Gefühle, konnte in mehrfachen Wiederholungen nachgewiesen werden (Schneider et al., 1994a;1995a;1995b; Weiss, 1998). Die Validierung einer Methodik zur Stimmungsinduktion konnte auch auf Untersuchungen mit Kindern und Jugendlichen übertragen werden, da die einzelnen Aufgaben vom Verständnis und der Durchführung her keine Probleme bereiteten. Die mit der Emotionsinduktion gekoppelten Tests zur Emotionsdiskrimination und Altersdiskrimination kamen bereits an mental retardierten Kindern erfolgreich zum Einsatz (Rojahn et al., 1995). 2.1.5 Ausdrucksformen und Erkennung von Emotionen In Modellen zur Beschreibung der Kommunikation wirken nonverbale Verhaltensmerkmale neben Sprachinhalten als wesentliche Signalträger zwischen Interaktionspartnern (Brunswik 1956). Nonverbales Verhalten besitzt als Ersatz von verbaler Kommunikation innerhalb eines Kommunikationsprozesses fünf verschiedene Funktionen. Unterschieden werden das Anzeigen der Beziehungsqualität (z.B. durch Gestik), der Emotionsausdruck (z.B. durch Mimik), die Symbolfunktion des Verhaltens (durch Körpersprache), die Metakommunikation zwischen verbalem und nonverbalem Verhalten und schließlich die Ventilfunktion 12 nonverbalen Verhaltens aufgrund der geringeren Kontrolle durch das Bewusstsein. Jeder Kommunikationspartner fungiert während der Interaktion als Empfänger und Sender von Informationen. Bestimmte Informationen werden vom Sender distal in Form von nonverbalen Verhaltensweisen ausgedrückt und vom Empfänger auf proximaler Ebene wahrgenommen und zugeordnet. Der Prozess der Expressivität verschiedener Verhaltens- oder Gefühlskomponenten wird als Enkodierung bezeichnet, der Eindrucksprozess umfasst die Dekodierung (Ellring, 1989b). Übertragen auf emotionales Verhalten lassen sich Emotionsausdruck (Enkodierung von Emotionen) von dem Erkennen des Emotionsausdrucks (Dekodierung von Emotionen) unterscheiden und in experimenteller Weise untersuchen. Nonverbale Merkmale spielen bei der Analyse von Affektstörungen eine entscheidende Rolle, unterliegen allerdings auch der willkürlichen Kontrolle (Scherer & Wallbott, 1990). 2.1.4 Enkodieren und Dekodieren des emotionalen Gesichtsausdrucks Die Mimik spielt eine entscheidende Rolle als emotionales Ausdrucksmittel. Grundemotionen wie Angst, Überraschung, Ärger, Trauer und Freude werden am Gesichtsausdruck enkodiert und dekodiert. Die Enkodierung bezieht sich auf das Beobachten mimischer Ausdrucksweisen, wie bereits in dem Verfahren des Facial Action Coding System (FACS) beschrieben wurde (Ekman & Friesen, 1978). Neuere computergestützte Ansätze zur Mimikanalyse werden mittlerweile entwickelt (Ahrens, 1992; Ekman, 1993; Gaebel, 1996). Untersuchungen zur Enkodierung bedienen sich der verschiedenen Methoden zur Emotionsinduktion, die im Gegensatz zu natürlich auftretenden Stimmungen künstlich erzeugt und nicht unbedingt als Vergleich herangezogen werden können. Die Dekodierung beinhaltet das Erkennen von Emotionen, wie sie anhand von standardisierten Bildervorlagen wie Gesichtsausdrücken von bestimmten meist primären Emotionen transkulturell untersucht worden sind. (Ekman & Oster, 1979; Ekman & Friesen, 1976; Izard, 1971). Bei den methodischen Verfahren zur Dekodierung von Emotionen ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Affektausdruck individuell variabel ist und dem sozialen Einfluss sowie der eigenen Affektkontrolle unterliegt. 13 2.1.5 Affektstörungen als charakteristisches Symptom schizophrener Psychosen Nach Kraepelin (1913) galten als zentrale Störungen der Dementia praecox eine Anomalie der Aufmerksamkeit, eine zentrale Willensstörung, sowie der Verlust der höheren Gefühle. Daraus resultierten Gemütsabstumpfung mit Mangel an Zuneigung und Mitgefühl oder starke Stimmungsschwankungen. Neben Assoziationsstörungen, Ambivalenz und Autismus zählten nach Bleuler (1911; 1988) auch Affektstörungen zu den für schizophrene Erkrankungen dauerhaft vorhandenen Grundsymptomen, welche er von den vorübergehenden akzessorischen Symptomen abgrenzte. Der Einfluss der veränderten Affektivität auf psychotisches Wahrnehmungserleben kann auch bei psychotischen Kindern und Jugendlichen beobachtet werden. Affektive Syndrome bei kindlichen Psychosen werden als zeitlich begrenzte, vor allem Affektivität, Antrieb und Vegetativum betreffende Zustandsbilder definiert, die alterierend und episodisch auftreten und zum Teil ohne Defekte abheilen (Stutte, 1969). Bei Kindern und Jugendlichen mit schizophrenen Psychosen sind affektive Veränderungen wie ängstliche oder gelegentlich auch freudige Erregungen auffällig. Die Affektivität scheint auch in diesem Alter hochgradig gesteigert zu sein (Eggers, 1975). Bereits in den früheren Untersuchungen Conrads über die beginnende Schizophrenie fand man den mildernden Einfluss eines psychotischen Erlebens auf emotionale Spannungen (Conrad, 1958). Eine ängstlich-angespannte psychotische Anfangsphase wird von einer wahnhaften und halluzinatorischen Phase mit inhaltlich neuen Zusammenhängen und in manchen Fällen schließlich von einem zunehmenden katatonen Verfall aller psychischen Funktionen gefolgt. Die akut psychotische Dekompensation lässt sich somit als eine Störung im Sinne einer Überforderung eines von vornherein labilen oder defektiösen affektiven Verarbeitungssystems von empfindlichen oder vulnerablen Menschen auffassen (Ciompi, 1998). Als der dominierende Affekt bei schizophrenen Störungen wurde die schizoide Angst eingeordnet, die in EEG-Befunden anhand typischer Angstmuster nachgewiesen werden konnten (Machleidt et al., 1989; 1994). Aus der schizoiden Angst resultierte auch eine Affektverflachung oder verminderte Schwingungsfähigkeit bis hin zur Anhedonie. In Zusammenhang mit Halluzinationen lassen sich übersteigerte Affekte wie zum Beispiel Angst als Reaktionen auf Wahrnehmungsstörungen finden. Gerade zu Beginn kindlicher Schizophrenie können häufig Todesängste eruiert werden, die teilweise wahnhaft oder sogar in Form von Suizidhandlungen geäußert werden (Eggers, 1999). Beim psychotischen Kind ist 14 die wahnhafte Angst im Rahmen einer gesteigerten Affektivität nicht an einen bestimmte konkrete Situation gebunden oder die Folge eines beunruhigenden Ereignisses (Eggers, 1973; 1999). Auch Gefühle von Destruktivität, Schmerz und Angst finden sich häufig in den Beschreibungen schizophrener Psychosen im Kindes- und Jugendalter. Nach Lempp (1973) treten bei schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter nach Wahnsymptomen Angstzustände in Kombination mit Störungen des affektiven Verhaltens am häufigsten auf, wobei Jungen stärker als Mädchen betroffen waren. Die Affektstörungen traten in engem Zusammenhang mit dem Einsetzen der Pubertät auf und waren von Labilität, unangepasstem oder überschießendem emotionalen Verhalten charakterisiert. Solche Erscheinungsbilder können allerdings auch im Rahmen der mit der Pubertät einsetzenden Veränderungen der psychologischen Entwicklung als normal gesehen werden. Eine chronifizierenden schizophrene Psychose führt zu einem Defektzustand mit charakteristischen Symptomen der Affektverflachung und Affektverödung. Die inadäquaten Affekte bei erwachsenen Schizophrenen, auch als Parathymie bezeichnet, kommen auch schon bei psychotischen Adoleszenten vor. Betrachtet man Störungen der Emotionalität unter bereits manifesten schizophrenen Psychosen, finden sich aus heutiger Sicht Affektstörungen im Sinne einer Affektverflachung überwiegend bei schizophrenen Erkrankungen mit Negativsymptomatik (Crow, 1980). Solche Patienten mit Negativsymptomatik wiesen häufiger Schwierigkeiten bei der Unterscheidung und dem Erkennen von Emotionen auf. Depressive Züge mit hemmenden Auswirkungen auf Aktivität, Antrieb, Denken und Entschlussfähigkeit sind für schizoaffektive Psychosen charakteristisch. Beim manischen Syndrom schizoaffektiver Psychosen wird eine Überzeichnung positiver Gefühle von Leistungsfähigkeit, Optimismus und Unternehmungsfreude beobachtet, der für affektive Veränderungen typische gespannte Affekt mit erhöhter Erregung kann auch hier auftreten. Weitere Anhaltspunkte für den Zusammenhang von affektiven Störungen und Schizophrenie liefern anatomisch-funktionellorientierte Arbeiten der neuen Hirnforschung. Veränderungen im affektregulierenden Bereich limbisch-paralimbischer Strukturen und seinen Verbindungen zum kognitionsregulierenden Kortex bei schizophrenen Patienten, wie schon früher vermutet wurden, konnten später nachgewiesen werden (Bogerts, 1990). Die Entwicklungsstörungen treten bereits pränatal auf, besitzen allerdings keine Progredienz, sondern werden als Ausdruck einer vorbestehenden Vulnerabilität verstanden. Aus neurobiologischen Befunden werden die Erkenntnisse geschlossen, dass die sich im Reifungsprozess sich entwickelnden Verbindungen zwischen neokortikalen und subkortikalen Hirnstrukturen bei der Schizophrenie gestört sind (Eggers, 1997). Weiterhin konnten 15 neuropsychologisch nachweisbare kognitive Dysfunktionen bei schizophrenen oder gefährdeten Patienten auf prä- oder perinatale Schädigungen im Bereich der neokortikalen und subkortikalen Hirnstrukturen zurückgeführt werden. Die Intaktheit des Zusammenspiels des mesolimbischen und neokortikalen Systems ist abhängig von frühkindlichen Erfahrungen, die im zwischenmenschlichen Kontakt mit Bezugspersonen gemacht werden, und den sich daraus entwickelnden Faktoren und Einflüsse auf die Hirnentwicklung. Emotionale Störungen von psychotischen Jugendlichen werden nach verschiedenen Modellen auf Entwicklungsstörungen des Affektlebens in der frühen Kindheit zurückgeführt. Nach dem psychoanalytischen Ansatz der frühkindlichen Entwicklung von Mahler (1975) wird die affektive Entwicklung in aufeinander folgenden Entwicklungsabschnitten durch interaktive emotionalen Beziehungserfahrungen in den ersten beiden Lebensjahren vollzogen. Kinder aus High-risk-Familien mit Belastung für schizophrene Erkrankungen sind bereits Jahre vor Ausbruch der psychotischen Krankheit durch ihre mangelhafte aktive Beziehungsfähigkeit auffällig. Es bestehen undifferenzierte Beziehungsformen zu Eltern und Geschwistern, deren Defizite erst im Jugendalter aufgedeckt werden. Die Ergebnisse familiendynamischer Untersuchungen von Familien schizophrener Patienten konnte ferner zeigen, dass die frühe Störung der affektiven Kommunikation einerseits auf einer angeborenen Schwäche des Kindes beruht, andererseits durch Störungen seitens der Eltern. In beiden Fällen entstehen so genannte ”expressed emotions”(Vaughn, 1976), die die kommunikative Funktion der Affekte behindern und auch den Verlauf einer Erkrankung beeinflussen. Bezüglich des Krankheitsverlaufs besteht in Familien mit einer hohen ”expressiven Emotionalität” gegenüber dem Kranken eine größere Rezidivhäufigkeit dieser Patienten (Schwartz et al., 1990). 16 2.2 Grundlagen kinder- und jugendpsychiatrischer Klassifikationen 2.2.1 Epidemiologie Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter treten bei 7-15% aller Kinder und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr auf. Das Erstmanifestationsalter einer schizophrenen Psychose liegt zwischen dem 5. und 14. Lebensjahr bei 2,4% (Blankenburg, 1983). Die Wahrscheinlichkeit, an einer Schizophrenie zu erkranken, liegt für die Gesamtbevölkerung bei etwa 1%. Aus Untersuchungen von Häfner (1996) zum Frühverlauf der Schizophrenie fanden sich bei 41% der Ersterkrankten ein Durchschnittsalter von weniger als 20 Jahren, bei 4% sogar vor dem 10. Lebensjahr. 2.2.2 Allgemeine Klassifikationen von psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter Im Unterschied zur Erwachsenenpsychiatrie treten bei der Definition von psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter entwicklungsdynamische Aspekte hinzu. Alter und Entwicklungsstand sind diejenigen Faktoren, die das klinische Bild am stärksten prägen (Remschmidt, 1988; 1994). Auch Zukunftsprognose und Verlaufstendenz sind weitgehend vom jeweiligen Entwicklungsniveau der kindlichen Persönlichkeit und seiner seelischen Reife zum Zeitpunkt der Krankheitsmanifestation abhängig. Die Grenzen zwischen einzelnen psychiatrischen Krankheitsbildern in der Kindheit und Jugend lassen sich meist nicht so scharf ziehen wie bei Erwachsenen, dem zufolge wird von vielen Kinder- und Jugendpsychiatern die Definition eines bestimmten krankhaften Zustandes bzw. einer Störung dem speziellen Krankheitsbegriff, zum Beispiel der Schizophrenie, vorgezogen (Remschmidt, 1983). Die Klassifikation von kindlichen und juvenilen psychischen Erkrankungen beruht auf dem multiaxialen Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters, das nach der in der Erwachsenenpsychiatrie gebräuchlichen 10. Revision der ”International Classification of Deseases” (ICD) erarbeitet worden ist (MAS, Remschmidt & Schmidt 1994). Unter Einbeziehung der Entwicklungsdimension, des Intelligenzniveaus, der körperlichen Symptomatik und der psychosozialen Umstände und Anpassung ist das Multiaxiale Klassifikationsschema für das Verständnis psychischer Erkrankungen im Kindesund Jugendalter von allergrößter Bedeutung. Ebenso relevant sind diagnostische Kriterien der 17 vierten Version des multiaxialen Systems des Diagnostic and Statistical Manual of Psychiatric Disorders (DSM IV der American Psychiatric Association, 1994), die neben diagnostischen Achsen zusätzlich psychosoziale Belastungsfaktoren berücksichtigen. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (AWMF, 2000) hat krankheitsspezifische Leitlinien herausgegeben, die aktuelle Empfehlungen bezüglich diagnostischer und differentialdiagnostischer Entscheidungen in der klinischen Praxis sowie für die anschließende Therapie aussprechen. 2.2.3 Kindliche und juvenile schizophrene Psychosen und andere psychotische Syndrome Schizophrene Psychosen im Kindes- und Jugendalter werden in Übereinstimmung mit der Nosologie des Erwachsenenalters (ICD-10) unabhängig von der Ätiologie durch eine grundlegende Störung der Realitätsbeziehung gekennzeichnet. Denk- und Wahrnehmungsstörungen stehen im Vordergrund, hinzu treten inadäquate oder abgeflachte Affekte. Das Bewusstsein sowie die intellektuellen Fähigkeiten sind in der Regel nicht beeinträchtigt. Eine am Lebensalter orientierte Abgrenzung der schizophrenen Psychosen führt zur Einteilung in Early Onset Schizophrenia (EOS) mit Beginn der Erkrankung vor dem 18. Lebensjahr und Very Early Onset Schizophrenia (VEOS), die durch das Auftreten schizophrener Syndrome vor dem 13. Lebensjahr definiert wird. Schizophrene Störungen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren werden unter Berücksichtigung des jeweiligen Entwicklungsstandes des Kindes als präpuberale Form bezeichnet, vor dem 10. Lebensjahr handelt es sich um eine kindliche Schizophrenie. 2.2.3.1 Klinische Symptome und diagnostische Kriterien Bei den heute in der ICD-10 verwendeten acht Symptomgruppen (vgl. Tab.1) handelt es sich weitgehend um nur unerheblich modifizierte psychopathologische Phänomene, wie sie vor Jahrzehnten von Eugen Bleuler als Grundsymptome und akzessorische Symptome bzw. von Kurt Schneider als so genannte Symptome ersten Ranges herausgearbeitet worden sind. Die Diagnose einer schizophrenen Psychose erfordert mindestens ein eindeutiges Symptom der ersten vier aufgelisteten Symptome oder mindestens zwei Symptome der Gruppen 5 bis 8 über einen Zeitraum von mindestens einem Monat (vgl. Tabelle 1). 18 • Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung • Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, Wahnwahrnehmungen • Kommentierende oder dialogische Stimmen • anhaltender Wahn • anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität • Gedankenabreißen, Zerfahrenheit, Danebenreden, Neologismen • Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypie, Negativismus, Mutismus, Stupor • Negative Symptome wie Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadäquate Affekte Tabelle 1: Psychopathologische Phänomene einer schizophrenen Psychose, aufgeteilt in acht Hauptgruppen (modifiziert nach AWMF- Leitlinien, 2000) Affektive Störungen mit psychotischen Symptome, wie sie vor allem in der Adoleszenz als eine manische Episode zu Beginn schizophrenähnlicher Symptome auftreten können, sollten ausgeschlossen sein. Weitere Differenzialdiagnosen betreffen schizophrene Zustandsbilder, welche einer organischen Erkrankung zugrunde liegen oder als Intoxikations- und Entzugserscheinungen nach Drogenkonsum bzw. Medikamentenmissbrauch auftreten. Als Positivsymptomatik werden produktive Symptome wie Wahn, Halluzination, Denkstörungen, gesteigerter Antrieb, Aggressivität, Erregung, bizarres Verhalten sowie Rededrang mit Neologismen bezeichnet. Demgegenüber stehen negative Symptome wie Affektverflachung und Antriebsarmut, sozialer und emotionaler Rückzug, Apathie, Spracharmut, formale Denkstörungen, Gedankenabriss und Gedankensperre, Aufmerksamkeitsstörungen. Nicht selten können negative Symptome einer produktiven Symptomatik vorausgehen (Crow, 1980). F 20.x F 20.0 F 20.1 Schizophrenien Paranoide Schizophrenie Hebephrene Schizophrenie F 21 F 22 F 23 F 20.2 F 20.3 F 20.4 F 20.5 F 20.6 Katatone Schizophrenie Undifferenzierte Schizophrenie Postschizophrene Depression Schizophrenes Residuum Schizophrenia simplex F 24 F 25 Tabelle 2: schizotype Störungen wahnhafte Störungen vorübergehende akute psychotische Störung induzierte wahnhafte Störungen schizoaffektive Störungen Formen schizophrener Störungen entsprechend der ICD-10 Schizophrene Psychosen und andere psychotische Syndrome werden in den klinischdiagnostischen Leitlinien des ICD 10 kategorisiert (Tabelle 2). Charakteristisch für paranoide Schizophrenien ist das symptomatische Vorherrschen von Wahnerleben und Halluzinationen. Störungen der Affekte, des Antriebs oder der Sprache bleiben ebenso wie katatone Symptome 19 im Hintergrund. Hebephrene Psychosen beginnen nach der Pubertät unter den Zeichen der Antriebsverarmung, Denkzerfahrenheit, affektiven Verflachung und einer heiteren, läppischen Grundstimmung, die oft von Manierismen, Grimassieren, Faxen und wiederholten Äußerungen begleitet wird. Wahnvorstellungen und Halluzinationen sind nur flüchtig und bruchstückhaft vorhanden. Eine weitere für das Jugendalter bedeutende Form ist die katatone Schizophrenie, bei der bizarre Bewegungsmuster und gegensätzliche psychomotorische Störungen wie schwere Erregungszustände und Stupor im Vordergrund stehen. Ein zeitlich intermittierender Verlauf in Schüben und Phasen mit teils vollständigen oder unvollständigen Remissionen charakterisiert die schizophrene Störung. Die Krankheit kann somit als Einbruch in die sonst kontinuierliche Entwicklung des Heranwachsenden erscheinen. Schizoaffektive Störungen bezeichnen das gemeinsame episodische Auftreten von affektiven und schizophrenen Symptomen. Dabei können einerseits schizophrene und manische Zustandsbilder vorliegen, andererseits sind neben den pathognomonischen Symptomen einer Schizophrenie depressive Erscheinungsformen bekannt. Die Mehrzahl der Episoden verlaufen entsprechend der überwiegenden affektiven Beteilung schizomanisch oder schizodepressiv. Eine akute vorübergehende psychotische Störung setzt das Vorhandensein von psychotischen Syndrome wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen und anderen Wahrnehmungsstörungen voraus, welche im Unterschied zur schizophrenen Psychose einen akuten Beginn von maximal zwei Wochen besitzen und in Zusammenhang mit einem belastenden Ereignis stehen. Eine vollständige Besserung der Symptomatik erfolgt meist innerhalb weniger Wochen. Eine organische Ursache für das Auftreten einer solch kurzandauernden reaktiven Psychose findet sich nicht. Akute Belastungssituationen stammen überwiegend aus dem familiären, schulischen oder persönlichen Bereich der Kinder und Jugendlichen. 2.2.3.2 Drogenassoziierte Psychosen Insbesondere während der Adoleszenz kommt dem Gebrauch psychotroper Substanzen bei der Bewältigung von Lebensschwierigkeiten und bei dem Versuch einer Konfliktlösung eine wesentliche Bedeutung zu. Zentral wirksame Substanzen können im Rahmen von Überdosierungen, Intoxikationen oder bei abruptem Entzug organisch bedingte psychotische Syndrome auslösen, zu denen vor allem paranoid-halluzinatorische Symptome, abnorme Affekte wie intensive Angst und psychomotorische Störungen gehören (Bron, 1991). 20 9 Zu den Substanzen, deren Einnahme psychotische Symptome hervorrufen können, gehören unter anderem Amphethamine und verwandte Substanzen, Cannabis, Marihuana, Ecstasy als Designer-Droge, Halluzinogene wie LSD (Lysergsäurediethylamid), Psilocybin und Phencyclidin (PCP), Morphin-Opiate wie Heroin, Opium, Methadon, Polamidon, Anticholinergika wie Biperiden und schließlich Alkohol. Intoxikationen mit der Substanz Cannabis können Depersonalisationserscheinungen, Euphorie und vor allem Angst- und Panikattacken erzeugen. Diskutiert wird, ob Cannabis als potentieller Auslöser einer schizophrenen Psychose angesehen werden kann (Täschner, 1981; Andreasson et al. 1987, 1989; Hall & Degenhardt, 2000). Bei bereits erkrankten schizophrenen Patienten führte schwerer Konsum von Cannabis zu einer erhöhten Rückfallzahl sowie zu Verstärkung vorhandener psychotischer Symptome (Johns, 2001). Bei Jugendlichen lassen sich am häufigsten die Einnahme von Cannabis, Amphetaminen, Designer-Drogen wie Ecstasy oder halluzinogene Pilzen (Psilocybin) finden, die einzelnen Drogen werden auch gleichzeitig konsumiert. Insbesondere bei polyvalenter Einnahme von Ecstasy, Cannabis oder Kokain in Kombination mit trizyklischen Antidepressiva, besteht eine erhöhte Gefahr einer psychotischen Störung. Die Abgrenzung einer Drogenpsychose von einer unter Drogeneinnahme exazerbierten schizophrenen Psychose ist nicht immer eindeutig. Weder die Symptomatik noch der Verlauf lassen eine Differenzierung einer rein symptomatischen endogenen Psychose oder wahnhaften Störungen zu. Folgt ein schizophrenes Erscheinungsbild der Drogeneinnahme, so kann man an eine Induktion einer latent vorhandenen Schizophrenie denken. Nach den differenzialdiagnostische Kriterien von Täschner (1980) und Kalb (1983) zur Unterscheidung drogenbedingter Psychosen und Schizophrenie sprechen für eine Schizophrenie psychopathologische Auffälligkeiten bereits vor Drogeneinnahme, eine trotz Absetzen der Droge länger andauernde Psychose und das Bestehen formaler Denkstörungen, Wahnerscheinungen sowie Veränderungen von Affektivität und Psychomotorik. 2.2.4 Differenzialdiagnostische Probleme bei psychotischen Syndromen Aus jahrzehntelangen Verlaufsstudien von Adoleszenten, bei denen bei der stationären Erstaufnahme eine Schizophrenie diagnostiziert wurde, geht hervor, dass bei einem Teil der Jugendlichen die Diagnose während späterer stationärer Behandlungen im Erwachsenenalter revidiert wurde (Thompson, 1996. Da die Einteilung und Klassifikation psychotischer Phänomene durch eine große Variabilität der Entwicklungsdynamik erschwert ist, wird in der 21 Kinder- und Jugendpsychiatrie bei schwer eingrenzbaren Verhaltensauffälligkeiten ohne eindeutig beständigem schizophrenen Charakter der Begriff ”vorübergehende psychotische Störung” oder ”Adoleszentenkrise” einer nosologische Zuordnung vorgezogen (Freisleder & Lindner, 1994). 2.2.4.1 Abgrenzung zu Adoleszentenkrisen Nach Remschmidt (1992) gehen die so genannten Adoleszenten- bzw. Reifungskrisen mit uncharakteristischen Syndromen wie Identitäts- und Autoritätskrisen, Depersonalitätssyndrome, körperlichen und seelischen Selbstwertkonflikten, Insuffizienz- und Schuldgefühlen fehlgeschlagener oder Störungen Bewältigung der Sexualentwicklung Dissozialität, Delinquenz, einher, aus Weglaufen denen oder bei sogar Suizidversuche resultieren können. Bilden sich derartige psychopathologische Auffälligkeiten im Laufe der Entwicklung nicht zurück, münden sie allerdings, wie Langen und Jäger (1964) in einer retrospektiven Studie zeigen konnten, in einem Drittel der Fälle in eine Schizophrenie vorwiegend hebephrenen Verlaufstyps. 2.2.4.2 Prodromalstadien schizophrener Psychosen Es gibt im Jugendalter einige alterstypisch nichtpsychotische Erscheinungsbilder, die nach Huber (1981) in 40 % dem Ausbruch einer schizophrenen Psychose vorausgehen und durchschnittlich drei Jahre dauern. Das Erkennen solcher Vorläufersymptome ist insbesondere für die Praxis von großer Bedeutung, welches in erster Linie eine Spezifizierung von bestimmten Symptomen voraussetzt. Zu Prodromalstadien von schizophrenen Psychosen gehören depressive oder ängstlichphobische Entwicklungen, Beziehungsstörungen, borderlineartige instabiler Stimmung Krankheitsbilder oder mit aggressivem schweren Verhalten, Entfremdungserlebnisse sowie Mutismus und Zwangssyndrome (Linder & Tscherne, 1991), hinzu treten sporadisch bis fluktuierend auftretende kognitive Störungen (Süllwold, 1971) Jugendliche, welche später an einer Schizophrenie erkrankten, litten in 20-50% zunächst an ausgeprägten depressiven Verstimmungszuständen (Strunk, 1989). Retrospektiv konnten die fünf häufigsten Prodromalsymptome herausgearbeitet werden (Häfner, 1996): Konzentrations- und subjektive Denkstörungen, Energiemangel und Langsamkeit, Misstrauen und sozialer Rückzug, allgemeine Verlangsamung und Angst. Die Auswirkungen der 22 Verhaltensänderungen präpsychotischer Kinder und Jugendlicher betreffen alle Bereiche der alltäglichen Lebensbewältigung, sind aber gerade im sozialen Bereich von Schule, Familie und Freundeskreis durch sozialen Rückzug und kalte Gefühlsbeziehungen markant. Eine praktisch bedeutende Konsequenz aus dem vorliegenden Wissen von Prodromalsymptomen wäre der Versuch, solche gravierenden Veränderungen im Frühverlauf einer Schizophrenie zu identifizieren, um die Betroffenen umgehend einer Behandlung zuführen zu können (Häfner, 1996). Dies wurde bisher von der Psychiatrischen Universität Köln verwirklicht, indem im Rahmen des Konzepts zur Frühdiagnostik von schizophrenen Psychosen im Kindes- und Jugendalter spezifische Syndrome aufgelistet worden sind, die jeweils von betroffenen Eltern oder Lehrern fremdbeurteilt werden. Folgende Tabelle gibt die einzelnen Prodromalsyndrome der verwendeten Sreeningliste wieder: Ausgeprägte soziale Isolierung oder Zurückgezogenheit Ausgeprägte Beeinträchtigung der Rollenerfüllung im Beruf, in der Ausbildung oder im Haushalt Eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken Eigenbeziehungstendenzen, Subjektzentrismus Gedankeninterferenzen Gedankendrängen, Gedankenjagen Eigentümliche Wahrnehmungsstörungen ohne organische Ursache Minderung der Kontaktfähigkeit bei vorhandenem Kontaktwunsch Erhöhte Beeindruckbarkeit Tabelle 3: Sreeningliste für die Frühdiagnostik von juvenilen schizophrenen Psychosen (modifiziert nach Hambrecht et al. 2000) Prodromalerscheinungen im Rahmen eines Basisstörungskonzepts wurden von Huber und Süllwold (1986) sowie Klosterkötter (2000, 2001) als präpsychotische Varianten so genannter schizophrener Basisstörungen interpretiert. Nähere Längsschnittuntersuchungen solcher prämorbiden Verhaltensänderungen von schizophrenen Patienten ergaben ferner geschlechtsunterschiedliche Auffälligkeiten ab dem Zeitraum der Frühadoleszenz (Watt, 1972). Überwiegend aggressives, reizbares und negativistisches Verhalten war bei den zuvor unauffälligen Jungen zu beobachten, während Mädchen scheuer, introvertierter und angepasster wurden. In zeitlichem Bezug zum Krankheitsausbruch konnten solche Vorläufersymptome bereits Monate bis Jahre zuvor beobachtet werden, traten allerdings erst ab der Pubertät deutlicher zutage (Watt, 1984). Verhaltensauffälligkeiten vor Ausbruch einer schizophrenen Psychose werden von Eggers anhand retrograder Anamneseerhebungen als uncharakteristische Wesensänderungen beschrieben, die mit emotionaler Labilität, uneinfühlbarem, verschrobenem Benehmen und unmotivierten Handlungen einhergehen. Die 23 Wesensänderungen waren nicht kontinuierlich-progredient, sondern wiesen einen CrescendoCharakter auf (Eggers, 1973). 2.2.4.3 Einfluss von traumatisierenden Lebensereignissen (Life events) Nach der Life event Forschung treten passagere psychotische Störungen mit schizophrenietypischen oder -ähnlichen Symptomen von Kindern und Jugendlichen häufig akut in Zusammenhang mit verschiedenen emotionalen Belastungen und schwer wiegenden Lebensereignissen auf. Sie klingen entweder innerhalb kurzer Zeit wieder ab oder triggern sogar die Manifestation eines schizophrenen Schubes (Freisleder & Lindler, 1994). Nachweislich signifikante Auslösefaktoren für die Manifestation einer juvenilen Psychose stellen umweltbedingte Faktoren, wie Ortswechsel aus der geschützten Umgebung, z.B. im Rahmen eines Auslands- oder Ferienaufenthaltes, Schulwechsel, und der Verlust eines Elternteils durch Scheidung oder eines nächsten Angehörigen durch Tod dar (Lukoff et al., 1984; Bebbington et al. (1993). 24 3.0 Aufgabenstellung Störungen im emotionalen Verhalten, d.h. dem Erleben, dem Ausdruck und der Fähigkeit zur Identifikation und Diskrimination unterschiedlicher Emotionen, gehören zu den zentralen Symptomen schizophrener Erkrankungen. Hinsichtlich des Entstehungszeitpunktes schizophrener Psychosen lassen sich Veränderungen im emotionalen Verhalten häufig bereits früh, zum Teil sogar im Kindes- und Jugendalter, erkennen. Im Gegensatz zu vielen kognitiven Prozessen ist die Erfassung von auf Verhaltensebene sichtbar emotionalen Beeinträchtigungen fast ausschließlich auf psychologische Testuntersuchungen, direkte Verhaltensbeobachtung und projektive Testverfahren beschränkt. In der Erwachsenenpsychiatrie ist zur Untersuchung des emotionalen Verhaltens und Erlebens schizophrener Patienten ein standardisiertes Verfahren entwickelt worden, welches insbesondere zur Spezifizierung von Defiziten in der De- und Enkodierung von Emotionen eine hohe Validität aufzeigen konnte (Schneider et al., 1994a). Anhand der subjektiv eingeschätzten emotionalen Befindlichkeit wurde demonstriert, dass auch Erwachsenen mit schizophrenen Erkrankungen die jeweils angestrebte Stimmungsveränderung gelang, wenngleich dieser Effekt abgeschwächt war. Diese standardisierte Methodik kam bisher einmalig bei gesunden Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren im Rahmen einer Vergleichsuntersuchung mit gesunden wie mental retardierten erwachsenen Patienten zum Einsatz (Rojahn et al., 1995). Da die Wirksamkeit der Methode zur Emotionsinduktion und diskrimination bei erwachsenen Schizophrenen bereits erwiesen war (Schneider et al., 1995b), stellte sich die Frage, inwieweit dieser Ansatz auch bei gesunden und psychotischen Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 20 Jahren erfolgreich sein würde. In der vorliegenden Untersuchung wurde mit Hilfe der Darbietung von Gesichterportraits das subjektive emotionale Erleben sowie die Fähigkeit zur Diskrimination von verschiedenen Emotionen während einer standardisierten Freude- und Trauerinduktion sowie einer nichtemotionalen Kontrollaufgabe bei Kindern und Jugendlichen gemessen. Vorrangiges Ziel war, genauere Anhaltspunkte über beeinträchtigende Fähigkeiten im emotionalen Erleben und Differenzieren von Kindern und Jugendlichen mit schizophrenen Psychosen und anderen psychotischen Erkrankungen im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen zu gewinnen. Die Wirksamkeit des Stimmungsinduktionstestes wurde anhand der Selbsteinschätzung der emotionalen Befindlichkeit während der beiden Bedingungen Freude und Trauer gemessen. Hypothetisch würde man erwarten, dass Patienten und Kontrollprobanden während der Trauerinduktion einen Stimmungsinduktionseffekt mit höheren Werten für negativen und 25 gleichzeitig niederen Werten für positiven Affekt erzielen, während der Induktion von Freude entsprechend umgekehrt. Gleichzeitig sollte mit Hilfe der Emotionsinduktion geprüft werden, inwieweit quantitative Unterschiede im Ausmaß erreichter Stimmungsänderungen zwischen Patienten und Gesunden bestehen. Der Induktionseffekt war in den bisherigen Untersuchungen bei Erwachsenen in der gesunden Kontrollgruppe stärker gewesen (Schneider et al., 1995b). Die Untersuchungen zur Emotions- und Altersdiskrimination dienten zum Nachweis der bei erwachsenen Schizophrenen vielfach gefundenen Dekodierungsdefizite. Demzufolge würde man bei der Emotionsdiskrimination erwarten, dass Kinder und Jugendliche mit schizophrenen Psychosen und anderen psychotischen Syndromen einen geringeren Prozentsatz richtiger Lösungen aufweisen und häufiger Verwechslungsfehler zeigen. Signifikante Leistungsunterschiede in der Altersdiskrimination im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden wären nicht zu erwarten. Es bestand ferner die Annahme, dass das psychopathologische Zustandsbild auf das emotionale Erleben und Differenzieren Einfluss nehme. Korrelationsberechnungen für die erhobenen psychopathologischen Befundvariablen sollten die Abschätzung dieses Einflusses ermöglichen. Schneider et al. (1995b) fand einen Zusammenhang zwischen subjektivem Erleben und der Positivsymptomatik der erwachsenen Patienten. Solche Korrelationen mit psychopathologischen Variablen sind jedoch immer abhängig von der Symptomausprägung bzw. dem Vorherrschen bestimmter Merkmale in der Patientengruppe. In Form eines auf Jugendliche abgestimmten, standardisierten Fragebogens wurden in den vorliegenden Untersuchungen psychopathologische Symptome der Kinder und Jugendlichen erhoben und durch den psychopathologischen Befund bei stationärer Aufnahme ergänzt. Aus den anamnestischen Angaben der Patienten wurden zudem Informationen bezüglich des Einflusses traumatisierender Ereignisse auf die Erkrankung sowie prämorbider Persönlichkeitsveränderungen der Patienten, wie sie häufig bereits Jahre und Monate vor Beginn der Psychose zum Beispiel in Form affektiver Auffälligkeiten beschrieben wurden, gewonnen. Eine weitere Aufgabe war der Vergleich des emotionalen Verhaltens zwischen medizierten und nicht medizierten psychotischen Patienten. Nach Gaebel & Wölwer (1996) wurde der Einfluss von Psychopharmaka bei schizophrenen Erwachsenen auf die emotionale Differenzierungsfähigkeit als gering eingestuft. Legt man jungen Patienten eine primär durch die Psychose gestörte Affektivität zugrunde, so sollte die Medikation auch auf das emotionale Erleben keinen wesentlichen Einfluss ausüben. 269 Ferner ergibt sich die Fragestellung, ob bei Kindern und Jugendlichen in der En- und Dekodierung von Emotionen grundsätzlich Geschlechtsunterschiede bestehen. Unterschiede im emotionalen Erleben und Verhalten zwischen Jungen und Mädchen wurden bisher selten zum Untersuchungsgegenstand gemacht. Die Ergebnisse von 24 erwachsenen Probanden zeigten keine geschlechtsspezifischen Effekte in der berichteten Emotionalität (Weiss, 1998). Aus 20 teilnehmenden Patienten wurden nach diagnostischen Kriterien die miteinander zu vergleichenden Subgruppen Schizophrenie versus andere psychotische Störung und drogenassoziierte versus nicht-drogenassoziierte Psychose gebildet. Gegenstand des Gruppenvergleichs war, inwieweit sich das emotionale Verhalten und die Fähigkeit zur Diskriminierung von Emotionen bei schizophrenen Adoleszenten von solchen mit anderen psychotischen Erkrankungen unterscheidet und ob die Einnahme von psychotropen Substanzen das Affektleben messbar verändere. Der Vergleich der Subgruppen diente dazu, psychotische Erkrankungen anhand der qualitativen und quantitativen Erfassung von Störungen im emotionalen Erleben und Verhalten genauer zu klassifizieren und von anderen Erkrankungen zu unterscheiden. Hierzu könnte die Methode zur Emotionsinduktion und diskrimination im Rahmen der Diagnostik als standardisiertes Verfahren eingesetzt werden. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestehen große differentialdiagnostische Probleme bezüglich der Klassifikation und diagnostischen Festlegung psychotischer Syndrome. Bisher bieten wenige standardisierte Verfahren eine ausreichende Hilfe zur Differenzierung psychotischer Syndrome im Kindes- und Jugendalter. Das vorliegende Untersuchungsmaterial zur Erfassung und Differenzierung von emotionalem Verhalten könnte, hypothetisch betrachtet, einen Beitrag zur Früherkennung und Klassifizierung von psychotischen Störungen im Kindes- und Jugendalter leisten. 27 4. Methodik In dem Zeitraum Mai 1997 bis Juni 1999 wurden insgesamt 40 männliche und weibliche Personen im Alter von 11 bis einschließlich 21 Jahren untersucht. 20 medizierte und unmedizierte, je zur Hälfte männliche und weibliche, psychotische Patienten wurden mit 20 hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bildungsgrad der Eltern parallelisierten Gesunden verglichen (matched- pair Methode). Als Untersuchungsmethode wurden psychophysiologische Testaufgaben eingesetzt, welche zur Überprüfung von Leistungen des limbischen Systems und damit verbundenen neuronalen Netzwerke dienten. Dieser Ansatz sollte einen Zusammenhang zwischen emotionalen Störungen und weiteren psychopathologischen Symptomen bei psychotisch Kranken herstellen. Gemessen wurde das Erkennen und Empfinden von Gefühlszuständen und verschiedene kognitive Leistungen. 4.1 Versuchsteilnehmer Alle Patienten befanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in stationärer Behandlung kinder- und jugendpsychiatrischer Abteilungen: 16 Patienten wurden aus der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der Psychiatrischen Universitätsklinik, Rheinischen Kliniken Düsseldorf, rekrutiert, 3 Patienten stammten aus der Westfälischen Klinik MarlSinsen und eine Teilnehmerin war Patientin in der Rheinischen Klinik Bedburg-Hau. Es wurden solche Kinder und Jugendliche zur Teilnahme an der Untersuchung herangezogen, deren Symptome nach klinischem Bild und vorangegangener Diagnostik als psychotische Störung klassifiziert wurden. Die nosologische Zuordnung der psychotischen Störungen erfolgte dabei anhand der 10. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10, 1991). Bei den Erkrankungen der 20 Patienten handelte es sich entweder um subakute oder subchonische schizophrene Psychosen, akute vorübergehende Psychosen, nicht organische Psychosen oder um schizoaffektive Psychosen. Aufgrund des Erkrankungsbeginns vor dem 18. Lebensjahr gehörten die als schizophrene Psychosen klassifizierten Erkrankungen zu den sogenannten Early Onset-Schizophrenien. Very Early Onset-Schizophrenien, welche im Alter von weniger als 13 Jahren beginnen, wurden nicht diagnostiziert. Die einzelnen Diagnosen der 20 rekrutierten weiblichen und männlichen Patienten sowie die Akuität ihrer Erkrankungen können im Anhang den Tabellen 4 und 5 entnommen werden. 28 Psychotische Störungen lassen sich anhand des Zeitfaktors in akute oder chronische Psychosen einteilen. Bei akutem Beginn besteht ein Übergang von einem nichtpsychotischen in einen eindeutig psychotischen Zustand innerhalb von zwei oder weniger Wochen. Ein abrupter Beginn innerhalb von 48 Stunden und eine rasche Rückbildung der Symptome sind häufig zu beobachten. Akute vorübergehende psychotische Zustandbilder sind häufig mit vorausgegangenen besonderen Lebensereignisse assoziiert. Bestehen schizophrene Symptome für die Dauer eines Monats, werden sie als akute schizophreniforme psychotische Störungen bezeichnet. Bei kontinuierlicher Symptomatik über einen Monat hinaus liegt eine schizophrene Psychose vor, welche episodisch oder mit Residualsymptomen verlaufen kann. Die psychotischen Störungen der Mädchen und Jungen waren von unterschiedlicher Ausprägung und Zeitdauer gekennzeichnet, wie in Tabelle 6 im Anhang dargestellt ist. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bestanden die psychotischen Symptome bei den Patienten jeweils zur Hälfte bis zu vier Wochen bzw. länger als ein Monat. Definitionsgemäß handelte es sich zum Untersuchungszeitpunkt bei 11 Patienten um eine akute und bei 9 Patienten um eine chronische psychotische Erkrankung. Anhand der Anamnese und des Drogenscreening erfolgte eine Einteilung der psychotischen Zustandsbilder in drogenassoziierte und nicht drogenassoziierte Psychosen. Von allen 20 Patienten bestand bei 8 Patienten (5 männliche und 3 weibliche) ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Auftreten der psychotischen Syndrome und Einnahme von psychotropen Substanzen (s. Anhang, Tabelle 7). Das Alter der drogenkonsumierenden Adoleszenten lag zwischen 16 und 19 Jahren mit einem Durchschnitt von 17,6 Jahren. Männliche drogeneinnehmende Heranwachsende hatten ein mittleres Durchschnittsalter von 17 Jahren und 4 Monaten, weibliche Jugendliche waren 17 Jahre und 9 Monate alt. Ein bei allen Jugendlichen mit psychotischen Erkrankungen durchgeführtes Drogenscreening ermöglichte es, Drogen der psychotischen Patienten qualitativ im Urin nachzuweisen und zu differenzieren. Führend war insbesondere der Missbrauch von Cannabis, Amphetaminen, Ecstasy bei den drogenkonsumierenden Jugendlichen, die Einnahme von Psilocybin und Marihuana sowie auch ein polyvalenter Drogenkonsum konnte ebenfalls eruiert werden. Inwieweit der unmittelbar der stationären Aufnahme vorausgegangene Drogenkonsum als Auslöser für psychotische Erkrankung des einzelnen Patienten verantwortlich war oder ob es sich letztendlich um einen chronischen Missbrauch im Rahmen eines Bewältigungsprozesses von Problemen des einzelnen Adoleszenten handelte, konnte aufgrund der anamnestischen Angaben nicht geklärt werden. 29 Bei der Erstmanifestation einer Psychose im Kindes- und Jugendalter können der eigentlichen Symptomatik inkonstante psychotische Erlebnisweisen oder Verhaltensauffälligkeiten im emotionalen Bereich vorausgehen. Ebenso haben sogenannte Life events als Auslöser von Psychosen im Adoleszentenalter eine Bedeutung, da hierdurch eine bereits vulnerable instabile Persönlichkeit den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist und psychisch dekompensiert. Mit Hilfe anamnestischer Angaben konnten unter den 20 untersuchten Patienten sowohl Verhaltensauffälligkeiten im Sinne von Prodromalsymptomen als auch der Krankheitsmanifestation unmittelbar vorausgehende Lebensereignisse eruiert werden (s. Anhang, Tabellen 8 und 9). Von allen 20 Patienten mit psychotischen Symptomen ließen sich retrospektiv bei insgesamt 6, je 3 weiblichen und männlichen, Patienten charakteristische Prodromalsymptome beobachten. Die Dauer der Verhaltensauffälligkeiten bis zur Manifestation der psychotischen Erkrankung variierte zwischen den 6 Patienten von 6 Monaten bis hin zu 3 Jahren, im mittleren Durchschnitt betrug sie 2,1 Jahre, für männliche 1,5 und für weibliche Patienten 2,6 Jahre. Die Gruppe der Kontrollpersonen bestand aus 20 freiwillig teilnehmenden Kindern und Jugendlichen, jeweils zur Hälfte männlich und weiblich, die überwiegend aus dem Raum Düsseldorf, Neuss, Köln und Wuppertal rekrutiert wurden. Zu jedem Patienten wurde individuell eine gesunde Kontrollperson gesucht, die hinsichtlich Geschlecht, Alter, Händigkeit und Bildungsstand der Eltern parallelisiert wurde (Shtasel et al., 1991). Bezüglich des Parallelisierens des Alters wurde eine Abweichung von ± 1 Jahr zugelassen. Mit dem Versuch, anhand der Schulbildung der Eltern jedem einzelnen Patienten eine Kontrollperson aus vergleichbarem sozialen Milieu zuzuordnen, sollte in erster Linie der Einfluss der sozialen Umgebung auf emotional-kognitive Leistungen kontrolliert werden. Der Bildungsstand der Patienten selbst wurde nicht parallelisiert, da diese Art des Parallelisierens zu einer Selektion von Patienten mit untypisch hoher Schulbildung oder von Kontrollpersonen mit niedrigem Bildungsstand führen kann. Wesentlichen Differenzen bezüglich des Bildungsstandes zwischen Patienten und Kontrollpersonen bestanden nicht, da die schulische Ausbildung der Patienten während des stationären Aufenthaltes in der klinikinternen Schule fortgesetzt wurde. Der Kulturkreis stellt üblicherweise bei der Untersuchung von Emotionen einen möglichen, schwer kontrollierbaren Einflussfaktor dar. Um soziokulturelle Unterschiede zwischen den Versuchsteilnehmern zu vermeiden, wurde eine Gruppe aus unseren Kulturkreisen gebildet. 30 Vorraussetzung für die Teilnahme aller Kinder und Jugendlichen war daher die deutsche Staatsbürgerschaft, für Probanden, die im Ausland geboren waren, zumindest das Aufwachsen in Deutschland. Weitere Ausschlusskriterien für die Kinder und Jugendlichen der Kontrollgruppe waren psychiatrische Vorerkrankungen, Abhängigkeit von Rauschmitteln, Einnahme zentral wirksamer Medikamente sowie psychische Erkrankungen bei Verwandten ersten Grades. 4.2 Demographische Daten 4.2.1 Demographische Daten der Versuchsteilnehmer 19 Alter in Jahren 18 17 16 15 weiblich männlich Gesunde gesamt weiblich männlich Patienten gesamt Probanden gesamt 14 Abbildung 1: Altersverteilung von 40 männlichen und weiblichen Versuchsteilnehmern, dargestellt sind die Jahre im mittleren Durchschnitt sowie die Standardabweichungen Durch das Parallelisieren der Variablen Alter, Geschlecht und Bildungsstand der Eltern zwischen Patienten und Kontrollpersonen konnten vergleichbare homogene Gruppen gebildet werden. Beide zu untersuchende Stichproben setzten sich aus jeweils zur Hälfte männlicher und weiblicher Versuchsteilnehmer zusammen. Alle 40 Probanden hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung ein durchschnittliches Alter von 17,12 (±1,68) Jahren. Der jüngste Patient war 11,7 die jüngste Kontrollperson 11,8 Jahre alt, das Alter des ältesten Studienteilnehmer lag bei den Patienten bei 20,0 und bei gesunden Probanden bei 20,2 Jahren. Das Durchschnittsalter der 20 psychotisch Kranken Jahren entsprach weitgehend dem der 31 gesunden Kontrollpersonen (vgl. Tabelle 10, Anhang bzw. Abb. 1). Männliche Patienten und Kontrollpersonen waren durchschnittlich fast ein Jahr älter als weiblichen Versuchsteilnehmer. Der Bildungsstand der Eltern der jeweiligen Gruppe wurde anhand der Ausbildungsjahre in Schulen, Hoch- bzw. Fachhochschulen, Universität usw. des jeweiligen Elternteils ermittelt. Zwischen Eltern der Patienten und solchen der Kontrollpersonen bestanden annähernd gleiche Werte von durchschnittlich 12,2 bzw. 12,3 Ausbildungsjahren. Jedoch lag die Schulbildung der Eltern sowohl von weiblichen Patienten als auch von gesunden Mädchen fast zwei Jahre unterhalb der Schulbildung von Vätern und Müttern männlicher Versuchsteilnehmer. Bei Vätern von gesunden Kontrollpersonen war die Dauer der Ausbildung in Jahre länger als bei Patienten, dieser Unterschied war insbesondere zwischen männlichen Versuchsteilnehmern sehr deutlich. Der Bildungsstand der Mütter von Jungen und Mädchen betrug im Durchschnitt mindestens ein Jahr weniger als der der Väter. Die Schulbildung jedes einzelnen Versuchsteilnehmers, die anhand der bisherigen Jahre der Beschulung ermittelt und nicht miteinander parallelisiert wurde, lag bei weiblichen und männlichen Kontrollpersonen bis zu einem Jahr höher als bei Patienten (vgl. Tabelle 10, Anhang). 4.2.2 Demographische Daten der Patientensubgruppen Mädchen und Jungen mit juvenilen Schizophrenien waren durchschnittlich fast 1,5 Jahre jünger als Patienten, welche an anderen psychotischen Syndromen erkrankt waren. Das Ersterkrankungsalter, d.h. das retrospektiv ermittelte Alter, bei dem erstmalig psychische Verhaltensauffälligkeiten zum Beispiel im Rahmen eines Klinikaufenthaltes dokumentiert wurden, lag bei Patienten mit anderen psychotischen Syndromen weit unterhalb dem der Jungen und Mädchen, bei denen eine Schizophrenie diagnostiziert wurde. Ein ähnlicher Altersunterschied sowohl des zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme vorliegenden Alters als auch des ermittelten Ersterkrankungsalters ließ sich zwischen Patienten mit bzw. ohne drogenassoziierten Psychosen nicht nachweisen. Das Alter und Ersterkrankungsalter von Patienten der verschiedenen Untergruppen ist im Anhang tabellarisch dargestellt (s. Tabelle 11). Der Bildungsstand der Eltern von Patienten mit drogenassoziierten psychotischen Störungen betrug im mittleren Durchschnitt 4,75 (±3,0) Jahre, die der Eltern von 12 psychotischen Jugendlichen ohne Drogenkonsum lag bei 2 (±2,28) Jahren. Dieser Unterschied war auf dem 32 5 % Niveau signifikant (p = 0,0457), was auf einen Zusammenhang zwischen sozialen Verhältnissen und Drogenkonsum hinweist. Die Mütter der Patienten mit drogenassoziierten Psychosen hatten im mittleren Durchschnitt einen Bildungsstand von 6 (±1,5) Jahren, die Väter nur 3,5 (±1,3) Jahre. Der Bildungsstand von 12 Patienten ohne Drogenkonsum lag mütterlicherseits bei 2,5 (±1,0) und väterlicherseits bei 1,5 (±0,8) Jahren. 4.3 Psychopharmakologische Behandlung der Patienten Von allen 20 psychotischen Kindern und Jugendlichen waren 16 Patienten mediziert. 9 Jungen und 7 Mädchen erhielten am jeweiligen Untersuchungstag Neuroleptika, Benzodiazepine oder Medikamente aus einer anderen Stoffgruppe wie zum Beispiel Antiepileptika. Nur 4 Versuchsprobanden der Patientengruppe, darunter ein männlicher Patient und drei weibliche Kranke, waren nicht mediziert. 16 Patienten mit psychotischen Erkrankungen sind folgendermaßen therapiert worden: Klassifikation der Pharmaka Patienten insgesamt männlich weiblich Einnahme von Medikamenten 16 9 7 Atypisches Neuroleptikum 4 2 2 Typisches Neuroleptikum 10 6 4 Benzodiazepine 3 3 0 Antidepressivum 0 0 0 Andere Medikamente 11 7 4 Tabelle 12: Darstellung der Art und Häufigkeit der Medikation von 16 psychotischen Patienten Die Tagesdosen der Neuroleptika (NL) jedes medizierten Patienten wurden nach unten aufgeführter Formel in CPZ-Äquivalente umgerechnet, aus denen anschließend ein auf die gesamte Patientenzahl bezogener Mittelwert ermittelt wurde. Tagesdosis des Neuroleptikums x 100 Äquivalenzdosen = relative Potenz 33 Inwieweit unter der medikamentösen Therapie eine Änderung in der Dekodierung bzw. Enkodierung von Emotionen auftrat, wurde mit Hilfe der Signifikanz der CPZ-Werte varianzanalytisch ermittelt. 4.4 Psychopathologie Die psychopathologische Befunderhebung der Patienten war dadurch eingeschränkt, dass die gewöhnlich bei schizophrenen Erwachsenen verwendeten psychopathologischen Skalen BPRS, SANS und SAPS zur Erfassung z.B. der Positiv- oder Negativsymptomatik für Kinder und Jugendliche mit psychotischen Erkrankungen weder vorgesehen noch übertragbar waren. Daher wurde zur Erfassung der zum Zeitpunkt der Untersuchung vorherrschender Symptomatik ein standardisierter Fragebogen für Kinder und Jugendliche eingesetzt und durch die bei stationärer Aufnahme dokumentierten psychopathologischen Befunde der einzelnen Patienten ergänzt. Ziel der bei allen Versuchsteilnehmern eingesetzten Fragebogenmethode war, Verhaltensauffälligkeiten zwischen Patienten und Kontrollpersonen zu vergleichen und bei Patienten eine Korrelation zu Krankheitsbildern und erzielten Leistungen in den einzelnen Aufgaben der Untersuchung herzustellen. 4.4.1 Youth Self Report (YSR) Der Fragebogen für Jugendliche (YSR), eine deutsche Fassung des Youth Self-Report der Child Behavior Checklist (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1993c, 1998; Achenbach & Edelbrock, 1987; Achenbach, 1991a) in der letzten Revision von 1991, gehört zu den bekanntesten Fragebögen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Fragebogen ist auf Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren ausgerichtet und erfasst mittels Faktorenanalyse die Selbsteinschätzung der Jugendliche bezüglich eigener Kompetenzen, Verhaltensauffälligkeiten und emotionaler Probleme. Als faktorenanalytischer Ansatz ist die Fragebogenmethode das am häufigsten angewandte Verfahren zur Bestimmung von Prävalenzraten. Der Fragebogen für Jugendliche (YSR) besteht aus drei Teilen, in denen Kompetenzen und Syndrome beschrieben werden. Die statistisch abgeleiteten Krankheitskategorien fassen mehrere Symptome zusammen, sie führen zu Syndromen mit introversiven oder expansiven Symptomen bzw. solchen einer Entwicklungsverzögerung. Die Child Behavior List 34 identifizierte acht klinische Syndrome (s. Tabelle 13). Dadurch lässt sich ein Zusammenhang zwischen klinischer Auffälligkeit und Symptombelastung darlegen. Internalisation Externalisation Sozialer Rückzug Dissozialität und Delinquenz Somatische Beschwerden Aggressivität Angst und Depressivität Tabelle 13: 4.4.2 Andere Soziale Probleme Schizoide Störung/ Zwänge Aufmerksamkeitsprobleme Klinisch relevante Syndrome, aufgelistet nach Achenbach (1991a) Beschreibung der Kompetenzskala und des Auswertungsprofils Die Kompetenzskala setzt sich aus zwei Unterskalen zusammen, in denen Aktivitäten und soziale Kompetenzen beurteilt werden. Im einzelnen werden die Einschätzung des Jugendlichen erfasst, wie gut und wie häufig er im Vergleich zu Gleichaltrigen die sportliche wie nichtsportliche Aktivität ausübt, die Anzahl von außerschulischen Aufgaben und Pflichten sowie Mitgliedschaft in Organisationen. Weiterhin werden Anzahl der Freunde, die Beziehung zu Eltern und Geschwistern sowie zu anderen Kindern und Jugendlichen und ihre Schulleistungen beschrieben. Die Rohwertsummen für die einzelnen Skalen Aktivitäten, Soziale Kompetenz und Schule wurden zu einem Gesamtrohwert zusammengefasst und geschlechtsspezifisch einem T-Wert zugeordnet. Ein Gesamtergebnis für Kompetenzen mit einem T-Werte ≤ 36 wird sowohl für Jungen als auch für Mädchen als auffällig beurteilt. Da mit den Skalen kontinuierlich verteilte Merkmale gemessen werden, markieren Grenzwerte zwischen T-Werten von 40 und 37 den Übergangsbereich von unauffälligen zu auffälligen Werten. Bei den Subskalen Aktivitäten und Soziale Kompetenz werden Ausprägungen mit einem TWert < 31 als klinisch auffällig eingeschätzt. 35 4.4.3 Beschreibung der Syndromskala und des Auswertungsprofils Der zweite Teil des Fragebogens besteht aus insgesamt 101 Items, deren Beurteilung anhand einer dreistufigen Skala (0 = nicht zutreffend; 1 = manchmal zutreffend; 2 = genau oder häufig zutreffend) erfolgte. Aus den Problem-Items wurden acht Syndromskalen erster Ordnung gebildet, die aufgrund von Faktorenanalysen der Skalenrohwerte Aussagen über externalisierende, internalisierende sowie gemischte Auffälligkeiten machen. Die Items der internalisierenden Störung setzten sich aus den Skalen Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden und Angst und Depressivität zusammen. Die Externalisierenden Auffälligkeiten umfassen die Skalen Dissoziales Verhalten und Aggressives Verhalten. Zur Gruppe der gemischten Störungen, die sich weder den internalisierenden noch den externalisierenden Auffälligkeiten zuordnen lassen, zählen Soziale Probleme, Schizoides und Zwanghaftes Verhalten sowie Aufmerksamkeitsprobleme. Die übergeordneten Skalen Internalisierende Auffälligkeiten und Externalisierende Auffälligkeiten werden durch Addition der Rohwertsummen aus den zugehörigen Syndromskalen erster Ordnung gebildet und in einen geschlechtspezifischen T-Wert transformiert. In den Gesamtauffälligkeitswert gehen alle 101 Items der Syndromskalen einher, für den auf dem Auswertungsbogen ein korrespondierender T-Wert aufgesucht wird. Im Auswertungsprofil der acht Syndromskalen erster Ordnung sind Rohwerte ab einem tWert ≥ 70 als klinisch auffällig eingestuft. Für die übergeordneten Skalen Internalisierende Auffälligkeiten und Externalisierende Auffälligkeiten und für den Gesamtwert wurde eine klinische Auffälligkeit bei einem t-Wert > 63 definiert und zwischen den t-Werten 60 und 63 ein Übergangsbereich festgelegt. 4.4.4 Durchführung des Fragebogens Der standardisierte Fragebogen YSR wurde den Untersuchungen direkt angeschlossen. Die Möglichkeit der Antwortauswahl in den einzelnen Abschnitte des Fragebogens wurden den Jugendlichen dargestellt. Die Formulierung der Items sind in der vorgegebenen Version recht einfach gehalten, so dass das Beantworten der Fragen selbst für Jugendliche mit geringem Bildungsniveau gewährleistet war. Dennoch wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, bei Unklarheiten nachfragen zu können. Wie auch im Hinblick auf die anderen erhobenen Daten wurde vor Aushändigung des Fragebogens den Kindern und Jugendlichen Vertraulichkeit zugesichert. 36 Eine Zeitbegrenzung lag bei dem Ausfüllen des Fragebogens nicht vor. Im Durchschnitt wurden zur Beantwortung der Fragen ungefähr 15 bis 30 Minuten benötigt. Der gesamte Fragebogen YSR für Jugendliche sowie der Auswertungsbogen kann dem Anhang entnommen werden. 4.4.5 Gesamtauswertung des Fragebogens Die Fragebögen jedes einzelnen Versuchsteilnehmers erfolgten per Handauswertung durch den Untersucher mit Hilfe von Schablonen und vorgegebenen Auswertungsbögen (siehe Anhang). Die einzelnen Ergebnisse des Fragebogens wurden gruppengetrennt als durchschnittliche Mittelwerte für beide Vergleichsgruppen ausgewertet und miteinander verglichen. 4.5 Methodisches Vorgehen 4.5.1 Standardisierte Emotionsinduktion durch Gesichterportraits Schneider et al. (1994a) entwickelten ein standardisiertes Testverfahren zur Induktion von fröhlichen oder traurigen Stimmungen. Das Verfahren verwendet Diaserien von Gesichterportraits, die unterschiedlich emotionale Gesichtsausdrücke präsentieren. In einer Bedingung werden nur fröhliche Gesichter, in einer anderen nur traurige Gesichter dargeboten. Die Diaserien bestehen aus jeweils 40 Schwarzweiß-Aufnahmen von Gesichterportraits weiblicher und männlicher Schauspieler aller Altersgruppen (10 - 79 Jahre). Sie wurden in einem streng standardisierten Verfahren aus über hundert Schauspielern ausgewählt. Um die Wahrnehmung des Betrachters auf das Gesicht zu konzentrieren, trugen die Schauspieler schwarze Kleidung und wurden vor einem schwarzen Hintergrund in geradem Gesichtswinkel fotografiert. Die Haare waren nur im Ansatz erkennbar. Die von den Schauspielern mimisch dargestellten emotionalen Ausdrücke von Freude oder Trauer wurden von Bewertungspersonen klassifiziert und eingeschätzt. Dabei wurde auf Vergleichbarkeit, Intensität der Emotion sowie auf gleiche Geschlechterverteilung zwischen den Diaserien der Bedingungen Freude und Trauer geachtet. Auswahlkriterium für die Zusammenstellung der jeweils 40 fröhlichen bzw. traurigen Gesichtsausdrücke war schließlich eine Übereinstimmung von über 90 Prozent zwischen Bewertungspersonen und intendierter 37 Emotion. Die Bilderserien waren in einer Zufallsreihe angeordnet, so dass nicht mehr als drei Bilder des gleichen Geschlechts und nur ein Bild eines Schauspielers in einer Reihe von sieben nachfolgenden Dias auftauchen konnten. Die Bedingung Freude des Stimmungsinduktionstests bestand aus Bildern von jeweils 11 männlichen und weiblichen Darstellern, die Bedingung Trauer aus Aufnahmen von 10 männlichen und 11 weiblichen Schauspielern. In beiden Testaufgaben waren nicht mehr als drei verschiedene Bilder eines einzigen Schauspielers erlaubt. Die entwickelte Methode zur Emotionsinduktion fand in mehrfachen Studien, wie zum Beispiel bereits Anwendung (Schneider et al., 1994b; Schneider et al. 1995a; Schneider et al., 1995b, 1997, Weiss 1998). Auch bei Kindern und Jugendlichen konnte das Verfahren Das standardisierte Verfahren gewährleistete die Vergleichbarkeit der erzeugten Stimmungen zwischen den verschiedenen Bedingungen der Emotionsinduktion und den nachfolgenden Untersuchungen. Vor der Untersuchung wurden den Probanden Instruktionen mit folgendem Wortlaut gegeben: "In den folgenden Minuten möchte ich dich bitten, dich in einen sehr freudigen (traurigen) Gefühlszustand zu versetzen. Um dir diese Aufgabe zu erleichtern, werde ich dir gleich eine Reihe von Dias mit Gesichtern von fröhlichen (traurigen) Menschen zeigen. Schau dir bitte jedes Gesicht genau an und benutze es als Hilfe, um das Gefühl der Fröhlichkeit (Traurigkeit) in dir hervorzurufen. Du kannst dabei zum Beispiel an ein persönliches Ereignis denken, das du einmal erlebt hast und das dich fröhlich (traurig) stimmt. Oder du kannst dir vorstellen, was Die Person in dieser Stimmung gerade macht. Wenn du an einem Bild nicht mehr interessiert bist, hebe kurz die Hand und das nächste Dia wird erscheinen. Bitte hetze nicht durch und werde alles versuchen, um selbst fröhlich (traurig) zu sein." Die dargestellten Gesichter sollten als emotionale Stimuli wirken und den Jungen und Mädchen die Aufgabe erleichtern, sich in die gewünschten Gefühlszustände hineinzuversetzen bzw. diese anzuregen. Die Betrachtungszeit der jeweils 40 Dias konnte von ihnen individuell gewählt werden. Da die Probanden in diesem Versuch vermeiden sollten, zu sprechen, konnten sie durch ein Handzeichen ihren Wunsch nach einem Bildwechsel mitteilen. Die emotionale Befindlichkeit wurde nach jeder experimentellen Bedingung wiederholt, um den erlebten Gefühlszustand der Versuchsteilnehmer und während der unmittelbar vorangegangenen Aufgabe zu erfragen und eine Veränderung hinsichtlich des emotionalen Erlebens durch die Emotionsinduktion zu erfassen. 38 4.5.2 Geschlechterdiskrimination Die positive und negative Emotionsinduktion wurde durch eine aktivierende, nicht emotionale Kontrollbedingung getrennt, um die Stimmungsqualität zwischen beiden Formen nicht zu übertragen. Die Kontrollaufgabe sah eine Geschlechteridentifikation der dargestellten Schauspieler vor und erfolgte anhand sämtlicher 80 Dias, um die benötigte Zeit für alle Bedingungen der Emotionsinduktion anzugleichen. Durch ein Randomisierungsverfahren war über die Stichproben die permutierte Reihenfolge Freude- Kontrolle - Trauer bzw. Trauer - Kontrolle- Freude vorgegeben. Die Instruktionen vor dem Versuch lautete im folgenden Wortlaut: "Während der nächsten Minuten siehst du Gesichter mit freudigem oder traurigem Gesichtsausdruck. Du sollst entscheiden, ob es sich bei der abgebildeten Person um einen Mann oder eine Frau handelt. Bitte treffe deine Entscheidung nur in Gedanken und spreche dabei nicht. Wenn es sich um einen Mann handelt, halte bitte die Karte mit dem Zeichen "M" hoch. Wenn du die abgebildete Person für eine Frau hältst,, halte bitte die Karte mit dem Zeichen "W" hoch. Das nächste Dia wird dann sofort erscheinen." Auch während dieser Aufgabe sollten die Probanden nicht sprechen. Deshalb konnten sie ihre Antworten über das Heben zweier gekennzeichneter Karten (”M” für männlich und ”W” für weiblich) der Versuchleiterin zur Dokumentation mitteilen. Die Karten hielten die Versuchsteilnehmer in je einer Hand, die Anordnung, welche Karte in der rechten oder linken Hand gehalten werden sollte, war vorgegeben. Wie auch in den anderen experimentellen Bedingungen der Emotionsinduktion wurden die Beurteilungen des emotionalen Erlebens im Anschluss an die Kontrollaufgabe durch die PANAS- und ESR- Skalen aufgenommen. 4.5.2.1 Abhängige Variablen Zielvariable der standardisierten Emotionsinduktion war die subjektive Einschätzung des emotionalen Zustandes, die mittels der beiden Ratingskalen PANAS (Positive and Negative Affect Schedule, Watson et al., 1988) und ESR (Skala zur emotionalen Selbstbeurteilung, Schneider et al., 1994a) erhoben wurden. 39 4.5.2.2 Unabhängige Variablen Die Bedingungen Freude und Trauer der Emotionsinduktion mit der Kontrollbedingung Geschlechterdiskrimination sowie die Fähigkeit zur Emotions- und Altersdiskrimination dienten als unabhängige Variablen. 4.5.3 PENN Facial Discimination Test (PFDT) Dieser Test wurde in Form der Emotionsdiskrimination und der Altersdiskrimination eingesetzt. Experimentelle Anwendung fand der PFTD bisher in einer Studie mit mental retardierten sowie gesunden Erwachsenen und Kindern im Alter von 6,5 bis 12 Jahren (Rojahn et al., 1995) Auch in einer Schizophreniestudie von Heimberg et al.(1992) und in einer Studie mit depressiven Patienten sowie in Untersuchungen von Schneider et al. (1995b) kam der PFDT zum Einsatz. Der PENN-Diskriminationstest wurde in einer modifizierten Form eingesetzt, die von Erwin et al. (1992) beschriebene Originalfassung wurde in seinem Umfang auf jeweils 40 Bilder für jeden Teil des PFDT reduziert. Eine Diaserie von 40 Bildern zeigte 20 neutrale, 10 fröhliche und 10 traurige Gesichterporträts mit gleicher Anzahl männlicher und weiblicher Personen. In beiden Teilen des PFDT wurden bipolare siebenstufigen Intensitätsskalen eingesetzt. 4.5.3.1 Emotionsdiskrimination Der Emotionsdiskriminationstest überprüft die Fähigkeit zur Differenzierung positiver und negativer Affekte anhand von Gesichterportraits. 40 Porträtaufnahmen mit fröhlichen, traurigen und neutralen Gesichtern wurden aus dem gleichen Pool von Fotos wie die Gesichterporträts des Stimmungsinduktionstests eingesetzt und waren nach dem oben beschriebenen Verfahren standardisiert. Die Versuchsteilnehmer hatten die Aufgabe, die Gesichtsausdrücke bezüglich ihrer dargestellten Emotion anhand einer bipolaren siebenstufigen Intensitätsskala zu klassifizieren (s. Anhang, Kap. 7.2). Die Skala wurde von sehr fröhlich über neutral zu sehr traurig eingestuft und entsprach einer Zahlenkodierung von 1 bis 7, die für die Hälfte der Probanden umgedreht worden war (7-1). 40 4.5.3.2 Altersdiskrimination Die Altersdiskrimintion diente der Emotionsdiskrimination als kognitive, nicht-emotionale Kontrollaufgabe. Die Aufgabe der Versuchsteilnehmer bestand darin, die Darsteller auf einer unipolaren siebenstufige Ratingskala in Altersdekaden einzuteilen (vgl. Kap. 7.2). Der Test bestand aus 40 Portraitaufnahmen fröhlicher, trauriger und neutraler Gesichter, die denen der Emotionsdiskrimination entsprachen. Folgende Anweisungen wurden vor Beginn des Versuches gegeben: "In dieser Testaufgabe zeige ich dir Fotografien von Menschen unterschiedlichen Alters. Schau dir bitte jedes Gesicht an und entscheide, wie alt die Person ist und zu welcher Altersgruppe sie gehört. "Teenager" gehören in die Altersgruppe zwischen 10 und 19 Jahren. Die "Zwanziger" sind zwischen 20 und 29 Jahren alt, die "Dreißiger" zwischen 30 und 39 Jahren alt. Die Gruppe der "Vierziger" hat ein Alter von 40 bis 49 Jahren. Die ”Fünfziger" gehören in die Altersgruppe von 50 bis 59, "Sechziger" von 60 bis 69 und die "Siebziger" enthalten schließlich Personen im Alter von 70 bis 79 Jahren." 4.5.3.3 Abhängige Variablen Der Prozentzahl korrekter Antworten, die Sensitivität, einen emotionalen Ausdruck von einem neutralen zu unterscheiden, die Spezifität, einem neutralen Ausdruck keine Emotion zuzuordnen, sowie die Quantifizierungen des positiven und negativen Fehlers waren abhängige Variablen der Emotionsdiskrimination. Für die Altersdiskrimination war der Betrag der Differenz zwischen tatsächlicher und eingeschätzter Altersdekade die abhängige Variable, die richtigen Zuordnungen wurden als Prozentsatz berechnet. 4.5.4 PANAS und ESR In psychologischen Studien über Emotionalität treten Affekte relativ unabhängig voneinander in Form von positiven und negativen Dimensionen auf. Positive Affekte spiegeln das Ausmaß der Empfindung einer Person wieder, z.B. ob sie begeistert, aktiv oder offen ist. Ein hoher Wert entspricht dem Zustand höchster Konzentration und angenehmen Engagements einer Person, ein niedriger dagegen beschreibt Traurigkeit und Lethargie. Im Gegensatz dazu sind negative Affekte mit unangenehmen Gefühlen verbunden, die subjektiv sogar als Stress wahrgenommen werden. Eine Reihe von abgeneigten emotionalen Zuständen wie Ärger, Verachtung, Ekel, Schuld, Angst und Nervosität kennzeichnen einen negativ emotionalen Wert. 41 Watson et al. (1988) entwickelten zur quantitativen Erfassung von positiv sowie negativ attributierten Gefühlszuständen eine aus insgesamt 20 Items bestehende Befindlichkeitsskala, die PANAS-Skalen (Positive and Negative Affect Schedule). Die Befindlichkeitseinschätzungen kamen inzwischen wiederholt in psychologischen Studien zum Einsatz (Schneider et al. 1994a, 1995a, 1995b, Weiss 1998) Die subjektive Einschätzung des emotionalen Zustandes während der Emotionsinduktion wurde mit den Ratingskalen PANAS (Positive and Negative Affect Schedule; Watson et al., 1988) und ESR (Emotional Self-Rating; Schneider et al., 1994a) erhoben. Anhand jeweils 10 Items der PANAS-Befindlichkeitsskala wurden positive und negative Affekte erfasst. Die jeweils 10 positiven Items der PanAm-Skala waren: interessiert, angeregt, stark, begeistert, stolz, wachsam, schwungvoll, entschlossen, aufmerksam und aktiv; die 10 negativen Items waren: bekümmert, beunruhigt, schuldig, erschreckt, feindselig, reizbar, beschämt, nervös, ängstlich und furchtsam (vgl. Anhang, Kap. 7.3). Die Skala zur emotionalen Selbsteinschätzung (ESR) dient der Bestimmung der Gefühle anhand der vorgegebenen Basisemotionen Ärger, Ekel, Freude, Trauer, Überraschung, Furcht. Die Einstufungen der PANAS sowie ESR erfolgten beide auf einer unipolaren fünfstufigen Intensitätsskala nach Likert (1 = gar nicht, 2 = ein wenig, 3 = mittel, 4 = ziemlich, 5 = extrem). 4.6 Versuchsdurchführung 4.6.1 Vorarbeiten Patienten mit psychotischer Symptomatik, die sich in stationärer Behandlung der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Kliniken Düsseldorf befanden, wurden nach vorheriger Absprache mit den behandelnden Ärzten und den Betreuern der jeweiligen Stationen von der Untersucherin angesprochen. Den Patienten wurden Ziel, Inhalt und Ablauf der wissenschaftlichen Untersuchung erklärt, anschließend wurden sie nach ihrem Einverständnis zur Teilnahme gefragt. Die Studienteilnehmer, die sich in stationärer Behandlung der kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken in Marl bzw. Bedburg-Hau befanden, erhielten die Informationen von den behandelnden Ärzten. Über telefonischen Kontakt zwischen den behandelnden Ärzten und der Untersucherin wurden Termine für die Untersuchung der psychotischen Patienten vereinbart. Am Tag der Untersuchung wurden die 42 Patienten von der Untersucherin nach ihrem Einverständnis gefragt. Teilweise wurden zuvor die Eltern informiert und ihr Einverständnis eingeholt. Die gesamte Untersuchung fand in räumlichen Gegebenheiten der jeweiligen Kliniken statt. Patienten aus der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der Rheinischen Klinik Düsseldorf nahmen an der Untersuchung in einem für das Experiment vorgesehenen Raum innerhalb der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung teil. In diesem Laborraum wurden die Versuchsteilnehmer wenige Meter gegenüber der Wand platziert, die zur Projektion der Diaserien benutzt wurde. Für die Patienten der anderen Kliniken sowie für die Versuchspersonen der Kontrollgruppe wurde vor Ort jeweils ein verdunkelter, ruhiger Raum aufgesucht, um vergleichbare Versuchsbedingungen herzustellen und den äußeren Einfluss auf die Untersuchung möglichst gering zu halten. Aufgrund der lokalen Bedingungen fanden die Untersuchungen der Kontrollpersonen überwiegend an deren Wohnort statt, nur wenige in Düsseldorf wohnende Kontrollprobanden konnten den vorgesehenen Laborraum der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik nutzen. Die Versuchsbedingungen sahen sowohl bei Patienten als auch bei Kontrollprobanden Einzeluntersuchungen vor, um mögliche Einflüsse der Versuchsteilnehmer untereinander zu vermeiden. Vor Beginn der Untersuchung wurden bei allen Versuchsteilnehmern Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Händigkeit, eigene Schulbildung und die Jahre der Erziehung der Eltern erhoben. Die Probanden der Kontrollgruppe wurden aufgefordert, einen Fragebogen zum Ausschluss vorheriger psychiatrischer Erkrankungen und der Einnahme von Medikamenten zu beantworten. Das gesamte Experiment dauerte ca. 40 bis 60 Minuten, bei wenigen Patienten sogar länger. In keinem Fall musste die Untersuchung unterbrochen werden, ebenfalls äußerte keiner der Versuchspersonen den Wunsch, die gesamte Untersuchung abzubrechen. 4.6.2 Versuchsablauf Der Ablauf der gesamten Untersuchung bestand aus drei Teilen: 1. Emotions- und Altersdiskrimination 2. Stimmungsinduktionstest 3. Psychopathologischer Fragebogen Zu Beginn wurde die Fähigkeit zur Emotions- und Altersdiskrimination getestet (deutsche Version des PENN Facial Discrimination Test; Erwin et al., 1992). Die siebenstufige bipolare Ratingskalen dieser beiden Tests lagen den Versuchspersonen schriftlich vor und konnten 43 während des Experiments benutzt werden. Die Einteilung der Skala zur Altersdiskrimination erfolgte in Altersdekaden. Um Missverständnisse zu verhindern, wurde die Skala anhand von Beispielen ausführlich durchgesprochen. Da die Autoren nachweisen konnten, dass die Tests zur Emotions- und Altersdiskrimination keine Emotionsänderung bei den Versuchsteilnehmern bewirken und somit überlappende Effekte (carry-over) ausgeschlossen werden konnten, erfolgte die eigentliche Emotionsinduktion im Anschluss der vorangegangenen Tests. Die Emotionsinduktion bestand aus den Bedingungen Freude Geschlechterdiskrimination als und Trauer kognitive sowie einer zwischengeschalteten Kontrollaufgabe. Zu Beginn des Stimmungsinduktionstestes und jeweils nach den einzelnen Bedingungen wurde die emotionale Befindlichkeit der Studienteilnehmer mit Hilfe der PANAS- und ESRFragebogen erhoben, um den momentanen Gefühlszustand des jeweiligen Teilnehmers zu erfassen. Somit wurde insgesamt viermal die emotionale Befindlichkeit des einzelnen Versuchsteilnehmers nach unterschiedlichen Versuchsbedingungen gemessen und ausgewertet. Gemeinsam mit den anderen Versuchsaufgaben wurde für die standardisierte Emotionsinduktion ein Randomisierungsverfahren erstellt. Folglich war die Abfolge der verschiedenen Testaufgaben Stimmungsinduktionstestes und (Freude-Trauer die oder Reihenfolge Trauer-Freude) des Alters- des und Emotionsdiskriminationstestes für jeden Versuchsteilnehmer vorgegeben. Der letzte Teil des gesamten Experiments diente der Erfassung des momentanen psychopathologischen Befundes. Bei allen Versuchsteilnehmern wurde ein standardisierter Fragebogen für Kinder und Jugendliche erhoben, der gemeinsam mit den anderen Daten ausgewertet wurde. 4.7 Auswertung 4.7.1 Emotionsinduktion Die einzelnen Hypothesen wurden auf der Grundlage von varianzanalytischer Verfahren (ANOVA) überprüft. Dabei geht es um Zusammenhänge zwischen zwei oder mehreren Variablen, wobei die abhängige Variable auf Intervallskalenniveau gemessen und per arithmetischem Mittel erfasst wird. Die Auswertungen erfolgten immer getrennt für jede abhängige Variable, wobei jeweils in etwa die gleichen Faktoren berücksichtigt wurden (Gruppe, Geschlecht, Bedingungen). Dabei handelte es sich um messwiederholte 44 Prüfverfahren. Als unabhängige Faktoren galten immer Gruppe und Geschlecht mit jeweils zwei Abstufungen. Nachfolgend wurden a posteriori Mittelwertsvergleiche durchgeführt (Scheffe′- Test), um bestimmte Mittelwertsunterschiede auf Signifikanz zu prüfen. Als Signifikanzniveau wurde generell ein α von 5% ausgewählt. Für die subjektiven Urteile im PANAS gingen zunächst für jede Emotionsinduktionsbedingung die mittleren Summenwerte für positiven und negativen Affekt in die varianzanalytischen Auswertungen ein, in der ESR-Beurteilung die mittleren Freudeund Trauerwerte, Kontrollbedingung von denen subtrahiert vorher worden jeweils war. der Mittelwert Dadurch konnte aus Baseline und der Einfluss der Ausgangsstimmung und die während der Kontrollaufgabe bestehende Gefühlslage kontrolliert werden. Messwiederholte Faktoren waren die Emotionsinduktionsbedingungen und die Angabe einer positiven oder negativen Emotion für jede Bedingung. Mittels parametrischer Auswertung von drei Merkmalsfaktoren auf der Grundlage von multivariaten Varianzanalysen (MANOVA) konnten mehrere abhängige Zielvariablen untersucht werden, um Haupt- und Interaktionseffekte der Faktoren zu überprüfen. Zum Beispiel erfolgten Varianzanalysen mit den Messwiederholungsfaktoren Bedingung (Freude/Trauer/Kontrolle) und Skala, die aus der jeweiligen Summe der positiven bzw. negativen PANAS- Urteile gebildet wurde. Um den Einfluss der Ausgangsstimmung und während der Kotrollaufgabe zu kontrollieren, diente eine varianzanalytische Auswertung mit kontrollkorrigierten Werten der PANAS-Urteile. Dazu wurden jeweils für die messwiederholten Bedingungen Freude und Trauer die Mittelwerte der Kontroll- und Baseline-Bedingungen von den mittleren Summenwerte der positiven wie negativen subjektiven Ratings der PANAS subtrahiert und als Messwiederholungsfaktor Skala der Berechnung zugeführt. 4.7.2 Auswertung der Ratingskalen PANAS und ESR Für jede Versuchsbedingung wurden die PANAS-Beurteilungen auf der Grundlage von jeweils 10 positiv und negativ emotionalen Werten getrennt als Summe verrechnet. Dadurch ergaben sich PANAS Freude pos. und PANAS Freude neg. PANAS Trauer pos. und PANAS Trauer neg. Um den Effekt der Emotionsinduktion quantifizieren zu können, wurde von den positiven und negativen PANAS-Werten für jede Bedingung die Differenz gebildet. MI Baseline = PANAS Baseline pos. - PANAS Baseline neg. 45 MI Freude = PANAS Freude pos. - PANAS Freude neg. MI Trauer = PANAS Trauer pos. - PANAS Trauer neg. MI Kontrolle = PANAS Kontrolle pos. - PANAS Kontrolle neg. Wie stark die testinduzierte Stimmungsänderung (Mood induction, MI) war, ergab sich anschließend, indem die Subtraktion zwischen dem Differenzwert der Trauerbedingung und dem der Freudebedingung gebildet wurde. MI gesamt = MI Freude - MI Trauer Ein Wert über drei entspricht einem positiven Effekt der Emotionsinduktion. Analog zu dem Auswertungsverfahren der PANAS- Werte erfolgte die Berechnung für die ESR-Urteile. Aus den Einschätzungen von Freude und Trauer wurden für die jeweilige Bedingung Differenzen gebildet, um schließlich durch Subtraktion der Werte aus beiden Bedingungen den Effekt der Induktion zu erhalten. Die positiven und negativen Emotionswerte der PANAS sowie die Freude- und Trauereinschätzungen der ESR konnten als Ausgangsvariablen in weitere Varianzanalysen eingehen. 4.7.3 Dekodierung von Emotionen Bei der Emotionsdiskrimination wurde jeweils für Patientengruppe und Kontrollgruppe der mittlere Prozentsatz der richtigen Zuordnungen ermittelt und miteinander verglichen. Unterschiede in Leistungen zwischen Jungen und Mädchen innerhalb der jeweiligen Gruppen konnten getrennt in Form von Mittelwertvergleichen analysiert und gewertet werden. Der Prozentsatz setzt sich aus der Summe der traurig, freudig und neutral dargestellten Gesichter bezogen auf alle 40 Gesichterportraits zusammen und wird wie folgt angegeben: GesichterTrauer + GesichterFreude + GesichterNeutral Prozentsatz korrekt = ()·100 40 Die Variablen Sensitivität und Spezifität dienten dazu, die Dekodierungsfähigkeit genauer zu bestimmen. Die Sensitivität entspricht der Fähigkeit, einen emotionalen Ausdruck von einem neutralen zu unterscheiden, die Spezifität, einem neutralen Ausdruck keine Emotion zuzuordnen. Beide Variablen wurden nach folgenden Formeln berechnet (N = Anzahl): 46 N korrekte Zuordnungen Sensitivität = N korrekte Zuordnungen + N falsche Zuordnungen Spezifität = N korrekte Ablehnungen N korrekte Ablehnungen + N falsche Zuordnungen Sowohl für die emotionalen Ausdrücke Freude als auch Trauer wurden Sensitivität und Spezifität für die vergleichenden Gruppen berechnet. Mit Hilfe von Signifikanztests konnten Beziehungen zwischen den Stichproben auch in Hinblick auf Geschlechtsunterschiede hergestellt werden. Des weiteren wurden sowohl positive Fehler, d.h. die als freudig beurteilten neutralen Gesichter als auch negative Fehler, d.h. die als traurig eingeschätzten neutralen Gesichter als Prozentsatz bestimmt. Um einen statistisch signifikanten Unterschied für alle oben genannten Variablen, im einzelnen für den korrekten Prozentsatz, Sensitivität, Spezifität, positive sowie negative Fehler, herauszufinden, wurde der t-Test angewandt. Er überprüft, ob die Mittelwertdifferenzen der einzelnen Variablen für beide Vergleichsgruppen auf zufällige Auswahlfehler in den Stichproben zurückzuführen sind, oder aber im Hinblick auf die Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% tatsächlich besteht. Für die Altersdiskrimination wurde der Betrag der Differenz zwischen der Altersdekade des Darstellers und der Einschätzung des Probanden ermittelt. 47 5. Ergebnisse 5.1 Enkodierung von Emotionen (Emotionsinduktion) Der Effekt der Emotionsinduktion wurde bei den Probanden anhand der PANAS- und ESRWerte bestimmt. Der selbst erlebte emotionale Zustand in den einzelnen Bedingungen wurde mit den beiden Fragebögen PANAS und ESR erhoben. Der Effekt der Emotionsinduktion sollte ein Vergleich der Einschätzungen der Probanden zeigen. War es dem Probanden möglich, sich in den vorgegebenen freudigen bzw. traurigen Zustand zu versetzen, so sollte dies in Form einer Änderung der Befindlichkeitseinschätzung deutlich werden. 5.1.1 PANAS Zunächst wurden aus den 10 positiven wie 10 negativen PANAS-Urteilen der beiden Vergleichsgruppen für die jeweiligen Bedingungen Baseline, Freude, Trauer und Kontrolle Summenwerte gebildet. Anschließend wurde die Differenz aus positiven wie negativen PANAS-Summen zur Erfassung des Effektes der Emotionsbedingung für die jeweiligen Bedingungen gebildet. Anhand der Selbstbeurteilungsskala der ESR konnten für jede Bedingung insgesamt sechs weitere Variablen ermittelt werden, wobei insbesondere die Einschätzungen der emotionalen Befindlichkeit von Freude und Trauer weiteren Analysen zugeführt wurden. Die einzelnen Beurteilungen Freude, Trauer, Ärger, Ekel, Furcht und Überraschung waren in allen vier Bedingungen signifikant (p = 0,0001). Die Tabellen 15 und 16 geben einen Überblick über die durchschnittlichen Einschätzungen der von den Patienten und Kontrollprobanden subjektiv erlebten Emotion während der Freude- und Trauerinduktion, der kognitiven Kontrollaufgabe sowie in der Ausgangsstimmung (Baseline). 48 Gruppe 1: Patienten PANAS ESR Tabelle 14: ESR Tabelle 15: Freude Trauer Kontrolle positiv 27,85 (±9,61) 28,5 (±10,13) 24,8 (±9,98) 25,05 (±10,08) negativ 18,15 (±7,08) 17,3 (±6,79) 20,1 (±7,31) 16,68 (±6,82) Differenz 9,7 (±13,94) 11,2 (±13,76) 4,7 (±10,29) 8,37 (±12,39) Freude 2,45 (±0,29) 2,8 (±0,31) 1,65 (±0,25) 2,2 (±0,25) Trauer 2,0 (±0,32) 2,25 (±0,34) 2,7 (±0,28) 1,9 (±0,25) Ärger 1,75 (±0,19) 1,5 (±0,22) 1,75 (±0,26) 1,45 (±0,15) Ekel 1,75 (±0,29) 1,4 (±0,17) 1,4 (±0,13) 1,05 (±0,05) Furcht 1,6 (±0,22) 1,5 (±0,17) 1,9 (±0.26) 1,7 (±0,25) Überraschung 2,6 (±0,33) Differenz 0,45 (±1,9) 1,8 (±0,26) 2,4 (±0,28) 2,1 (±0,27) 0,55 (±1,9) -1,05 (±2) 0,3 (±1,6) Mittelwerte und Standardabweichungen der PANAS- und ESR-Werte von 20Patienten in den einzelnen Bedingungen Gruppe 2: Gesunde PANAS Baseline Baseline Freude Trauer Kontrolle positiv 28,7 (±7,46) 27,55 (±6,82) 22,25 (±8,10) 27,9 (±7,59) negativ Differenz Freude Trauer Ärger Ekel Furcht Überraschung Differenz 12,75 (±3,42) 15,95 (±8,12) 2,95 (±0,31) 1,15 (±0,11) 1,1 (±0,07) 1,0 (±0) 1,1 (±0,07) 2,1 (±0,19) 1,8 (±1,6) 11,7 (±2,77) 15,85 (±7,49) 3,2 (±0,25) 1,05 (±0,05) 1,25 (±0,12) 1,2 (±0,16) 1,0 (±0) 2,1 (±0,25) 2,1 (±1,1) 15,2 (±5,07) 7,05 (±10,06) 1,8 (±0,22) 2,1 (±0,27) 1,4 (±0,17) 1,1 (±0,07) 1,3 (±0,15) 1,7 (±0,18) -0,3 (±2) 11,95 (±2,37) 15,95 (±7,9) 2,4 (±0,22) 1,15 (±0,08) 1,1 (±0,07) 1,05 (±0,05) 1,05 (±0,05) 2,25 (±0,26) 1,25 (±1,1) Mittelwerte und Standardabweichungen der PANAS- und ESR-Werte von 20 Kontrollpersonen in den einzelnen Bedingungen Aus den Summenwerten der PANAS-Urteile wird deutlich, dass die Patientengruppe im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe in ihrer Ausgangsstimmung (Baseline) stärker negative Affekte (PANAS negativ) aufweisen, wohingegen Einschätzungen in Form von positiven Affekten (PANAS positiv) vor den Untersuchungen (Baseline) in beiden Gruppen annähernd gleich sind. Ebenfalls lagen negativ attributierte Einschätzungen der Patienten wie Trauer, Ärger und Ekel gemessen anhand der ESR-Einschätzungen im mittleren Durchschnitt höher als bei gesunden Kontrollprobanden. 49 4 PANAS positiv PANAS negativ 3 Mittelwerte 2 1 0 -1 -2 -3 -4 Baseline Freude Kontrolle Trauer Abbildung 2: Änderung der emotionalen Befindlichkeit von 20 Patienten mit psychotischen Erkrankungen während des Stimmungsinduktionstestes im Vergleich zur Ausgangsstimmung (Baseline = 0), dargestellt anhand der jeweiligen PANAS-Gesamtwerte aus den Bedingungen Freude, Trauer und Kontrolle abzüglich Baseline) 3 PANAS positiv PANAS negativ 2 1 Mittelwerte 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 -7 Baseline Freude Kontrolle Trauer Abbildung 3: Änderung der emotionalen Befindlichkeit von 20 Kontrollprobanden während des Stimmungsinduktionstestes im Vergleich zur Ausgangsstimmung (Baseline = 0), dargestellt anhand der jeweiligen PANAS-Gesamtwerte aus den Bedingungen Freude, Trauer und Kontrolle abzüglich Baseline) Beide Teilnehmergruppen sprachen hinsichtlich einer Änderung ihres Gefühlszustandes erwartungsgemäß auf die Induktion von Freude und Trauer an, da bei Erzeugung von Freude bzw. Trauer positive bzw. negative PANAS-Urteile überwiegen. Patienten und Kontrollpersonen gelang es, sich in einen freudigen oder traurigen Zustand hineinzuversetzen, 50 wie in der Änderung der Befindlichkeitseinschätzung nach Emotionsinduktion von Freude oder Trauer im Vergleich zur Ausgangsstimmung oder Kontrollbedingung gezeigt werden konnte. Die oben dargestellten Abbildungen 1 und 2 veranschaulichen die Stimmungsinduktionseffekte und Wechselwirkungen bei den beiden Gruppen in den einzelnen experimentellen Bedingungen. Die PANAS-Differenzenwerte (s. Tabelle 16, Anhang) bestimmen den Effekt der Emotionsinduktion der jeweiligen Bedingung. Bei Überwiegen von positiven PANASUrteilen werden hohe Werte in den PANAS-Differenzenwerte erreicht, negative PANASUrteile führen zu niedrigen Differenzenwerte. Diese Werte liegen sogar unterhalb der Nullgrenze im Falle, dass negative Emotionen im Übergewicht sind. Bei Induktion von Freude zeigten Patienten in Relation zur der Ausgangsstimmung eine stärkere Änderung der Emotionen in einen freudigen Zustand als gesunde Kontrollpersonen. Sowohl bei gesunden Kontrollprobanden als auch bei Patienten waren die PANAS-Differenzenwerte der Bedingungen Baseline (pPat. = 0.006; pGes.= 0,001) Freude (pPat. = 0.001; pGes.= 0,001) und Kontrolle (pPat. = 0.008; pGes.= 0,0001) hochsignifikant. Im Gegensatz zu gesunden Jugendlichen (p = 0,005) kam es allerdings bei Patienten während der Trauerinduktion nicht zu einer signifikanten Änderung der Stimmungslage (p =0,055). Aus den zweifaktoriellen varianzanalytischen Auswertungen der PANAS-Skalen gehen die Signifikanzen für die einzelnen Bedingungen Baseline, Freude, Trauer und Kontrolle hervor. Inwieweit positive oder negative Affekte in den einzelnen Bedingungen induziert werden konnten, ließ sich mit Hilfe des Signifikanztestes überprüfen. Wie auch in allen anderen Auswertungen wurde ein Signifikanzniveau von mindestens 5% festgelegt. Die unmittelbar vor der Emotionsinduktion abgegebene Einschätzung von positiven und negativen Gefühlszustände (Baseline) anhand der PANAS- Urteile war sowohl in der Gruppe der Kontrollpersonen (p = 0,0001) als auch bei Patienten (p = 0,0057) signifikant. Als quantitative und qualitative Einschätzung über die aktuell bei den Versuchspersonen vorliegenden Gefühlszustände werden hierdurch die Vorraussetzungen für die nachfolgend vergleichenden Ergebnissen der Emotionsinduktion erfüllt. 51 5.1.2 ESR Der Selbstbeurteilungsbogen ESR ist in seinem Variationsbereich auf die Einschätzungen von Freude, Trauer, Ekel, Ärger, Furcht und Überraschung eingeschränkt. Dennoch wurde auch hier im Sinne einer übereinstimmenden Datenanalyse die gleiche Auswertungsstrategie wie bei der PANAS-Skala angewandt und die Intensität der Stimmungsinduktion berechnet. Wie zu erwarten war, spiegelten sich die bereits in den PANAS-Werten gezeigten Effekte in den ESR-Urteilen wieder. Die folgenden Abbildungen demonstrieren, dass bei Gesunden in den subjektiven Einschätzungen (ESR) ein stärkerer Emotionseffekt als bei Patienten erreicht werden konnte. ESR FREUDE ESR TRAUER Mittelwerte 3 2 1 Baseline 0 Freude Trauer Kontrolle Bedingungen Abbildung 4: Änderung des emotionalen Zustandes von 20 Patienten während der verschiedenen Bedingungen der Emotionsinduktion anhand der ESR-Selbsteinschätzungen von Freude und Trauer (dargestellt sind die Mittelwerte und Standardfehler) 52 ESR FREUDE ESR TRAUER Mittelwerte 3 2 1 Baseline Freude Trauer 0 Kontrolle Bedingungen Abbildung 5: Änderung des emotionalen Zustandes von 20 gesunden Kontrollpersonen während der verschiedenen Bedingungen der Emotionsinduktion anhand der ESR-Selbsteinschätzungen von Freude und Trauer (dargestellt sind die Mittelwerte und Standardfehler) Der Effekt der Stimmungsinduktion in den einzelnen Bedingungen ergibt sich aus den ESR Differenzenwerten (vgl. Tabelle 17, Anhang), welche sich aus der Subtraktion der Urteile für die Bedingungen Freude und Trauer der jeweiligen Testbedingung berechnet werden. Folgende Abbildung veranschaulicht den Stimmungsinduktionseffekt der einzelnen Bedingungen von Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. Patienten Mittelwerte 2 Probanden 1 0 -1 -2 Baseline Freude Trauer Kontrolle Bedingungen Abbildung 6: Effekt der Emotionsinduktion der einzelnen Bedingungen, dargestellt anhand der ESR-Differenzenwerte in Mittelwert und Standardfehler von 20 Patienten im Vergleich zu Kontrollprobanden 53 Die ESR- Selbsteinschätzungen von Ekel, Furcht, Überraschung, Ärger, Trauer sowie Freude beider Vergleichsgruppen waren in allen Bedingungen des Stimmungsinduktionstests signifikant (p = 0,0001). Aus der Differenz der ESR-Werte ließ sich der Effekt der jeweiligen Aufgabe der Emotionsinduktion errechnen. Die Einschätzungen unmittelbar zu Beginn der Untersuchung waren bei Patienten (p = 0,304) im Gegensatz zu Kontrollprobanden (p= 0,0001) nicht signifikant unterschiedlich. Eine Änderung des Gefühlszustandes bei Induktion von Trauer ließ sich bei Patienten anhand der Einschätzungen im ESR-Fragebogen nachweisen (p = 0,03). Bei gesunden Mädchen und Jungen kam es zwar auch zu einer Änderung der subjektiv erlebten Emotion bei Trauerinduktion, allerdings zeigte dieser Teil der Untersuchung keine Signifikanz (p= 0,49). Ebenso gab es eine Diskrepanz zwischen Patienten- und Kontrollgruppe hinsichtlich des Stimmungsinduktionseffektes der Bedingung Freude, denn nur bei Kontrollprobanden konnte eine signifikante Gefühlsänderung (p=0,0001) gemessen werden. Für schizophrene Probanden lag der Effekt der Induktion von Freude nicht im Signifikanzbereich (p= 0,29). Eine Änderung der subjektiv eingeschätzten Emotion während der Kontrollbedingung konnte nur für gesunden Kontrollpersonen festgestellt werden (p = 0,0001), Patienten hingegen zeigten keine signifikanten Stimmungsänderungen (p = 0,43). Dennoch lagen die einzelnen Einschätzungen (Ekel, Furcht, Überraschung usw.) nach der Geschlechterdiskrimination unterhalb des signifikanten Bereichs von 1% (p = 0,0001). 5.2 Emotionsinduktionseffekt Die Quantifizierung des Emotionsinduktionseffektes von Freude und Trauer ergab einen Durchschnittswert von 6,5 (±10,45) für Patienten und 8,8 (±9,24) für die gesunde Stichprobe. Der Emotionsinduktionseffekt, auch als Mood induction (MI) bezeichnet, berechnet sich aus der Subtraktion der Differenzenwerte von positiven und negativen PANAS-Werten der jeweiligen Bedingung Freude und Trauer (vgl. Kap. Methodik): MI = ( PANASpositiv – PANASnegativ ) Freude – ( PANASpositiv – PANASnegativ ) Trauer 54 Mittelwerte Kontrollpersonen Patienten 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 insgesamt männlich weiblich insgesamt männlich weiblich Abbildung 7: Emotionsinduktionseffekt (MI) der jeweils 20 weiblichen und männlichen Patienten und Kontrollpersonen, dargestellt in Mittelwert und Standardfehler Ein positiver Effekt in der Emotionsinduktion wird bei einem Wert von über 3 erreicht. Demnach war bei allen Versuchsteilnehmern eine testinduzierte Stimmungsänderung nachweisbar, gleichzeitig lag zwischen den Probanden ein Geschlechtsunterschied vor (vergleiche Abb.7). Der durchschnittliche Mittelwert von 5,8 (±10,6) für 10 schizophrene Mädchen sowie von 8,1 (±9,19) für weibliche Kontrollpersonen lagen unterhalb der Ergebnisse ihrer gleichaltrigen männlichen Patienten (7,2 ± 10,81) und Kontrollpersonen (9,5 ± 9,73). Eine Änderung der Gefühlslage war bei Kontrollpersonen stärker ausgeprägt. Männliche Versuchsteilnehmer erreichten mit Hilfe des Stimmungsinduktionstests im Vergleich zu weiblichen Gleichaltrigen eine intensivere Änderung ihres subjektiv erlebten Gefühlszustandes. 5.3 Signifikanzberechnungen In einer vierfaktoriellen MANOVA mit den Faktoren Gruppe, Geschlecht und den messwiederholten Faktoren Bedingung und Emotion für die PANAS-Differenzenwerte war eine signifikante Zweifachwechselwirkung für die Faktoren Bedingung x Emotion, (F(2,72) = 21,49; p = 0,0001) festzustellen, welche einer Änderung des Gefühlszustandes von Probanden während der einzelnen Bedingungen des Stimmungsinduktionstestes entsprach. Dieses Ergebnis spiegelte sich auch in den gleichermaßen auf Signifikanz geprüften PANAS-Werten wieder (Bedingung x Emotion (F(2,70) = 14,56, p= 0,0001). 55 Eine signifikante Wechselwirkung zwischen den Faktoren Emotion und Bedingung ist wesentlich für einen nachweisbaren Effekt der Emotionsinduktion. Da während der Freudebedingung die Einschätzungen des positiven Emotionswertes höher liegen als negative und entsprechend während der Trauerbedingung umgekehrte Verhältnisse vorherrschen, kann von einer effektiven Stimmungsinduktion ausgegangen werden. Mit dem Ziel, den Einfluss der Kontrollbedingung auf die eigentliche Stimmungsinduktion möglichst gering zu halten, erfolgten analog zu den oben genannten Auswertungen weitere Varianzanalysen unter Ausschluss der PANAS-Werte der Kontrollbedingung bzw. mit kontrollkorrigierten PANAS-Items, die vorher aus der Differenz der PANAS-Werte der Baseline- und Kontrollbedingung von den Freude- bzw. Trauer Bedingung zusammengesetzt wurden. In beiden analytischen Ansätzen konnte aufgrund der als signifikant nachgewiesenen Emotionsinduktion bestätigt werden, dass die Emotionsinduktion von Freude sowie Trauer eine Veränderung der emotionalen Befindlichkeit aller Probanden herbeiführen konnte, F(1,36) = 22,92; p = 0,0001 (kontrollkorrigierte PANAS-Werte). Die für die Patientengruppe getrennt varianzanalytischen Berechnungen auf den Ebenen Geschlecht x Bedingung x Emotion demonstrierten, dass die Stimmungsinduktion bei allen 20 Patienten erfolgreich war, die Variable Bedingung x Emotion war hinreichend signifikant, F (2,34) = 3,62; p = 0,04. Ferner war die Variable Emotion von Freude und Trauer, gemessen durch die Selbstbeurteilungsskala ESR, zwischen den Patienten signifikant, F(1,17) = 9,42 ; p = 0,007. Ebenfalls konnte eine Signifikanz der Variable Bedingung zwischen den einzelnen Personen nachgewiesen werden (F(2,72) = 7,63, p = 0,001). Für die beiden Faktoren Bedingung und Emotion wurden beide Haupteffekte unter Betrachtung der ESR-Urteile signifikant (F Bedingung (2,72) = 7,63; GG = 0,001; F Emotion (1,36) = 6,1; p = 0,018). Auch in den Auswertungen der PANAS-Items konnte die Signifikanz bezüglich des Haupteffektes für den Faktor Emotion festgestellt werden, F(1,35) = 53,53; p = 0,0001. Die Berechnungen der PANAS-Items unter Ausschluss der Beurteilungen der Probanden für die kognitive Kontrollaufgabe war bezüglich der Variable Emotion, wie zu erwarten war, nicht signifikant, F(1,36) = 44,14; p = 0,0001. Ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Gruppe demonstrierte die zwischen beiden Stichproben bestehende Gruppenunterschiede bezüglich kontrollkorrigierter PANAS-Urteile der Freude- und Trauerinduktion und PANAS-Ratings ohne Einschluss der Kontrollaufgabe, F kontrollkorrigiert(1) = 4,45; p= 0,042; F ohne Kontrollbedingung (1) = 5,46; p = 0,025. Für die ESR- Urteile blieben die Gruppenunterschiede knapp unterhalb der Signifikanzgrenze. Dass die Emotionsinduktion in beiden Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß gelungen war, spiegelte 56 sich auch in der Wechselwirkung beider Faktoren Emotion x Gruppe aus den PANASDifferenzenwerten wieder, F(1,36) = 5,43; p = 0,03. Die subjektiven Ratings der kontrollkorrigierten PANAS-Werte in der Freude- und Trauerinduktion zeigten einen hochsignifikanten Haupteffekt für den Faktor Emotion, F(1,36) = 13,09, p = 0,0009. Allen Versuchsteilnehmern gelang es, ihre Gefühlslage anhand der Darbietung freudiger oder trauriger Gesichterportraits effektiv zu verändern. Die kontrollkorrigierten Werte zeigen, dass die Darbietung von fröhlichen und traurigen Gesichtern mit zwischengeschalteter Geschlechterdiskrimination als Kontrollbedingung keinen Einfluss auf die Änderung des Gefühlszustandes in der jeweiligen Bedingung hatte. Die subjektiv erlebte Änderung der affektiven Befindlichkeit anhand der ESR-Werte war ebenfalls durch die Wechselwirkung von Emotion x Gruppe zwischen Patienten und Kontrollpersonen nachweisbar, F(1,36) = 7,90; p = 0,008. Aus diesen Ergebnissen lassen sich auf Unterschiede zwischen den Gruppen der schizophrenen und gesunden Probanden schließen. Mit Hilfe des Rangwertentestes Student-Newman-Keuls wurden für beide Vergleichsgruppen Rangwerte für weitere Variablen berechnet. Betrachtet wurden positive und negative PANAS-Urteile bei der Induktion von Freude und Trauer mit und ohne kontrollkorrigierten PANAS-Werten. Während der Induktion von Trauer und Freude sowie in der Kontrollbedingung des Stimmungsinduktionstestes waren bei Patienten anhand der PANAS-Urteile überwiegend negative Emotionen zu finden. Dieser Unterschied gegenüber der gesunden Kontrollgruppe war im Rangwerttest signifikant und ließen sich in den kontrollkorrigierten Werten für die Trauerbedingung bestätigen. 5.4 Dekodierung von Emotionen (Emotionsdiskrimination) Für die Emotionsdiskrimination des PENN Facial Discrimination Tests erzielten alle 40 Versuchsteilnehmer insgesamt ein Ergebnis von 87,75% richtige Antworten. Die einzelnen Ergebnisse von männlichen und weiblichen Patienten sowie Kontrollpersonen sind dem Anhang zu entnehmen (Tabelle 18 und 19). Patienten gaben durchschnittlich in 86% (±14,61) korrekte Antworten, Kontrollpersonen in 89,5% (±14,84). Weibliche Patienten hatten ebenso wie weibliche Kontrollpersonen im Vergleich zu männlichen Patienten und Gesunden durchschnittlich größere Schwierigkeiten, die dargestellte Emotion richtig zuzuordnen. Die in der Standardabweichung auffallend hohe Streuung bei weiblichen Patienten und Kontrollpersonen weist auf innerhalb der Gruppen unterschiedlich bestehende Fähigkeiten in der Dekodierung von Emotionen hin. 57 In beiden Teilen des PFDT wurden bipolare siebenstufigen Intensitätsskalen eingesetzt. Die Zufallswahrscheinlichkeit, eine korrekte Lösung zu erzielen, lag dementsprechend bei ungefähr 14,29%. Beide Stichproben lagen mit ihren Mittelwerten deutlich darüber. Das bestätigt, dass beide Aufgabenteile des PFDT von allen Probanden gut durchgeführt werden konnten. Patienten 100 Kontrollpersonen Mittelwerte in Prozent 80 60 40 20 0 insgesamt männlich weiblich insgesamt männlich weiblich Abbildung 8: Richtige Zuordnungen in der Emotionsdiskrimination von Patienten und Kontrollprobanden, dargestellt in mittlerem Prozent und Standardfehler Varianzanalytisch wurde zunächst auf den wiederholbaren Kategorien Gruppe und Geschlecht mit den Abstufungen Patienten- und Kontrollgruppe bzw. Männlich und Weiblich ausgewertet. Es wurde zwischen den Stichproben (Gruppe) und innerhalb jeder Stichprobe (Geschlecht) untersucht. Die abhängige Variable, die auf Intervallskalenniveau per arithmetischen Mittelwert gemessen wurde, war der mittlere Prozentsatz richtiger Lösungen, das bedeutet, die Summe aus der Anzahl der richtig eingeschätzten fröhlichen, traurigen und neutralen Gesichter bezogen auf alle 40 Gesichterportraits. Der Faktor Geschlecht war auf dem 5%- Niveau signifikant: F(1,68) = 4,43; p = 0,424, so dass in den folgenden Ausführungen die Ergebnisse geschlechtsdifferenziert dargelegt werden. In der Aufgabe, einen freudigen Gefühlsausdruck von einem neutralen zu unterscheiden, der Sensitivität Freude, erzielten Patienten gegenüber Kontrollpersonen durchschnittlich bessere, allerdings nicht signifikante, Leistungen, (F(31,4) = 0,75; p = 0,5 n.s.). Weiblichen Patienten gelang es besser, Freude zu erkennen, wohingegen gesunde weibliche Jugendliche die größten Schwierigkeiten aufwiesen. Die Sensitivität Trauer war in beiden Vergleichsgruppen annähernd gleich und erreichte konsekutiv keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollpersonen 58 (t(26,8) = 0,27, p = 0,79 n.s.). Die geschlechtsgetrennten Auswertungen ergaben allerdings signifikant schlechtere Leistungen weiblicher Probanden im Vergleich zu männlichen Versuchsteilnehmern, F(1,76) = 4,48; p = 0,04. Am wenigsten Schwierigkeiten, Trauer von neutralen Gesichtsausdrücken zu differenzieren, hatten männliche Kinder und Jugendliche der Kontrollgruppe, gefolgt von männlichen Patienten. Sehr niedrig waren die Ergebnisse der Mädchen der Kontrollgruppe (0,76 ± 0,4), wiederholt zeigte sich hier anhand der Standardabweichung eine breite Streuung. Die signifikanten Ergebnisse zwischen beiden Geschlechtern der Patienten- und Kontrollgruppe sind in folgender Abbildung dargestellt: 1 Mittelwerte 0,75 0,5 0,25 0 männliche Patienten weibliche Patienten männliche Kontrollpersonen weibliche Kontrollpersonen Abbildung 9: Mittelwerte der Sensitivität Trauer in der Emotionsdiskrimination von Patienten und Kontrollpersonen in geschlechtsgetrennter Darstellung Während die Patientengruppe mit einem durchschnittlichen Mittelwert von 0,98 (±0,65) fröhliche Gesichtsausdrücke als neutral ablehnten, erreichte die gesunde Kontrollgruppe für die Spezifität Freude einen Wert von 0,996 (±0,17). Für männliche und weibliche Patienten sowie Kontrollpersonen waren die Ergebnisse annähernd gleich. Auch in der Fähigkeit, neutrale Gesichtsausdrücke nicht als traurig zu identifizieren, der Spezifität Trauer, waren Patienten, in diesem Falle deutlicher schlechter als die gesunde Vergleichsgruppe (0,93 ± 0,12). Dieser Unterschied blieb allerdings knapp unterhalb des Signifikanzniveaus (p = 0,067). Weibliche Patienten besaßen gegenüber männlichen psychotischen Jugendlichen eine weitaus geringere Fähigkeit zur Erkennung eines neutral dargestellten emotionalen Ausdrucks. Dieser Unterschied spiegelte sich anhand eines signifikanten Gruppeneffektes wieder (F (1) = 3,95 mit p = 0,05). Da sich allerdings zwischen Jungen und Mädchen der 59 Kontrollgruppe keine großen Differenzen zeigten, erreichte die Spezifität Trauer keine geschlechtsspezifische Signifikanz (F(1) = 2,45, p = 0,13). Bei der Auswertung von Verwechslungsfehlern zwischen freudig und traurig dargestellten Gesichtern (positive/ negative Fehler) zeigten sich zwischen beiden Vergleichsgruppen sowie beiden Geschlechtern keine signifikanten Unterschiede. Verwechslungen von positiv dargestellten Gesichtsausdrücken als traurige (negative Fehler) kamen bei weiblichen Patienten signifikant häufiger vor (p = 0,05) als bei männlichen Adoleszenten mit psychotischen Erkrankungen, wohingegen die Leistungen männlicher und weiblicher Kontrollprobanden annähernd gleich waren. Zusammenfassend werden in Abbildung 10 die durchschnittlich von Patienten und Kontrollpersonen erreichten Ergebnisse der Emotionsdiskrimination dargestellt: Mittelwerte 1 SENS Freude SENS Trauer SPEZ Freude SPEZ Trauer negative Fehler positive Fehler 0,5 0 Patienten Kontrollpersonen Abbildung 10: Mittelwerte der Sensitivität und Spezifität sowie positiver und negativer Fehler in der Emotionsdiskrimination bei 20 Patienten und Kontrollpersonen 5.5 Altersdiskrimination In der Unterscheidung verschiedener männlicher und weiblicher Gesichterporträts hinsichtlich ihrer Altersdekade erreichten Gesunde wie Kranke insgesamt einen Mittelwert von 0,81 (±0,05). Im Einzelnen konnte für die Patientengruppe ein Mittelwert von 0,81 (±0,2) errechnet werden, für die gesunde Vergleichsgruppe betrug er 0,82 (±0,35). Aus der geschlechtsdifferenzierten Berechnung ergaben sich für männliche und weibliche Patienten Mittelwerte von 0,76 (±0,21) bzw. 0,85 (±0,19). Männliche Kontrollpersonen erreichten 60 durchschnittlich einen hohen Mittelwert von 0,92 (±0,46), alle zehn weiblichen Teilnehmer lagen mit 0,71 (±0,15) unter dem Durchschnittswert beider Stichproben. Kontrollpersonen Patienten 1 Mittelwerte 0,8 0,6 0,4 0,2 0 insgesamt männliche weibliche insgesamt männlich weiblich Abbildung 11: Altersdiskrimination von Patienten und Kontrollpersonen, dargestellt durch den Mittelwert der korrekten Zuordnungen und Standardfehler 5.6 Psychopathologie 5.6.1 Fragebogen YSR für Jugendliche 5.6.1.1 Kompetenzskalen Die Kompetenzskalen erfassen Aktivität in Sportarten oder anderen Freizeitmöglichkeiten und in angegebenen Pflichten oder Arbeiten, soziale Kompetenzen sowie schulische Leistungen. Die Patientengruppe (3,5 ± 1,8) zeigte gegenüber den Kontrollprobanden (6,4 ± 1,5) eine signifikant geringere Aktivität, da F(37,1) = -5,55; p = 0,0001. Die Items der sozialen Kompetenzen gehen auf den sozialkommunikativen Bereich von Jugendlichen ein und geben zum Beispiel wichtige Hinweise auf soziales Rückzugsverhalten. Auch hier lagen die Angaben der Patienten mit Summenwerten von 5,4 (± 2,3) unterhalb der von gesunden Kindern und Jugendlichen (7,6 ± 2,4). Die Schlussfolgerung, der Faktorenwert der sozialen Kompetenzen beziehe sich auf das Rückzugsverhalten aus dem sozialen Bereich ist problematisch, da sicherlich ein geringer Faktorenwert auch bei gesunden, unauffälligen Kindern und Jugendlichen auftreten kann. Aus varianzanalytischer Sicht waren die Ergebnisse dennoch signifikant (p= 0,0063). Auch eigenen Schulleistungen, welche von 61 Kontrollpersonen (1,1 ± 0,7) als besser eingeschätzt wurden als von Patienten (0,6 ± 0,7) waren signifikant (p= 0,04). Aus der Summe der drei Kompetenzskalen wurde ein Gesamtrohwert von 9,8 (± 3,2) und ein entsprechender t-Wert von 43,8 (± 11,5) für psychotische Kinder und Jugendliche errechnet. Gesunde Kontrollprobanden lagen im Gesamtergebnis der Kompetenzen im Durchschnitt bei 15,7 (± 2,3) mit einem Gesamt-t-Wert von sogar 64,8 (±8,6). Entsprechend des festgelegten Auffälligkeitsbereiches für Mädchen und Jungen gleichermaßen ab einem Gesamtrohwert von 9 bzw. einem t-Wert <37, liegen die berechneten Werte der Kompetenzskalen beider Vergleichsgruppen im Normbereich. Die Signifikanz der einzelnen Kompetenzskalen wurde in den einzelnen Analysen des Gesamtrohwertes sowie des t-Testes bestätigt, FRohwert(34,2) = -6,53; p = 0,0001 und FGesamt-T-Wert(35,2) = -6,6; p = 0,0001. Die Ergebnisse der Kompetenzskalen sind für weitere Aussagen sehr ungenau, weil die einzelnen Faktoren unspezifisch sind und letztendlich nur als Hinweise auf bestimmtes Verhalten dienen. Die große Differenz zwischen Patienten und Kontrollprobanden ist dennoch auffallend. In den anschließenden Auswertungen der Syndromskalen können detailliertere Aussagen gemacht werden. 5.6.1.2 Syndromskalen Bei der Beurteilung der durchschnittlichen Mittelwerte aller Versuchsteilnehmer in den acht klinischen Syndromskalen fielen die Faktorenwerte der Patienten Angst und Depressivität als auch Schiozoides/ zwanghaftes Verhalten sowie Aufmerksamkeitsstörungen in den geschlechtsunabhängigen Auffälligkeitsbereich (vgl. Tabelle 21). Gesunde Probanden waren in keiner der geprüften Syndromskalen auffällig oder grenzwertig auffällig. Geschlechtsgetrennte Berechnungen zeigten, dass männliche Patienten in Bezug auf soziales Rückzugsverhalten auffällig waren, während die Syndromskala Angst und Depressivität für beide erkrankten Geschlechter einer Verhaltensauffälligkeit entsprach. Die Einzelauswertungen des Fragebogens ergab bei 6 von 10 männlichen Patienten auffälliges Rückzugsverhalten, welches hingegen nur 2 von 10 weiblichen psychotisch Kranken aufwiesen. Auffällend hohe Summenwerte für Angst und Depressivität, die in den Bereich der grenzwertigen Auffälligkeit fielen, wurden für jeweils 5 männliche Patienten eruiert. Auffallend ängstliches und depressives Verhalten zeigten vier Patientinnen, darunter eine Patientin im Grenzbereich der Auffälligkeit. 62 Sowohl für weiblich als auch für männlich Kranke waren die Einschätzungen in den Fragen über schizoides bzw. zwanghaftes Verhalten und Aufmerksamkeitsprobleme auffallend hoch, während gesunde Kinder und Jugendliche Fragen über Zwangsgedanken, -handlungen, seltsame Ideen oder Verhalten sowie Halluzinationen vollkommen verneinten und ihrer Altersgruppe entsprechend geringe Aufmerksamkeitsprobleme aufwiesen. Psychotisch kranke Mädchen zeigten gegenüber männlichen Patienten ein stärker ausgeprägtes schizoides bzw. zwanghaftes Verhalten. Aufmerksamkeitsstörungen konnten hingegen aus den Fragebogeneinschätzungen häufiger bei männlichen Patienten als bei weiblichen festgestellt werden. Analysen der Einzelauswertungen stellten detailliertere Ergebnisse der Patientengruppe dar. So konnten Aufmerksamkeitsstörungen bei 6 psychotischen Jungen und bei 5 Mädchen nachgewiesen werden, grenzwertige Bereiche lagen bei 3 männlichen und 2 weiblichen Patienten vor. Aus den Skalen Soziale Probleme, schizoides Verhalten und Aufmerksamkeitsprobleme entstanden, als Syndromskalen zweiter Ordnung zusammengefasst, andere Störungen. Allgemeine Probleme aus dem Sozialbereich waren für Jungen und Mädchen der Patientengruppe im Durchschnitt gleichermaßen grenzwertig auffallend. Im Einzelnen konnten bei drei männlichen und fünf weiblichen Patienten soziale Probleme nachgewiesen werden, grenzwertig auffällig waren die Selbsteinschätzungen von jeweils drei erkrankten Mädchen und Jungen. Zur weiteren Differenzierung Summenberechnungen aus den der acht Syndromskalen internalisierenden, erfolgten externalisierenden und getrennte anderen Skalenwerten. Die Rohwerte und die geschlechtsspezifisch zugeordneten t-Werte der internalisierenden Störungen von Patienten waren signifikant höher als die Ergebnisse gleichaltriger gesunder Jugendlichen (F (22,9) = 8,04; p = 0,0001). Dieser gravierende Unterschied zwischen gesunden und kranken Versuchsteilnehmern ist auf die auffallend hohen Summenwerte der Psychotiker in den einzelnen Syndromskalen sozialer Rückzug sowie Angst und Depressivität zurückzuführen. Ausgehend von einem festgelegten Normbereich für internalisierender Verhaltensmerkmale bei einem T-Wert unterhalb von 59 bzw. bei Rohwerten unterhalb von 11 für Jungen und 14 für Mädchen, liegen die für männliche und weibliche Patienten errechneten Ergebnisse im Bereich der Verhaltensauffälligkeit. Externalisierende Störungen wurden in beiden Versuchsgruppen im Durchschnitt nicht als auffällig beurteilt, dennoch zeigten die Rohsummenwerte aus den externalisierenden Syndromskalen Aggressivität sowie Dissozialität und Delinquenz signifikante Unterschiede 63 (F(28,8) = 5,47; p = 0,0001). Vier männliche Patienten waren hinsichtlich dissozialem und delinquentem Verhalten auffallend bzw. grenzwertig auffällig. Aus der Gruppe der weiblichen Patienten kamen bei zwei von zehn Mädchen Dissozialität bzw. grenzwertig dissoziales Verhalten zum Vorschein. Aggressive Verhaltensäußerungen konnten bei einem männlichen Jugendlichen der Patientengruppe eruiert werden, drei männliche Patienten lagen im Grenzbereich der Auffälligkeit. Aggressives Verhalten stand den Auswertungen des Fragebogens zufolge bei einer psychotischen Patientin im Vordergrund.. In der Zusammenfassung der beiden Skalen Aggressives Verhalten und Dissoziales Verhalten als externalisierende Störungen wurden die Rohwerte wie auch die geschlechtsspezifischen tWerte der männlichen und weiblichen Patienten als grenzwertig auffällig eingestuft. In Tabelle 20 sind die signifikanten Ergebnisse der einzelnen Syndromskalen des Fragebogens YSR für Jugendliche in Form durchschnittlicher Mittelwerte von allen Versuchsteilnehmern wiedergegeben. Die für die entsprechende Altersgruppe und das Geschlecht normierten Verhaltensauffälligkeitsbereiche der Syndromskalen des Fragebogens sind durch graue Markierungen hervorgehoben. Syndromskala Patienten gesamt männl. Kontrollpersonen weiblich gesamt männl. weiblich soziales Rückzugsverhalten 6,8 7,3 6,2 1,5 1,2 1,9 Angst /Depression 14,1 14,7 13,5 3,0 3,4 2,6 soziale Probleme 6,6 6,7 6,5 1,0 1,1 0,8 schizoides Verhalten 5,2 5,0 5,4 0,2 0,0 0,4 Aufmerksamkeitsstörung 10,3 10,8 9,7 4,1 3,8 4,2 Dissozialität 7,2 7,4 6,9 1,7 1,6 1,8 Aggressives Verhalten 12,0 13,7 10,2 6,4 5,8 7,0 Tabelle 20: Darstellung der signifikanten Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Mittelwerten von jeweils 20 Patienten und gesunden Kontrollpersonen in den einzelnen Syndromskalen des YSR-Fragebogens für Jugendliche. In der Gesamtauswertung aller acht Syndromskalen des von 20 Patienten bearbeiteten Fragebogens wurden anhand des Gesamtrohwerts von 58,6 (± 18,8) und des entsprechenden tWertes von 67,5 (± 7,6) Verhaltensauffälligkeiten deutlich. Geschlechtsgetrennten Berechnungen zufolge ergaben Gesamtrohwerte von 69,3 für männliche und 61,5 für weibliche Patienten, deren zugeordneten t-Werte eine Gesamtauffälligkeit gegenüber der dem 64 Fragebogen zugrunde liegenden Normgruppe wie auch der an der Studie teilnehmenden Kontrollpersonen darlegten. Wie auch in Tabelle 21 (s. Anhang) anhand grauer Markierung dargestellt, lagen die t-Werte der internalisierenden Syndromskalen von männlichen und weiblichen Patienten im Gegensatz zu Kontrollpersonen im auffälligen Bereich (t-Wert > 64). Die externalisierenden Störungen klassifizierenden Syndromskalen ergaben in ihrer Summe grenzwertig auffällige Werte (t-Werte 60-64) für männliche und weibliche Patienten. Patienten gesamt Patienten männl. Patienten weiblich Kontrollpersonen gesamt Kontrollpersonen männl. Kontrollpersonen weiblich 80 76 72 t-Wert 68 64 60 56 52 48 44 40 Internalisierende Störungen Externalisierende Störungen Gesamtwert Abbildung 12: Darstellung der t-Werte aus den Syndromskalen von Patienten und Kontrollpersonen (Verhaltensauffälligkeit bei einem t-Wert > 64) Aus der Betrachtung der Ergebnisse lässt sich zusammenfassend sagen, dass internalisierende Störungen, insbesondere Probleme im sozialkommunikativen Bereich, Angstsymptome und depressive Züge, bei den untersuchten psychotischen Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Geschlecht im Vordergrund der Erkrankungen standen. In den externalisierenden Syndromskalen (Aggressivität, Dissozialität) war das Verhalten der Jugendlichen grenzwertig auffällig. Die aus den drei Skalen schizoides Verhalten, soziale Probleme und Aufmerksamkeitsstörungen übergeordneten anderen, nicht externalisierenden oder internalisierenden Störungen waren für männliche und weibliche Patienten gleichermaßen auffällig. 65 5.6.1.3 Korrelationen zwischen den psychopathologischen Befunden des YSR und der Emotionsinduktionen Die mittleren Summenwerte positiver Affekte in den PANAS-Urteilen während der Trauerbedingung standen in Zusammenhang mit schizoiden (p = 0,05) und ängstlichdepressiven (p = 0,02) Verhaltensauffälligkeiten. Auch soziale Probleme waren mit positiven Emotionen nach der Trauerinduktion verbunden. Das bedeutet, dass Patienten, die anhand der Psychopathologie als schizoid klassifiziert wurden, in geringerer Weise traurige Emotionen durch den Stimmungsinduktionstest erfahren hatten. Ein nachgewiesener Stimmungsinduktionseffekt der Bedingung Trauer korrelierte bei Patienten mit schizoidem Verhalten (p = 0,02). Waren Patienten anhand des psychopathologischen Fragebogens durch aggressives (p = 0,02) und dissoziales (p = 0,02) Verhalten gegenüber ihren Gleichaltrigen gekennzeichnet, traten ebenfalls negative Emotionen während der Trauerinduktion auf. Soziales Rückzugsverhalten von gesunden Jungen und Mädchen korrelierte mit negativen Emotionen in der Freudebedingung, wohingegen diese Merkmale mit positiven Emotionen in der Trauerbedingung negativ korreliert war. Auch bei sozialen Problemen kam es in der Trauerinduktion zu gering ausgeprägten positiven Gefühlswahrnehmungen. 5.6.2 Psychopathologischer Aufnahmebefund Psychopathologische Symptome Wahnsymptome Halluzinationen formale Denkstörungen inhaltliche Denkstörungen Negativsymptome Katatone Symptome Tabelle 22: Patienten insgesamt (20) männlich (10) weiblich (10) 16 16 17 16 12 2 8 6 8 8 5 0 8 7 9 8 7 2 Häufigkeit von psychopathologischen Symptomen zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme bei jeweils 10 männlichen und weiblichen Patienten mit schizophrenen Psychosen und anderen psychotischen Syndromen Neben der Anwendung des Fragebogen YSR für Kinder und Jugendliche zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten wurden die psychopathologischen Aufnahmebefunde der einzelnen Patienten ausgewertet. 66 5.7 Patientensubgruppen 5.7.1. Schizophrene Psychosen und andere psychotische Syndrome 5.7.1.1 Enkodierung von Emotionen In der Quantifizierung des Emotionsinduktionseffektes von Freude und Trauer wurde sowohl bei schizophrenen Jugendlichen (7,7 ± 2,9) als auch bei für Patienten mit anderen psychotischen Störungen (5,6 ± 3,7) eine testinduzierte Stimmungsänderung nachgewiesen. Eine Änderung des subjektiv erlebten Gefühlszustandes war jedoch bei Schizophrenen stärker ausgeprägt. 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Gesunde insgesamt (20) Patienten insgesamt (20) Schizophrenie Andere psychot. Syndrome (11) (9) Drogenassoziiert (8) Nicht drogenassoziiert (12) Abbildung 13: Mittelwerte des Stimmungsinduktionseffektes (MI) der einzelnen Gruppen und Untergruppen mit Angabe der Anzahl der Probanden in Klammern Aus den Summenwerten der PANAS-Urteile ließ sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Emotion (p=0,014) nachweisen. Erwartungsgemäß war auch der Stimmungsinduktionseffekt anhand der Wechselbeziehung der Faktoren Bedingung x Emotion signifikant (p= 0,02). 67 9 5 4 Schizophrenie Andere psychotische Syndrome 3 Mittelwerte 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 Baseline Freude Trauer Kontrolle Abbildung 14: Änderung der emotionalen Befindlichkeit während der verschiedenen Bedingungen, dargestellt anhand der positiven PANAS-Differenzenwerte für 9 schizophrene Patienten und 11 Patienten mit anderen psychotischen Syndromen. 5 4 3 Schizophrenie Andere psychotische Syndrome Mittelwerte 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 Baseline Freude Trauer Kontrolle Abbildung 15: Änderung der emotionalen Befindlichkeit während der verschiedenen Bedingungen, dargestellt anhand der negativen PANAS-Differenzenwerte für 9 schizophrene Patienten und 11 Patienten mit anderen psychotischen Syndromen. Übereinstimmend mit den ESR-Urteilen, beurteilten Schizophrene auch in den PANASSkalen ihre Gefühlslage in der Ausgangsuntersuchung im Durchschnitt als stärker positiv als negativ, Patienten mit anderen psychotischen Syndromen genau umgekehrt. Während der Induktion von Freude kam es aber eher bei Jugendlichen mit psychotischen Störungen zu 68 einer Änderung der Gefühlslage, die Erzeugung von Trauer führte sowohl bei beiden Patientengruppen zu einer Abnahme der freudigen Stimmung bzw. Zunahme der traurigen Empfindung (vgl. Abb. 14 und 15, Tab.23 im Anhang). Während der Induktion von Freude wurden positive PANAS-Urteile im Durchschnitt häufiger von Schizophrenen und negativ erlebte Emotionen eher von Patienten mit psychotischen Störungen abgegeben. 5.7.1.2 Dekodierung von Emotionen Verschiedene emotionale Gesichtsausdrücke zu unterscheiden, gelang schizophrenen Jugendlichen weniger als gleichaltrigen Patienten mit psychotischen Syndromen. Die Anzahl der richtigen Lösungen lag von Patienten mit schizophrenen Psychosen im Prozentsatz unterhalb der Gesamtleistung aller untersuchten Patienten (vgl. Tabelle 24 im Anhang). Freudige Gesichter wurden von Schizophrenen weniger gut erkannt, wohingegen ihnen das Erkennen von Trauer (0,89 ± 0,05) anhand von Gesichtsausdrücken besser gelang als Patienten mit anderen psychotischen Syndromen (0,88 ± 0,04). Neutrale Gesichter wurden von Schizophrenen eher als traurig eingeschätzt. Dennoch waren diese Ergebnisse der Vergleichsgruppen so gering ausgeprägt, dass sie unterhalb des Signifikanzniveaus lagen. 5.7.1.3 Altersdiskrimination Signifikante Unterschiede in der Aufgabe, das Alter von Menschen unterschiedlicher Altersgruppen nur anhand von Gesichterportraits einzuordnen, waren nicht nachweisbar. Die Einschätzungen von schizophrenen Patienten (0,80 ± 0,07) lagen im mittleren Durchschnitt unterhalb der Zuordnungen von schizophrenen Patienten (0,81 ± 0,06). 5.7.1.4 Psychopathologische Daten Zwischen beiden Patientengruppen bestanden keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf psychopathologische Merkmale wie formale Denkstörungen, Depersonalisationserlebnisse, Wahnsymptome, Halluzinationen, katatone und negative Symptome und affektive Störungen. Aus den geschlechtsgetrennten Auswertungen fand sich jedoch eine stärkere Positiv- und Negativsymptomatik sowie häufiger Denkstörungen bei männlichen Schizophrenen, wohingegen bei Patienten mit psychotischen Syndromen diese Symptome häufiger bei weiblichen vorhanden waren. 69 Sowohl Life events, eine positive Familienanamnese für psychische Erkrankungen als auch Drogenkonsum und Schulstörungen fanden sich in beiden Gruppen in nahezu gleicher Häufigkeit. Alle Patienten mit schizophrenen Psychosen verneinten Suizidalität zum Zeitpunkt der Untersuchung, wohingegen die Hälfte der Jugendlichen mit psychotischen Syndromen zum Untersuchungszeitpunkt bestehende Suizidgedanken zugaben. Für diese Merkmal war der Unterschied signifikant (p = 0,01). Psychopathologie Schizophrenie Wahnsymptome Halluzinationen formale Denkstörungen inhaltliche Denkstörungen Negativsymptome Katatone Symptome Akute Suizidalität Tabelle 25: gesamt (9) 9 6 8 7 7 2 0 männl. (6) 6 4 6 5 4 0 0 weibl. (3) 3 2 2 2 3 2 0 Andere psychotische Syndrome gesamt (11) 7 7 9 9 5 0 5 männl. (4) 2 2 2 3 1 0 1 weibl. (7) 5 5 7 6 4 0 4 Vorherrschende psychopathologischen Aufnahmebefunde von männlichen und weiblichen Jugendlichen mit schizophrenen Erkrankungen und anderen psychotischen Störungen (mit Anzahl der Patienten in Klammern) Aus dem Fragebogen für Kinder und Jugendliche konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Dennoch fiel auf, dass Syndrome wie sozialer Rückzug, Angst und Depression, soziale Probleme, schizoides bzw. aggressives Verhalten und Aufmerksamkeitsstörungen häufiger bei Patienten mit Schizophrenien als bei anderen psychotischen Erkrankungen zu finden waren. Der Gesamtwert der Syndromskalen sowie die Werte der internalisierenden und externalisierenden Störungen von schizophrenen Jugendlichen lagen höher als die Werte der Syndromskalen von allen 20 Patienten (vgl. Tabelle 26, Anhang). 5.7.2 Drogenassoziierte und nicht-drogenassoziierte Psychosen Um der Frage nachzugehen, ob ein Unterschied bei der Enkodierung und Dekodierung von Emotionen zwischen Jugendlichen mit drogenassoziierten Psychosen und solchen, die ohne vorausgegangenem Drogenkonsum an einer akuten Psychose erkrankten, folgten weitere differenzierte Analysen der Patientengruppe. 70 5.7.2.1 Enkodierung von Emotionen Von Patienten mit positiver Drogenanamnese wurde im Gegensatz zu Patienten ohne Drogeneinnahme die Ausgangsstimmung vor Durchführung des Stimmungsinduktionstestes von ihnen selbst als stärker positiv eingeschätzt. Während der Induktion von Freude kam es bei Patienten ohne drogenassoziierten Psychosen zu einem signifikanten Überwiegen von positiven Emotionen, gemessen anhand der Differenz positiver und negativer PANAS-Urteile (p = 0,009). Die Berechnung des Emotionsinduktionseffektes ergab für Patienten mit Drogenkonsum einen durchschnittlichen Wert von 4,0 (±3,0), für Patienten ohne assoziierte Drogeneinnahme einen Mittelwert von 8,2 (±3,4). Ausgehend von einem Stimmungsinduktionseffekt bei >3, bestand demnach für beide Gruppen - für Patienten mit Drogenkonsum in höherem Masse ein Stimmungsinduktionseffekt durch den Facial Discrimination Test. Dass experimentelle Stimmungsinduktionen das subjektive Erlebens des emotionalen Befindens beeinflussen vermag, ließ sich anhand der signifikanten Wechselbeziehung der Faktoren Bedingung x Emotion aus den PANAS- (p = 0,004) sowie aus den ESR-Urteilen (p = 0,003) bestätigen. Die gelungene Emotionsinduktion bei Patienten mit bzw. ohne drogenassoziierten Psychosen war mit Hilfe der PANAS-Urteile in beiden Gruppen und Geschlechtern nachweisbar, da die Wechselbeziehung Bedingung x Emotion x Gruppe x Geschlecht im signifikanten Bereich lag (p =0,02). Ein signifikanter Geschlechtsunterschied war allerdings nicht festzustellen (p = 0,83), so dass auch keine geschlechtsdifferenzierten Auswertungen erfolgten. Die Änderungen der subjektiv eingeschätzten emotionalen Befindlichkeit von Patienten mit und ohne Drogenkonsum während der einzelnen Bedingungen der Emotionsinduktion geben folgende Abbildungen wieder (vgl. Tab. 27, Anhang): 71 5 Drogenassoziierte Psychosen 4 3 Nicht drogenassoziierte Psychosen Mittelwerte 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 Baseline Freude Trauer Kontrolle Abbildung 16: Änderung der emotionalen Befindlichkeit während der verschiedenen Bedingungen, dargestellt anhand der positiven PANAS-Differenzenwerte für Patienten mit und ohne drogenassoziierte Psychosen 5 4 3 Mittelwerte 2 Drogenassoziierte Psychosen Nicht drogenassoziierte Psychosen 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 Baseline Freude Trauer Kontrolle Abbildung 17: Änderung der emotionalen Befindlichkeit während der verschiedenen Bedingungen, dargestellt anhand der negativen PANAS-Differenzenwerte für Patienten mit und ohne drogenassoziierten Psychosen 5.7.2.2 Dekodierung von Emotionen In dem Facial Discrimination Test (PFDT) erreichten Patienten mit drogenassoziierten Psychosen im mittleren Durchschnitt 90 % (±5,18) korrekte Antworten (vgl. Tabelle 28,. Anhang). Die vergleichende Patientengruppe ohne Drogenkonsum lag im Durchschnitt bei 72 83% (±18,22) richtiger Lösungen. Somit liegt die Leistung von Patienten mit positivem Drogenkonsum oberhalb der von Patienten, deren psychotische Störung ohne einen möglichen Einfluss von psychotropen Substanzen aufgetreten war. Deutlich mehr Schwierigkeiten, traurige Gesichtsausdrücken zu erkennen und sie von neutralen zu differenzieren ebenso wie neutralen Gesichtsausdrücken keine Emotion zuzuordnen, lagen bei Patienten ohne drogenassoziierten Psychosen vor. Auch traten Verwechslungen von traurigen als neutral dargestellte Gefühlsausdrücke häufiger bei Patienten ohne Drogenkonsum auf, wohingegen sie Freude in geringer Weise eher besser wahrnehmen konnten als Drogenpatienten. Der Unterschied in der Wahrnehmung von Trauer trat in der Auswertung der Dekodierung von Emotionen hervor, blieb allerdings knapp unterhalb des Signifikanzniveaus (p = 0,087). Zusammenfassend kann man sagen, dass die Dekodierung von Emotionen Patienten mit drogenassoziierten Psychosen überwiegend besser gelang als psychotischen Patienten, welche keine Drogen unmittelbar vor Manifestation der Erkrankung eingenommen hatten. 5.7.2.3 Altersdiskrimination Die Einschätzungen von Patienten mit drogenassoziierten Psychosen (0,83 ± 0,08) lagen im mittleren Durchschnitt gering oberhalb der Zuordnungen von nicht drogenkonsumierenden Patienten (0,80 ± 0,06). Die Unterschiede zwischen den Patienten in der Fähigkeit, das Alter von Menschen unterschiedlicher Altersgruppen nur anhand von Gesichterportraits einzuschätzen, waren ebenfalls nicht signifikant. 5.7.2.4 Psychopathologische Daten In den Kompetenzskalen des Fragebogens YSR zeigten sich zwischen Patienten mit und ohne drogenassoziierten Psychosen signifikante Unterschiede in der Beurteilung der eigenen sozialen Kompetenzen. Patienten mit drogenassoziierten Psychosen schätzten sich weniger sozial kompetent ein als Patienten ohne drogenassoziierte Psychosen, wohingegen keine bedeutende Unterschiede in den Skalen Soziale Aktivitäten und Schule zwischen beiden Patientengruppen auftraten. Die in den Syndromskalen größten Unterschiede zwischen psychotischen Patienten mit und ohne Drogeneinnahme sind tabellarisch im Anhang aufgeführt (Tabelle 23). Signifikante Unterschiede der Patientensubgruppen bestanden in den Syndromskalen Dissoziales 73 Verhalten und Delinquenz (F(14,5) = 3,3; p = 0,005) sowie Aggressives Verhalten (F (16,8) = 2,57; p = 0,02). Die durchschnittlichen Mittelwerte der Drogenpatienten waren hier höher als bei nicht drogenkonsumierenden Patienten. Demzufolge zeigte der Externalisations-Rohwert als Zusammenfassung der beiden Skalen einen hochsignifikanten Unterschied zwischen Patienten dieser Untergruppen. Keine bzw. geringfügige Unterschiede zwischen beiden Patientengruppen lagen für die Syndromskalen Sozialer Rückzug, Soziales Rückzugsverhalten, Angst und Depression sowie schizoides und zwanghaftes Verhalten vor. Diese Syndrome scheinen für psychotische Kinder und Jugendliche gegenüber gesunden Adoleszenten zwar stärker ausgeprägt, jedoch unbeeinflusst von der Einnahme psychotroper Substanzen zu sein. Körperliche Beschwerden, Aufmerksamkeitsstörungen sowie andere Probleme wurden im mittleren Durchschnitt etwas häufiger von Patienten mit drogenassoziierten Psychosen angegeben. Syndromskala der 1. bzw. 2.Ordnung Patienten mit Drogenkonsum ohne Drogenkonsum Aufmerksamkeitsstörung 11,0 ± 0,98 9,8± 0,5 Delinquenz/ Dissozialität 9,9 ± 1,1 5,3 ± 0,8 Aggressives Verhalten 15,8 ± 1,8 9,4 ± 1,7 Externalisierende Störung 23,1 ± 1,6 15,0 ± 2,1 Tabelle 29: Syndromskalen aus dem Fragebogen für Jugendliche mit signifikanten Unterschieden (außer Aufmerksamkeitsstörung) zwischen Patienten mit und ohne drogenassoziierten Psychosen Aus den psychopathologischen Befunden der Patienten bei stationärer Aufnahme ging hervor, dass Negativsymptome häufiger bei psychotischen Patienten ohne Drogenkonsum vorhanden waren. Produktive Symptome wie Wahn und Halluzinationen hingegen wurden häufiger bei Patienten mit drogenassoziierten Psychosen beobachtet (vgl. Tab. 30, Anhang). 74 6.0 Diskussion 6.1 Enkodierung von Emotionen bei Gesunden und psychotischen Patienten Um emotionales Erleben kontrolliert untersuchen zu können, muss man auf Methoden der Emotionsinduktion zurückgreifen. Die Induktion von Emotionen in künstlich geschaffenen Untersuchungssituationen bringt eine Reihe methodischer Probleme mit sich. Entscheidend ist, Probanden in den angestrebten Stimmungszustand hineinversetzten zu können und diesen Effekt replizierbar zu messen. In der vorliegenden Untersuchung zeigte die bereits mehrfach im Erwachsenenbereich und bisher seltener bei Kindern und Jugendlichen erprobte, standardisierte Methode der Stimmungsinduktion erneut eine Wirksamkeit. Es gelang die Replikation bisheriger Befunde im subjektiven Bereich auch für 20 Kinder und Jugendlichen mit psychotischen Störungen sowie für gesunde Kontrollprobanden. Die Methode zur Emotionsinduktion ermöglicht den Einsatz bei Kindern und Adoleszenten im Alter von 11 bis 20 Jahren. 6.1.1 Subjektives Emotionserleben anhand PANAS- und ESR-Urteile 6.1.1.1 Patienten versus gesunde Kontrollpersonen Sowohl gesunden Kontrollprobanden als auch Jugendlichen mit psychotischen Erkrankungen gelang es, sich mit Hilfe des Emotionsinduktionstestes in die gewünschte Stimmungslage hineinzuversetzen. Bei schizophrenen und gesunden Erwachsenen war ein solcher Stimmungseffekt bereits nachgewiesen worden (Schneider et al., 1995b). Ebenso zeigten Untersuchungen an Erwachsenen und Kindern mit mentaler Retardierung, dass mit Hilfe des Emotionsinduktionstestes auch bei gesunden Kindern und Jugendlichen Änderungen im emotionalen Erleben zu erreichen sind (Rojahn et al., 1995). Erstmalig sind jedoch Patienten im Adoleszentenalter mit psychotischen Erkrankungen mit der Methode zur Induktion von Affekten untersucht worden. Die Stimmungsinduktion gelang den Patienten zwar, jedoch war das subjektive emotionale Erleben quantitativ abgeschwächt und bestätigt damit die Ergebnisse von Schneider et al. (1995b) und Weiss (1998). Die Autoren hatten anhand der gleichen Befindlichkeitseinschätzungen ebenfalls ausgeprägtere Stimmungsveränderungen bei gesunden Erwachsenen im Vergleich zu Schizophrenen gefunden. 75 Anhand der Selbstbeurteilungsskalen (PANAS, ESR) wurde deutlich, dass psychotische Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden eine geringere Änderung der emotionalen Befindlichkeit während der Freude- und Trauerinduktion verspüren. Signifikant schwächer fiel bei den Stimmungsinduktionseffekt Patienten für die im Gegensatz Trauerbedingung zu Kontrollpersonen gemessen anhand der der ESR- Beurteilungsskala ebenso wie der Induktionseffekt der Freudebedingung gemessen anhand der PANAS-Selbstbeurteilungsskala aus. Demnach gelang es Patienten nicht in gleichem Masse wie gesunden Probanden, sich in den experimentell vorgegebenen freudigen und traurigen Stimmungszustand hineinzuversetzen. Weiss (1998) wies bei erwachsenen Schizophrenen signifikant geringere Ratings in den PANAS- und ESR-Urteilen im Bereich negativer Emotionen während der Trauerinduktion nach. Mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie Amygdalaaktivierungen wurden als in der standardisierten neurobiologisches Korrelat Emotionsinduktion der reduzierten fehlende subjektiven Empfindung von negativen Emotionen nachgewiesen. Der Amygdala kommt bei der Bedeutungszuweisung und Assoziationsbildung von Emotionen eine zentrale Rolle zu. Mit bisherigen bildgebenden Verfahren wie PET oder fMRI zur standardisierten Emotionsinduktion manifestierten sich Bedingungs- und Gruppeneffekte neben weiteren Regionen überwiegend in der Amygdala (Schneider et al., 1995a, 1997, 1998). Die während der Trauerinduktion ausbleibende Amygdalaaktivierung bei erwachsenen Schizophrenen wurde als charakteristisches Merkmal der vorbeschriebenen Störung im Affektsystem Schizophrener gedeutet. Dass die Induktion von Freude bei Kontrollpersonen sich schwächer auf das subjektive Erleben von Freude auswirkte, könnte möglicherweise auf die Motivation der Jugendlichen zurückgeführt werde. Die motivationale Komponente wurde während der Stimmungsinduktion nicht erfasst, so dass der Einfluss der Motivation auf das subjektive Erleben der Emotionen nicht überprüft werden konnte. Man könnte diesbezüglich annehmen, dass die Untersuchungen bei Patienten im Zusammenhang mit weiteren üblichen diagnostischen Untersuchungen mit einer größeren Motivation bei Patienten verbunden waren als bei freiwillig teilnehmenden Jugendlichen. Aus den Einschätzungen der Ausgangsstimmungen (Baseline) der 40 Versuchsteilnehmer wurde ersichtlich, dass Patienten gegenüber Kontrollpersonen insgesamt stärker negativ attributierte Werte benutzten, um ihren Gefühlszustand vor Beginn der Untersuchungen zu beschreiben. Auch Gefühlszustände wie Trauer, Ärger, Ekel und Furcht waren bei Patienten in höherer Ausprägung zu finden als in der gesunden Vergleichsgruppe. Die Befunde lassen 76 sich auch mit den Ergebnissen von Soussignan (1995) hinsichtlich des emotionalen Ausdrucks von gesunden und entwicklungsretardierten Kindern in Übereinstimmung bringen. Normal entwickelte Kinder drückten einen negativen emotionalen Zustand neutraler aus als retardierte Kinder. Daraus wird die soziale Beeinflussbarkeit des emotionalen Ausdrucks ersichtlich. Kinder, deren sozialer Entwicklungsstand nicht der Altersnorm entspricht, unterliegen diesem Einfluss weitaus weniger als normal entwickelte Kinder. Möglicherweise gehen mit der Erkrankung und dem Krankenhausaufenthalt reaktiv auch negative Gefühle einher. Allerdings können die bei psychotischen Kindern und Jugendlichen vorherrschenden negativen Emotionen, insbesondere Trauer, auch als charakteristische Negativsymptome einer schizophrenen Erkrankung gedeutet werden. Die vorherrschend traurige Grundstimmung der Patienten spiegelte sich auch in ihrer psychopathologischen Selbstbeurteilungsskala wieder. Gesunde Kinder und Jugendliche beschrieben ihren Gefühlszustand sowohl vor als auch während der Untersuchungen im Durchschnitt als stärker positiv als Patienten. Eine fröhlichere Ausgangsstimmung von Gesunden fand sich bereits bei Erwachsenen (Martin et al., 1990). Dass die Induktion von Trauer bei Kindern und Jugendlichen im Gegensatz zur Erzeugung von freudigen Gefühlen schwerer fällt, war bereits in vorangegangenen Langzeituntersuchungen aufgefallen. Junge Kinder reagierten generell eher auf die Induktion von Freude als auf die Erzeugung von Trauer (Bugental & Moore, 1979). Aus diesen Ergebnissen kann man folgern, dass bereits bei psychotischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter das emotionale Erleben messbar beeinträchtigt ist. Hieraus ergibt sich die Fragestellung, ob der Befund auf bestimmte Untergruppen der Patientengruppe mit psychotischen Erkrankungen beschränkt ist. Die Patientenstichprobe war bezüglich der diagnostischen Untergruppe Schizophrenie (n = 9, davon 6 männliche, 3 weibliche) versus andere psychotische Erkrankung (n = 11, 4 männliche, 7 weibliche) ebenso wie der Untergruppe drogenassoziierte (n = 8, 5 männliche, 3 weibliche) und nicht drogenassoziierte Psychose (n = 12, männlich, weiblich) nahezu homogen. 6.1.1.2 Schizophrenie versus andere psychotische Syndrome Vor Beginn der Untersuchungen lag in den Selbstbeurteilungsskalen PANAS und ESR überraschenderweise bei schizophrenen Jugendlichen eine deutlich positivere Grundstimmung vor als bei Jugendlichen mit anderen psychotischen Störungen. Negative 77 Emotionen, insbesondere Trauer, wurden in den ESR-Ratings von Jugendlichen mit psychotischen Syndromen explizit geäußert. Die Erzeugung von Freude mit Hilfe des Stimmungsinduktionstestes zeigte bei Kindern und Jugendlichen mit psychotischen Syndromen im Vergleich zu Schizophrenen einen stärkeren Effekt, wohingegen die Induktion von Trauer stärker negative Emotionen bei schizophrenen Jugendlichen als bei Patienten mit anderen psychotischen Erkrankungen hervorrief. Obwohl die positiven und negativen Emotionen bei Schizophrenen im Durchschnitt geringer ausgeprägt waren als bei gesunden Jugendlichen, divergieren diese Ergebnisse mit den Untersuchungen an erwachsenen Schizophrenen (Schneider et al., 1995; Weiss, 1998). Der bei erwachsenen Schizophrenen betroffene Bereich negativer Affekte (Schneider et al., 1992a) ließ sich demnach nicht bei schizophrenen Kindern und Jugendlichen bestätigen. Möglicherweise scheint in diesem frühen Stadium die Fähigkeit zu ihrer expressiven Darstellung (Schneider et al., 1992c) noch nicht reduziert zu sein. Aufgrund der Stichprobenzusammensetzung und des Korrelationsmusters lässt sich demnach eine Einschränkung des Befundes auf die Untergruppe Schizophrenie vornehmen. Mit Hilfe des funktionellen Kernspintomogramms konnte bei schizophrene Erwachsenen eine im Gegensatz zu Gesunden fehlende Aktivierung der Amygdala während der Induktion von Trauer demonstriert werden (Schneider et al., 1998; Weiss, 1998). Aus diesen strukturelle Veränderungen im Bereich der Amygdala können die bei erwachsenen Schizophrenen emotionalen Störungen auf charakteristische funktionelle Fehlsteuerungen im limbischen System geschlossen werden. Man kann vermuten, dass bei jungen Patienten mit - wie in der vorliegenden Patientengruppe-erstdiagnostizierten schizophrenen Psychosen solche funktionelle Veränderungen noch nicht so stark ausgeprägt sind, als dass sie das emotionale Erleben zu verändern vermögen, oder sich erst zum späteren Zeitpunkt der Erkrankung manifestieren. Demzufolge lässt sich in beiden Fällen die als Ausdruck der limbischen Dysfunktion auftretenden Störungen im Bereich negativer Affekte nicht bzw. noch nicht mit den vorliegenden Methoden nachweisen. Die Verbindung mit Untersuchungen im funktionellen Kernspintomogramm sowie Verlaufsuntersuchungen von juvenilen Schizophrenien über weitere Jahre der Erkrankung hinweg wären zur Beurteilung und Differenzierung dieses Resultats sicherlich hilfreich. An diesem Punkt bleibt ferner unbeantwortet, warum Jugendliche mit anderen psychotischen Syndromen im Gegensatz zu Schizophrenen weniger sensibel auf die Erzeugung von negativen Emotionen ansprachen. Dieses Ergebnis überrascht, zumal bei schizophrenen Jugendlichen anhand der psychopathologischen Befunde eine tendenziell (aber nicht 78 signifikant) stärkere Negativsymptomatik zu erheben war, und diese nach Weiss (1998) bei erwachsenen Schizophrenen bisher mit einem geringeren Stimmungsinduktionseffekt assoziiert war. Positiv- und Negativsymptome nahmen in den Untersuchungen an erwachsenen Schizophrenen gleichermaßen Einfluss auf das Erleben von Freude und Trauer (Weiss, 1998). Je stärker allerdings die Negativsymptomatik ausgeprägt war, desto schwerer fiel es den Patienten, Freude zu empfinden, während mit zunehmend mehr Positivsymptomatik beide Emotionen, insbesondere Trauer, schwerer erreichbar waren (Weiss, 1998). Grundsätzlich bestanden bei Patienten mit schizophrenen und anderen psychotischen Störungen keine signifikanten Differenzen in den vorherrschenden psychopathologischen Symptomen. Da allerdings Halluzinationen als eines der produktiven Symptome bei Patienten mit anderen psychotischen Erkrankungen dominierten, könnte hier in Anlehnung an Weiss (1998) die Ursache der verminderten Erzeugung von Trauer im Stimmungsinduktionstest liegen. Der sich bei schizophrenen Adoleszenten als signifikant erwiesene höhere Stimmungsinduktionseffekt weist auf eine unterschiedliche Verarbeitung emotionaler Prozesse zwischen Schizophrenen und Patienten mit anderen psychotischen Syndromen hin. 6.1.1.3 Drogenassoziierte versus non-drogenassoziierte Psychosen Die Wirkung der Emotionsinduktion war bei psychotischen Patienten ohne Drogenkonsum doppelt so hoch als bei Patienten ohne drogenassoziierte Psychosen und erreichte sogar nahezu die bei gesunden Teilnehmer gemessenen Werte. Demgegenüber war die Stimmungsinduktion bei Patienten, welche unmittelbar vor Manifestation der psychotischen Erkrankung zum Teil Drogen eingenommen hatten, quantitativ äußerst gering. Die Einnahme von psychotropen Substanzen führt in Zusammenhang mit psychotischen Syndromen zu affektiven Verhaltensauffälligkeiten. Das affektive Verhalten bei Jugendlichen mit psychotischen Erkrankungen, bei denen ein Zusammenhang mit der Einnahme von psychotropen Substanzen bestand, ist, wie in den vorliegenden Untersuchungen bestätigt werden konnte, qualitativ und quantitativ reduziert. Psychogene Substanzen wie Cannabis, Ecstasy, Amphetamine, Marihuana und Psilocybin, welche bei einem Teil der psychotischen Patienten sogar polyvalent konsumiert wurden, scheinen das Affektsystem zu beeinflussen, sei es, über dem Weg einer Induktion einer psychotischen Störung oder bei bereits vorbestehender psychotischer Prodromalsymptomatik im Sinne einer Potenzierung der mit der Psychose verbundenen Störung im emotionalen Bereich. Klinisch ließen sich bei den 8 79 Drogenpatienten zu gleichen Anteilen schizophrene Psychosen wie andere psychotische Störungen diagnostizieren. In bezug auf die Frage einer Induktion oder Assoziation von psychotropen Substanzen mit juvenilen Psychosen wäre am ehesten von letzterer auszugehen. Da nicht bei allen Patienten mit drogenassoziierten Patienten hervorging, wie häufig und wie lange Drogen vor Manifestation der Psychose eingenommen worden waren, lassen sich allerdings durch Drogenkonsum bereits vorbestehende Affektstörungen nicht beurteilen. Ebenfalls offen bleibt demnach die Frage, ob Drogen als Mittel zur Krankheitsbewältigung benutzt worden sind oder letztendlich zum Ausbruch einer Psychose führten. Mit Hilfe der standardisierten Methode zur Stimmungsinduktion scheint eine neue Möglichkeit gegeben zu sein, juvenile Schizophrenien und andere psychotische Syndrome mit Drogenassoziation von nicht drogenassoziierten Psychosen abzugrenzen. 6.2 Dekodierung von Emotionen bei Gesunden und psychotisch Kranken Die Leistungen in der Differenzierung emotionaler Gesichtsausdrücke liegen bei gesunden Erwachsenen bei nahezu 100% (Weiss 1998). Gesunde Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 21 Jahren erreichten in der vorliegenden Arbeit nahezu 90%. Die Fähigkeit, emotional dargebotene Reize zu erkennen und richtig einzuschätzen, unterliegt ebenso wie anderen neuropsychologischen Verhaltensmerkmalen einem Lern- und Reifungsprozess. Rojahn et al. (1996) fanden diesbezüglich keine signifikant geringeren Emotionsdiskriminationsleistungen von 16 Kindern (7 männliche, 9 weibliche) im Alter von 6,5 und 12 Jahren gegenüber mental retardierten Erwachsenen. Da kognitive Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter vom Altersund Entwicklungsstand abhängig sind und somit unter gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen divergieren, ließ sich auch anhand der Leistungen in der Emotionsdiskrimination der 20 gesunden Kontrollpersonen bestätigen. Bei den prozentual richtigen Lösungen in der Emotionsdiskrimination fiel eine sehr große Standardabweichung auf, die dadurch zustande kam, dass sich innerhalb der Kontrollgruppe Jugendliche befanden, die fehlerfrei die Emotionen zuordnen konnten und wiederum solche mit Schwierigkeiten in der Differenzierung von Emotionszuständen. In der Erkennung von Emotionen ergab die tachistoskopische Darbietung von emotionalen Gesichtsausdrücken, dass Kinder und Jugendliche mit psychotischen Störungen ebenfalls größere Schwierigkeiten als gleichaltrige gesunde Teilnehmer hatten, Emotionen in Form von Gesichterportraits zu differenzieren. Es kam ferner bei psychotischen Patienten häufiger zu Verwechslungsfehlern, wobei vor allem positive Emotionsdarstellungen als negativ 80 eingeschätzt wurden. Auch nahmen männliche Patienten in Übereinstimmung mit Untersuchungen an erwachsenen Schizophrenen (Schneider et al., 1995b) bei der Emotionsdiskrimination freudiger, trauriger und neutraler Gesichter häufiger fälschlicherweise Freude in neutralen Gesichtern wahr. Als neutral präsentierte Gesichtsausdrücke waren insgesamt von Gesunden leichter zu identifizieren als von psychotischen Jugendlichen, denn hierbei kam es zu weniger Verwechslungsfehlern und Fehleinschätzungen von neutralen Emotionen in positive oder negative. Positive Gefühlsausdrücke in Gesichterportraits wurden von Patienten gegenüber den gesunden Kontrollprobanden sogar in gering Masse, aber nicht signifikant, besser erkannt. Dass der Umgang mit positiven Emotionen auch jungen Patienten mit psychotischen Störungen keine größeren Probleme zu bereiten scheint, konnte bereits bei Erwachsenen nachgewiesen werden (Bellack et al., 1992; Garfield et al., 1987; Mandal und Rai, 1987). Bei gesunden Kindern und Jugendlichen hat die Dekodierung von Ausdrücken der sechs Basisemotionen anhand der Darbietung von Gesichtern gezeigt, dass die Erkennung von Freude einfacher war als die von Trauer. Die Erfassung der Grundemotionen Angst und Ekel bereiteten den Kindern die meisten Schwierigkeiten (Lenti et al., 1999). Die mit größeren Fehlern behaftete Erkennung von negativen Emotionen bei Jungen und Mädchen gleichermaßen wurde von den Autoren auf unangenehme Einflüsse dieser Emotionen auf ihr Wahrnehmungsvermögen zurückgeführt. Schwierigkeiten in der Erkennung von Angst und Ärger konnten in späteren Untersuchungen von den gleichen Autoren bei Kindern und Jugendlichen mit depressiven Störungen festgestellt werden (Lenti et al., 2000). Im Gegensatz zu gesunden und depressiven Adoleszenten traten in der vorliegenden Untersuchung bei psychotischen Patienten weniger Schwierigkeiten in der Erkennung von negativen Emotionen als bei positiven und neutral dargestellten Gefühlszuständen. Allerdings fand sich Wahrnehmung und Erfassung der Intensität von traurigen Emotionen sowohl zwischen gesunden als auch psychotischen Kindern und Jugendlichen ein signifikanter Geschlechtsunterschied. Männliche Versuchsteilnehmer waren in der Dekodierung von negativen Emotionen den weiblichen überlegen. 6.2.1 Geschlechtsunterschiede Die Geschlechtsunterschiede entsprechen den Befunden mit Erwachsenen von Berenbaum und Rotter (1992). Sie divergieren allerdings mit den Ergebnissen der vorausgegangenen 81 Studie an erwachsenen Schizophrenen (Weiss 1998), in denen weder in der Freude- oder Trauerinduktion noch in der kognitiven Kontrollaufgabe des Stimmungsinduktionstests Geschlechtsunterschiede nachgewiesen wurden. Von allen 20 Patienten mit psychotischen Störungen kam es bei weiblichen Adoleszenten gegenüber ihren männlichen Gleichaltrigen bis zu 10% zu häufigeren Fehlern in der Emotionsdiskrimination. Weibliche Patienten hatten größere Schwierigkeiten, traurige Gesichterportraits zu erkennen und zuzuordnen. Dabei kam es zu häufigeren Fehleinschätzungen, wobei insbesondere neutrale Gesichtsausdrücke für traurig gehalten wurden. Dieser bei weiblichen Patienten stärker beeinträchtigte Umgang mit negativen Emotionen als Hinweis auf eine mangelnde Fähigkeit bei der Unterscheidung von verschiedenen in Gesichtsaudrücken enthaltenen Gefühlszuständen bestätigt die bei erwachsenen Schizophrenen wiederholt nachgewiesenen Dekodierungsdefizite (Borod et al., 1993; Dougherty et al., 1974; Garfield et al., 1987; Kline et al., 1002; Schneider et al., 1995b). Negative Emotionen scheinen allerdings generell schlechter erkennbar zu sein (Ekman, 1972). Anhand privater Videoaufzeichnungen aus der frühen Kindheit später schizophren Erkrankter konnten von den Autoren Walker und Lewine (1990) insbesondere bei weiblichen präschizophrenen Personen weniger emotionale Ausdrucksformen der Freude in dem gesamten Zeitraum der Kindheit nachgewiesen werden. Dekodierungsdefizite bei juvenilen Psychosen scheinen sich demnach bereits früh zu manifestieren und lassen sich möglicherweise sogar vor Manifestation der Erkrankung als Verhaltensauffälligkeit nachweisen. Gleichzeitig weisen die vorliegenden Daten in Verbindung mit der von Walker et al. (1993, 1996) dokumentierten emotionalen Ausdrucksfähigkeit auf eine möglicherweise krankheitsspezifische und unterschiedliche emotionale Verarbeitung hin, welche insbesondere bei weiblichen Jungendlichen mit psychotischer Erkrankung zu finden sind. Schlechtere Diskriminationsleistungen von weiblichen Patienten korrelierten mit überwiegend negativen Symptomen wie Affektverflachung und Antriebsminderung. In vorangegangenen Studien an schizophrenen Erwachsenen ließ sich dieser Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der vorliegenden Positiv- oder Negativsymptomatik und den Leistungen in der Emotionsdiskrimination darstellen (Weiss 1998). Allerdings wurde auch eine fehlende selektive Beeinflussung durch Positiv- oder Negativsymptomatik beschrieben (Schneider et al., 1995b). Anhand des psychopathologischen Aufnahmebefundes als auch anhand der Syndromskalen des YSR-Fragebogens für Jugendliche waren weibliche Patienten gegenüber ihren männlichen Gleichaltrigen durch eine höhere Negativsymptomatik gekennzeichnet. 82 Wahnerleben und Halluzinationen im Rahmen einer Positivsymptomatik waren bei männlichen und weiblichen Patienten gleichermaßen ausgeprägt. Die Dekodierung von Emotionen ließ sich bei Erwachsenen in Zusammenhang mit dem Auftreten von kognitiven Leistungen wie Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und sprachlichen Fähigkeiten bringen (Kohler et al., 2000). Aufmerksamkeitsprobleme, welche unteren anderen psychopathologischen Symptomen im Fragebogen für Jugendliche (YSR) erhoben wurden, waren bei männlichen Patienten in geringem Maß intensiver (allerdings nicht signifikant höher) ausgeprägt. Schlechtere Dekodierungsleistungen können demnach nicht auf Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsstörungen der Patientinnen zurückgeführt werden. Der Angstzustand während der Untersuchungen bei Patienten und Kontrollprobanden wurde nicht analysiert, ein möglicher Einfluss z.B. auf die schlechtere Dekodierungsleistung weiblicher Patienten kann somit nicht ausgeschlossen werden. Kognitive Einschränkungen, welche sich zum Beispiel bei Kindern im Schulalter in Form von Lernschwierigkeiten auf verbaler und nonverbaler Ebene äußern, führen gegenüber gesunden Kindern zu Defiziten, Grundemotionen zu erkennen (Dimitrovsky et al., 1998). Dabei scheinen die Leistungen von Kindern mit nicht-verbalen Lernschwierigkeiten am stärksten beeinträchtigt zu sein, die nach Ekman und Friesen determinierten Emotionen zu erfassen. Die in der Altersdiskrimination gegenüber männlichen Patienten geringeren Leistungen weiblicher Patienten weisen auf verminderten kognitive Fähigkeiten der weiblichen Patientengruppe hin und könnte für die reduzierten Dekodierungsfähigkeiten im Sinne der beschriebenen non-verbalen Defizite herangezogen werden. Weibliche gesunde Kontrollprobanden zeigten im Vergleich zu allen Versuchsteilnehmern bei der Erkennung von Freude und Trauer gleichermaßen die größten Schwierigkeiten. Ursächlich wären die im Fragebogentest gegenüber männlichen Gesunden auffallend höheren Aufmerksamkeitsstörungen oder eine verminderte Motivation weiblicher Kontrollpersonen denkbar. Außerdem waren sie mit einem mittleren Durchschnittsalter von 16,6 Jahren über ein Jahr jünger als die männlichen gesunden Teilnehmer (17,7 Jahre). Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen zeigten, dass die Dekodierungsfähigkeit innerhalb verschiedener Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen Unterschiede aufweisen (Lenti et al., 1999). Dies führt zu der Annahme, dass die schlechteren Leistungen weiblicher Kontrollpersonen in der Erkennung von traurigen Gesichtsausdrücken auf den hier vorliegenden Altersunterschied zwischen weiblichen und männlichen Jugendlichen basieren. Auch wenn Lenti et al. (1999) keinen linearen Zusammenhang zwischen wachsendem Alter und steigender Kompetenz in der Emotionsdiskrimination nachweisen konnte, lässt sich zwischen den gesunden 83 Teilnehmern ein solcher Zusammenhang nicht ausschließen. Außerdem lagen innerhalb der weiblichen Kontrollgruppe hohe Standardabweichungen in der Dekodierung von Emotionen vor, hinweisend auf große Leistungsunterschiede zwischen einzelnen Beurteilern. 6.2.2 Schizophrenien versus psychotische Syndrome Reduzierte emotionale Diskriminationsleistungen bei erwachsenen Patienten mit schizophrenen Psychosen wurden bereits häufig replizierbar gefunden (Schneider et al., 1995b). Die Urteile in der Dekodierung von Emotionen waren analog hierzu auch bei 9 schizophrenen Jugendlichen mit häufigeren Fehlern verbunden als bei 11 Patienten mit anderen psychotischen Syndromen. In Übereinstimmung mit Untersuchungen an erwachsenen Schizophrenen (Schneider et al., 1995b) kam es auch bei schizophrenen Jugendlichen im Vergleich zu Patienten mit anderen psychotischen Syndromen zu häufigeren Verwechslungsfehlern, wobei positive Emotionsdarstellungen häufig als negativ eingeschätzt und neutrale Gesichter eher als traurig verkannt wurden. Nach Mandal et al. (1999) bestehen bei schizophrenen Patienten weniger Schwierigkeiten in der Dekodierung von negativen Emotionen wie Angst oder Ärger im Gegensatz zu positiven Emotionen. Diese von den Autoren als emotionsspezifisch aufgefassten Dekodierungsdefizite bei schizophrenen Erwachsenen konnten in der vorliegenden Untersuchung bei juvenilen Schizophrenen bestätigt werden. Schlechtere Diskriminationsleistungen bei erwachsenen Schizophrenen korrelierten mit dem Schweregrad negativer Symptome und bizarrem Verhalten (Schneider et al., 1995b). Auch bei jugendlichen Schizophrenen waren gegenüber Patienten mit psychotischen Syndromen häufiger Negativsymptome nachweisbar, welche mit einer schlechteren Dekodierung von Emotionen assoziiert waren. Allerdings besteht auch ein Zusammenhang mit den bei schizophrenen Jugendlichen häufiger nachweisbaren positiven Symptomen wie Halluzinationen und Wahn, da diese produktive Psychopathologie sehr stark das Konzentrations- und Aufmerksamkeitsverhalten beeinträchtigen und konsekutiv mit fehlerhaften Urteilen in der Diskrimination verbunden war. 6.2.3 Drogenassoziierte versus nicht drogenassoziierte Psychosen Die Dekodierung von Emotionen war bei Patienten mit und ohne drogenassoziierten Psychosen nicht signifikant unterschiedlich, sie gelang Drogenpatienten sogar geringfügig 84 besser. Die Einnahme von psychotropen Substanzen in Verbindung mit psychotischen Syndromen scheint demnach keinen maßgeblichen Einfluss auf die Dekodierungsfähigkeit der Betroffenen zu haben. Im Vergleich zu gesunden Adoleszenten imponierten jedoch bei psychotischen Jugendlichen mit und ohne Drogenkonsum Defizite im emotionalen Diskriminationsvermögen. Dadurch, dass sich unter Patienten mit und ohne drogenassoziierten Psychosen Schizophrene nahezu gleichermaßen befanden, ließen sich möglicherweise keine großen Differenzen in der Dekodierung von Emotionen nachweisen. Insgesamt 4 Patienten (3 männliche, 1 weibliche) mit nachweislichem Drogenkonsum waren an einer Schizophrenie erkrankt, bei den übrigen 4 drogenkonsumierenden Patienten (2 männliche, 2 weibliche) bestanden andere psychotische Störungen. Von 12 Patienten, bei denen kein Zusammenhang zu psychotropen Substanzen erhoben werden konnte, bestand bei 5 Patienten (3 männliche, 2 weibliche) eine Schizophrenie, eine psychotische Störung lag bei 7 Patienten (2 männliche, 5 weibliche) vor. 6.3 Altersdiskrimination und Geschlechterdiskrimination Schizophrene Patienten hatten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden keine Schwierigkeiten, das Alter anhand der Darbietung von verschiedenen Gesichtern einzuschätzen (Kohler et al., 2000). Auch in den vorliegenden Untersuchungen ließen sich keine Unterschiede in der Altersdiskrimination zwischen gesunden und psychotischen Jugendlichen demonstrieren. In den jeweiligen Untergruppen der Patienten - Schizophrenie versus andere psychotische Erkrankungen und drogenassoziierte versus nicht- drogenassoziierten Psychosen - waren ebenfalls keine von der Kontrollgruppe signifikant abweichende geringere Fähigkeit in der Differenzierung des Alters anhand von Gesichterportraits zu finden. Kognitive Hirnleistungen werden demnach nicht wie das Affektsystem durch psychotische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter beeinflusst, unabhängig von der Art und des Ausmaßes der psychotischen Störung. Erneut ließen sich jedoch von den übrigen Patienten- und Kontrollgruppen abweichend schlechtere Leistungen bei weiblichen Kontrollpersonen nachweisen. Dieses Phänomen findet eine Übereinstimmung mit den bereits oben beschriebenen geringeren Dekodierungsfähigkeiten weiblicher Gesunder gegenüber männlichen Kontrollprobanden und weist auf möglicherweise zufällig vorhandene kognitive Minderleistung der weiblichen Gesunden hin. Eine allgemeingültige Schlussfolgerungen auf eine geschlechtsabhängige 85 Fähigkeit darf hieraus nicht postuliert werden, schließlich schien sich dieses Ergebnis nicht signifikant auf die Gesamtleistung der Gesunden auszuwirken. Wie auch die bisherigen Ergebnisse zu der standardisierten Stimmungsinduktion gezeigt haben, hatte die Geschlechterdiskrimination als Kontrollbedingung auch bei Kindern und Jugendlichen keinen Einfluss auf die Änderung der Stimmungslage (Schneider, 1995b; Weiss, 1998). 6.4 Psychopathologische Befunde Man könnte annehmen, dass das Vorherrschen bestimmter psychopathologischer Symptome, wie zum Beispiel die Affektverflachung, das emotionale Empfinden und Erkennen beeinflusse. Psychopathologische Aufnahmebefunde sowie eine faktorenanalytische Fragebogenmethode wurden zu Erhebung des psychopathologischen Befundes der Patienten herangezogen.. Inwieweit Unterschiede in der Intensität und Akzentuierung psychopathologischer Symptome zwischen einzelnen Patienten bestanden, konnte aus dem Fragebogen für Jugendliche nicht hervorgehen, da die Syndromskalen des Fragebogens für die Individualdiagnostik nicht hinreichend sind. Aus dem direkten Vergleich mit gesunden Kontrollprobanden wurden hochsignifikante psychopathologischen Verhaltensauffälligkeiten in der Patientengruppe gefunden, welche tendenziell mit den bereits beschriebenen psychischen Veränderungen im Rahmen einer Psychose übereinstimmen. Psychotische Jungen und Mädchen zeigten anhand der Selbsteinschätzungen im Fragebogen für Jugendliche deutliches Rückzugverhalten im sozialen Bereich, welches sich im einzelnen in Form verminderter Kommunikation, geringerer Aktivität im außerschulischen Bereich sowie durch Meiden von freundschaftlichen Beziehungen äußerte. Angst und Depressivität standen bei männlichen und weiblichen psychotischen Adoleszenten im Vordergrund und war mit sozialen Problemen und Rückzugsverhalten verbunden. Probleme im sozialkommunikativen Bereich sowie das Vorherrschen von Angst und Depressivität stellen eine Beziehung zu psychotischen Erkrankungen her, zum einen im Rahmen charakteristischer Negativsymptome einer Schizophrenie und zum anderen als Merkmale des Prodromalstadiums bzw. der akut psychotischen Phase (Ciompi, 1998). Untersuchungen zum Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Manifestation und den Verlauf der Schizophrenie verdeutlichen das Problem der Interaktion zwischen Umwelteinflüssen und Merkmalen der Erkrankung. Geht man davon aus, dass Rückzugsverhalten, Ängste und Depressivität der 86 erkrankten Jugendlichen als Ausdruck einer prämorbiden Persönlichkeitsveränderung länger als den durch die Fragebogenmethode erfassten Zeitraum von vier Wochen vorhanden waren, so kann man die sich daraus entstehenden Schwierigkeiten im sozialen Umfeld vorstellen, die wiederum eine Verarbeitung der für die Jugendlichen belastenden Verhaltensänderungen erschweren und sie im Sinne eines Circulus vitiosus verstärken. Ebenfalls waren psychotischen Patienten gegenüber gesunden Kontrollpersonen durch schizoide Verhaltensauffälligkeiten sowie Aufmerksamkeitsstörungen gekennzeichnet. In Übereinstimmung mit der psychiatrisch-phänomenologischen Sicht gehen die heutigen psychologischen Theorien davon aus, dass die prämobide Entwicklung, die Vorstadien und akuten Zustände schizophrener Erkrankungen wesentlich durch Beeinträchtigungen kognitivperzeptiver Fähigkeiten und informationsverarbeitender Prozesse gekennzeichnet sind. Der Einfluss zerebraler Defizite auf Aufmerksamkeitsverhalten und perzeptiv-kognitiver Abläufe gilt heute als gesichert (Gur, 1978; Golden et al. 1981). Während akut psychotischer Zustände sind kognitiv-perzeptive Fähigkeit und informationsverarbeitende Prozesse beeinträchtigt (Bunk & Eggers, 1987). In Anlehnung hierzu ließ sich bei psychotischen Patienten im Fragebogen für Jugendliche interessanterweise eine signifikante Komorbidität von schizoidem Verhalten und Aufmerksamkeitsstörungen nachweisen. Ebenfalls bestand bei Patienten eine Korrelation von schizoidem Verhalten mit sozialen Problemen, Ängsten und Depressivität sowie Aggressionen. Im Gegensatz zu früheren Studien von Walker et al. (1993) waren in der vorliegenden Arbeit internalisierende Störungen ebenso wenig für Mädchen wie externalisierende Störungen für Jungen kennzeichnend. Diese Zuordnung der Autoren resultierte aufgrund von Untersuchungen an präpsychotischen Jugendlichen, welche später an einer Schizophrenie erkrankten. Internalisierende Verhaltensauffälligkeiten wie Rückzugsverhalten, Angst, Depression, soziale Probleme usw. waren grundsätzlich bei weiblichen und männlichen Patienten stärker ausgeprägt als externalisierende Störungen, zu denen delinquentes oder aggressives Verhalten zählen. Bezüglich der Häufigkeit von Verhaltensauffälligkeiten im internalisierenden und externalisierenden Bereich lag ein Geschlechtsunterschied zugunsten der männlichen Patienten vor. Geschlechtsunterschiede in der Krankheitssymptomatik zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme, insbesondere die charakteristischen Symptome einer Psychose betreffend, lagen nicht vor. 87 6.4.1 Psychopathologische Befunde von schizophrenen Patienten und Patienten mit anderen psychotischen Syndromen Bei männlichen und weiblichen Personen bestehen die ersten Zeichen einer Schizophrenie aus überwiegend negativen Symptomen (Häfner et al., 1991), unter denen Funktionsverluste wie Alogie, Abulie, Apathie, Anhedonie, sozialer Rückzug, Affektverflachung und inadäquater Affekt verstanden werden. In der akut psychotischen Episode kommt es nach Ansicht der Autoren zu einem Anstieg von positiven Symptomen, worunter überschiessende Reaktionen wie Wahn, Halluzinationen, Denkstörungen und bizarres Verhalten zusammengefasst werden. Positivsymptome waren ebenso wie Negativsymptome bei 9 weiblichen und männlichen schizophrenen Jugendlichen im Durchschnitt häufiger assoziiert als bei 11 Patienten mit anderen psychotischen Syndromen. Im Youth Self Report bejahten überwiegend schizophrene Jugendliche soziales Rückzugsverhalten, soziale Probleme, Ängste und depressive Stimmungsänderungen, welche über die letzten vier Wochen vor stationärer Aufnahme persistierten. Unter der führenden psychopathologischen Symptomatik der kindlichen und juvenilen schizophrenen Psychose nimmt die wahnhafte Denkstörung eine dominierende Rolle ein (Lempp, 1973). In Übereinstimmung hierzu waren bei allen schizophrenen Kindern und Jugendlichen primär Wahnsymptome nachweisbar, Halluzinationen und weitere Denkstörungen fanden sich in 2/3 der Fälle. Wahnsymptome, formale und inhaltliche Denkstörungen sowie Negativsymptome dominierten bei Schizophrenen, Halluzinationen dagegen wurden in der schizophrenen Gruppe geringfügig (allerdings nicht signifikant) seltener als bei Patienten mit anderen psychotischen Syndromen klassifiziert. Zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen mit schizophrenen Psychosen und Patienten mit anderen psychotischen Syndromen existierten im psychopathologischen Aufnahmebefund keine wesentlichen Unterschiede. Nach Lempp (1973) unterscheiden sich in der psychopathologischen Symptomatik schizophrenieverdächtige Kinder und Jugendliche nicht grundsätzlich von solchen, bei denen eine Schizophrenie als hinreichend gesichert diagnostiziert wurde. Bei schizophrenen Patienten waren gegenüber Patienten mit anderen psychotischen Syndromen eine verminderte Induktion von Freude sowie, insbesondere bei weiblichen Schizophrenen, häufigere Fehler in der Dekodierung von Emotionen nachweisbar. Hier besteht möglicherweise ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit und Intensität von Positiv- und Negativsymptomen und der Beeinträchtigung der Emotionalität von 88 schizophrenen Patienten. Positiv- und Negativsymptomatik können gleichermaßen Einfluss auf das Erleben von Freude und Trauer nehmen, wobei emotionale Probleme nicht aufgrund bestehender Symptome vorhersagbar sind. Je stärker allerdings die Negativsymptomatik ausgeprägt war, desto schwerer fiel es den Patienten, Freude zu empfinden. Überschießende Funktionen, wie in der Positivsymptomatik zusammenfasst, sind bei der Induktion hinderlich, da sie die Aufmerksamkeit der Patienten ständig beanspruchen und von der eigentlichen Aufgabe ablenken. Störungen in der Aufmerksamkeit psychopathologischen und Aufnahmebefundes Konzentration überwiegend bei ließen sich anhand schizophrenen des Patienten nachweisen. Eine gestörte Assoziationsfähigkeit als Folge einer Beeinträchtigung der selektiven Aufmerksamkeit wurde bereits von Mednick und Schulsinger (1975) bei psychisch auffälligen Kindern und Jugendlichen mit einem erhöhten Schizophrenierisiko (Kinder schizophrener Mütter) nachgewiesen. Die Aufmerksamkeitsstörung bedingt die Unfähigkeit Schizophrener, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz oder ein bestimmtes komplexes Reizmuster zu fokussieren. Auf dieser Basisstörung entstehen sekundär zahlreiche kognitive, perzeptive, emotionale und soziale Defizite. 6.4.2 Psychopathologische Befunde von Patienten mit drogenassoziierten Psychosen Abweichen von sozialen Normvorstellungen und gesellschaftlichen Regelungen, zu dem auch die Beschaffung und Einnahme von psychogenen Substanzen zählen, wird häufig bei Jugendlichen mit delinquentem Verhalten beobachtet. Dies spiegelte sich im Fragebogen YSR sowie im Aufnahmebefund in Form externalisierender Störungen mit deutlichen aggressiven und delinquenten Verhaltenstendenzen von Patienten mit Drogenkonsum wieder. Sie können als Reaktion auf Drogenkonsum oder auf einen bereits vorbestehenden Gefühlszustand verstanden werden, der schließlich zur Einnahme von psychogenen Substanzen geführt hat. Positivsymptome wie Wahn, Halluzinationen, Denkstörungen und bizarres Verhalten waren gering (allerdings nicht signifikant) häufiger bei Patienten mit drogenassoziierten Psychosen ausgeprägt, wohingegen Negativsymptome eher bei psychotischen Patienten ohne Drogenkonsum zu finden waren. Hinsichtlich der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite zeigten sich unter den Drogenpatienten individuelle Unterschiede, was zum einen auf das differierende Wirkspektrum der verschiedenen psychotropen Substanzen und zum anderen auf 89 unterschiedliche Latenzzeiten zwischen vorausgegangenem Drogenkonsums und Erfassung der psychopathologischen Merkmale zurückzuführen ist. 6.5 Charakteristische Merkmale der Patientengruppe 6.5.1 Prodromalsymptomatik und Life events Emotionale Auffälligkeiten sind häufig bereits vor Ausbruch der Krankheit zu beobachten. Sie sprechen dafür, dass zumindest einige Symptome bei einem Teil der Patienten im Sinne eines Trait-Merkmals aufzufassen sich und nicht nur Folge der Erkrankung darstellen. Mehr als die Hälfte aller kindlichen und juvenilen Schizophrenien werden als prämorbid auffällig beschrieben (Stutte, 1969). Dabei handelt es sich um flüchtige, kurzandauernde präpsychotische Reaktionen, welche bereits einige Jahre vor Krankheitsbeginn bestehen (Häfner, 1999). Zu Prodromalsymptomen gehören überwiegend depressive Zustände, soziales Rückzugsverhalten und Isolation (Häfner, 1999), aber auch eigenartige Verhaltensweisen werden angegeben (Eggers, 1978). Typische Prodromalsymptome konnten auch bei 6 (3w; 3m) von insgesamt 20 teilnehmenden Patienten mit schizophrenen und anderen psychotischen Syndromen eruiert werden. Dabei handelte es sich überwiegend um depressive, ängstliche, aggressive oder unangepasste affektive Verhaltensweisen neben bereits präpsychotischen Auffälligkeiten wie halluzinatorische Erlebnisse oder formal gestörte Denkweisen. Geschlechtsunterschiede wie in den von Walker et al. (1993) analysierten Videoaufnahmen aus der Kindheit von später erkrankten Schizophrenen lagen in der vorliegenden Patientengruppe nicht vor. Die Hälfte der Patienten mit Prodromalsymptomen hatten Drogen eingenommen, möglicherweise als Versuch der Bewältigung der Beschwerden. Im Vergleich dazu waren bei Patienten, deren psychotische Symptomatik ein einschneidendes Ereignis wie der Tod eines Familienmitgliedes oder eine situative Veränderung wie ein Auslandsaufenthalt vorausgingen, kein Kontakt mit psychotropen Substanzen festzustellen. Neben depressiven Prodromi sind auch vorübergehenden psychotische Erlebnisse bekannt, wie sie auch bei 2 Patienten mit schizophrenen Psychosen bereits seit mehreren Jahren vorhanden waren. In einer neuseeländischen Untersuchung wurde anhand der Angaben von Kindern im Alter von 11 Jahren über psychotische Symptome wie wahnhafte Überzeugungen und halluzinatorische Erlebnisse eine 16,4 fach erhöhte Wahrscheinlichkeit berechnet, bis zum 26. Lebensjahr an eine schizophreniforme Erkrankung zu leiden (Poulton et al., 2000). Die Erkennung und Erfassung von Basissymptomen bei Personen, die später an einer 90 Schizophrenie erkranken, ist inzwischen Thema eines Konzepts zur Früherkennung geworden (Klosterkötter et al., 2000) Als Risikoindikatoren gelten psychopathologische und neuropsychologische Auffälligkeiten wie kognitive Defizite, Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen neben psychophysiologischen Einschränkungen Neben inkonstanten psychotischen Erlebnisweisen oder Verhaltensauffälligkeiten im emotionalen Bereich vor Manifestation einer kindlichen oder juvenilen Psychosen können auch bestimmte Lebensumstände die Entwicklung einer psychotischen Erkrankung bedingen. Lebensereignisse unmittelbar vor Manifestation der psychotischen Erkrankung wie Verlust nahstehender Personen oder Veränderungen der gewohnten Umgebung wurden bei 3 von 9 schizophrenen Jugendlichen und bei 5 von 11 Patienten mit psychotischen Syndromen berichtet. 6.7 Limitationen der Untersuchung Die Voraussetzung, bei allen Versuchspersonen den gleichen Laborraum zur Durchführung des Experiments zu benutzen, konnte aufgrund der Rekrutierung von Patienten auswärtiger Kliniken und durch Einschluss von gesunden Kontrollprobanden aus weiter entfernt liegenden Städten nicht umgesetzt werden. Da sämtliche Untersuchungen bei Patienten und Kontrollprobanden in einem ruhigen abgedunkelten Raum stattfanden, wäre allerdings der Einfluss des Laborraums auf die Untersuchungsergebnisse als nicht wesentlich einzustufen. Die Erfassung von Positiv- und Negativsymptomatik bestand in Form des psychopathologischen Aufnahmebefundes. Der Grad der Reagibilität auf traurige und freudige Stimmungsinduktionen wurde nicht mit den im Erwachsenenbereich standardisierten Verfahren zur Erfassung einer Positiv- oder Negativsymptomatik, der Scale for Assessment of Positive Symptoms (SAPS, Andreasen, 1984) korreliert. Die Skala ist für den Gebrauch im Erwachsenenbereich vorgesehen und nicht auf Untersuchungen mit Kindern und Jugendlichen abgestimmt. 6.7 Aussicht und Folgerungen für die klinische Praxis Der klinische Eindruck, dass das emotionale Erleben und Wahrnehmen von Kindern und Jugendlichen mit schizophrenen oder anderen psychotischen Erkrankungen nicht dem gesunder Adoleszenten entspricht, wird durch die vorliegenden Befunde experimentell gestützt. Sie legen nahe, dass Patienten mit juvenilen Psychosen ihre emotionale 91 Befindlichkeit nicht in gleichem Masse wie gesunde Gleichaltrige willentlich beeinflussen können. Ob es sich hierbei, wie bei schizophrenen Erwachsenen, um eine Ausdrucksstörung handelt (Tölle, 1991), die dazu führt, dem durchaus lebhaften Affektleben adäquat Ausdruck zu verleihen oder um eine tatsächlich reduziertes emotionales Erleben, ist schwierig zu beurteilen. Das diagnostische Problem der Erfassung von Emotionen besteht darin, dass sie nur dem Erlebenden selbst zugänglich sind. Indikatoren des psychischen Befindens wurden bisher überwiegend aus Verhaltenskorrelaten (Mimik, Gestik, vegetativen Begleiterscheinungen) und aus verbalen Äußerungen gewonnen. Die an schizophrenen Kindern und Jugendlichen gewonnenen Beobachtungen und Kenntnisse über Änderungen des emotionalen Erlebens können dazu beitragen, zu einem besseren Verständnis gewisser Erscheinungen im Symptomenkatalog der Erwachsenen-Schizophrenie zu gelangen. Die vorliegenden Befunde bestätigen auch im Kinder- und Jugendbereich die Wirksamkeit der erfassten Emotionsdimension der subjektiven Selbsteinschätzung. Die verwendete Methode der Emotionsinduktion kann für weitere Anwendungen und für den Einsatz bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen als validiert betrachtet werden. Ebenso lassen sich mit der vorliegenden Methode Untersuchungen des Emotionsausdruckes sowie des Erkennens der Zeichen oder Signale von Emotionsausdrücken bei Kindern und Jungendlichen mit psychischen Erkrankungen erforschen. Eine weitere Objektivierung des subjektiven Effekts kann nun mit der Methode der funktionellen Kernspintomographie erfolgen. Um therapeutische Ansatzpunkte entwickeln zu können, müssen die neurobiologischen Ursachen affektiver Symptome bekannt sein. Funktionell-zerebrale Messmethoden wie die funktionelle Kernspintomographie dienen dazu, das emotionale Erleben schizophrener Patienten in vivo anhand ihres regionalen Durchblutungsmuster zu charakterisieren. Die bestehenden Hypothesen und Ergebnisse der vorliegenden Arbeit können während Zustände induzierter Freude und Trauer und einer nicht-emotionalen Kontrollaufgabe unter funktionell und strukturellen Gesichtspunkten in der funktionellen Kernspintomographie weitergeführt werden. Die subjektiven Aussagen über das emotionale Erleben können mit der Methodik der funktionellen Kernspintomographie anhand der rCBF-Messungen objektiviert werden und besitzen demnach gegenüber der vereinfachten Methodik der vorliegenden Arbeit eine größere Aussagekraft. Mit Hilfe der standardisierten Methode zur Stimmungsinduktion lassen sich ebenfalls Unterschiede zwischen psychotischen Patienten zum einen in bezug auf die Untergruppen juvenile Schizophrenien versus andere psychotische Syndrome sowie Drogenassoziation 92 versus nicht-drogenassoziierten Psychosen vornehmen, welche bei Replikation der Befunde als ein zusätzliches diagnostisches Mittel Verwendung finden könnte. Eine zukünftige Möglichkeit, den allgemeingültigen Fragebogen für Jugendliche zu ersetzen bzw. zu ergänzen, um gezielt positive und negative Symptome neben weiteren psychopathologischen Syndromen erfassen zu können, wäre in der Anwendung der Skalen Premorbid Schizoid and Schizotypal Traits Scale (PSST) gewährleistet. Alter und Entwicklungsstand ist für die Einordnung der psychischen Erkrankung von großer Bedeutung, so dass weniger das Lebensalter, sondern besser der Entwicklungsstand der zu parallelisierenden Teilnehmer gleich sein müsste. Andere Möglichkeiten, wie zum Beispiel Entwicklungstests, mit denen der Entwicklungsstand gemessen und zur Parallelisierung herangezogen werden können, sollten vorgezogen werden. Ferner sollten intellektuelle Fähigkeiten getestet werden, um einen möglichen Zusammenhang zu Leistungen der En- und Dekodierung von Emotionen zu klären. Ebenfalls wäre eine standardisierte Erfassung der Aufmerksamkeit und Konzentration bei Kindern und Jugendlichen sehr hilfreich. 93 7.0 Zusammenfassung Mit dem Ziel, affektive Störungen bei juvenilen early-onset Psychosen zu erforschen, wurden Kindern und Jugendliche im Alter von 11 bis 20 Jahren mit einer standardisierten Freude- und Trauerinduktion sowie einer nicht-emotionalen Kontrollaufgabe untersucht und mit parallelisierten gesunden Gleichaltrigen verglichen. Den Selbsturteilen in den PANAS- und ESR-Skalen zufolge gelang es allen Probanden, sich in die vorgegebenen Gefühlszustände hineinzuversetzen. Allerdings war der Stimmungsinduktionseffekt bei Patienten gegenüber gesunden Teilnehmern quantitativ abgeschwächt als Hinweis auf einen zu diesem Erkrankungszeitpunkt bereits messbar beeinträchtigen Affekt. Grundsätzlich zeigte sich im Gegensatz zu schizophrenen Jugendlichen bei Patienten mit psychotischen Syndromen ein höherer Emotionsinduktionseffekt. Waren Psychosen mit der Einnahme von psychotropen Substanzen verbunden, so zeigte sich ebenfalls ein deutlich vermindertes Ansprechen auf die Induktion von Emotionen. Bei schizophrenen Patienten wurden während der Induktion von Trauer stärker negative Emotionen erzeugt. Der zuvor bei Erwachsenen Schizophrenen betroffene Bereich negativer Emotionen ließ sich demnach nicht bei schizophrenen Kindern und Jugendlichen bestätigen. Möglicherweise scheint in diesem frühen Stadium die Fähigkeit zu ihrer expressiven Darstellung noch nicht reduziert zu sein. In der Dekodierung von Emotionen waren Patienten grundsätzlich schlechter als gesunde Kinder und Jugendliche. In Übereinstimmung mit den beschriebenen Dekodierungsdefiziten bei schizophrenen Erwachsenen waren solche Merkmale auch bei allen schizophrenen Adoleszenten nachzuweisen. Diese charakteristischen Defizite in der Differenzierung negativer Emotionen lagen insbesondere bei weiblichen Schizophrenen vor. Nicht nur in der Dekodierung, auch in der Enkodierung fanden sich geschlechtsspezifische Ergebnisse, denn weibliche Versuchspersonen waren den männlichen unterlegen. Dabei bestand eine Korrelation zwischen schlechteren Diskriminationsleistungen weiblicher Patienten und vorherrschender Negativ- und Positivsymptomatik. Die verwendetete Methode der Emotionsinduktion kann somit für weitere Anwendungen und für den Einsatz bei psychisch Kranken sowie für Kinder und Jugendliche als validiert betrachtet werden. Nicht nur Untersuchungen des Emotionsausdruckes, sondern auch des Erkennens der Zeichen oder Signale von Emotionsausdrücken, lassen sich mit der vorliegenden Methode bei Kindern und Jungendlichen mit psychischen Erkrankungen erforschen. Eine weitere Objektivierung des subjektiven Effektes kann nun mit der Methode 94 der funktionellen Kernspintomographie erfolgen. Da der Stimmungsinduktion im subjektiven Bereich bei gesunden und psychotischen Kindern und Jugendlichen gelang, ist die Voraussetzungen für die Erfassung eines Emotionskorrelates auf neurobiologischer Ebene gegeben. 95 8.0 Literatur Achenbach & Edelbrock (1987). Manual for the Youth Self -Report and Profile. Burlington: Achenbach, T.M. 1991a. Manual for the Child Behavior Checklist/ 4-18 and 1991 Profile. Burlington: University of Vermont, Department of Psychiatry. Ahrens, B. (1992). Videodigitalisierung - Möglichkeiten und Grenzen eines computergestützten Messverfahrens der Veränderung mimischen Verhaltens. In: J. Ronge und B. Gügelchen (Hrsg.), Perspektiven des Videos in der klinischen Psychiatrie und Psychotherapie. American Psychiatric Association (1994). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM-IV, 4th ed. Washington, DC. Andreasen, N.C. (1982). Negative Symptoms in schizophrenia: definition and reliability. Archives of General Psychiatry, 39, 784-788. 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IX 9.0 Anhang 9.1 Tabellen Bezeichnung der Diagnose ICD 10 Anzahl der Patienten insgesamt 9 männlich 6 weiblich 3 Schizophrenie F 20 schizotype Störung F 21 1 1 0 wahnhafte Störung F 22 1 1 0 vorübergehende akute psychotische Störung schizoaffektive Störung F 23 4 2 2 F 25 2 0 2 andere nichtorganische psychotische Störung F 28 3 0 3 Tabelle 4: Diagnostische Einteilung der 20 Patienten aus den verschiedenen kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken nach den Abschnitten der ICD-10 X Klassifikation der psychischen Störung ICD 10 paranoide Schizophrenie F 20.0 paranoide Schizophrenie, episodisch mit stabilem Residuum hebephrene Schizophrenie F 20.02 1 1 0 F 20.1 4 2 2 katatone Schizophrenie F 20.2 1 0 1 schizotype Störung F 21 1 1 0 anhaltende wahnhafte Störung F 22 1 1 0 F 23.1 1 0 1 F 23.2 2 1 1 F 23.8 1 1 0 F 25.0 2 0 2 F 28.0 3 0 3 vorübergehende akute psychotische Störung ohne schizophrene Symptome akute schizophreniforme psychotische Störung andere vorübergehend akute psychotische Störung schizoaffektive Störung, gegenwärtig manisch andere nichtorganische psychotische Störung Tabelle 5: Anzahl der Patienten gesamt männlich weiblich 3 3 0 Detaillierte Auflistung der einzelnen Diagnosen nach ICD-10 von 20 weiblichen und männlichen Patienten Dauer der Symptomatik am Tag der Untersuchung insgesamt Anzahl der Patienten männlich weiblich weniger als 1 Woche 1 - 2 Wochen 4 3 2 1 2 2 2 - 4 Wochen 1 -2 Monate 3 - 6 Monate über 12 Monate 4 6 2 1 4 2 0 1 0 4 2 0 Tabelle 6: Retrospektiv erhobenen Dauer der psychotischen Symptomatik der jeweils 10 weiblichen und männlichen Patienten XI insgesamt Anzahl der Patienten männlich weiblich 12 5 7 8 5 3 Polyvalenter Konsum Cannabis 4 2 2 7 4 3 Ecstasy 4 2 2 Amphetamine 1 1 0 Marihuana 1 0 1 Psilocybin 1 1 0 Nicht drogenassoziierte Psychosen Drogenassoziierte Psychosen Psychogene Substanz Tabelle 7: Häufigkeit und Art des Drogenkonsums unter 10 weiblichen und männlichen Patienten insgesamt Life events (allgemein) 6 Auslandsaufenthalt 2 Klassenfahrt 2 Tod eines Fam.mitglieds 2 Tabelle 8: Anzahl der Patienten männlich 2 gesamt 4 2 2 2 Lebensereignisse (Life events) unmittelbar psychotischen Erkrankung von 20 Patienten Prodromalsymptome weiblich vor Anzahl der Patienten männlich Manifestation weiblich depressive Züge 2 1 1 unangepasster Affekt 1 0 1 akustische Halluzination 2 1 1 formale Denkstörung 1 1 0 aggressives Verhalten 1 0 1 Tabelle 9: der Häufigkeit und Beschreibung der Verhaltensauffälligkeiten vor Beginn der psychotischen Erkrankung bei insgesamt 20 Patienten XII Alter insgesamt männlich weiblich Bildung insgesamt aller männlich Teilnehmer weiblich Bildung Eltern Vater M u t t e r Tabelle 10: insgesamt 17,11 ± 1,68 Patienten 17,09 ± 1,66 17,61 ± 1,07 16,57 ± 2,02 9,8 ± 1,58 10,2 ± 1,22 9,4 ± 1,84 12.15 ± 3,12 12,9 ± 4,18 11,4 ± 3,14 10,2 ± 1,62 18,9 ± 5,26 13,37 ± 4,59 11,07 ± 2,83 Demographischen Daten (Alter und Bildungsstand) für alle männlichen und weiblichen Versuchspersonen Patientenuntergruppen Alter (Jahre) (mit Anzahl der Patienten) Pat. mit Pat. mit Tabelle 11: Tabelle 16: Ersterkrankungsalter (Jahre) Schizophrenien (9) 17,8 ± 0,8 16,6 and. psychotischen Syndromen (11) 16,3 ± 1,2 14,7 drogenassoziierten Psychosen (8) 17,4 ± 1,6 15,75 nicht drogenassoziierten Psych. (12) 16,7 ± 0,9 15,8 Alter und Ersterkrankungsalter von Patienten der verschiedenen Untergruppen im mittleren Durchschnitt; in Klammern sind die Anzahl der Patienten angegeben PANASDifferenzenwerte positive negative Kontrollpersonen 17.14 ± 1,74 17,69 ± 1,11 16,59 ± 2,11 10,6 ± 1,6 11,1 ± 1,2 10,1 ± 1,85 12,3 ± 3,15 13,85 ± 5,02 10,75 ± 2,53 Freude Trauer Kontrolle Kontroll- Patienten Kontroll- Patienten Kontroll- Patienten personen personen personen 1,15 -6,55 0,65 -3,05 -1,05 2,55 -0,85 1,95 -0,80 -0,80 -2,80 -1,47 PANAS-Differenzenwerte aus den Einschätzungen in positive und negative Gefühlszustände von jeweils 20 Patienten und Kontrollprobanden während der Bedingungen Freude, Trauer und Kontrolle der Emotionsinduktion XIII Bedingung ESR - Differenzenwerte Patienten Kontrollpersonen Baseline 0,45 ± 1,9 1,8 ± 1,6 Freude 0,55 ± 2,3 2,15 ± 1,1 Trauer -1.05 ± 2,0 -0.3 ± 1,9 0,3 ± 1,7 1,25 ± 1,1 Kontrolle Tabelle 17: Effekt der Emotionsinduktion der jeweiligen Bedingungen für 20 Patienten und Kontrollpersonen, dargestellt anhand der ESR-Differenzenwerte in Mittelwert und Standardabweichung Emotionsdiskrimination Patienten Korrekte Lösungen in % Sensitivität Freude Sensitivität Trauer Spezifität Freude Spezifität Trauer Positive Fehler Negative Fehler 86 ± 14,6 0,92 ± 0,19 0,89 ±0,14 0,98 ± 0,07 0,83 ± 0,2 0,02 ± 0,04 0,17 ± 0,2 Tabelle: 18 89,5 ± 14,8 0,86 ± 0,3 0,87 ± 0,3 0,99 ± 0,02 0,93 ± 0,12 0,002 ± 0,01 0,07 ± 0,12 Ergebnisse in der Dekodierung von Emotionen von Patienten und Kontrollpersonen, dargestellt in Mittelwert und Standardabweichung Emotionsdiskrimination Korrekte Lösungen in % Sensitivität Freude Sensitivität Trauer Spezifität Freude Spezifität Trauer Positive Fehler Negative Fehler Tabelle: 19 Kontrollpersonen Patienten Kontrollpersonen männlich weiblich männlich weiblich 90,8 ± 5,0 0,93 ± 0,1 0,91 ± 0,2 0,98 ± 0,05 0,91 ± 0,06 0,02 ± 0,04 0,09 ± 0,07 81,3 ± 19,4 0,84 ± 0,2 0,93 ± 0,2 0,98 ± 0,08 0,74 ± 0,12 0,01 ± 0,03 0,25 ± 0,25 94,3 ± 6,5 0,97 ± 0,05 0,96 ± 0,08 0,99 ± 0,02 0,92 ± 0,12 0,01 ± 0,02 0,08 ± 0,12 84,8 ± 19,3 0,76 ± 0,4 0,76 ± 0,4 1,0 ± 0 0,93 ± 0,1 0,0 ± 0,0 0,07 ± 0,1 Dekodierung von Emotionen von weiblichen und männlichen Patienten und Kontrollpersonen, dargestellt in Mittelwert und Standardabweichung XIV Syndromskalen 2. Ordnung Patienten männl. weiblich gesamt Internalisierende Störungen (t-Wert) Externalisierende Störungen (t-Wert) Gesamtwert (T-Wert) Tabelle 21: Kontrollpersonen männl. weiblich gesamt 74 66 69,4 49 48 48,5 63 62 61,3 49 51 50 69 66 67,5 49 47 48 Durchschnittliche Mittelwerte für Patienten und Kontrollprobanden aus den Syndromskalen 2. Ordnung bestehend aus 8 Syndromskalen,aufgeteilt in internalisierende und externalisierende Störungen PANAS- Bedingung Freude Bedingung Trauer Bedingung Kontrolle Differenzenwerte Schizophrenie Andere psychot. Syndrome Schizophrenie Andere psychot. Syndrome Schizophrenie Andere psychot. Syndrome positive -0,9 1,9 -2,7 -3,4 -0,8 -0,36 negative -0,9 -0,8 5 -0,5 1,44 -4,36 Tabelle 23: Differenzenwerte der PANAS-Urteile von schizophrenen Patienten und Patienten mit anderen psychotischen Syndromen Emotionsdiskrimination Korrekte Lösungen in % Sensitivität Freude Sensitivität Trauer Spezifität Freude Spezifität Trauer Positive Fehler Negative Fehler Tabelle 24: Patienten mit schizophrenen Psychosen and. psychot. Syndromen 82,5 ± 6,1 0,84 ± 0,05 0,89 ± 0,05 0,99 ± 0,01 0,79 ± 0,08 0,01 ± 0,01 0,2 ± 0,08 88,9 ± 3,2 0,98 ± 0,01 0,88 ± 0,04 0,96 ± 0,03 0,86 ± 0,06 0,02 ± 0,02 0,13 ± 0,05 Dekodierung von Emotionen von 8 Patienten mit schizophrenen Psychosen und 12 Patienten mit anderen psychotischen Syndromen, dargestellt in Mittelwert und Standardabweichung XV Syndromskalen 2. Ordnung Patienten Schizophrenie Andere psychotische Syndrome 69,4 71,3 67,7 61,3 62,1 60,6 67,5 68,8 66,5 insgesamt Internalisierende Störungen Externalisierende Störungen Gesamtwert Tabelle 26: Zusammenfassung der Syndromskalen aus dem Fragebogen für Jugendliche bei schizophrenen Patienten (9) und Patienten mit anderen psychotischen Syndromen (11) in Mittelwerten PANAS- Bedingung Freude Differenzenwerte Bedingung Trauer Bedingung Kontrolle Drogenassoziiert Nicht drogenassoziiert Drogenassoziiert Nicht drogenassoziiert Drogenassoziiert Nicht drogenassoziiert positive -1 1 -5,1 -2,4 -3,1 -3,4 negative 0,1 -1,7 0 3,1 -1,1 -1,9 Tabelle 27: Differenzenwerte der PANAS-Urteile von Patienten mit und ohne drogenassoziierte Psychosen Emotionsdiskrimination Korrekte Lösungen in % Sensitivität Freude Sensitivität Trauer Spezifität Freude Spezifität Trauer positive Fehler negative Fehler Tabelle 28: Patienten mit psychotischen Erkrankungen drogenassoziiert nicht drogenassoziiert 90 ± 5,18 0,91 ± 0,06 0,95 ± 0,02 1,0 ± 0 0,87 ± 0,03 0 ± 0,03 0,13 ± 0,03 Dekodierungsleistungen von drogenassoziierten Psychosen Patienten 83 ± 18,2 0,92 ± 0,06 0,84 ± 0,04 0,96 ± 0,02 0,8 ± 0,07 0,02 ± 0,07 0,19 ± 0,07 mit (8) und ohne (12) XVI Psychopathologie Wahnsymptome Halluzinationen formale Denkstörungen inhaltliche Denkstörungen Negativsymptome Katatone Symptome Häufigkeit stat. Behandlung Tabelle 30: 9.2 Patienten mit Drogenkonsum gesamt männl. weibl. (8) (5) (3) 7 5 2 5 2 3 7 4 3 6 3 3 4 3 1 0 0 0 2 1 2,5 Patienten ohne Drogenkonsum gesamt männl. weibl. (12) (5) (7) 10 4 6 9 5 4 10 4 6 10 5 5 8 2 6 2 0 2 1,8 1,4 2,1 Psychopathologische Befunde von weiblichen und männlichen Patienten mit und ohne drogenassoziierten Psychosen, dargestellt in Anzahl der Patienten Intensitätsskala für die Emotionsdiskrimination und Altersdiskrimination Item 1 2 3 4 5 6 7 Emotion sehr fröhlich fröhlich ein wenig fröhlich neutral ein wenig traurig traurig sehr traurig Altersgruppe Teenager Zwanziger Dreißiger Vierziger Fünfziger Sechsziger Siebziger Alter in Jahre 10 - 19 20 - 29 30 - 39 40 - 49 50 - 59 60 - 69 70 - 79 XVII 9.3 PANAS- und ESR-Urteilsbogen mit 5stufiger Likert-Skala PANAS interessiert bekümmert angeregt beunruhigt stark schuldig erschreckt feindselig begeistert stolz reizbar wachsam beschämt schwungvoll nervös entschlossen aufmerksam ängstlich aktiv furchtsam 1 gar nicht 2 ein wenig 3 mittel 4 ziemlich 5 extrem 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 ESR Ärger Ekel Freude Trauer Überraschung Furcht 1 gar nicht 2 ein wenig 3 mittel 4 ziemlich 5 extrem 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 5 5 5 5 5 5 XVIII XIX XX XXI XXII Lebenslauf Name Isabell Krasenbrink Geburtsdatum 29.05.1972 Eltern Franz Krasenbrink und Maria Krasenbrink, geb. Görkes Schulausbildung 1978-1982 Grundschule Hamminkeln-Ringenberg 1982-1991 Privates St. Josef Gymnasium der Kapuziner, Bocholt 1991 Allgemeine Hochschulreife Hochschulausbildung 1992 –1999 Studium der Humanmedizin an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf 1996 Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 1998 Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 1999 Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 01.09.2001 Approbation zur Ärztin seit 1996 Anfertigung der Dissertation an der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf Wissenschaftliche Tätigkeiten März 2000-August 2001 Ärztin im Praktikum an der Neurologischen Klinik der Justus-Liebig Universität Giessen seit September 2001 Assistenzärztin an der Neurologischen Klinik der JustusLiebig Universität Giessen Abstract Störungen im emotionalen Verhalten, d.h. dem Erleben, dem Ausdruck und der Fähigkeit zur Identifikation und Diskrimination unterschiedlicher Emotionen, gehören zu den zentralen Symptomen schizophrener Erkrankungen. In der Erwachsenenpsychiatrie ist zur Untersuchung des emotionalen Verhaltens und Erlebens schizophrener Patienten ein standardisiertes Verfahren entwickelt worden, welches insbesondere zur Spezifizierung von Defiziten in der De- und Enkodierung von Emotionen eine hohe Validität aufzeigen konnte (Schneider et al., 1994a). In der vorliegenden Untersuchung wurde bei 20 Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 20 Jahren mit medizierten und unmedizierten schizophrenen Psychosen und anderen psychotischen Syndromen das subjektive emotionale Erleben und Verhalten mit Hilfe der Darbietung von Gesichterportraits während einer standardisierten Freude- und Trauerinduktion sowie einer nicht-emotionalen Kontrollaufgabe gemessen. Die Befunde wurden mit 20 hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bildungsgrad der Eltern parallelisierten Gesunden verglichen, um genauere Anhaltspunkte über beeinträchtigende Fähigkeiten im emotionalen Erleben und Differenzieren von Kindern und Jugendlichen mit schizophrenen Psychosen und anderen psychotischen Erkrankungen im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen zu gewinnen. In Übereinstimmung mit den bisherigen Befunden bei gesunden und schizophrenen Erwachsenen (Schneider et al., 1995b) gelang es Kindern und Jugendlichen anhand der subjektiv eingeschätzten emotionalen Befindlichkeit, sich in die vorgegebene Stimmungslage hineinzuversetzen. Der gegenüber Gesunden abgeschwächte Stimmungsinduktionseffekt von Patienten mit schizophrenen Erkrankungen und anderen psychotischen Syndromen konnte ebenfalls repliziert werden. Die Erkennung und Differenzierung von Emotionen in Form von Gesichterportraits war bei Kinder und Jugendliche mit psychotischen Störungen gegenüber Gesunden ebenfalls messbar beeinträchtigt. Die Methode zur Emotionsinduktion und -diskrimination ermöglicht somit den Einsatz bei Kindern und Adoleszenten im Alter von 11 bis 20 Jahren. Da der Stimmungsinduktion im subjektiven Bereich bei gesunden und psychotischen Kindern und Jugendlichen gelang, ist die Voraussetzungen für die Erfassung eines Emotionskorrelates auf neurobiologischer Ebene gegeben.