Amt der Steiermärkischen Landesregierung Bezirkshauptmannschaft Murau Veterinärreferat Hunde als Infektionsquellen für den Menschen Armin Deutz 15. Österreichische Jägertagung 10.-11. Februar 2009, Aigen im Ennstal Zoonosen - Definitionen „Sämtliche Krankheiten bzw. Infektionen, die auf natürlichem Weg direkt oder indirekt zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können" (> 850 Erreger!) Kontaktzoonosen: hervorgerufen durch Tierkontakte (Foodborne Diseases: hervorgerufen durch Genuss von Lebensmittel oder Wasser) 1 Tollwut - Kontaktzoonose Ca. 10% der Bevölkerung der westlichen Industriestaaten erkranken jährlich an „lebensmittelbedingten Infektionen“ 2 Risikogruppen ÖLandwirte, Tierhalter ÖTierärzte ÖJäger, Tierpräparatoren ÖSchlachthofarbeiter ÖLaborpersonal ÖFreizeitsportler ÖKonsumenten, … ÖYOPIS (young, old, pregnant, immunosuppressed) Gaston Febius – „Pflege der Jagdhunde“ Neben dem Tierschutz sollten wir den Menschenschutz nicht vergessen 3 Diskussionen um Zoonosen beim Kleintier I Ö Chlamydiose (Reservoire?) Ö Campylobakteriose (5% vom Hund) Ö Salmonellosen (10% von Kleintieren) Ö Mycobacterium spp. (Hund, Katze) Ö Kleintiere als „Urlaubsmitbringsel“ (Tollwut 99) Ö Leishmaniose (autochtone Herde in Mitteleuropa – Klima?) Ö Kleintiere als Quellen parasitärer Zoonosen (Toxoplasmose, Toxokarose, Echinokokkose usw.) Diskussionen um Zoonosen beim Kleintier II Ö Toxocara als (Mit)Auslöser von Rheuma, Asthma, … Ö „Fuchsbandwurm“ nicht nur beim Fuchs Ö Scheinräude ausgehend von Hund/Fuchs Ö Katzenkratzkrankheit (auch vom Hund?) Ö Pasteurellose (Bissverletzungen!) – „Rotlauf“ Ö Leptospirose (10 % der Jäger seropositiv !) Ö Pilzinfektionen beim Kleintier häufig unerkannt Ö ……… 4 Pilzinfektionen – Kontaktzoonosen Trichophyton mentagrophytes Microsporum canis In Deutschland rund 10.000 Fälle von Mikrosporie/Jahr beim Menschen Untersuchung prädisponierter Berufsgruppen Ö 152 Landwirte Ö 149 Jäger Ö 147 Schlachthofarbeiter Ö 137 Tierärzte Ö 50 Personen als Kontrollgruppe Ö 635 Probanden Ö Untersuchungsstellen: AGES Mödling, Institut für Virologie der UVW, Abt. Med. Parasitologie des Hygieneinstitutes Uni Wien, Hygieneinstitut Graz 5 Seroprävalenzen bakterielle Zoonosen 25 21 Tierärzte Landwirte Schlachthofarbeiter Jäger Kontrollgruppe Seropositiv e in % 20 15 13 10 10 5 3 0 1 3 4 4 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 Ch. psittaci Leptospira sp. C. burnetii Brucella sp. F. tularensis Chlamydiosen Ö Ch. psittaci bei 130 Vogelarten und 32 Säugern (Rind, Schaf, Ziege, Hund, Katze!) isoliert Öhohe Dunkelziffer beim Menschen durch sehr variable klinische Manifestationen: grippeähnliche Symptome, (“atypische”) Pneumonien, Konjunktivitis, Myalgien, Kopfschmerzen, Abortus, Orchitis, Endocarditis Letalität: ca. 1% 6 Chlamydiose Ö 21 % Tierärzte 4 % Schlachthofarbeiter 3 % Jäger 0% Landwirte seropositiv Ö Infektionsquellen?, Infektionswege?, unterschiedliche Pathogenität Ö Hunde und Katzen als Reservoire unterschätzt? Leptospirose Ö Risikogruppen: Jäger (10%), Landwirte und Schlachthofarbeiter (4%) und Tierärzte (3%) Ö Reservoire: Mäuse, Ratten, Schwein, Rind, Schaf, Igel und Caniden Ö Übertragung: Haut-(oder Biss)Verletzungen, über (verletzte) Kopfschleimhäute, beim Tauchen/Baden Ö Symptome: IKZ 5-14 Tage, zweiphasiger Krankheitsverlauf, Fieber, Ikterus, renale Symptome, Meningismus, Iridozyklitis oder Aborte; Letalität ca. 1 % 7 Campylobacteriose Ö Erreger: Campylobacter jejuni, coli, lari Infektionen weltweit zunehmend Ö Hauptreservoire: Nutz- und Zuchtgeflügel, Wild- und Ziervögel, Schwein, Wiederkäuer, Hund, Katze Ö Infektion: vorwiegend über kontaminierte Lebensmittel, kontaminiertes Trinkwasser, Tierkontakte, Übertragung Mensch – Mensch Ö Bei Tieren meist latentes Trägertum Ö IKZ 3 bis 5 Tage, akute Enteritis, Fieber (bis 40°C), Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Abdominalschmerzen („Pseudoappendizitis“); Letalität gering Zoonosen beim Feldhasen (n = 630), (Deutz u. Hinterdorfer, 1999) Zoonose n Pseudotuberkulose Pasteurellose Brucellose (B. suis) Staphylokokkose Streptokokkeninfektion Listeriose Toxoplasmose Tularämie Salmonellose 148 37 35 22 7 5 4 2 1 % 23,5 5,9 5,6 3,5 1,1 0,8 0,6 0,3 0,2 Pseudotuberkulose Brucellose Hunde meist „Transportwirte“ 8 Ergebnisse parasitäre Zoonosen 90 80 Seropositive in % 70 60 79 73 67 64 Tierärzte Landwirte Schlachthofarbeiter Jäger Kontrollgruppe 55 48 50 40 34 30 25 22 17 20 1517 11 10 10 2 1 5 4 5 0 0 3 3 0 0 0 0 0 0 0 T. gondii T. canis/cati A. suum E. multiloc. E. granulos. F. hepatica Echinokokkose Mensch Ö Die E. ist eine chronische Erkrankung des Menschen durch Metazestoden (Echinokokken) der Gattung Echinococcus Ö E. multilocularis > Alveoläre Echinokokkose („Fuchsbandwurm“) E. granulosus > Zystische Echinokokkose („Hundebandwurm“) Ö Übertragung: orale Aufnahme von Bandwurmeiern, die von Endwirten mit dem Kot ausgeschieden werden (Schmierinfektionen, kontaminierte Lebensmittel, Einatmen und Verschlucken hochgewirbelter Eier) Ö Hohe Tenazität der Eier bei ausreichender Feuchtigkeit (z.B.: bei -18° C bis 18 Monate!) 9 Alveoläre Echinokokkose Ö E. multilocularis nur auf nördlicher Hemisphäre Ö Endwirte: Rot-, Polarfuchs, Hund, Kojote, Wolf, Katze Ö Zwischenwirte: hpts. Nager (Feld-, Schermäuse) Ö AE: chronisch-destruktive Erkrankung primär der Leber, Echinokokkus breitet sich infiltrativ aus und metastasiert; Letalität bei Unbehandelten hoch Ö Inzidenz: Schweiz, Frankreich: ca. 1 klin.-patholog. Fall/1 Mio. EW, Baden-Württemberg: 1/200.000 Ö Die Infektion ist immer als lebensgefährlich anzusehen; die Prognose hängt vom Stadium der Gewebsinfiltration und Metastasierung und damit vom Zeitpunkt der Diagnose ab Alveoläre Echinokokkose Ö Krankheitsbild: Inkubationsphase (5-15 J., abortive Infektion möglich), symptomatische Phase (Ikterus häufig, Symptome rechter Oberbauch), fortgeschrittene Phase (Hepatomegalie, Ikterus, Aszites, Metastasen in Lunge und Gehirn) Ö In Österreich ca. 3 – 5 klin.-patholog. Fälle/Jahr Dunkelziffer?; Hauptrisiko: Hunde-/Katzenbesitz und Jagd) Ö Diagnose: bildgebende Verfahren, Biopsie kontraindiziert (Streuen von Metazestodengewebe!), PCR, Serologie 10 E. multilocularis („Fuchsbandwurm“) und T. spiralis bei Füchsen, Steiermark Mürz Mur pos. Fälle ( neg. Fälle T.s., E.m.) Zystische Echinokokkose Ö E. granulosus weltweit als Bandwurm hpts. beim Hund, anderen Caniden und einigen Großkatzen, selten bei Hauskatzen ÖZwischenwirte: Schaf, Rind, Schwein usw. ÖEndemiegebiete: Mittelmeerländer, Mittlerer Osten, Zentral-, Süd- und Ostafrika, Mittel- u. Südamerika ÖIn Österreich ca. 50 klin.-patholog. Fälle/Jahr 11 Zystische Echinokokkose Ö Zyste wächst langsam expansiv, aber nicht infiltrativ Ö Zysten meist in Leber (50-70%), Lunge (30-50%), Milz und Peritoneum (3-8%), selten Gehirn; Zysten können Orangen- bis Kindskopfgröße erreichen Ö Kleine Zysten in Leber bleiben meist symptomlos, sonst Ikterus, Aszites Ö Spontanrupturen oder intraoperative Schädigung der Zysten >> anaphylaktische Reaktionen (IgE-AK) Ö Prophylaxe: kein Verfüttern von Schlachtabfällen an Hunde Nachuntersuchung serologisch positiver Landwirtinnen (Echinococcus spp.) Serologie: von 152 Landwirten/Innen: E. m.: 8 pos./grw. E. g.: 4 pos./grw. (insges. 10 Probanden p/g) Ultraschall, CT: 3 Probanden (weibl., 37, 43, 49 J.) mit Leberzysten, Bestätigung von Echinokokkenzysten (Serologie: 2 E. m., 1 E. g.) 12 Echinokokken-Befunde am Schlachthof – mögliche Konsequenzen Zystenfunde an Schweinelebern: Prävalenz ca. 0,05 – 0,1% Schweine als Indikatoren Etablierung eines Rückmeldesystems? Maßnahmen in den Betrieben? Untersuchung der Landwirte? Toxokarose (Hunde-/Katzenspulwurm) Ö Toxocara canis und T. cati sind als Parasiten bei Hund und Katze seit über 200 Jahren bekannt, als humanpathogene Parasiten erst seit 50 Jahren ÖInfektion durch orale Aufnahme von Eiern aus Hunde-, Katzen- oder Fuchskot ÖL3-Larven gelangen hämatogen, lymphogen oder durch aktive Wanderung in die Leber; anschließend hämatogen in Herz, Lunge und andere Organe 13 Toxokarose (Hunde-/Katzenspulwurm) Ö 48 % Landwirte (ELISA) 34 % Tierärzte 26 % Schlachthofarbeiter 17% Jäger seropositiv („Normalbevölkerung“: 1 - 2%) Ö Risiko: Schmierinfektionen ausgehend von Hund/Katze oder Fuchs, Kontaminationen von Gemüsegärten und Kinderspielplätzen Toxokarose Junge Hunde und Katzen sind häufig Träger von Toxocara canis bzw. T. cati und scheiden bis über 50.000 Eier/g Kot aus. Mit zunehmendem Alter sinkt aufgrund der Immunitätsbildung der Anteil infizierter Tiere (ROMMEL et al., 2000) 25% von Haarproben positiv, bis 180 Eier/g Haare (WOLFE u. WRIGHT, 2003) 14 Toxokarose Mensch Ö 1. Meist klinisch unauffällige Toxokara-Infestation Ö 2. Larva migrans visceralis-(LMV-)Syndrom Ö 3. Okuläres Larva migrans-(OLM)-Syndrom in Österreich 70-80 Fälle/Jahr (einige hundert?) Ö Weitere Krankheitsbilder (z.B. Asthma, Rheuma, Epilepsie) werden als Folge von ToxokaraInfestationen (LMV) vermutet und diskutiert! (GILLESPIE, 1993; GLICKMANN et al., 1993; DEUTZ et al., 2005) Larva migrans visceralis (LMV), Mensch Ö Kinder – Geophagie!, Schmierinfektionen Ö Aufnahme larvenhaltiger Eier per os Ö Blut-Leber-Lungen-Wanderung Ö Ansiedelung in Muskulatur, ZNS (Meningoencephalitis) Ö Variables Krankheitsbild der LMV bes. bei Kindern zw. 2 und 5 Jahren mit Veränderungen des Blutbildes, Granulomen in Leber, Nieren u.a. Organen, Lungeninfiltrationen, Ausschlägen, Lungenentzündung, Appetitlosigkeit und Lymphadenopathie 15 Larva migrans visceralis (LMV) LMV, Leber (Maus) Lebergranulom (Hase) LMV, Lunge (Maus) Bildquelle: Royal Veterinary College, London Okuläre Larva migrans (OLM-Syndrom) ÖOLM altersunabhängig (LMV vorwiegend bei Kindern), OLM ist Folge meist nur einer Larve ÖKlinik: Visus eingeschränkt, Endophthalmitis, Uveitis, Chorioretinitis, intraretinale Granulome ÖOphthalmoskopisch lässt sich gelegentlich bewegliche Larve nachweisen ÖTherapie: weder bei LMV, noch bei OLM ist die Wirksamkeit einer anthelminthischen Therapie eindeutig erwiesen 16 Okuläre Larva migrans (OLM-Syndrom) Larve aus Retinagranulom Retinagranulom, Mensch Endophthalmitis, Mensch Odds ratio Toxokarose (Landwirte –Kontrollgruppe) Seroprävalenz Toxocara Landwirte Kontrollg total positiv 67 1 68 negativ 85 49 134 total 152 50 202 χ²-Test Pearson Chi-Square Risk Estimate Value df Significance 29,832 1 0,00000 95% Confidence Interval Jäger (Seroprävalenz Westernblot: 17%) > Value Lower Odds 9 (= 9faches Odds ratio Ratio 38,624 Risiko) 5,198 Upper 286,991 17 Bekämpfung Toxokarose Ö Hohe Tenazität der Toxocara-Eier! (in feuchtem Milieu bis 4 Jahre, Eier überstehen Kälteperioden; empfindlich gegen Austrocknung und Temperaturen über 30-35 °C; LLOYD, 1998) Ö Hygienemaßnahmen: Verhinderung des Zutrittes von Hunden und Katzen zu Kinderspielplätzen und Gemüsegärten, hygienische Grundregeln im Umgang mit (jungen) Hunden und Katzen, Beseitigung von Kot Ö Entwurmungsmanagement: Verhinderung der laktogenen Übertragung auf Welpen, regelmäßige Entwurmung Fragen im Zusammenhang mit Zoonosen im ländlichen Raum Prävalenzen von E. g., E. m. und T. canis/cati bei Hunden und Katzen? Möglichkeiten eines Entwurmungsmanagements für Hunde und Katzen im ländlichen Bereich? Reservoirfunktionen von weiteren Haus- und Wildtieren, Nagern, paratenischen Wirten – („Transportwirte“)? 18 Hundebisse Ö In der BRD jährl. ca. 35.000 Bissverletzungen an Menschen – 70-90% Hunde-, 3-15% Katzenbisse) Dunkelziffer? Ö Bei 15-20% klinische Infektionen Ö Meist Pasteurellen („Rotlauf“), Strepto- und Staphylokken > Abszesse, Phlegmone, Periostitis Ö Capnocytophaga canimorsus > Blutvergiftung, Wundbrand, Hirnhautentzündung Katzenkratzkrankheit, Cat-scratch Disease ÖErreger: Bartonella henselae ÖReservoir: Katzen, 33% heimischer Katzen sind seropositiv (ALLERBERGER et al., 1995), Prävalenz bei Hunden? ÖÜbertragung: Kratz- und Bisswunden von (jungen) Katzen, Hunden?, Insektenstiche ÖKrankheitserscheinungen (Lymphadenitis) nur beim Menschen ÖUntersuchung von Tierärzten in der Steiermark: 51% seropositiv 19 Diphylidiasis Klinisch meist inapparenter Befall des Menschen mit „Gurkenkernbandwurm“ des Hundes und der Katze. Dipylidium caninum ist 20 – 40 cm lang. Mensch infiziert sich durch Aufnahme von Zystizerkoiden bzw. infizierten Flöhen. Diagnose: Proglottiden im Kot (ca. 10 x 3 mm) Beispiele „importierter“ parasitärer Zoonosen Ö Leishmaniasen: Viszerale L. oder Kala-Azar (L. d. donovani, L. d. infantum, L. d. chagasi) im Mittelmeerraum, Indien, NordAfrika, Südamerika, China usw.; Orientbeule od. kutane L. (L. tropica minor u. major) in Griechenland, Italien, Algerien, Ägypten usw. Ö Dirofilariose (Dirofilaria immitis, D. repens u.a.), Übertragung durch Stechmücken, Infektionen des Menschen selten diagnostiziert, klinisch unauffällig 20 Infektionen Mensch > Hund Ö Influenza A Ö Mumps (Paramyxovirus) Ö Tuberkulose Ö Pneumokokkose Ö Staphylokokkose Ö Salmonellose Ö Campylobacteriose Ö E. coli -Infektionen Ö Pilzinfektionen Prophylaxemaßnahmen – Jäger Ö Einhaltung hygienischer Grundsätze bei Tierkontakten (Schmierinfektionen, Hunde als Transportwirt für Erreger) Ö Regelmäßiges Entwurmen von Hunden Ö Keine rohen Abfälle füttern Ö Entfernen von Hunde-/Katzenkot Ö Reduktion Zeckenbefall Ö Sektion verdächtiger Tiere Ö Information über Infektionsrisiken, Vorsorgeuntersuchung Ö Keine Hysterie! 21 Psychosen im Zusammenhang mit Zoonosen Ö Waschzwang Ö Verkeimungsphobie Ö Dermatozoen-Wahn Ö Enterozoen-Wahn Ö „Ohrwurm-Legende“ Ö „Pulex prurigius senilis“ (R. Willian, 19. Jh.) 22