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Grundwissen Deutsche Geschichte
Lernheft 11
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung
des „Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Inhaltsverzeichnis:
11.1
Einleitung ...............................................................................................
2
11.2
Das Leben an der „Heimatfront“ ............................................................
2
11.2.1
Die Entwicklung der deutschen Kriegswirtschaft ...................................
2
11.2.2
Die Versorgungslage der Bevölkerung ..................................................
5
11.2.3
Der Bombenkrieg ...................................................................................
6
11.2.4
Kriegspropaganda ..................................................................................
7
11.2.5
Repression und Terror ...........................................................................
8
11.3
Die nationalsozialistische Vernichtungsindustrie ...................................
9
11.3.1
Die „Euthanasie“-Morde .........................................................................
9
11.3.2
Der Holocaust ........................................................................................
10
11.4
Loyalität und Widerstand .......................................................................
15
11.5
Der Zusammenbruch des NS-Regimes .................................................
19
11.6
Selbstlernaufgaben ................................................................................
21
11.7
Zusammenfassung ................................................................................
21
11.8
Hausaufgabe ..........................................................................................
23
11.9
Lösungen zu den Selbstlernaufgaben ...................................................
23
© Copyright Laudius GmbH
DE-1042-00-00
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
11.1
Lernheft 11
Einleitung
Das vorliegende Lernheft beschäftigt sich mit der inneren Entwicklung Deutschlands
während des Zweiten Weltkrieges. In den Mittelpunkt des Interesses rücken hierbei
die verschiedenen Bereiche des Lebens an der „Heimatfront“, die nationalsozialistische Vernichtungsindustrie, der Millionen für „lebensunwert“ befundene Menschen
zum Opfer fielen, sowie der Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ im Frühjahr 1945.
Lernziele:
Sie können nach Durcharbeitung dieses Lernhefts
–
die kriegswirtschaftliche Entwicklung des „Dritten Reiches“ zu erläutern.
–
die Lebensbedingungen der deutschen Zivilbevölkerung während des Zweiten
Weltkrieges beschreiben.
–
die Elemente und Phasen der nationalsozialistischen Kriegspropaganda erklären.
–
die Funktionsweise des NS-Vernichtungsapparates darlegen.
–
einen Überblick über die Formen und Träger des Widerstandes gegen die
nationalsozialistische Terrorherrschaft geben.
–
den Zusammenbruch des NS-Regimes schildern.
Erklärung der Symbole
Selbstlernaufgaben
Hausaufgabe
Zusammenfassung
Hinweise/Tipps
Lösungen zu den
Selbstlernaufgaben
Notizen
Anhang
11.2
Das Leben an der „Heimatfront“
11.2.1
Die Entwicklung der deutschen
Kriegswirtschaft
Zum Zeitpunkt des deutschen Angriffes auf Polen war das „Dritte Reich“ keineswegs
für eine längerfristige militärische Auseinandersetzung gewappnet. Probleme
bereiteten insbesondere ein akuter Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften sowie
eine ineffiziente Organisationsstruktur.
2
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Rohstoffmangel
Zu den größten Schwachstellen der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie zählte
die Abhängigkeit von Rohstoffeinfuhren. Die Kriegswirtschaft des „Dritten Reiches“
war z. B. dringend auf Eisenerz aus dem neutralen Schweden und Erdöl aus dem mit
den „Achsenmächten“ verbündeten Rumänien angewiesen. Wiederholt wurden auf
deutscher Seite den Kriegsverlauf nachhaltig prägende militärische Entscheidungen
vor dem Hintergrund des Bedarfes an ausländischen Ressourcen getroffen. Der
Angriff auf Norwegen und Dänemark etwa diente nicht zuletzt dem Zweck, die
schwedischen Eisenerzlieferungen zu sichern.
Die systematische Ausplünderung von der Wehrmacht eroberter Gebiete sollte der
deutschen Rüstungsindustrie zusätzliche Rohstoffreserven erschließen. So begaben
sich u. a. Vertreter der staatseigenen „Reichswerke Hermann Göring“, die 1937 zur
Verhüttung einheimischen Eisenerzes gegründet worden waren, auf regelrechte
Beutetour durch die besetzten Staaten Europas, um sich dortige Rohstoffvorkommen
und Industrieanlagen einzuverleiben. Auf diese Weise stiegen die „Reichswerke“ zum
größten Wirtschaftsunternehmen des Kontinents auf. Die Überlegenheit des feindlichen Wirtschaftspotenzials ließ sich durch derartige Raubzüge jedoch auf Dauer
nicht kompensieren.
Der Zweite Weltkrieg zehrte nicht nur an der materiellen, sondern auch an der
personellen Substanz der deutschen Wirtschaft, der allein im Sommer 1939 durch
Einberufungen rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer verloren gingen. Eine naheliegende
Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitskräfteknappheit bestand in der Einführung
einer Arbeitspflicht für Frauen. Aus ideologischen Gründen sah die NS-Führung,
deren Weltbild dem weiblichen Teil der Bevölkerung die Rolle der Hausfrau und
Mutter zuwies, aber zunächst hiervon ab.
Da Soldatenfrauen nach Kriegsausbruch hohe Unterhaltsleistungen bezogen, sank
die Quote der berufstätigen Frauen zwischenzeitlich sogar. Die Anfang 1943
schließlich im Zuge der Ausrufung des „Totalen Krieges“ doch für ledige Frauen
zwischen 17 und 45 Jahren eingeführte Arbeitspflicht wurde nicht mit der für viele
andere Bereiche des NS-Staates typischen Rigorosität durchgesetzt, wovon
insbesondere sozial privilegierte Frauen profitierten. Auch die zeitgleich forcierten
Stilllegungen für nicht kriegswichtig befundener Betriebe, von denen vorrangig das
Handwerk und der Handel betroffen waren, vermochten die Problematik des
Arbeitskräftemangels nur geringfügig abzumildern.
Zwangsarbeit
Nur unter Einsatz von immer mehr aus den besetzten Gebieten stammenden
Menschen gelang es den NS-Machthabern, die Lücken auf dem Arbeitsmarkt
halbwegs zu füllen. Da die Anwerbung Freiwilliger schleppend verlief, erfolgten die
Rekrutierungen überwiegend zwangsweise. Ab März 1941 hatte Fritz Sauckel in
seiner Eigenschaft als „Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz“ den Nachschub an „Menschenmaterial“ zu garantieren. In den eroberten Teilen Osteuropas
wurden wahre Sklavenjagden durchgeführt, um den Arbeitskräftebedarf der deutschen
Kriegswirtschaft zu decken.
Bis Ende 1944 stieg die Anzahl der in den besetzten Gebieten selbst sowie innerhalb
des Deutschen Reiches Zwangsarbeit verrichtenden Frauen und Männer auf über
7,5 Millionen an. Sie wurden in nahezu allen wirtschaftlichen Bereichen, bevorzugt
aber in der Landwirtschaft und Rüstungsindustrie eingesetzt. Das NS-Regime legte
Wert auf strikte Trennung der in eigens errichteten Lagern lebenden Zwangsarbeiter
von der deutschen Zivilbevölkerung und bestrafte Kontaktaufnahmen privaten
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Charakters schwer. Die Behandlung der Zwangsarbeiter fiel umso unmenschlicher
aus, je tiefer sie im Rahmen der nationalsozialistischen „Rassenhierarchie“ angesiedelt waren. So erhielt ein aus der Sowjetunion verschleppter „Ostarbeiter“ weit
weniger Nahrung, musste kräftezehrendere und oftmals gefährlichere Arbeiten leisten
und war stärker von brutalen Übergriffen deutscher Vorarbeiter bedroht als sein
westeuropäisches Pendant. Auch die Arbeitskraft von sowjetischen Kriegsgefangenen
sowie KZ-Insassen wurde rücksichtslos und sehr häufig mit tödlichen Folgen
ausgebeutet.
Organisationschaos
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges litt die Effizienz der deutschen Kriegswirtschaft
stark unter unklaren Zuständigkeitsregelungen: Eine übergeordnete Lenkungsinstanz
fehlte, stattdessen rangen diverse zivile und militärische Stellen um eine Ausweitung
ihrer rüstungswirtschaftlichen Befugnisse. In Konkurrenz zueinander standen u. a. das
Reichswirtschaftsministerium, die Vierjahresplanbehörde sowie das wiederum in
seinen Planungen von Rivalitäten der Teilstreitkräfte behinderte Wehrwirtschafts- und
Rüstungsamt im OKW. Dass sich in der Person Görings, der zugleich als Chef der
Vierjahresplanbehörde und der Luftwaffe fungierte, der zivile mit dem militärischen
Sektor vermischte, verschärfte das organisatorische Chaos noch.
Um den die Rüstungsproduktion hemmenden Kompetenzdschungel zu lichten,
ernannte Hitler am 17. März 1940 Fritz Todt, der sich als Koordinator des Reichsautobahnbaus profiliert hatte, zum „Reichsminister für Bewaffnung und Munition“. Todt
drängte zielstrebig den Einfluss der Wehrmachtsbürokratie zu Gunsten einer aktiveren
Einbindung der Privatwirtschaft zurück. Mit der Aussicht auf steigende Gewinne
versicherte er sich der Kooperationsbereitschaft der Rüstungsgüter fertigenden
Unternehmerschaft.
Um eine optimale Ausnutzung des in den entsprechenden Betrieben vorhandenen
betriebswirtschaftlichen und technischen Fachwissens zu gewährleisten, setzte Todt
auf eine weitgehende Selbstverwaltung der Rüstungsindustrie. So bildeten etwa die
mit der Herstellung von Munition betrauten Firmen Arbeitsgemeinschaften, in denen
sie Absprachen bezüglich der Erfüllung von Wehrmachtsaufträgen trafen. Die
Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaften tauschten sich auf regionaler Ebene im
Rahmen von Munitionsausschüssen aus, die ihrerseits Vertreter in den Munitionsbeirat des von Todt geleiteten Ministeriums entsandten. Mit Hilfe dieses pyramidenartig angeordneten Gremiensystems konnte die Produktivität der deutschen
Rüstungsindustrie wesentlich verbessert werden.
Das „System Speer“
Im Februar 1942 verunglückte Todt bei einem Flugzeugabsturz tödlich. Seine Nachfolge trat der von Hitler überaus geschätzte Architekt Albert Speer an. Schrittweise
gelang es Speer, die auf dem Feld der Kriegswirtschaft noch ausgefochtenen
Machtkämpfe zu Gunsten seines Ministeriums zu entscheiden. So sicherte er sich u.
a. den Todt verwehrt gebliebenen Zugriff auf die Marine- und Luftrüstung. Die
Ausdehnung seines Kompetenzbereiches schlug sich auch in der im September 1943
vollzogenen Umbenennung der ihm unterstehenden Behörde nieder, die fortan
„Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion“ hieß.
Durch die Installation eines als „Zentrale Planung“ firmierenden Amtes ebnete Speer
den Weg für eine gesamtwirtschaftliche Steuerung der Rohstoffflüsse. Dennoch rückte
er keineswegs vom Prinzip der privatwirtschaftlichen Selbstverwaltung ab. Speer
baute vielmehr das von seinem Vorgänger angestoßene Organisationsgefüge weiter
aus, indem er eine Unterteilung der Rüstungsindustrie in nach Wirtschaftssparten und
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Produktionsbereichen geordnete Hauptringe und –ausschüsse vornahm. Jedem
dieser von Unternehmensvertretern geleiteten Gremien wurden ebenfalls unter dem
Vorsitz von Wirtschaftspraktikern tagende Untergruppen angegliedert, was einen
direkten Abstimmungsprozess zwischen den Zuliefer- und den Endfertigungsbetrieben
in Gang setzte.
Darüber hinaus initiierte Speer umfassende Rationalisierungsmaßnahmen. Hierzu
zählten u. a. eine vermehrte Fließbandproduktion und die Umstellung von Mehr- auf
Einzweckmaschinen, die sich auch von ungelernten Arbeitskräften relativ leicht
bedienen ließen.
Speers ministerielle Tätigkeit trug insofern Früchte, als die Zahl der produzierten
Rüstungsgüter von Anfang 1942 bis Mitte 1944 um mehr als das Dreifache anstieg.
Dieser „Erfolg“ wurde jedoch mit dem millionenfachen Leid zu Sklavenarbeit in der
Rüstungsindustrie des „Dritten Reiches“ gezwungener Menschen erkauft, ganz
abgesehen davon, dass er die Fortführung eines verbrecherischen Krieges
ermöglichte.
11.2.2
Die Versorgungslage der Bevölkerung
Vor dem Hintergrund der Hungerunruhen, die das Deutsche Reich im Ersten
Weltkrieg erschüttert hatten, zeigte sich das NS-Regime sehr darum bemüht, eine
stabile Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Kleidung zu gewährleisten.
Beschränkungen des entsprechenden Angebotes waren unvermeidlich, sollten aber
auf einem recht hohen Niveau erfolgen. Hierzu wurde unmittelbar nach Kriegsausbruch ein Rationierungssystem eingeführt, das Deutschen „arischer“ Abstammung
existenzielle Entbehrungen ersparte. Kartoffeln und Gemüse gelangten weiterhin in
den freien Handel, ansonsten regelten Lebensmittelkarten und Bezugsscheine die
Zuteilung von Nahrungsmitteln sowie Textilien und Schuhen. Einem „Normalverbraucher“ standen wöchentlich u. a. 2.400 Gramm Brot und 500 Gramm Fleisch zu,
bestimmte Personengruppen wie Soldaten, „Schwerarbeiter“ und Schwangere hatten
Anspruch auf Sonderzulagen.
Mit fortschreitender Kriegsdauer war der Agrarsektor des „Dritten Reiches“ in Folge
eines akuten Mangels an Düngemitteln, Landmaschinen und Arbeitskräften immer
weniger in der Lage, den Nahrungsmittelbedarf der deutschen Bevölkerung zu
decken. Um Versorgungskrisen an der vielbeschworenen „Heimatfront“ zu verhindern,
wurde ein Großteil der in den besetzten Gebieten erzeugten Lebens- und Futtermittel
nach Deutschland geschafft. Insbesondere die Einwohner Polens und der als
Kornkammer der UdSSR geltenden Ukraine beraubte das NS-Regime unter Inkaufnahme zahlreicher Hungertoter systematisch ihrer Lebensgrundlagen. Durch diese
rücksichtlose Ausbeutungspolitik war es den nationalsozialistischen Machthabern
möglich, den Kaloriengehalt der zugeteilten Nahrungsmittel fast den gesamten Krieg
über weitgehend konstant zu halten. Lediglich die Qualität der Rationen sank im Zuge
der zunehmenden Verwendung von Ersatzstoffen.
5
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
11.2.3
Lernheft 11
Der Bombenkrieg
Luftschutz
Schon bald nach der Machtübertragung an die NSDAP setzte eine systematische
Vorbereitung der deutschen Bevölkerung auf etwaige feindliche Luftangriffe ein. So
wurde Ende April 1933 der dem Luftfahrtministerium angegliederte Reichsluftschutzbund (RLB) gegründet, dessen Mitgliederbestand bis 1939 auf etwa 13,5 Millionen
anwuchs. Dem RLB oblag u. a. die Schulung ehrenamtlich tätiger Luftschutzwarte und
die Abhaltung von Luftschutzübungen. Kraft eines Luftschutzgesetzes vom
26. Juni 1935 war jeder Deutsche „zu Dienst- und Sachleistungen sowie zu sonstigen
Handlungen, Duldungen und Unterlassungen verpflichtet, die zur Durchführung des
Luftschutzes erforderlich sind (Luftschutzpflicht).“ Doch im Laufe des Zweiten
Weltkrieges sollten sich alle getroffenen Luftschutzvorkehrungen, die z. B. den Bau
von Luftschutzbunkern, nächtliche Verdunkelung sowie die Ausgabe von „Volksgasmasken“ und Löschsandtüten umfassten, in Anbetracht des Zerstörungspotenzials der
alliierten Luftstreitkräfte als unzureichend erweisen.
Flächenbombardements
Die verheerenden Angriffe der deutschen Luftwaffe auf Warschau und Rotterdam
bildeten den Auftakt eines weite Teile Deutschlands in Trümmerlandschaften
verwandelnden Bombenkrieges. Auf alliierter Seite bemühten sich insbesondere die
britischen Luftstreitkräfte in Ermangelung geeigneter Navigationstechnik immer
weniger um die Zerstörung von Militär- und Industrieanlagen, sondern überzogen
zunehmend reine Wohngebiete mit Flächenbombardements, um die Kampfmoral der
deutschen Zivilbevölkerung zu brechen. Die größte Gefahr ging hierbei von
Feuerwalzen aus, die im Zuge des kombinierten Einsatzes von Spreng- und
Brandbomben entfacht wurden.
Anlässlich der Konferenz von Casablanca legten Roosevelt und Churchill Anfang
1943 das weitere alliierte Vorgehen im Bombenkrieg gegen das „Dritte Reich“ fest:
Der US Air Force fiel die Aufgabe zu, tagsüber Präzisionsangriffe auf militärischindustrielle Ziele zu fliegen, während das von Luftmarschall Arthur Harris befehligte
britische Bomber Command (BC) die nächtlichen Flächenbombardements intensivieren sollte. Dieser geballten Schlagkraft war die deutsche Luftabwehr auf Dauer
nicht gewachsen, so dass die feindlichen Bomberstaffeln binnen eines knappen
Jahres die absolute Luftherrschaft über Deutschland erlangten. Zu den folgenschwersten der zahlreichen Luftangriffe auf deutsche Städte zählten Massenbombardements auf Hamburg und Dresden, die im Sommer 1943 bzw. Mitte Februar 1945
jeweils zehntausende Todesopfer forderten. Insgesamt verloren etwa
600.000 Deutsche bei alliierten Bombenangriffen ihr Leben.
Der mit den Flächenbombardements bezweckte Demoralisierungseffekt blieb jedoch
aus. Die als „Bombenterror“ wahrgenommenen Luftschläge dürften den Durchhaltewillen der deutschen Bevölkerung und ihre Empfänglichkeit für die NS-Kriegspropaganda eher noch verstärkt haben.
6
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Abb.:
Das zerstörte Dresden nach dem alliierten Bombardement
vom 13. bis zum 15. Februar 1945
Quelle:
Bundesarchiv
11.2.4
Lernheft 11
Kriegspropaganda
Nach dem Überfall auf Polen wurde der Krieg zum beherrschenden Thema der
nationalsozialistischen Propaganda. Seitens des Propagandaministeriums initiierte
Kampagnen forderten die Bevölkerung zu erhöhter Wachsamkeit vor feindlicher
Agententätigkeit und Sabotage sowie zum Sammeln in der Kriegswirtschaft verwertbarer Altstoffe auf. Zahlreiche die Wehrmacht verherrlichende Schriften und Bücher
erhoben „Kriegshelden“ wie den „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel, die „Fliegerasse“
Hans-Ulrich Rudel und Werner Mölders oder den U-Boot-Kommandanten Günther
Prien in den Rang von Jugendidolen. Die populäre Radiosendung „Wunschkonzert für
die Wehrmacht“ sollte im Zuge des Austausches von Grüßen und Musikwünschen
den Zusammenhalt zwischen den Frontsoldaten und der Zivilbevölkerung fördern.
Film
Ein Leitmedium der NS-Propaganda blieb auch nach Kriegsausbruch der Film. Der
filmischen Massenbeeinflussung diente z. B. die fest zum Programm damaliger Kinos
gehörende Deutsche Wochenschau. Letztere war u. a. darauf ausgerichtet, mit Hilfe
von speziellen Propagandakompanien der Wehrmacht aufgenommenen und
suggestiv aufbereiteten Filmmaterials den Eindruck einer ebenso heroischen wie
erfolgreichen Kriegführung zu erwecken. Antisemitische Hetzwerke wie „Jud Süß“
(1940) und Durchhaltefilme wie „Kolberg“ (1945) sollten die Bevölkerung ideologisch
auf Linie halten und ihre Kampfmoral stärken. Die meisten Produktionen der
deutschen Filmindustrie waren allerdings weiterhin unpolitischer Natur. Der Zweck von
Unterhaltungsfilmen wie „Münchhausen“ (1943) oder „Die Feuerzangenbowle“ (1944)
bestand darin, das Kinopublikum von seinen kriegsbedingten Alltagsnöten
abzulenken.
7
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Der „Totale Krieg“
Als sich die Vorzeichen der militärischen Niederlage kaum noch leugnen ließen,
intensivierte das NS-Regime seine Appelle an die Opferbereitschaft der deutschen
Bevölkerung. Diese finale Phase der nationalsozialistischen Kriegspropaganda läutete
Goebbels öffentlich ein, als er am 18. Februar 1943 wenige Wochen nach der
Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad im Berliner Sportpalast den „Totalen Krieg“
ausrief. Damit die nicht mehr abreißende Kette militärischer Hiobsbotschaften keiner
allgemeinen Kriegsmüdigkeit Vorschub leistete, beschwor die NS-Führung immer öfter
und eindringlicher die Gefahr eines „Einfalls asiatischer Horden“.
11.2.5
Repression und Terror
Auf innenpolitischer Ebene ging die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch das
„Dritte Reich“ mit einer Erhöhung des Repressionsdrucks einher. Die Verschärfung
der staatlichen Unterdrückung schlug sich deutlich in der Einführung neuer Straftatbestände nieder. Von drakonischen Strafen bis hin zu Todesurteilen war fortan
z. B. bedroht, wer „Wehrkraftzersetzung“ in Form kritischer Bemerkungen zum Kriegsverlauf betrieb, als „Kriegswirtschaftverbrechen“ eingestufte Tätigkeiten wie Schwarzschlachtungen unternahm oder auf Grund angeblichen Plünderns bei Luftangriffen
eines Verstoßes gegen die „Volksschädlingsverordnung“ angeklagt wurde. Gleiches
galt für das ab dem 7. September 1939 unter Strafe stehende Hören ausländischer
„Feindsender“.
Innerhalb der deutschen Justiz bei Kriegsausbruch noch vorhandene Überbleibsel
rechtsstaatlicher Ordnung tilgte die NS-Führung, indem sie die Zuständigkeit für Fälle,
durch die Belange der öffentlichen Sicherheit als berührt galten, mit umfassenden
Vollmachten ausgestatteten Sondergerichten übertrug. Zum Inbegriff nationalsozialistischer Gesinnungsjustiz entwickelte sich, insbesondere nach der Übernahme des
Vorsitzes durch Roland Freisler im August 1942, der in Berlin ansässige Volksgerichtshof, der in etlichen Schauprozessen vermeintliche und tatsächliche
Regimegegner aburteilte.
RSHA
Als Schaltzentrale der nationalsozialistischen Repressions- und Terrormaßnahmen
wurde am 27. September 1939 das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) gegründet.
Das RSHA setzte sich aus sieben Ämtern zusammen und war seinerseits ein Hauptamt der SS. Seine Effizienz bei der Bekämpfung politischer Gegner sowie Verfolgung
und Vernichtung „rassisch minderwertiger Elemente“ ergab sich aus einer organisatorischen Verquickung von Kriminalpolizei, Gestapo, SD und Sipo. An der Spitze der
Behörde stand zunächst Reinhard Heydrich. Nachdem Heydrich im Frühjahr 1942 in
Prag einem von der tschechischen Exilregierung in Auftrag gegebenen Attentat zum
Opfer gefallen war, trat Ernst Kaltenbrunner an seine Stelle.
8
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
11.3
Die nationalsozialistische
Vernichtungsindustrie
11.3.1
Die „Euthanasie“-Morde
Lernheft 11
Der Kriegsausbruch gab den Startschuss für eine mörderische Radikalisierung der
NS-Rassenpolitik. Die erste Personengruppe, deren staatliche Verfolgung in systematische Vernichtung umschlug, waren an unheilbaren Erkrankungen geistiger,
psychischer oder körperlicher Natur leidende Menschen. Aus nationalsozialistischer
Sicht handelte es sich bei ihnen um wertvolle Ressourcen verschlingende
„Ballastexistenzen“, die es mittels des 1933 erlassenen „Gesetzes zur Verhütung
erbkranken Nachwuchses“ an der Fortpflanzung zu hindern galt. Am Vorabend des
Zweiten Weltkrieges schien Hitler die Zeit reif, in der Behandlung „lebensunwerten
Lebens“ zur „Euthansasie“ (griechisch: „guter/schöner Tod“), wie die beschönigende
Umschreibung von Krankenmorden lautete, überzugehen.
Als Anlass diente ihm der Fall eines Mannes, der den „Führer“ brieflich um die Tötung
seines schwerbehinderten Kindes ersuchte. Auf Hitlers Geheiß wurde das Kleinkind
Ende Juni 1939 in einer Leipziger Klinik umgebracht. Kurz darauf erteilte er Philipp
Bouhler, dem Leiter der für an Hitler gerichtete Bittgesuche zuständigen „Kanzlei des
Führers der NSDAP“ (KdF), und seinem Begleitarzt Karl Brandt mündlich den Auftrag,
bei gleichgelagerten Krankheitsbildern zukünftig ebenso zu verfahren.
„Euthanasiebefehl
Auf die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die hierdurch initiierte
„Euthanasieaktion“ verzichtete Hitler. Im Rahmen einer nur aus einem Satz
bestehenden schriftlichen Anordnung wies er lediglich Bouhler und Brandt im Oktober
1939 persönlich an, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass unter Hinzuziehung von
ihnen „namentlich zu bestimmender Ärzte (...) unheilbar Kranken (...) der Gnadentod
gewährt werden kann.“ Das Schreiben trug das Datum des 1. September 1939. Mit
dieser symbolträchtigen Rückdatierung auf den Tag des Kriegsbeginns verlieh Hitler
der Auffassung Ausdruck, dass der Kampf gegen die äußeren Feinde Deutschlands
eine innere Entsprechung in der „Euthanasie“ finde.
„Aktion T 4“
Da die „Euthanasieaktion“ unter strenger Geheimhaltung erfolgen sollte, wurde eine
Reihe von Tarnorganisationen mit ihrer Durchführung betraut. Die Erfassung
potenzieller Opfer etwa oblag einem als „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und
Pflegeanstalten“ firmierenden Ärzteteam, das Meldebögen entwickelte und an
Pflegeeinrichtungen verschickte. Die „Verlegung“ zur Tötung vorgesehener Patienten
war Aufgabe der „Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft mbH“, die Zugriff auf
den Wagenpark der SS besaß. Die organisatorischen Fäden der „Euthanasieaktion“
liefen bei einer zentralen Dienststelle mit Sitz in der Berliner Tiergartenstraße 4
zusammen, weshalb die Krankenmorde die Tarnbezeichnung „Aktion T 4“ erhielten.
Die Auswahl der zu „erlösenden“ Patienten trafen Gutachter ausschließlich auf
Grundlage der ausgefüllten Meldebögen. Bei Behinderten jüdischer Herkunft
unterblieb selbst diese Ferndiagnose, da sie generell als „lebensunwert“ galten.
Schauplatz der Krankenmorde waren die „Euthanasie“-Anstalten Grafeneck,
Brandenburg, Hartheim, Sonnenstein, Bernburg und Hadamar. Zwischen Anfang 1940
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
und August 1941 wurden dort durch tödliche Injektionen sowie in als Duschräume
getarnten Gaskammern mehr als 70.000 Menschen umgebracht.
In Anbetracht der Dimension des Massenmordes ließ sich die „Aktion T 4“ auf Dauer
nicht verheimlichen. Als Clemens August Graf von Galen, der Bischof von Münster,
am 3. August 1941 im Rahmen einer Predigt Protest gegen die „Vernichtung
lebensunwerten Lebens“ erhob, verfügte Hitler aus Rücksichtnahme auf die öffentliche
Stimmung die Einstellung der „Euthanasieaktion“. Aber auch ohne zentrale Steuerung
setzte sich das Morden hinter Anstaltsmauern fort, wobei Ärzte und Pflegepersonal
sich bevorzugt überdosierter Beruhigungsmittel bedienten. Die „Vergasungstechniker“
der „Aktion T 4“ hatten sich derweil bereits einem neuen Aufgabenfeld zugewandt: der
Vernichtung der europäischen Juden.
11.3.2
Der Holocaust
Mit Kriegsbeginn verschärfte sich die ohnehin schon bedrohliche und von zahlreichen
Einschränkungen gekennzeichnete Situation der noch zirka 200.000 innerhalb des
Deutschen Reiches lebenden Juden erheblich. Letztere unterlagen z. B. nun einer
nächtlichen Ausgangssperre, die im Sommer ab 20 und während der Wintermonate
ab 21 Uhr galt. Nach und nach wurden ihnen der Besitz von Radiogeräten, Telefonapparaten und Kraftwagen sowie das Halten von Haustieren untersagt. Sie mussten
sich mit weit geringeren Lebensmittelrationen als die „arische“ Bevölkerung begnügen,
die Ausgabe erfolgte zudem in gesonderten Geschäften. Kleiderkarten blieben ihnen
ab Ende 1939 ganz vorenthalten.
Am 19. September 1941 trat eine Verordnung in Kraft, die jede mindestens sechs
Jahre alte Person jüdischer Abstammung zum Tragen eines sechszackigen gelben
Sterns mit der Aufschrift „Jude“ auf der linken Brustseite der Kleidung verpflichtete.
Mitte des darauffolgenden Monats setzten die Massenverschleppungen deutscher
Juden in Richtung Osteuropa ein. Für die meisten der Deportierten war es eine Reise
in den Tod.
Madagaskar-Plan
Bei Kriegsausbruch war die Ermordung aller im deutschen Machtbereich lebenden
Juden keineswegs bereits seitens des Nazi-Regimes definitiv beschlossen worden.
Noch im Sommer 1940 galt vielmehr nach dem militärischen Triumph über Frankreich
eine Massenzwangsumsiedlung europäischer Juden auf die vor Ostafrika gelegene
Insel Madagaskar, die zum französischen Kolonialreich gehörte, innerhalb der
NS-Führung als ernsthafte Option. Im Auftrag Heydrichs verfasste Adolf Eichmann,
der im RSHA das Referat „Judenangelegenheiten und Räumung“ leitete, eine die
Madagaskar-Idee konkretisierende Denkschrift. Eichmann schlug hierin die Verschleppung von vier Millionen Juden vor, die auf Madagaskar wohl ein strenger SS-Aufsicht
unterliegendes Dasein in qualvollem Siechtum erwartet hätte. Der Madagaskar-Plan
zerschlug sich jedoch mit dem Scheitern der Invasion Englands, da die britischen
Seestreitkräfte dem „Dritten Reich“ die in Frage kommenden Transportwege
versperrten.
Die Radikalisierung der NS-Judenpolitik schritt auch deshalb mit zunehmender Kriegsdauer fort, weil die Gauleiter des „Altreiches“, der „Ostmark“, sowie der militärisch
eroberten und dem Deutschen Reich einverleibten Gebiete geradezu darum wetteiferten, sich als erste „ihrer“ Juden zu entledigen. Aus ihrer Sicht bot sich das
10
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
„Generalgouvernement“, also der nicht „eingedeutschte“ Teil des polnischen
Territoriums, als eine Art „menschlicher Schuttabladeplatz“ an, doch auf Grund von
Überfüllung, Nahrungsmittelknappheit und Seuchengefahr waren die Aufnahmekapazitäten der dortigen Judenghettos weitgehend erschöpft. Zudem setzte
Verwaltungschef Frank seinerseits alles daran, das „Generalgouvernement“
schnellstmöglich „judenfrei“ zu machen. Die zwischenzeitlich erwogene Errichtung
eines „Judenreservates“ auf sowjetischem Boden erwies sich ebenfalls als nicht
kurzfristig realisierbar, da der erwartete „Blitzsieg“ der Wehrmacht über die Rote
Armee ausblieb.
Der Entschluss zur physischen Auslöschung der europäischen Juden fiel in der
zweiten Hälfte des Jahres 1941 und somit zu einem Zeitpunkt, als die Einsatzgruppen
bereits mordend durch die UdSSR zogen. Anders als im Fall der „Aktion T 4“ konnte
bislang kein schriftlicher Vernichtungsbefehl Hitlers aufgefunden werden. Womöglich
autorisierte der „Führer“ die entsprechenden Maßnahmen nur in mündlicher Form.
Unzweifelhaft ist jedenfalls, dass die „Endlösung der Judenfrage“, wie die verharmlosende Umschreibung der geplanten „Ausrottung“ des europäischen Judentums im
internen NS-Sprachgebrauch lautete, mit seiner Billigung anlief.
Wannsee-Konferenz
Die organisatorischen Weichen für die „Endlösung“ stellte Heydrich. Auf seine
Einladung trafen sich am 20. Januar 1942 in der Berliner Villa „Am Großen Wannsee
56-58“ hochrangige Vertreter diverser Reichsministerien, der SS und der NSDAP zu
einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“. Die 15 Teilnehmer der WannseeKonferenz stimmten das logistische Vorgehen bei der „Evakuierung der Juden nach
dem Osten“ ab.
Heydrich prognostizierte, dass von den europaweit mehr als elf Millionen in die
Deportationen einzubeziehenden Menschen bei Arbeitseinsätzen „ein Großteil durch
natürliche Verminderung ausfallen“ werde, die Überlebenden müssten „entsprechend
behandelt werden“, um sie als besonders widerstandsfähige „Keimzelle eines neuen
jüdischen Aufbaues“ auszuschalten. Aus den Reihen der Anwesenden wurden
keinerlei Bedenken gegenüber den Völkermordplanungen geäußert. So gelang
Heydrich mit der Wannsee-Konferenz die Einbindung der gesamten NS-Bürokratie in
den auf millionenfachen Mord ausgerichteten Vernichtungsprozess.
Die Dimension der angestrebten Massenvernichtung erforderte die Anwendung einer
neuen Tötungsmethodik, da die von den Einsatzgruppen vorgenommenen
Erschießungen als nicht effizient genug angesehen wurden und die Täter auf Dauer
einer zu hohen Nervenbelastung aussetzten. Eine naheliegende Alternative stellten
Vergasungen dar, die sich im Rahmen der Krankenmorde „bewährt“ hatten. Das erste
mit entsprechender Tötungstechnik ausgestattete Vernichtungslager nahm im
Dezember 1941 auf dem Gebiet des nach der Zerschlagung Polens gebildeten
Reichsgaus Wartheland seinen Betrieb auf, und zwar in der Ortschaft Kulmhof
(polnisch: Chelmno). Als Mordinstrumente dienten dort Gaswagen, in denen
insgesamt mehr als 150.000 Menschen, überwiegend Juden, aber auch tausende
Sinti und Roma, durch das Einleiten von Motorabgasen erstickt wurden.
„Aktion Reinhardt“
Weitere fünf Vernichtungslager entstanden innerhalb des „Generalgouvernements“.
Drei davon, nämlich die jeweils in abgelegenen Gegenden des Distrikts Lublin aus
logistischen Gründen in der Nähe von Eisenbahnlinien erbauten Tötungszentren
Belzec, Sobibor und Treblinka, waren fest in die Mitte 1942 startende „Aktion
Reinhardt“ eingebunden. Diese ursprünglich wohl nach dem Staatssekretär im
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Reichsfinanzministerium Fritz Reinhardt benannte, von der SS aber nach dessen Tod
auf RSHA-Chef Reinhard Heydrich bezogene Mordaktion zielte auf die Auslöschung
aller im „Generalgouvernement“ lebenden Juden ab.
In überfüllten Viehwaggons wurden die Opfer aus den Judenghettos in die
Vernichtungslager transportiert. In angeblichen Duschräumen bereitete durch
Dieselmotoren erzeugtes Kohlenmonoxid ihrem Leben ein qualvolles Ende. Nach und
nach leerten sich so die Judenghettos des „Generalgouvernements“. Als sich die
endgültige Auflösung des Warschauer Ghettos abzeichnete, begann die jüdische
Widerstandsbewegung dort am 19. April 1943 einen bewaffneten Aufstand.
Deutsche Truppen benötigten einen knappen Monat, um die Kontrolle über das
Ghetto zurückzugewinnen, das sie hierbei vollkommen zerstörten. Der Warschauer
Ghettoaufstand bewog die SS-Spitze zur Forcierung der „Aktion Reinhardt“, die noch
bis zum Herbst 1943 andauerte. In ihrem Verlauf wurden in den Vernichtungslagern
Belzec, Sobibor und Treblinka etwa 1,75 Millionen Menschen umgebracht.
Ein kombiniertes Konzentrations- und Vernichtungslager unterhielt die SS in
Majdanek, einem Vorort Lublins. Die dortigen KZ-Insassen mussten aus der Kleidung
ermordeter Juden fronttaugliche Textilien fertigen. Wer als nicht mehr arbeitsfähig
galt, wurde vergast und anschließend in einem Krematorium verbrannt. Durch
Unruhen in den Vernichtungslagern Sobibor und Treblinka alarmiert, führte die SS im
November 1943 als „Aktion Erntefest“ titulierte Massenerschießungen durch, denen
allein in Majdanek um die 17.000 Häftlinge zum Opfer fielen. Insgesamt starben in
Majdanek annähernd 80.000 Menschen.
Auschwitz
Die für Majdanek typische Verbindung von KZ und Vernich tungszentrum war auch für
das ostoberschlesische Lager Auschwitz kennzeichnend, das zum Inbegriff des
nationalsozialistischen Vernichtungsapparates schlechthin werden sollte. Auschwitz
bestand aus drei Hauptbereichen: dem Stammlager (Auschwitz I), dem knapp drei
Kilometer entfernt erbauten Lagerareal Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) und einem
auf dem Gelände der zum IG Farben-Konzern gehörenden Buna-Werke in Monowitz
(Monowice) errichteten Zwangsarbeiterlager (Auschwitz III). Dem Komplex Auschwitz
III waren mehr als drei Dutzend weitere Außenlager angegliedert, deren Häftlinge von
der SS an im oberschlesischen Industriegebiet mit Niederlassungen vertretene Firmen
„vermietet“ wurden.
Vernichtungsindustrie
Im September 1941 nahm die SS im Stammlager erste „Probe vergasungen“
sowjetischer Kriegsgefangener und kranker Häftlinge mit dem blausäurehaltigen
Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B vor, das sich hierbei als geeignet für
Massentötungen erwies. Zum systematischen Einsatz kam Zyklon B ab März 1942 in
Auschwitz-Birkenau, das sich zu einer regelrechten „Mordfabrik“ mit industrieartigen
Vernichtungsabläufen entwickelte. Aus sämtlichen der Kontrolle des „Dritten Reiches“
unterliegenden Gebieten Europas wurden in Güterwagen gepferchte Opfer des NSRassenwahns nach Auschwitz-Birkenau transportiert. Bis zum Mai 1944 hielten die
Züge an der „Alten Rampe“, deren Entfernung zum Lagertor rund einen Kilometer
betrug. Danach verfügte Auschwitz II über einen eigenen Gleisanschluss mit einer
etwa zehn Meter breiten „Neuen Rampe“. Noch auf den „Rampen“ fand die „Selektion“
der Neuankömmlinge durch SS-Ärzte statt, d. h. als „arbeitsfähig“ eingestufte
Personen wurden ausgesondert und ins Lager überstellt.
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
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Den zumeist weitaus größeren Teil der Gruppe, darunter in der Regel alle alten und
kranken Personen, Kinder sowie schwangeren Frauen, erfasste die SS erst gar nicht
als Häftlinge. Diese Personen wurden vielmehr direkt nach ihrer Ankunft in die als
Duschräume getarnten Gaskammern geführt und ermordet. Die Vergasungen
erfolgten anfangs in zwei ehemaligen Bauernhöfen, den so genannten Bunkern. Im
Laufe des Jahres 1943 wurde die Tötungskapazität von Auschwitz-Birkenau durch die
Inbetriebnahme von vier kombinierten Vernichtungsanlagen, jeweils bestehend aus
einem Entkleidungsraum, einer Gaskammer und einem Krematorium, beträchtlich
erhöht. So konnten ab Mitte 1943 täglich zirka 10.000 Menschen vergast und 5.000
Leichen verbrannt werden.
Die Mordopfer wurden einem umfassenden Verwertungsprozess unterworfen: In einer
„Sortierstelle“ beschäftigte Häftlinge ordneten das auf der „Rampe“ zurückgelassene
Gepäck und die Kleidung der zur Vernichtung bestimmten Menschen. Ebenfalls aus
KZ-Insassen gebildete „Sonderkommandos“ brachen zwischen Vergasung und
Verbrennung die Goldzähne aus den Mündern der Ermordeten, sammelten Prothesen
ein und schoren den Leichen die Haare. Den Verkauf der so geraubten Wertgegenstände und Materialien wickelte das Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) der SS
ab, den Erlös strich die Reichskasse zur Kriegsfinanzierung ein.
Für diejenigen Neuankömmlinge, welche die „Selektion“ überstanden hatten, sah das
Konzept der SS „Vernichtung durch Arbeit“ vor. Entsprechend waren die Lebens- und
Arbeitsbedingungen der KZ-Insassen: Die dünne Häftlingskleidung bot einen ebenso
dürftigen Schutz vor den häufig extremen Witterungsbedingungen wie die eigentlich
für die Unterbringung von Pferden gedachten Häftlingsbaracken.
Eine minimale Verpflegung, katastrophale hygienische Bedingungen, die zu
verrichtende Sklavenarbeit und gewalttätige Übergriffe des SS-Wachpersonals
bewirkten in der Regel einen raschen körperlichen Verfall. Häftlinge, die bei einem der
jeweils morgens und abends durchgeführten Zählappelle oder bei der Arbeit
zusammenbrachen, drohte der Gang ins Gas. Nicht minder gefürchtet war die
Einweisung in den Häftlingskrankenbau, da zahlreiche kranke Häftlinge mittels einer
Phenolinjektion ins Herz umgebracht wurden („Abspritzen“). Etliche Häftlinge fielen
zudem den grausamen Menschenversuchen des Dr. Josef Mengele und anderer SSÄrzte zum Opfer.
13
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Abb.:
„Selektion“ an der Rampe von Auschwitz (um 1943)
Quelle:
Deutsches Historisches Museum
Lernheft 11
„Zigeunerlager“
„Anfang 1943 errichtete die SS innerhalb von Auschwitz-Birkenau ein spezielles
Teillager für Sinti und Roma. Knapp 23.000 Personen wurden in dieses
„Zigeunerlager“, in dem ausnahmsweise Familien zusammenleben durften,
verschleppt. Die Mehrzahl von ihnen starb an Unterernährung, Krankheiten oder als
menschliche Versuchsobjekte. Im August 1944 löste die SS das „Zigeunerlager“ auf
und vergaste die annähernd 3.000 dort noch festgehaltenen Kinder, Frauen und
Männer.
Als die Rote Armee immer näher rückte, ordnete die Lagerleitung die Zerstörung der
Vernichtungsanlagen an. Tausende Häftlinge mussten sich auf „Todesmärsche“ in
Richtung Westen begeben. Wer nicht mehr laufen konnte, wurde von den SS-Begleitmannschaften auf dem Weg erschossen. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote
Armee Auschwitz, in dem sich noch etwa 7.500 Häftlinge, viele von ihnen mehr tot als
lebendig, befanden.
In Auschwitz starben etwa 1,1 Millionen Menschen. Insgesamt wurden mindestens
5,6 Millionen Juden im Zuge nationalsozialistischer Vernichtungsmaßnahmen
ermordet. Die Angaben über die Zahl der getöteten Sinti und Roma variieren stark, die
meisten Schätzungen bewegen sich in einem Rahmen zwischen 220.000 und
500.000.
Für den unter dem Tarnbegriff der „Endlösung“ verübten Völkermord setzte sich nach
dem Zweiten Weltkrieg das dem Griechischen entlehnte Wort „Holocaust“ durch.
Letzteres ist aber nicht unumstritten, da es ursprünglich zur Umschreibung religiös
motivierter Brandopfer diente. Die gebräuchlichste Alternative stellt das aus dem
Hebräischen stammende Wort „Shoah“ („große Katastrophe“) dar.
14
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
11.4
Lernheft 11
Loyalität und Widerstand
Popularität des NS-Regimes
Zu keinem Zeitpunkt formierte sich während des „Dritten Reiches“ in Deutschland eine
Massenbewegung gegen die NS-Diktatur. Zu ausgeprägt war die Furcht vor
möglichen Repressalien, zu stark aber auch der Rückhalt des Nazi-Regimes innerhalb
der deutschen Bevölkerung. So ergab sich die Wirksamkeit des nationalsozialistischen Überwachungs- und Terrorapparates nicht zuletzt aus der Tatsache, dass ihn
zahlreiche „normale“ Deutsche freiwillig mit Informationen über sich angeblich
verdächtig verhaltende oder systemkritisch äußernde Menschen versorgten. Die weit
verbreitete Identifikation mit dem Nationalsozialismus beruhte auf einer Reihe von
Gründen: Viele Personen verdankten der Machtübergabe an die NSDAP einen
beruflichen Aufstieg oder gesellschaftliche Machtpositionen, noch weitaus mehr
profitierten von sozialen Gefälligkeiten, wie sie etwa in Friedenszeiten von der
NS-Organisation „Kraft durch Freude“ organisierte Freizeitvergnügungen darstellten.
Die nach Kriegsausbruch zur Vermeidung von Hunger an der „Heimatfront“ unternommenen Anstrengungen honorierten weite Teile der Bevölkerung ebenfalls mit
ungebrochener Loyalität. Dass die NS-Sozialpolitik schon zu Beginn des „Dritten
Reiches“ eine Kehrseite besaß, die in der menschenverachtenden Ausgrenzung und
Verfolgung ganzer Bevölkerungsgruppen bestand, wurde vielfach ausgeblendet, wenn
nicht sogar bewusst mitgetragen.
Auf ein hohes Maß an Zustimmung stießen insbesondere gegen Juden gerichtete
Maßnahmen. Der Antisemitismus zählte nämlich zu den populärsten Elementen der
nationalsozialistischen Weltanschauung, knüpfte er doch an eine seit Jahrhunderten
grassierende Judenfeindschaft an. Auch das Weltmachtstreben des NS-Regimes
hatte in Deutschland durchaus Tradition und war weiten Bevölkerungsteilen
vermittelbar. Die in alle Lebensbereiche ausstrahlende Staatspropaganda tat ein
Übriges, um die allgemeine Verbundenheit mit dem Nazi-Regime zu fördern.
Trotz der breiten Unterstützung, die das NS-System bis zu seinem Untergang
innerhalb des Deutschen Reiches genoss, gab es eine beträchtliche Anzahl von
Einzelpersonen und Gruppierungen, die sich dem nationalsozialistischen
Herrschaftsanspruch entzogen, Protest artikulierten oder gar aktiven Widerstand
leisteten.
Widerstand aus dem Exil
Viele Nazi-Gegner, die nach der Machtübergabe an die NSDAP Zuflucht im Ausland
gesucht hatten, kämpften aus dem Exil gegen das NS-Regime. Der sich in Prag Mitte
1933 bildende SPD-Parteivorstand im Exil (Sopade) bemühte sich z. B. darum,
Informationen über staatliche Verfolgungen im „Dritten Reich“, die dort illegal tätige
sozialdemokratische Widerstandszirkel lieferten, der Weltöffentlichkeit zugänglich zu
machen.
Emigrierte Schriftsteller zogen literarisch gegen den Nationalsozialismus zu Felde,
etwa Lion Feuchtwanger und Anna Seghers im Rahmen ihrer Romane „Die
Geschwister Oppermann“ (1933) und „Das siebte Kreuz“ (1942) oder Bertolt Brecht
mit seinem während der Jahre 1935-1938 im dänischen Exil entstandenen
Theaterstück „Furcht und Elend des Dritten Reiches“. Der Literaturnobelpreisträger
Thomas Mann rief die deutsche Bevölkerung ab 1940 in dutzenden BBC-Radioansprachen zum Sturz des NS-Regimes auf. Seine Kinder Erika, Klaus und Golo
Mann stellten ihre intellektuellen Fähigkeiten in den Dienst der US-Streitkräfte.
15
„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Kirchlicher Widerstand
Das Bestreben führender Kirchenkreise, sich mit dem NS-Staat zu arrangieren,
verhinderte von vornherein einen breiten christlichen Widerstand gegen das „Dritte
Reich“. Mutige Vertreter beider großer Konfessionen sorgten jedoch dafür, dass der
nationalsozialistische Repressionsapparat den kirchlichen Widerstand nie vollends
auszuschalten vermochte.
Innerhalb der katholischen Kirche erregte der Münsteraner Bischof Clemens August
Graf von Galen mit seiner öffentlichen Kritik an den Krankenmorden großes Aufsehen.
Wiederholt bezahlten weniger prominente katholische Geistliche ihr Eintreten für NSOpfer mit dem Leben. Der Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg beispielsweise,
der sich auch für Menschen jüdischer Herkunft einsetzte, verstarb im November 1943
auf dem Transport ins KZ Dachau.
Auf evangelischer Seite wurde in Abgrenzung zu den der NS-Bewegung nahe
stehenden „Deutschen Christen“ der Pfarrernotbund gegründet, aus dem Mitte 1934
wiederum die sich dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus verweigernde
Bekennende Kirche hervorging. Zu den Leitfiguren der Bekennenden Kirche zählten
die evangelischen Theologen Martin Niemöller, der das „Dritte Reich“ trotz mehrjähriger KZ-Haft überlebte, und Dietrich Bonhoeffer, der wenige Wochen vor Kriegsende im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde.
Jugendopposition
Angehörige diverser Jugendkulturen und -bewegungen widersetzten sich auf
vielfältige Art und Weise dem NS-System. Die vorwiegend dem gehobenen Bürgertum
entstammende Swing-Jugend erteilte dem HJ-Drill durch einen lässigen Kleidungsstil,
relativ lange Haare und ihre Vorliebe für die US-Musikrichtungen des Swing und Jazz
eine deutliche Absage. Eher im proletarischen Milieu angesiedelt waren die Edelweißpiraten, die ebenfalls eine eigene Subkultur mit speziellen Kleidungscodes
ausbildeten. Mit der von ihnen verachteten HJ lieferten sich die Edelweißpiraten
regelmäßig handfeste Auseinandersetzungen.
Die Grenze zwischen Protest und Widerstand überschritt insbesondere eine KölnEhrenfelder Gruppe. Ihre Widerstandsformen reichten von der Unterstützung
untergetauchter Deserteure und Zwangsarbeiter über das Anbringen von Anti-NaziParolen auf Hauswänden bis zu Attentaten auf NS-Funktionäre. Im Herbst 1944
zerschlug die Gestapo die Ehrenfelder Gruppe, dreizehn ihrer Mitglieder wurden ohne
vorherigen Gerichtsprozess öffentlich gehängt.
Weiße Rose
Überwiegend aus jungen Leuten setzte sich auch ein in München unter dem Namen
„Weiße Rose“ aktiver Widerstandszirkel zusammen. Den Kern der Gruppe bildeten die
Studenten Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell und Christoph
Probst sowie der Philosophie-Professor Kurt Huber. Die Weiße Rose produzierte ab
Mitte 1942 sechs Flugblätter NS-kritischen Inhaltes, die sie zunächst an einen recht
überschaubaren Adressatenkreis im Großraum München verschickte, später auch in
höherer Auflage überregional zu verbreiten versuchte. Zudem rief die Gruppe in Form
von Wandparolen zum Sturz des Nazi-Regimes auf. Die am 18. Februar 1943 nach
einer Flugblattverteilaktion an der Münchener Universität erfolgende Festnahme der
Geschwister Scholl leitete das Ende der Weißen Rose ein. In mehreren Prozessen
wurden die Kernmitglieder zum Tode verurteilt und hingerichtet.
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Arbeiterwiderstand
Der Arbeiterwiderstand litt nachhaltig unter dem Terror und der Verhaftungswelle, die
über KPD- und SPD-Mitglieder nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler
hereinbrachen. Je mehr nach Deutschland geschmuggeltes oder dort illegal
hergestelltes Propagandamaterial kommunistische oder sozialdemokratische
Widerstandskreise in Umlauf zu bringen vermochten, desto massiver wurde der
staatliche Verfolgungsdruck. Trotz zunehmender Vorsichtsmaßnahmen gelang den
Überwachungsbehörden immer wieder die Unterwanderung und Ausschaltung
entsprechender Gruppen.
Auf den kommunistischen Widerstand wirkte sich zudem der Abschluss des „HitlerStalin-Paktes“ äußerst lähmend aus. Erst nach dem Überfall des Deutschen Reiches
auf die Sowjetunion kam es zu einem Wiederaufleben kommunistischer Widerstandstätigkeit. In Hamburg war Bernhard Bästlein, in Berlin Anton Saefkow maßgeblich am
Aufbau von Strukturen beteiligt, durch die u. a. ausländische Zwangsarbeiter mit
Kleidung und Lebensmitteln versorgt, gegen den Nationalsozialismus gerichtete Texte
verbreitet und Sabotageakte in Rüstungsbetrieben verübt werden konnten. Sowohl
Bästlein als auch Saefkow wurden 1944 festgenommen und exekutiert.
„Rote Kapelle“
Mit kommunistischem Gedankengut sympathisierten auch einige Mitglieder eines
Berliner Widerstandsnetzwerkes, das von der Gestapo die Bezeichnung „Rote
Kapelle“ erhielt. Die unterschiedlichen sozialen Milieus entstammenden Angehörigen
dieser Organisation, die einen hohen Frauenanteil aufwies, leisteten u. a. von
staatlicher Verfolgung betroffenen Menschen Unterstützung, dokumentierten deutsche
Kriegsverbrechen, von denen sie erfuhren, und verliehen ihrer strikten Ablehnung des
Nazi-Regimes durch das Verbreiten bzw. Verkleben illegaler Flugschriften und Plakate
Ausdruck.
Ein innerer Kreis um den Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium Arvid
Harnack und den im Reichsluftfahrtministerium tätigen Offizier Harro Schulze-Boysen
beschäftigte sich mit der Übermittlung kriegswichtiger Informationen an den
sowjetischen Nachrichtendienst. Im Sommer 1942 gelang der Gestapo die Enttarnung
der „Roten Kapelle“. Von den mehr als 120 festgenommenen Mitgliedern starb
annähernd die Hälfte in Haft oder wurde hingerichtet.
„Kreisauer Kreis“
Den breitesten gesellschaftlichen Querschnitt aller gegen das NS-Regime opponierenden Gruppen verkörperte, obwohl nur etwa 20 Kernmitglieder und etwa ebenso
viele Sympathisanten umfassend, ein von der Gestapo nach seiner Aufdeckung als
„Kreisauer Kreis“ geführter Widerstandszirkel. Letzterer vereinte z. B. fortschrittlich
denkende Adlige wie die Juristen Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf
Yorck von Wartenburg, den katholischen Geistlichen Alfred Friedrich Delp, den
evangelischen Theologen Eugen Gerstenmaier sowie die Sozialdemokraten Carlo
Mierendorff und Adolf Reichwein.
Ab 1940 traf sich die Gruppe in wechselnder Zusammensetzung regelmäßig in Berlin,
München und auf dem niederschlesischen Gut Kreisau der Familie Moltke. Hierbei
entwarf sie die Grundzüge einer von sozialer Gerechtigkeit und demokratischer
Teilhabe des Einzelnen geprägten gesellschaftlichen Neuordnung nach dem Sturz
des NS-Regimes. Nach der Verhaftung Moltkes Anfang 1944 zerfiel die Gruppe. Die
entschiedensten Nazi-Gegner unter den „Kreisauern“ intensivierten daraufhin ihre
Kontakte zum militärischen Widerstand. Erst nach dem missglückten Attentat auf
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
Lernheft 11
Hitler am 20. Juli 1944 kam die Gestapo im Rahmen ihrer Ermittlungen auch dem
„Kreisauer Kreis“ auf die Spur, was u. a. für Moltke, Yorck von Wartenburg, Delp und
Reichwein das Todesurteil bedeutete.
Militärischer Widerstand
Nachdem die Wehrmachtführung die Politik des „Dritten Reiches“ ein halbes
Jahrzehnt lang nahezu vorbehaltlos unterstützt hatte, ging zumindest eine Minderheit
innerhalb der deutschen Generalität im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges auf Distanz
zu Hitler. Generalstabschef Ludwig Beck etwa trat im August 1938 von seinem Posten
zurück. Ein von ihm, seinem Nachfolger Franz Halder und anderen hohen Offizieren
für den Fall einer kriegerischen Eskalation der Sudetenkrise erwogener
Umsturzversuch unterblieb auf Grund von Hitlers Verhandlungserfolg bei der
Münchener Konferenz.
Zu einem Zentrum des militärischen Widerstandes entwickelte sich zunehmend der
geheime Nachrichtendienst der Wehrmacht, das von Admiral Wilhelm Canaris
geleitete Amt Ausland/Abwehr. Treibende Kraft der entsprechenden Aktivitäten war
Oberst Hans Oster, der etwa mit Billigung seines Chefs nach Kriegsausbruch das
feindliche Ausland über deutsche Angriffspläne auf Dänemark, Norwegen, Belgien
und die Niederlande informierte. Die „Blitzsiege“ über Polen und Frankreich entzogen
jedoch den gegenüber Hitler innerhalb der Wehrmacht vorhandenen Vorbehalten
weitgehend den Nährboden.
20. Juli 1944
Das Wissen um die in Osteuropa verübten Kriegsverbrechen und die immer
aussichtslosere militärische Lage des „Dritten Reiches” stärkten den militärischen
Widerstand gegen Hitler. Vor einem Attentat auf den „Führer” schreckten aber auch
die meisten regimekritischen Angehörigen des deutschen Offizierkorps zurück, da sie
sich an ihren auf Hitler geleisteten Eid gebunden fühlten. Eine Gruppe um die jungen
Offiziere Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Henning von Tresckow sah jedoch
eben hierin eine politische und moralische Notwendigkeit. Ihre diesbezüglichen
Vorbereitungen wurden von General Friedrich Olbricht gedeckt, der als Chef des
Allgemeinen Heeresamtes den Aufbau eines militärisch-zivilen Widerstandsnetzwerkes deckte. Die zum Umsturz entschlossenen Offiziere fassten den Entschluss,
Hitler zu eliminieren und dann unter Ausnutzung des ursprünglich zur Niederschlagung etwaiger innerer Unruhen entwickelten Operationsplans „Walküre” den
NS-Herrschaftsapparat auszuschalten.
Zur Durchführung des Anschlages erklärte sich Stauffenberg bereit, der nach seiner
Ernennung zum Stabschef des Befehlshabers des Ersatzheeres ab Mitte 1944
regelmäßig an militärischen Lagebesprechungen mit dem „Führer” teilnahm. Bei einer
dieser Gelegenheiten deponierte Stauffenberg am 20. Juli 1944 im ostpreußischen
„Führerhauptquartier Wolfsschanze“ ein mit einem Zeitzünder versehenes Sprengstoffpaket in Hitlers Nähe, um anschließend unter einem Vorwand den Raum zu
verlassen und zur Koordinierung des Staatsstreiches nach Berlin zu fliegen. Die
Sprengstoffexplosion verletzte Hitler jedoch nur leicht, was den Umsturzversuch zum
Scheitern verurteilte.
Stauffenberg wurde noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 mit Olbricht und zwei
weiteren Mitverschwörern erschossen. Eine aus mehr als 400 Beamten bestehende
„Sonderkommission 20. Juli“ setzte eine massive Verfolgungswelle in Gang, die sich
beileibe nicht nur auf den Kreis der in die Attentatspläne eingeweihten Personen
beschränkte. Nach dem 20. Juli 1944 wurden vielmehr knapp 5.600 Personen
verhaftet, von denen viele das „Dritte Reich” nicht überlebten.
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
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Kriegsdienstverweigerung
Eine männerspezifische Form passiven Widerstandes bestand darin, den Kriegsdienst
zu verweigern bzw. zu desertieren. Generell den Kriegsdienst verweigerten aus
Gewissensgründen z. B. die Zeugen Jehovas. Zirka 250 Angehörige dieser christlichen Glaubensgemeinschaft bezahlten hierfür mit ihrem Leben. Wegen Fahnenflucht
verhängte die NS-Militärjustiz rund 22.000 Todesurteile, von denen knapp 15.000
vollstreckt wurden.
Humanitärer Widerstand
Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft und politischer Gesinnung leisteten
humanitären Widerstand, indem sie Opfern nationalsozialistischer Verfolgung halfen.
In Berlin war beispielsweise seit der Reichspogromnacht im November 1938 die nach
ihrem internen Warnruf benannte „Onkel-Emil-Gruppe” aktiv. Aus einem Freundeskreis um die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich entstanden, beschaffte dieser
Widerstandszirkel etwa untergetauchten Juden Quartiere, Lebensmittel und falsche
Papiere. Das humanitäre Engagement der „Onkel-Emil-Gruppe” blieb bis zum Ende
des „Dritten Reiches“ von der Gestapo unentdeckt.
11.5
Der Zusammenbruch des NS-Regimes
„Volkssturm“
Nach der erfolgreichen Landung alliierter Truppen in der Normandie rückten die
feindlichen Streitkräfte in der zweiten Jahreshälfte 1944 aus zwei Richtungen
unaufhaltsam auf das Gebiet des Deutschen Reiches vor. In dieser aussichtslosen
militärischen Lage beschloss das NS-Regime die Aufstellung eines letzten
Aufgebotes. So erging per „Führererlass“ vom 25. September 1944 die Anordnung,
„aus allen waffenfähigen Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren de(n) deutsche(n)
Volkssturm zu bilden“, der „den Heimatboden mit allen Mitteln und Waffen verteidigen“
sollte. Für die Rekrutierung der unter die Bestimmungen fallenden Jugendlichen und
Männer waren die Gauleiter zuständig, die militärische Befehlsgewalt hatte in seiner
Eigenschaft als Befehlshaber des Ersatzheeres der „Reichsführer SS“ Heinrich
Himmler inne.
Das Kalkül der NS-Spitze, den Alliierten durch die fanatische Gegenwehr von bis zu
sechs Millionen zusätzlichen Kämpfern die Unmöglichkeit einer Besetzung
Deutschlands vor Augen zu führen, erwies sich jedoch schon allein auf Grund
massiver Ausrüstungsdefizite als illusorisch: Die meist aus schlecht ausgebildeten
Hitlerjungen und älteren Männern bestehenden „Volkssturm“-Verbände verfügten
kaum über kriegstaugliche Waffen und zu wenig Munition. Selbst an Uniformen fehlte
es, weshalb die Einheiten des „Volkssturms“ oft nur an Armbinden mit der Aufschrift
„Deutscher Volkssturm – Wehrmacht“ als solche erkennbar waren.
Unter diesen Voraussetzungen ließ sich der „Volkssturm“ allenfalls bei Unterstützungstätigkeiten, etwa im Rahmen der Errichtung von Abwehrstellungen oder des
Objektschutzes, sinnvoll einsetzen. Selten vermochten entsprechende Verbände
hingegen wirksam in Kämpfe zwischen der Wehrmacht und feindlichen Truppen
einzugreifen. Zu den Ausnahmen zählte die Verteidigung der schlesischen Stadt
Breslau, die fast bis Kriegsende unter maßgeblicher Beteiligung von etwa
15.000 Angehörigen des „Volkssturms“ der Belagerung durch die Rote Armee
standhielt. Insgesamt herrschte jedoch ein eklatantes Missverhältnis zwischen den
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„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
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Verlusten des „Volkssturms“ in Höhe von bis zu 175.000 Mann und seinem
militärischen Wert.
Massenflucht
Im Oktober 1944 stieß die Rote Armee erstmals auf das Territorium des Deutschen
Reiches vor. Die NS-Gräuelpropaganda scheinbar bestätigende Nachrichten von
Übergriffen sowjetischer Soldaten auf die Zivilbevölkerung versetzten die Bewohner
der östlich der Flüsse Oder und Neiße gelegenen Gebiete Ostpreußen, Schlesien und
Pommern in Angst und Schrecken. Regionale NS-Führer wie der ostpreußische
Gauleiter Erich Koch weigerten sich jedoch strikt, rechtzeitig eine geordnete
Evakuierung in die Wege zu leiten. So kam es stattdessen zu einer unkontrollierbaren
Massenflucht, als die Rote Armee Anfang 1945 eine Winteroffensive startete:
Flüchtlingstrecks wurden zum Ziel alliierter Tieffliegerangriffe oder gerieten zwischen
die Fronten, Hunger, Kälte und Erschöpfung forderten zahlreiche Todesopfer, von
sowjetischen Verbänden eingeholte Frauen mussten mit Vergewaltigung rechnen. Da
Ostpreußen ab Ende Januar 1945 über den Landweg nicht mehr verlassen werden
konnte, initiierte die deutsche Kriegsmarine eine großangelegte Rettungsaktion über
die Ostsee. Bis Kriegsende gelangten auf diese Weise etwa 1,5 Millionen Zivilisten
und 500.000 Soldaten nach Dänemark und Schleswig-Holstein. Zehntausende
Flüchtlinge überlebten die riskante Überfahrt allerdings nicht. Mehr als
9.000 Menschen starben allein am 30. Januar 1945 bei der Versenkung des
ehemaligen „Kraft durch Freude“-Kreuzfahrtschiffes „Wilhelm Gustloff“ durch ein
sowjetisches U-Boot.
„Nero-Befehl“
Dass Hitler sein Schicksal untrennbar mit dem Deutschlands verknüpft wähnte, schlug
sich in einem „Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet“ betreffenden Führererlass
vom 19. März 1945 nieder. Mit dieser in Anspielung auf einen römischen Kaiser, der
im Jahr 64 n. Chr. angeblich Rom niederbrennen ließ, als „Nero-Befehl“ bezeichneten
Anordnung verfügte Hitler die Zerstörung sämtlicher „militärischen, Verkehrs-,
Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen innerhalb des Reichsgebietes, die
sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann“. Da sich jedoch bei Rüstungsminister Speer und
führenden Industrievertretern Widerstand gegen die „Politik der verbrannten Erde“
regte, wurde sie nicht konsequent umgesetzt.
Selbstmord Hitlers
Als am 12. April 1945 US-Präsident Roosevelt verstarb, schöpfte Hitler, der sich
knapp ein Vierteljahr zuvor in den nahe der Berliner Reichskanzlei errichteten
„Führerbunker“ zurückgezogen hatte, kurzzeitig Hoffnung auf einen Bruch des
alliierten Militärbündnisses. Doch die Anti-Hitler-Koalition hielt und fuhr mit der
Besetzung des Deutschen Reiches fort. Während Truppen der Westmächte die
Rhein-Ruhr-Region sowie Nord- und Süddeutschland unter ihre Kontrolle brachten,
leitete die Rote Armee am 16. April 1945 die Schlacht um Berlin ein.
Wenige Tage später drangen erste sowjetische Einheiten auf das Gebiet der Reichshauptstadt vor, deren Einkesselung am 25. April 1945 vollzogen war. Nachdem er
tags zuvor seine langjährige Lebensgefährtin Eva Braun geheiratet hatte, verübte
Hitler gemeinsam mit ihr am 30. April 1945 Selbstmord. Auf Grundlage eines von
Hitler diktierten „Politischen Testamentes“ übernahm Großadmiral Karl Dönitz das Amt
des Reichspräsidenten. Der als Reichskanzler vorgesehene Propagandaminister
20
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Joseph Goebbels beging am 1. Mai 1945 samt Ehefrau und sechs Kindern ebenfalls
in den Räumen des „Führerbunkers“ Selbstmord.
Kapitulation
Am 7. Mai 1945 unterzeichnete Generaloberst Alfred Jodl im Hauptquartier General
Eisenhowers in Reims die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Streitkräfte. In
der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 wiederholte Generalfeldmarschall Wilhelm
Keitel die Prozedur im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst. Der Zweite
Weltkrieg war somit in Europa beendet, sollte allerdings im Pazifikraum noch mehr als
drei Monate lang andauern.
Erst nachdem der vom neuen US-Präsidenten Harry S. Truman angeordnete Abwurf
zweier Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki am 6. bzw. 9. August 1945 über
200.000 Menschenleben ausgelöscht hatte, erklärte sich auch Japan zur Kapitulation
bereit. Die in den Konzentrations- und Vernichtungslagern des „Dritten Reiches“
begangenen Massenmorde eingerechnet, dürfte der Zweite Weltkrieg insgesamt zirka
55 Millionen Todesopfer gefordert haben.
11.6
Selbstlernaufgaben
1.
Stellen Sie bitte die Rolle des Mediums Film im Rahmen der nationalsozialistischen Kriegspropaganda dar.
2.
Erklären Sie bitte, inwiefern die „Euthanasie-Morde“ der NS-Weltanschauung
entsprachen.
3.
Benennen Sie bitte drei Formen des Widerstandes gegen das NS-Regime.
4.
Erläutern Sie bitte die Zusammensetzung, die offizielle Funktion und die
tatsächliche militärische Bedeutung des „Volkssturms“.
11.7
Zusammenfassung
Die Wirtschaft des „Dritten Reiches“ wies bei Kriegsausbruch drei gravierende
Schwachstellen auf, und zwar die Abhängigkeit von Rohstoffimporten, einen akuten
Mangel an Arbeitskräften sowie einen bürokratischen Kompetenzwirrwarr. Der ersten
beiden Defizite versuchte das NS-Regime durch eine rücksichtslose Ausbeutung der
eroberten Gebiete bzw. der in ihnen lebenden Menschen Herr zu werden. Das
Organisationschaos bereinigte Rüstungsminister Albert Speer. Indem er den
Zuständigkeitsbereich seines Ministeriums schrittweise ausweitete, den von seinem
tödlich verunglückten Vorgänger Fritz Todt angestoßenen Prozess der
privatwirtschaftlichen Selbstverwaltung forcierte und sich für umfassende
Rationalisierungsmaßnahmen stark machte, stellte Speer die Weichen für eine
Verdreifachung der Rüstungsproduktion.
Um Hungerunruhen wie im Ersten Weltkrieg zu vermeiden, legte die NS-Führung
großen Wert auf eine stabile Grundversorgung der deutschen Bevölkerung. Indem sie
unter Inkaufnahme zahlreicher Hungertoter in den besetzten Gebieten von dort
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
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Nahrungsmittel nach Deutschland schaffen ließ, gelang ihr nahezu bis Kriegsende die
Aufrechterhaltung eines entsprechenden Rationierungssystems.
Ein zentrales Element der alliierten Kriegführung war die Bombardierung des „Dritten
Reiches“. Die auf deutscher Seite teilweise bereits lange vor Kriegsausbruch
getroffenen Luftschutzvorkehrungen vermochten die geballte Zerstörungskraft britischamerikanischer Bomberstaffeln nicht wirksam abzumildern. Die insbesondere mit den
Flächenbombardements der Royal Air Force bezweckte Demoralisierung der
deutschen Zivilbevölkerung blieb allerdings aus.
Mit dem Überfall auf Polen rückte das Kriegsgeschehen in den Mittelpunkt der
nationalsozialistischen Propaganda. Je negativer sich die militärische Lage für das
„Dritte Reich“ entwickelte, desto eindringlicher wurden die Opferbereitschaft und der
Durchhaltewille der deutschen Bevölkerung beschworen. Nichtsdestotrotz blieb für die
Filmindustrie der Unterhaltungssektor weiterhin ein Hauptbetätigungsfeld, da sich das
NS-Regime sehr an einer regelmäßigen Ablenkungsmöglichkeit von den
kriegsbedingten Alltagssorgen interessiert zeigte.
Innergesellschaftlich ging die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch das „Dritte
Reich“ mit einer erheblichen Verschärfung des ohnehin schon massiven
Repressionsdrucks einher. Die Zunahme der Unterdrückung fand in der Einführung
neuer Straftatbestände, der Ausweitung des Sondergerichtswesens sowie der
Gründung des bei der Bekämpfung politischer Gegner und „rassisch minderwertiger
Elemente“ als Schaltzentrale fungierenden Reichssicherheitshauptamtes Ausdruck.
Während des Krieges schlug die staatliche Verfolgung angeblicher Träger minderwertiger Erbanlagen in systematische Vernichtung um. Die ersten von dieser
Entwicklung betroffenen NS-Opfer waren Menschen mit Behinderungen geistiger,
psychischer oder körperlicher Natur, die im Rahmen der „Aktion T 4“ ab Anfang 1940
zu zehntausenden in speziellen Tötungszentren umgebracht wurden.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1941 fiel an der Spitze des „Dritten Reiches“ die
Entscheidung, alle im deutschen Machtbereich befindlichen Juden zu ermorden. Da
die von den Einsatzgruppen praktizierte Methodik der Massenerschießungen für ein
Mordunternehmen dieser Größenordnung als ungeeignet galt, wurde auf die
Tötungstechnik des Vergasens zurückgegriffen, die sich bei den Krankenmorden
„bewährt“ hatte. Die Vergasungen erfolgten in sechs auf dem Gebiet des besetzten
Polens errichteten Vernichtungslagern. Zum Inbegriff des nationalsozialistischen
Vernichtungsapparates wurde das kombinierte Konzentrations- und Vernichtungslager
Auschwitz, und zwar insbesondere der Lagerkomplex Auschwitz-Birkenau, der
aufgrund der industrieartig organisierten Tötungs- und Verwertungsabläufe Züge einer
„Mordfabrik“ trug.
Zu keinem Zeitpunkt bildete sich innerhalb der deutschen Bevölkerung eine gegen
den NS-Staat gerichtete Massenbewegung. Dennoch leisteten quer durch
Generationen, Konfessionen, soziale Schichten und politische Lager Einzelpersonen
und Gruppierungen unterschiedlichste Formen des Widerstandes, die u. a. die
Herstellung und Verbreitung NS-kritischer Propagandamaterialien, die Unterstützung
verfolgter Menschen sowie auf den Sturz des Nazi-Regimes abzielende Aktivitäten
umfassten.
Mit der Landung alliierter Truppen in der Normandie Mitte 1944 war die militärische
Niederlage Deutschlands endgültig besiegelt. Zu jedem Opfer an Mensch und Material
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„Heimatfront“ und Holocaust – die innere Entwicklung des
„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
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bereit, zögerte Hitler den Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ aber noch ein
knappes Jahr hinaus.
11.8
Hausaufgabe
1.
Legen Sie bitte die zentralen Merkmale der nationalsozialistischen
Kriegswirtschaft dar.
2.
Vergleichen Sie bitte die Versorgungslage der deutschen Bevölkerung während
des Zweiten Weltkrieges mit jener, die im Ersten Weltkrieg an der „Heimatfront“
herrschte. Erklären Sie etwaige Unterschiede.
3.
Begründen Sie bitte argumentativ, inwiefern es angemessen ist, im Hinblick auf
den Holocaust von einer regelrechten „Vernichtungsindustrie“ zu sprechen.
11.9
Lösungen zu den Selbstlernaufgaben
1.
Dem Medium Film kam innerhalb der NS-Kriegspropaganda zentrale Bedeutung
zu. So wurde mit Hilfe von Beiträgen der Deutschen Wochenschau, die jeweils
vor dem Hauptfilm im Kino liefen, die offizielle Version des Kriegsverlaufes
verbreitet. Propagandastreifen wie das antisemitische Hetzwerk „Jud Süß“ sollten
die nationalsozialistische Weltanschauung tiefer im allgemeinen Bewusstsein
verankern und lieferten ideologische Rechtfertigungsmuster für den Krieg. Die
meisten der während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland produzierten
Kinofilme waren allerdings unpolitischer Natur. Ihr vorrangiger Zweck bestand
darin, die Bevölkerung zu unterhalten und für eine kurze Zeit von den Sorgen und
Nöten des Kriegsalltags abzulenken.
2.
Die mit dem beschönigenden Wort „Euthanasie“ umschriebenen Krankenmorde
entsprachen insofern der NS-Ideologie, als sie sich im Einklang mit deren
sozialdarwinistischen und rassentheoretischen Vorstellungen befanden. So
unterschied die nationalsozialistische Weltanschauung sowohl innerhalb eines
Volkes als auch im Vergleich der Völker untereinander zwischen Trägern hochund minderwertigen Erbgutes. Den vielbeschworenen „Rassenkampf“ galt es
daher aus NS-Sicht auf zwei Ebenen zu führen, nämlich gegen „lebensunwertes
Leben“ in den eigenen Reihen sowie gegen „fremdrassige“ Völker.
Der „Rassenkampf“ innerhalb des deutschen Volkes wurde mit dem 1933
erlassenen „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ eröffnet, das
darauf abzielte, „genetische Mängel“ aufweisende Menschen per Zwangssterilisation an der Fortpflanzung zu hindern. Die nach Kriegsausbruch zügig in
die Wege geleitete „Euthanasieaktion“ erschien den Machthabern des „Dritten
Reiches“ als logischer weiterer Schritt im Umgang mit geistig, psychisch und
körperlich Behinderten, die laut herrschender Ideologie als „Ballastexistenzen“
die Position des deutschen Volkes im Kampf gegen seine äußeren Feinde
schwächten.
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„Dritten Reiches“ 1939 – 1945
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3.
Zu den häufigsten Formen des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus
zählten die Herstellung und Verbreitung das „Dritte Reich“ kritisierenden
Propagandamaterials, wie etwa von der Weißen Rose und diversen Gruppen des
Arbeiterwiderstandes praktiziert. Quer durch soziale Schichten und politische
Lager wurde auch humanitärer Widerstand, z. B. im Zuge der Versorgung von
Juden und Zwangsarbeitern mit Lebensmitteln, geleistet. Weitaus seltener waren
hingegen konkrete Umsturzplanungen, wie sie die dem militärischen Widerstand
angehörenden Verschwörer des 20. Juli 1944 verfolgten.
4.
Der „Volkssturm“ kann als das letzte Aufgebot des „Dritten Reiches“ bezeichnet
werden, sah doch der seine Bildung regelnde „Führererlass“ vom 25. September
1944 die Einziehung aller kriegsverwendungsfähigen Männer im Alter zwischen
16 und 60 Jahren vor. Entsprechend setzten sich die „Volkssturm“-Verbände
vorrangig aus Hitlerjungen und älteren Männern zusammen. Die Aufgabe des
„Volkssturms“ bestand darin, die Besetzung Deutschlands durch die aus zwei
Richtungen vorstoßenden feindlichen Streitkräfte zu verhindern. Auf Grund
massiver Ausbildungs- und Ausrüstungsdefizite erwiesen sich die entsprechenden Verbände jedoch allenfalls als geeignet, militärische Unterstützungstätigkeiten zu verrichten. Wirksame Kampfeinsätze blieben die Ausnahme, so
dass der „Volkssturm“ trotz hoher Verluste nur eine untergeordnete militärische
Bedeutung erlangte.
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