Humane und aviäre Influenza – „Vogelgrippe“

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M E D I Z I N
Bernhard R. Ruf1
Ortrud Werner2
Heinz-J. Schmitt3
Peter Wutzler4
Zusammenfassung
Das seuchenhafte Auftreten der Geflügelpest
durch das aviäre Influenzavirus A/H5N1 hat die
Wahrscheinlichkeit für eine Influenzapandemie
erhöht. Zeitpunkt und ursächlicher Virustyp
sind spekulativ. Derzeit handelt es sich um
eine Tierseuche mit ausnahmehafter Tier-zuMensch-Übertragung. Dennoch ist jetzt eine
sorgfältige Pandemieplanung einschließlich der
Bevorratung von Neuraminidasehemmern und
der Entwicklung von Herstellungstechniken für
eine Vakzine notwendig. Bei der saisonalen humanen Influenza ermöglichen Neuraminidasehemmer – bei einem Therapiebeginn innerhalb
von 48 Stunden nach Krankheitsbeginn – eine
Reduktion der Krankheitsdauer und -symptome
sowie der Häufigkeit von Folgeerkrankungen.
Da diese Substanzen auch gegen alle aviären Influenzaviren aktiv sind, gelten sie als ein wichtiges Instrument in der ersten Pandemiephase, in
der keine Vakzine verfügbar sein wird. Derzeit
liegt eine Bevorratung von Neuraminidasehemmern zur Behandlung Erkrankter bei einem Volumen, das für acht bis zehn Prozent der Bevölkerung reicht. Zur Eindämmung der Pandemie
wie auch zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit öffentlicher Systeme ist jedoch
auch eine antivirale Prophylaxe unabdingbar.
Die humane Infektion mit A/H5N1 beginnt mit
D
ie Influenza steht wieder im Mittelpunkt des medizinischen Interesses. Hierzu bedurfte es erst des
epidemischen Auftretens pathogener
aviärer Influenzaviren („Vogelgrippe“),
verbunden mit dem Szenario einer Influenzapandemie, obwohl schon die saisonale humane Influenza allein eine der
global wichtigsten Infektionskrankheiten repräsentiert. Die Unterschätzung
der saisonalen humanen Influenza hinsichtlich Morbidität und Mortalität
wird unter anderem durch die unzureichenden Durchimpfungsraten deutlich.
Nach Aussagen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es nicht die Frage
ob, sondern wann eine erneute Influenzapandemie auftreten wird.Welches Influenzavirus die Pandemie auslösen
wird, ist ebenfalls spekulativ. Derzeit ist
das Influenzavirus A/H5N1 der erste
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Humane
und aviäre Influenza –
„Vogelgrippe“
typischen Influenzasymptomen. In den meisten
Fällen ist sie durch eine rasch progrediente
schwere virale Pneumonie mit Multiorganversagen und eine Letalität von circa 50 Prozent
gekennzeichnet. Ob die bisherigen Therapieempfehlungen übertragbar sind, ist fraglich
und durch klinische Daten nicht belegt. Experimentelle Daten zeigen ein verbessertes Überleben von infizierten Mäusen bei einer Therapieverlängerung auf acht Tage; auch eine höhere
Tagesdosis wird diskutiert.
Schlüsselwörter: Influenza, aviäre Influenza,
Influenza-Pandemie, Neuraminidasehemmer,
Influenzaschutzimpfung
Summary
Human and avian influenza – „bird flu“
The threat of an influenza pandemic as a possible consequence of the widespread epidemic of
highly pathogenic avian influenza virus A/H5N1
in East Asia has lead to considerable public
attention. Time and virus type are speculative.
Although bird flu is an exclusive animal disease with sporadic transmission from birds to
human, pandemic preparedness is warranted, including stockpiling of neuraminidase inhibitors
and development of strategies for manufac-
Kandidat, jedoch nicht der einzig mögliche. Ob sich durch die konsequente
Bekämpfung der Geflügelpest eine Influenzapandemie verhindern lässt, ist
zurzeit offen. Noch nie war im Vorfeld
einer möglichen Pandemie die Informationslage so gut; das bietet die Möglichkeit, adäquat vorbereitet zu sein. In diesem Artikel wird der aktuelle Kenntnisstand zur humanen und aviären Influenza und zu den Pandemievorbereitungen referiert.
1 Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin (Leiter: Prof.
Dr. med. Bernhard R. Ruf), Klinikum St. Georg Leipzig
2 Kinderklinik – Pädiatrische Infektiologie (Leiter: Prof. Dr.
med. Heinz-J. Schmitt), Universität Mainz
3 Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (Präsident: Prof. Dr. med. Thomas C. Mettenleiter), FriedrichLöffler-Institut, Greifswald
4 Institut für Virologie und Antivirale Therapie (Leiter:
Prof. Dr. med. Peter Wutzler), Universitätsklinikum Jena
turing vaccines. The neuraminidase inhibitors
represent an important step forward, since the
duration and severity of influenza and frequency
of complications can be reduced if treatment is
commenced within 48 hours of the onset of
symptoms. Since neuraminidase inhibitors are
effective against all avian influenza viruses they
will play a key role during the first pandemic
wave, where vaccine will be not available. In
Germany, stockpiling of neuraminidase inhibitors is focused on treatment with an actual
coverage rate of eight to ten per cent of the German population. However, antiviral prophylaxis
is essential to stop pandemic spread and to keep
public systems working. Human infection with
A/H5N1 has a distinct clinical picture. Beginning
with typical influenza symptoms the clinical
course is characterized by a progressive viral
pneumonia and multiorgan failure with a mortality of 50 per cent. In the absence of valid data
it is questionable whether the standard recommendation for antiviral treatment is applicable.
Experimental data show that prolongation of
treatment to eight days reduces the mortality
rate of infected mice. Also increase of the daily
dose is discussed.
Key words: influenza, avian influenza, pandemic influenza, neuraminidase inhibitor, influenza vaccine
Saisonale humane Influenza
Epidemiologie
Jährlich fordert die Influenza weltweit
circa eine Million Menschenleben. Allein in Deutschland sterben je nach
Stärke der Influenzawelle 8 000 bis
20 000 Menschen an den Folgen der Erkrankung (1). Im Fall einer Epidemie
oder gar Pandemie muss mit erheblich
höheren Erkrankungs- und Todesraten
gerechnet werden. So sind während der
Pandemie 1918/1919 weltweit mehr als
50 Millionen Menschen an den Folgen
der Influenza gestorben. Damals betrug
die Weltbevölkerung zwei Milliarden,
mit einem deutlich geringeren Altersdurchschnitt. Bei einer erneuten Pandemie ist heute mit einem Vielfachen an
Erkrankten und Toten zu rechnen.
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Influenzavirus
Influenzaausbrüche werden durch Influenza-A- und -B-Viren verursacht. Diese
bilden zusammen mit dem epidemiologisch unbedeutenden Influenza-C-Virus
die Familie der Orthomyxoviren. Influenza-A-Viren lassen sich aufgrund unterschiedlicher Antigendeterminanten
der Oberflächenglykoproteine Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (N) in
Subtypen unterteilen (Grafik 1). Bisher
wurden 16 verschiedene Hämagglutinine und neun verschiedene Neuraminidasen beschrieben (2, 3).
Hämagglutinin und Neuraminidase
sind entscheidende Antigene für die Bildung protektiver Antikörper. Kommt es
durch Punktmutationen im Gen dieser
viralen Enzyme zu Veränderungen (Antigendrift), ist der erworbene Immunschutz durch vorangegangene Infektionen oder Impfungen nicht mehr voll
wirksam. Solche Driftvarianten sind die
Ursache für jährlich wiederkehrende Influenzaausbrüche (e1). Es können aber
auch völlig neue Subtypen des InfluenzaA-Virus auftreten, wenn bei einer simultanen Infektion der Wirtszelle mit humanen und tierischen Influenzaviren ein
Austausch (Reassortment) der Gensegmente für das Hämagglutinin und/oder
die Neuraminidase stattfindet. Wahrscheinlich kommt es zu einem solchen
Genaustausch im Respirationstrakt des
Schweins, das Rezeptoren sowohl für
aviäre als auch humane Influenza-A-Viren besitzt (2). Theoretisch können neue
Subtypen auch infolge einer Doppelinfektion beim Menschen auftreten.
Dass auch das Durchbrechen der Speziesbarriere möglich ist, zeigt das wiederholte Auftreten von Infektionen des
Menschen durch das aviäre A/H5N1-Virus.
Influenza-B-Viren, die ausschließlich
beim Menschen vorkommen, besitzen
nur einen Subtyp. Durch geringfügige
Veränderungen der Oberflächenantigene entstehen relativ häufig neue Driftvarianten.
Pathogenese, Klinik und
Differenzialdiagnose
Influenzaviren werden durch Inhalation virushaltiger Aerosole aufgenommen. Das zylindrische Flimmerepithel
ist der Hauptinfektionsort. Innerhalb
von vier bis sechs Stunden repliziert
sich das Influenzavirus und infiziert
weitere respiratorische Zellen, wie etwa Makrophagen, Schleimdrüsenzellen, Endothelzellen und Alveolarzellen. Die Virusreplikation erreicht am
zweiten bis dritten Tag nach Beginn der
Symptomatik ihren Höhepunkt und ist
in der Regel am fünften bis siebten Tag
nicht mehr nachweisbar. Es wurden jedoch auch Fälle mit belegbarer Virusreplikation über den zehnten Krankheitstag hinaus beobachtet (4)
Bei circa 50 Prozent der Infizierten
verläuft die Infektion inapparent. Bei
den übrigen 50 Prozent zeigen etwa 90
Prozent einen milden, nur zehn Prozent
entwickeln einen schweren Krankheitsverlauf.
Die Influenza ist klinisch kaum
zu verkennen. Plötzlicher Krankheitsbeginn („sudden onset“) mit Allgemeinsymptomen wie hohes Fieber
(> 40o C), Kopfschmerzen, Myalgien,
Unwohlsein, Husten und Halsschmerzen sind die Kardinalsymptome. Ist
dann zusätzlich über die InfluenzaMeldesysteme (www.rki-agi.de; www.
grippe-online.de) die Zirkulation von
Influenzaviren in der Region bekannt,
kann die Diagnose Influenza mit einer
Sicherheit von mehr als 80 Prozent gestellt werden. Die klinische Diagnose erreicht damit die Sensitivität des direkten
Influenzaschnelltests (4, e2).
Die Symptomatik der unkomplizierte Erkrankung bildet sich innerhalb von
fünf bis sieben Tagen zurück, gefolgt
von einer oft wochenlang anhaltenden
Rekonvaleszenz und nur langsam wiederkehrender Leistungsfähigkeit.
Der Verlauf kann durch bakterielle
Sekundärerkrankungen wie Otitis media, Sinusitis und Pneumonie kompliziert werden, wobei letztere für den
überwiegenden Teil der Influenza-assoziierten Todesfälle verantwortlich
ist. Bei der meist empirisch basierten
antibakteriellen Therapie müssen Staphylokokken und Pneumokokken am
häufigsten berücksichtigt werden (e3).
Darüber hinaus muss die lokale Resistenzsituation bedacht werden, das gilt
vor allem für Penicillin- beziehungsweise Makrolid-resistente Pneumokokken und multiresistente Staphylokokken.
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Aviäre Influenza
Influenza-A-Viren kommen außer
beim Menschen (H1, H2, H3 und N1,
N2), bei Schweinen (H1, H3 und N1,
N2), Pferden (H3, H7 und N7, N8) und
anderen Säugetieren vor. Das gesamte
Spektrum der Antigensubtypen findet
man bei Vögeln (H1-16 und N1-9) (2,
3).
Epidemiologie/Virus
Wildvögel, insbesondere Enten und
Gänse, stellen das natürliche Reservoir für Influenzaviren dar. Die Verbreitung von Influenzaviren im europäischen Raum belegen die 1999/ 2000
durchgeführten Untersuchungen an
8 500 Wildvögeln aus Nordeuropa. Bei
1,4 Prozent der untersuchten Gänse,
2,6 Prozent der Enten und 1,1 Prozent der Möwen wurden Influenzaviren nachgewiesen, die zehn verschiedene H-Subtypen repräsentieren
(5).
Bei Wildvögeln vermehren sich die
Viren im Darmepithel, ohne dass der
Wirt erkrankt; er scheidet die Viren
mit dem Kot aus. Durch Kontakt mit
Wildvögeln kann sich Hausgeflügel
anstecken. Das geschieht durch direkten Kontakt oder über mit Wildvogelkot kontaminiertes Futter oder Wasser. Die in der Wildvogelpopulation
kursierenden Influenzaviren sind nur
gering pathogen. Aus gering pathogenen Influenzaviren vom Subtyp H5
oder H7 können jedoch durch spontane Mutationen im HämagglutininGen hoch pathogene Virusstämme
entstehen, die dann zum Ausbruch der
Geflügelpest führen.
Geflügelpest – hochpathogene
aviäre Influenza
Die Geflügelpest („Vogelgrippe“) wurde 1878 erstmals als verlustreiche Geflügelseuche beschrieben. Sie ist eine
besonders schwer verlaufende generalisierte Form der aviären Influenza mit
hoher Letalität. Sie kann alle Geflügelarten befallen, dabei erkranken Hühner und Puten am schwersten.
Erreger der Geflügelpest sind aviäre
Influenzaviren von besonders hoher
Pathogenität. Die Pathogenität ist im
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Hämagglutinin (HA) determiniert. Von
diesem wird bei der Virusvermehrung
zunächst ein Vorläuferprotein (HA0)
gebildet, das durch proteolytische Enzyme der Wirtszelle an der so genannten Spaltstelle aktiviert werden muss.
Bei den meisten aviären Influenzaviren
kann das nur durch Trypsin-ähnliche
Proteasen erfolgen, und demzufolge
bleibt die Virusvermehrung im Wesentlichen auf die Epithelien des Atmungsund Verdauungstraktes lokal begrenzt.
Befinden sich jedoch an der Spaltstelle
mehrere basische Aminosäuren, kann
´
Tabelle 1
diese von ubiquitär in allen Zellen vorhandenen Proteasen aktiviert werden.
Solche Viren haben ein hohes Pathogenitätspotenzial, denn sie vermehren
sich in allen Zellarten und Organen und
führen zur schweren generalisierten Infektion (6). Diese Viren verursachen die
klassische Geflügelpest. Alle bisher bekannten hochpathogenen aviären Influenzaviren gehören zum Subtyp H5 oder
H7, kombiniert mit unterschiedlichem
N-Subtyp. Es handelt sich also nicht um
einen einheitlichen beziehungsweise
immer gleichen Erreger.
Durch Mutationen im HA kann sich
die Aminosäurenzusammensetzung der
Spaltstelle und damit die Virulenz der
Erreger verändern. Auf diese Weise
kann aus einem zunächst gering pathogenen Virus ein hochpathogener
Erreger werden. Dieses zufällige Ereignis tritt um so eher ein, je mehr Tiere
ein Virus infizieren kann. In der Wildvogelpopulation wurde dieser Vorgang
bisher noch nicht beobachtet, aber in
Wirtschaftsgeflügelbeständen mit zahlreichen empfänglichen Tieren auf engem Raum droht diese Gefahr. So kur-
1
Erreger und Verluste der seit 1955 dokumentierten Ausbrüche von klassischer Geflügelpest
Virusstamm
Subtyp
Art und Anzahl betroffener Tiere
A/chicken/Scotland/59
H5N1
2 Hühnerfarmen
A/turkey/England/63
H7N3
29 000 Puten
A/turkey/Ontario/7732/66
H5N9
8 100 Puten
A/chicken/Victoria/76
H7N7
25 000 Legehennen, 17 000 Masthühner, 16 000 Enten
A/chicken/Germany/79
H7/N7
1 Großbestand Legehennen, Gänse
A/turkey/England/199/79
H7N7
3 Putenfarmen
A/chicken/Pennsylvania/1370/83
H5N2
452 Farmen mit 17 Millionen Tieren
A/turkey/Ireland/1378/83
H5N8
800 Puten
A/chicken/Victoria/85
H7N7
93 000 Masthühner, 27 000 Legehennen, 118 418 Hühner
A/turkey/England/50–92/91
H5N1
8 000 Puten
A/chicken/Victoria/1/92
H7N3
12 700 Masthühner, 5 700 Enten
A/chicken/Queensland/667–6/94
H7N3
22 000 Legehennen
A/chicken/Puebla/8623–607/94
H5N2
mindestens 360 Hühnerbestände
A/chicken/Pakistan/447/95
H7N3
3,2 Millionen Masthühner
A/chicken/Hongkong/220/97
H5N1
1,4 Millionen Hühner u. a. Geflügel; Menschen erkrankt
A/chicken/New South Wales/1651/97
H7N4
128 000 Legehennen, 33 000 Masthühner, 261 Emus
A/chicken/Italy/330/97
H5N2
ca. 6 000 Hühner, Puten, Perlhühner, Enten, Wachteln, Tauben, Gänse, Fasane
A/turkey/Italy/99
H7N1
413 Farmen, circa 14 Millionen Tiere
A/chicken/Chile/2002
H7N3
–
A/chicken/Netherlands/2003
H7N7
Niederlande 255 Ausbrüche, 30 Millionen Tiere, Menschen erkrankt,
Belgien 8 Ausbrüche, 3 Millionen Tiere,
Deutschland 1 Ausbruch, circa 80 000 Tiere
A/chicken/East Asia/2003–2005
H5N1
China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kambodscha, Laos, Malaysia,
Korea, Thailand, Vietnam; mehr als 100 Millionen Tiere, Menschen erkrankt
A/chicken/Canada-BC/2004
H7N3
40 Hühnerbestände, 1,2 Millionen Tiere
A/chicken/USA-TX/2004
H5N2
6 600 Masthühner
A/ostrich/S.-Africa/2004
H5N2
23 700 Strauße, circa 5 000 Hühner
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sierte 1999 in den Geflügelbeständen
Norditaliens ein gering pathogenes Influenzavirus vom Subtyp H7N1 schon
mehrere Monate, ehe im Dezember
1999 die verlustreichen Geflügelpestausbrüche begannen (7).
Obwohl also Erreger der Geflügelpest immer wieder neu entstehen können, waren Geflügelpestausbrüche bisher seltene Ereignisse. Von 1959 bis
2003 wurden weltweit 21 Ausbrüche registriert (Tabelle 1). Nur bei fünf Ausbrüchen konnte sich der Erreger auf eine größere Zahl von Geflügelhaltungen
ausbreiten. In den anderen Fällen führten die drastischen Bekämpfungsmaßnahmen zur schnellen Tilgung der Seuche ohne nennenswerte Weiterverbreitung und zur Eradikation des Erregers.
Eine Ausbreitung der Geflügelpest
wie Anfang 2004 in Südasien wurde
vorher noch nie beobachtet. In zehn
Staaten gab es Seuchenausbrüche, und
mehrere 100 Millionen Tiere fielen der
Krankheit zum Opfer. Betroffen waren vor allem Hühner, aber auch Puten, Wachteln, Fasane, Enten, Gänse
und anderes Geflügel. Trotz anfänglicher Bekämpfungserfolge gab es in einigen Ländern wie Vietnam, Thailand
und Indonesien immer wieder Ausbrüche und mittlerweile müssen einige
Regionen als endemisch verseucht angesehen werden (8). Den Hausenten,
die ganzjährig ohne Zufütterung auf
den Reisfeldern gehalten werden,
kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Im Juli 2005 wurden auch Seuchenausbrüche bei Geflügel aus Kasachstan
und Sibirien gemeldet. Dem war ein
Wildvogelsterben an Seen in China und
der Mongolei vorausgegeangen, sodass
Wildvögel als Verbreiter des Virus in
Betracht kommen. Inzwischen ist auch
bei den Ausbrüchen in Rumänien und
in der Türkei H5N1 als Ursache bestätigt.
Südostasien war 2004 jedoch nicht
der einzige Geflügelpest-Seuchenherd
in der Welt. Es gab außerdem Seuchenausbrüche bei Geflügel in Texas durch
ein hoch pathogenes Influenzavirus
vom Subtyp H5N2, in Kanada und in
Pakistan durch ein Virus vom Subtyp
H7N3 und zuletzt in Südafrika bei
Straußen durch ein Virus vom Subtyp
H5N2.
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Ob es sich bei der Häufung von Seuchenfällen um zufällige Ereignisse
handelt oder ob die Influenzaviren zunehmend schneller ihre Pathogenität
verändern, ist unbekannt. Auf jeden
Fall sind in den letzten fünf Jahren
mehr Hühner der Geflügelpest zum
Opfer gefallen als in den 50 Jahren
vorher.
Infektionsrisiko für den Menschen
Infektionen von Säugetieren oder
Menschen mit dem Virus der Geflügelpest sind seltene Ereignisse, weil das
Virus für das Eindringen in die Körperzellen bestimmte Rezeptoren, die auf
menschlichen Zellen normalerweise
nicht vorhanden sind, benötigt.
Erstmals wurde 1997 in Hong Kong
ein direkter Übergang eines aviären
Influenzavirus auf den Menschen beobachtet, als 18 Menschen durch den
Erreger der Geflügelpest (H5N1) erkrankten und sechs von ihnen starben
(9). Auch 2003 bei den Geflügelpestausbrüchen in den Niederlanden
(H7N7) haben sich mehr als 80 Menschen infiziert und erkrankten an Bindehautentzündung oder leichter Grippe. Eine Person starb an einer schweren Lungenentzündung (10). Bei dem
gegenwärtigen verheerenden Geflügelpest-Seuchenzug in Südostasien
sind bisher 124 Menschen erkrankt –
gezählt wurden nur virologisch bestätigte Fälle –, von denen 63 gestorben sind (Tabelle 2).
Dennoch ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, zumal dieser Erreger
auch schon auf andere Spezies übergegangen ist, und bei Tigern und Leoparden, die in Zoos längere Zeit mit infiziertem Geflügelfleisch gefüttert wurden, Erkrankungen und Todesfälle
verursacht hat. Die Gefährlichkeit
wird auch durch die Tatsache deutlich,
dass das jetzt zirkulierende H5N1-Influenzavirus mehr Tierspezies (> 20)
infizieren kann als der Erreger der
spanischen Grippe H1N1.
Alle jetzt an H5N1 erkrankten
Menschen hatten sich direkt bei infiziertem Geflügel angesteckt, und
der in den Patienten gefundene Erreger zeigte keine Veränderungen im
Vergleich zu den Virusisolaten vom
Geflügel. Eine Anpassung des Vi-
rus, die eine Weiterverbreitung von
Mensch zu Mensch ermöglicht hätte,
ist bisher nicht erfolgt, lässt sich aber
für die Zukunft nicht ausschließen.
Auch das Virus der verheerenden spanischen Grippe von 1918/1919 scheint
ursprünglich direkt vom Geflügel auf
den Menschen übergegangen zu sein
(11, 12).
Unkalkulierbar ist die Höhe des Risikos für die mögliche Entstehung eines neuen Virus, wenn sich Personen
gleichzeitig mit H5N1 und einem
menschlichen Grippevirus infizieren.
Durch Genaustausch bei gleichzeitiger Vermehrung im Menschen könnte
dann ein Virus hervorgehen, das sich
von Mensch zu Mensch weiterverbreiten kann. Da keine Antikörper in der
menschlichen Population vorhanden
sind, könnte sich ein solcher Erreger
schnell ausbreiten. Ob ein solcher Fall
überhaupt eintreten kann, vermag derzeit niemand zu sagen.
Die momentan entscheidende Maßnahme ist der Schutz vor Infektion
durch krankes Geflügel. Vermutlich
erfolgt die Virusübertragung auf den
Menschen durch direkten Kontakt mit
Sekreten oder Exkreten beziehungsweise durch Tröpfcheninfektion oder
virushaltigen Stallstaub über das Auge
oder über den Atmungsapparat. Das
Risiko einer Infektion des Menschen
über die Nahrungsaufnahme wird als
wesentlich geringer eingeschätzt, zumal Influenzaviren leicht thermisch
inaktivierbar sind und gekochte oder
anderweitig erhitzte Lebensmittel als
frei von infektiösen Viren anzusehen
sind. Einfrieren inaktiviert das Virus
jedoch nicht.
Klinik
Klinisch sind aviäre Influenzaerkrankungen beim Menschen am Beginn
nicht von der Influenza durch humane
Influenzaviren zu unterscheiden. Allerdings ist der Verlauf durch eine
deutlich höhere Letalität (circa 50
Prozent) gekennzeichnet. Für die
Schwere der Erkrankung und die hohe
Letalität ist eine rasch progrediente,
schwere virale Pneumonie verantwortlich, in deren Verlauf es nicht
mehr zur bakteriellen, sekundären
Pneumonie kommt. Als Ursache wer-
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´
Tabelle 2
1
Kumulative Zahlen bestätigter Fälle von aviärer Influenza A (H5N1) nach WHO-Angaben
Zeitraum
Fälle
(alle)
Indonesien
Todesfälle
(alle)
Fälle
(alle)
Vietnam
Todesfälle
(alle)
Thailand
Fälle
Todesfälle
(alle)
(alle)
Kambodscha
Fälle
Todesfälle
(alle)
(alle)
Gesamt
Fälle
Todesfälle
(alle)
(alle)
26. 12. 2003–10. 3. 2004
0
0
23
16
12
8
0
0
35
24
19. 7. 2004–8. 10. 2004
0
0
4
4
5
4
0
0
9
8
16. 12. 2004 bis heute
9
5
64
21
3
1
4
4
80
31
Gesamt
9
5
91
41
20
13
4
4
124
63
Daten vom 7. 11. 2005 (www.who.int/csr/disease/avian_influenza/country/cases)
Die Gesamtzahl schließt die Todesfälle ein. Nicht eingeschlossen sind die 18 Fälle des Ausbruchs in Hongkong 1997.
´
Tabelle 3
1
Antivirale Medikamente zur Therapie und Prophylaxe der Influenza (19)
Substanz/Indikation
Anwendung
Dosis
ab 12 Jahre
2 ⫻ 10 mg/d über 5 Tage
ab 5 Jahre
1 ⫻ 10 mg/d
ab 1 Jahr
2 ⫻ 75 mg/d über 5 Tage, Kinder < 40 kg nach kg KG
ab 13 Jahre
1 ⫻ 75 mg/d
1–9 Jahre
2 ⫻ 2,5 mg/kg KG (max. 150 mg/d) über 7 Tage
10–64 Jahre
2 ⫻ 100 mg/d über 7 Tage
ab 65 Jahre
1 ⫻ 100 mg/d über 7 Tage
Kinder ab 10 Jahre
2 ⫻ 50 mg/d sonst wie Therapie
Zanamivir (Inhalation)
Therapie
Prophylaxe*1
Oseltamivir
(Kapsel, Suspension)*2
Therapie
Prophylaxe*3
Amantadin (nur
Influenza A)*2
Therapie
Prophylaxe
*1 Zulassungsverfahren in Vorbereitung
*2 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz (siehe Fachinformation)
*3 Indikationserweiterung zur Prophylaxe 1 Jahr bei der European Medicines Agency (EMEA) in Vorbereitung
den die exzessiv hohe Virusreplikation
und die Resistenz von A/H5N1 gegen
endogene Interferone und TNF-alpha
diskutiert, die bei der humanen Influenza zur Beendigung der Virusvermehrung führen (13). Ein publizierter Fall mit Diarrhö und zerebralen
Komplikationen ohne respiratorische
Symptome weist auf die Möglichkeit
atypischer Verläufe hin (14). Auch
asymptomatische Verläufe kommen
vor, jedoch ist deren Inzidenz unbekannt (13).
Die sporadische humane aviäre Influenza ist derzeit eine seltene Differenzialdiagnose im Spektrum importierter respiratorischer Infektionen. Erkrankungen durch das SARS-HCoV
zeigen sich mit ähnlich schweren Pneumonien, jedoch werden derzeit keine
Fälle aus dem asiatischen Raum berichtet. Inzwischen sind bei Patienten
mit Pneumonie weitere neue Coronaviren (HCoV-NL63, HCoV-HUK1) beschrieben worden; das unterstreicht die
Risiken neuer respiratorischer Erkrankungen (15).
Antivirale Therapie und
Prophylaxe
Für die antivirale Therapie der Influenza sind verfügbar: die M2-ProteinInhibitoren Rimantadin (in Deutschland nicht zugelassen) und Amantadin
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für Influenza A sowie die Neuraminidasehemmer Oseltamivir und Zanamivir für Influenza A und B. Sofern die
Behandlung mit Amantadin/Rimantadin innerhalb von 48 Stunden nach
Krankheitsbeginn erfolgt, kann die
Dauer der respiratorischen und systemischen Influenzasymptome um ungefähr einen Tag reduziert werden.
Die prophylaktische Gabe verhindert
in bis zu 90 Prozent der Fälle eine Erkrankung (16). Bei fünf bis zehn Prozent der Patienten, die Amantadin erhalten, treten leichte ZNS-Nebenwirkungen auf. Ein wesentlicher Nachteil
der M2-Protein-Inhibitoren ist die
fehlende Wirkung gegen Influenza-BViren und die rasche Selektion resi-
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stenter Viren unter der Therapie, die
unverändert infektiös sind (17).
Die Neuraminidasehemmer Oseltamivir und Zanamivir blockieren die
Neuraminidase, deren Aktivität essenziell für die Ausbreitung des Influenzavirus ist (Grafik 1). Ein Vorteil dieser Substanzen ist ihre geringe Resistenzinduktion; bisher wurde keine
spontane Resistenzentwicklung dokumentiert (17). Ein weltweites Netzwerk berichtet über eine Resistenzquote bei behandelten Patienten von
0,4 Prozent (17). Zudem zeigen resistente Virusisolate eine reduzierte Replikationsfähigkeit und Pathogenität
(„viral fitness“) (17). Berichte über eine höhere Rate resistenter Influenzavirusstämme, die unter der Behandlung mit Oseltamivir bei Kindern in
Japan entdeckt wurden, müssen durch
weitere Untersuchungen geklärt werden (17). Trotz fehlender klinischer
Daten wird aufgrund der bisherigen
Erkenntnisse angenommen, dass die
Neuraminidasehemmer gegen jeden
Subtyp des Enzyms Neuraminidase
von Influenza-A-/-B-Viren wirksam
sind, einschließlich der aviären Influenzaviren (13).
Zanamivir, das zur Therapie der Influenza A und B bei Erwachsenen und
Jugendlichen ab zwölf Jahren zugelassen ist, wird als Pulver inhaliert. Oseltamivir wird aufgrund der guten oralen Bioverfügbarkeit als Kapsel oder
Suspension verabreicht. Mit Oseltamivir können Jugendliche und Erwachsene sowie Kinder ab einem Jahr behandelt werden. Es ist auch zur Prophylaxe bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 13 Jahre zugelassen (Tabelle
3). Der Behandlungserfolg ist umso
besser, je frühzeitiger mit der Therapie
begonnen wird. Bei einem Therapiebeginn innerhalb von 48 Stunden nach
Auftreten der ersten Krankheitszeichen nimmt die Influenza durch Abschwächung der Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien und
Husten einen leichteren Verlauf. Folgeerkrankungen durch bakterielle Infektionen wie Bronchitis, Sinusitis,
Pneumonie sowie Otitis media bei
Kindern treten seltener auf. Die Dauer der akuten Erkrankung kann insgesamt um ein bis drei Tage verkürzt
werden. Die Betroffenen können zwei
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Grafik 1
Virusstruktur und Wirkorte antiviraler Substanzen
bis drei Tage eher ihren normalen Alltagsaktivitäten nachgehen (17, e4).
Die antivirale Therapie der aviären
Influenza durch H5N1 mit Neuraminidasehemmern ist derzeit nicht etabliert. Ob die Standardempfehlungen
übertragbar sind, erscheint angesichts
der Schwere und Dynamik der Erkrankung zumindest fraglich. Einer
systemisch wirksamen Therapie wird
der Vorzug gegeben (13, 17). Für leichte Fälle ist das übliche Therapieregime
mit Oseltamivir ausreichend. Für
schwere Verläufe wird eine höhere Tagesdosis von Oseltamivir (2 ⫻ 150 mg
für Erwachsene) und eine längere
Therapiedauer von sieben bis zehn Tagen diskutiert; für den Vorteil einer
längeren Behandlungszeit hinsichtlich
der antiviralen Aktivität und einer
höheren Überlebensrate gibt es Hinweise aus Tierversuchen (13, 17).
Neuraminidasehemmer sind auch
wirksam, wenn sie prophylaktisch eingesetzt werden. Die Effektivität liegt
bei 70 bis 90 Prozent, wenn sie innerhalb von 48 Stunden nach Kontakt zu
akut Erkrankten oder über einen Zeitraum von vier Wochen zur saisonalen
Prophylaxe verabreicht werden (17).
Durch die Chemoprophylaxe wird die
Bildung von Antikörpern gegen Influenzaviren nicht beeinträchtigt (18).
Als seltene Nebenwirkungen von
Oseltamivir sind gastrointestinale Störungen (Übelkeit, Erbrechen) zu nennen. Bei Zanamivir ist zu beachten,
dass Patienten, die unter einer Dauertherapie mit inhalativen Bronchodilatatoren stehen, angewiesen werden
sollten, diese vor der Inhalation des
Virostatikums anzuwenden, weil es
sonst zu einer Bronchialobstruktion
kommen kann (17, e4).
Den Neuraminidasehemmern kommt
eine besondere Bedeutung zu bei der
Therapie und Prophylaxe von Infektionen mit aviären Influenzaviren. Untersuchungen im Rahmen des Influenza-Überwachungsprogramms der
WHO haben ergeben, dass Oseltamivir gegen den derzeit in Asien vorherrschenden Influenzatyp H5N1 wirksam
ist, wohingegen die meisten der getesteten Stämme resistent gegenüber
den M2-Protein-Inhibitoren Amantadin und Rimantadin waren (13). Kürzlich wurde ein Oseltamivir-resistentes Influenzavirus A/H5N1 von einem
vietnamesischen Mädchen isoliert, das
über vier Tage Oseltamivir in der prophylaktischen Dosierung (1 ⫻ 75 mg/d)
verabreicht bekam. Das Virus erwies
sich sowohl in der Zellkultur als auch
im Tierversuch als voll empfindlich gegenüber Zanamivir (19). Diese Beob-
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hergestellt werden. Derzeit werden
ausschließlich „Spaltimpfstoffe“ eingesetzt, die Teile inaktivierter Influenzaviren oder nur die beiden Oberflächenantigene Hämagglutinin und
Neuraminidase enthalten. Der Vorteil dieser aufbereiteten Impfstoffe
gegenüber den „Ganzvirusvakzinen“
besteht in der geringeren Reaktogenität bei erhaltener Immunogenität.
Die Immunität hängt vom Alter des
Patienten, das heißt, von der Anzahl
und Art der vorangegangenen Expositionen gegenüber den Influenza-Antigenen, ab. Immunität und Protektion
beginnen etwa 14 Tage nach Impfung
mit inaktiviertem Impfstoff, dürften
aber kaum länger als ein Jahr anhalten.
Grafik 2
Dosis und Applikation
Kinder ab drei Jahren und Erwachsene erhalten in der Regel eine Dosis eines in Deutschland zugelassenen Produktes, Kinder im Alter von sechs bis
36 Monaten zweimal eine halbe Dosis.
Lokale Reaktionen (Reaktiogenität)
und Allgemeinreaktionen wie Fieber,
Frösteln, Übelkeit, Unwohlsein, Muskel- und Gelenkschmerzen treten ein
bis drei Tage nach der Impfung auf
und klingen in der Regel folgenlos ab.
Vaskulitis, Thrombopenie oder allergische Reaktionen sind selten (e5).
Wirksamkeit
Vorgehen bei Verdacht auf aviäre Influenza (Stand 1. August 2005, www.rki.de). NRZ, Nationales Referenzzentrum; IfSG, Infektionsschutzgesetz
achtung unterstreicht die Notwendigkeit, das Resistenzverhalten der Viren
genau zu verfolgen und zeigt auch,
dass Zanamivir eine Alternative zu
Oseltamivir sein könnte.
Impfung und Immunprophylaxe
Die Schutzimpfung ist die bedeutendste präventive Maßnahme gegen die
Influenza. Wegen des Antigendrifts
muss der Impfstoff jährlich angepasst
werden. Seine Wirksamkeit hängt ab
von der Übereinstimmung der antigenen Eigenschaften der Impfviren mit
denen der zirkulierenden Viren.
Nach Bekanntgabe der empfohlenen Impstoffzusammensetzung beginnt die Züchtung der Impfviren in
embryonierten Hühnereiern. Diese
Anzucht dauert bis zu sechs Monate. In Kürze werden auch Impfstoffe
verfügbar sein, die in Zellkulturen
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Die Wirksamkeit der inaktivierten
Impfstoffe hängt vom Grad der Übereinstimmung der Antigenzusammensetzung zwischen Impfstamm und aktuell zirkulierendem Epidemiestamm
ab. Gesunde Kinder und Erwachsene
können in 70 bis 90 Prozent der Fälle
vor einer Erkrankung geschützt werden. Üblicherweise wird bei Personen
im Alter über 65 Jahre und Patienten
mit einer Grundkrankheit eine geringere Effektivität der Impfung unterstellt. Dies konnte jedoch in Studien
nicht belegt werden, in denen bei Probanden über 65 Jahre und chronisch
Kranken, gemessen an den spezifischen Antikörpertitern, eine ähnlich
hohe Effektivität der Schutzimpfung
wie bei Gesunden festgestellt wurde
(20, e6). In einer prospektiven Studie
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bei 860 Patienten > 65 Jahre wurde bei
mehr als 70 Prozent eine ausreichende
Schutzrate erzielt. Es konnten über einen Zeitraum von zwölf Monaten
wirksame Antikörpertiter beobachtet
werden. Zudem erwiesen sich alle verfügbaren Impfstoffe als gleichwertig,
das heißt, dass in dieser Studie mit einem Adjuvanz versehene Impfstoffe
der Spaltvakzine nicht überlegen waren (20).
In einer Metaanalyse von 20 FallKontroll-Studien ergab die Berechnung, je nach Endpunkt und Population, eine „zusammengesetzte“ Wirksamkeit der Influenzaimpfung von 56
Prozent für die Prävention einer
Atemwegsinfektion, 50 Prozent für
die Vermeidung einer Hospitalisierung oder Tod durch Pneumonie und
68 Prozent für die Verhinderung von
Tod (21). Die tatsächliche Wirksamkeit der Schutzimpfung liegt höher,
weil andere Atemwegserreger bei der
Berechnung der Impfstoffwirksamkeit
nicht mit erfasst wurden. Weiterhin
wiesen Geimpfte eine Risikominderung für kardiale beziehungsweise zerebrovaskuläre Ereignisse von 19 Prozent beziehungsweise 16 Prozent auf
(22).
Influenzapandemie
Im letzten Jahrhundert gab es drei Influenzapandemien: 1918, 1957 und
1968. Während es sich bei den Influenzaviren der letzten beiden Pandemien
um ein Reassortment aus humanen
und aviären Influenzaviren handelte,
war das Virus der Pandemie 1918 das
Ergebnis der Mutation eines rein
aviären Virustyps. Die Gefahr, dass
sich dies in absehbarer Zeit erneut ereignet, wird weltweit als realistisch
eingeschätzt. Erster Kandidat dafür
ist H5N1. Nur die bisher nicht mögliche Mensch-zu-Mensch-Übertragung
des Virus schützt noch vor einer
Pandemie. Je nach Erkrankungsrate
(„attack rate“), die zwischen 15 bis
50 Prozent diskutiert wird, muss in
Deutschland mit sechs bis 21 Millionen zusätzlichen Arztkonsultationen,
180 000 bis 600 000 Krankenhauseinweisungen und 48 000 bis 160 000 Todesfällen gerechnet werden.
A 3262
Neue Zitierweise
Seit Ausgabe 38 erscheint zu jedem
Beitrag auch im Heft ein Literaturverzeichnis. Aus Platzgründen können wir jedoch nur 25 Quellen angeben. Die darüber hinausgehenden Literaturhinweise sind im Internet abrufbar (für diese Ausgabe:
www.aerzteblatt/lit4705) und im Text
mit „e“ gekennzeichnet. Im Internet sind auch sämtliche Literaturangaben eines Beitrags mit der
Medline-Datenbank verlinkt. MWR
Pandemievorbereitung
Bereits 1997 hat die WHO zur Erarbeitung von Pandemieplänen aufgerufen. In Deutschland wurde hierzu 2000
eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die in diesem Jahr einen Influenzapandemieplan vorgelegt hat. In
diesem sind die Maßnahmen zur
Seuchenabwehr und zum Seuchenmanagement enthalten. Im Einzelnen
sind darin unter anderem die ambulante und stationäre Versorgung Erkrankter, Maßnahmen zur raschen
Impfstoffproduktion und die Bevorratung mit Neuraminidasehemmern
festgelegt.
Da erst drei bis sechs Monate nach
Pandemiebeginn ein Impfstoff zur
Verfügung steht, kommt der Bevorratung mit Neuraminidasehemmern
(Amantadin ist nicht geeignet) eine
entscheidende Bedeutung zu. Die
WHO empfiehlt eine Bevorratung für
circa 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung. Damit könnte, falls alle symptomatischen Patienten (Einschränkungen siehe Tabelle 3) innerhalb von 48
Stunden behandelt werden, die Erkrankungsrate und die Zahl der Krankenhausaufnahmen, je nach Manifestationsindex und behandelter Risikogruppe, um bis 77 Prozent reduziert
werden (23). Eine darüber hinausgehende Bevorratung bringt keinen zusätzlichen Vorteil (23). Die von den
Bundesländern derzeit bestellten
Mengen reichen für circa acht bis zehn
Prozent der Bevölkerung. Empfohlen
wird zur Behandlung Erkrankter vorrangig Oseltamivir, weil seine orale
Formulierung eine zuverlässige Einnahme sicherstellt. Zudem sind invasive Verläufe mit extrapulmonalen Virusmanifestationen nicht auszuschließen, und daher ist eine systemisch
wirksame Substanz zu bevorzugen
(13). Zanamivir, das inhalativ verabreicht wird, hat bei einer pandemischen Influenza seinen Stellenwert in
der Behandlung leichter Verläufe und
in der Prophylaxe (13). Letzteres ist
ein kritischer Punkt, weil hierfür keine
Bevorratung existiert. Ohne eine solche können eine weitere Virusausbreitung nicht unterbunden und öffentliche Systeme, besonders die Krankenversorgung, kaum funktionsfähig gehalten werden.
Pandemische Vakzine
Für den Pandemiefall müssen in kurzer Zeit wesentlich größere Impfstoffmengen verfügbar sein als heute (derzeit circa 300 Millionen Impfdosen
weltweit). Die Herstellung kann erst
beginnen, wenn das Pandemievirus
identifiziert ist. Um die Produktionszeit zu verkürzen und die Antigenausbeute zu erhöhen, wird es sich wahrscheinlich um eine inaktivierte, monovalente Ganzvirusvakzine handeln, die
eine höhere Immunogenität aufweist.
Damit die Antigenmenge reduziert
werden kann, wird der Impfstoff mit
einem Adjuvanz versehen sein (25).
Weiterhin wird derzeit an Attrappenvakzinen („mock-up“-Vakzine) möglicher pandemischer Viren gearbeitet,
um im Eventualfall auf eine etablierte
und validierte Produktionstechnik
zurückgreifen zu können. Für eine ausreichende Immunität werden zwei
Impfungen notwendig sein (25).
Verhalten bei Verdachtsfällen auf
aviäre Influenza
Ein Verdachtsfall ist definiert durch
Fieber, einen akuten Krankheitsbeginn und Husten und/oder Dyspnoe
und eine mögliche Erregerexposition
innerhalb von sieben Tagen vor Erkrankungsbeginn. Zum weiteren Vorgehen liegen Empfehlungen des
Robert Koch-Institutes vor (Grafik 2).
Für das medizinische Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern beim
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M E D I Z I N
Umgang mit Verdachtsfällen wird eine
erweiterte Standardhygiene – wie etwa
ein Mund-Nasen-Schutz, gegebenenfalls eine Schutzbrille und ein Schutzkittel – empfohlen. Bei invasiven Maßnahmen, besonders mit Aerosolbildung, werden ein höherwertiger Atemschutz (FFP3-Maske) und gegebenenfalls eine prä- beziehungsweise postexpositionelle Prophylaxe mit einem Neuraminidasehemmer empfohlen. Letzteres gilt auch nach einem ungeschützten
Patientenkontakt. Informationen zur
Falldefinition, zum Vorgehen bei und
zum Umgang mit Verdachtsfällen sind
im Internet unter www.rki.de, Stichwort: aviäre Influenza, abrufbar.
Manuskript eingereicht: 18. 10. 2005, revidierte Version
angenommen: 10. 11. 2005
Prof. Ruf ist Mitglied im Advisory Board Influenza der Firma Hoffmann-La Roche AG.
Prof. Schmitt erhielt Vortragshonorare von den Firmen
Chiron, GlaxoSmithKline, Sanofi, Wyeth, Merck, Infectopharm und Forschungsunterstützung von allen Impfstoffherstellern in Deutschland. Prof. Schmitt betont, dass er im
Zusammenhang mit einem möglichen Interessenkonflikt
im Rahmen seines Angestelltenverhältnisses und darüber
hinaus auch Gelder der öffentlichen Hand erhalten hat.
Prof. Wutzer und Prof. Werner erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International
Committee of Medical Journal Editors besteht.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3254–3263 [Heft 47]
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Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Bernhard R. Ruf
Klinikum St. Georg Leipzig
Klinik für Infektiologie und Tropenmedizin
Delitzscherstraße 141
04129 Leipzig
E-Mail: [email protected]
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Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZINGESCHICHTE(N))
AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT
Psychotherapie
Logotherapie
Zitat: „Selbst der geisteskranke
Mensch ,ist‘ für uns keine Krankheit,
sondern in erster Linie Mensch, also
ein Mensch, der eine Krankheit ,hat‘.
Und wie menschlich kann dieser
Mensch sein, wenn er auch noch so
krank ist, und auch wenn er geisteskrank ist, wie menschlich kann er
nicht nur trotz und in seiner Krankheit
sein, sondern in seiner Einstellung zur
Krankheit.
Da lernte ich vor vielen Jahren eine
alte Frau kennen, die seit Jahrzehnten
an einer schweren Geistesstörung litt
und ständig von Sinnestäuschungen
gepeinigt wurde: Immer hörte sie
,Stimmen‘, die all ihr Tun und Lassen
kritisierten und mit höhnischen Bemerkungen quittierten – gewiß ein
höchst qualvoller Zustand. Wie aber
hatte diese Frau zu diesem ihrem
schrecklichen Schicksal Stellung genommen, wie hatte sie sich mit diesem
Schicksal – ausgesöhnt! Denn sichtlich hatte sie das getan:war sie doch im
Gespräch [...] gelassen und heiter [...].
Selber erstaunt darüber, erlaubte ich
mir die vorsichtige Frage, was sie denn
von diesem Zustand denke und wie
sie so lächeln könne, ob denn dieses
fortwährende Stimmenhören nicht
allzu grauenhaft sei. Und was gab sie
zur Antwort? ,Mein Gott – ich denk’
mir halt, Herr Doktor, es ist immer
noch besser, ich hör’ Stimmen, als
wenn ich schwerhörig wär’.‘ Und
schelmisch lächelte sie weiter.
Welche Menschlichkeit, welche
menschliche Leistung – man ist verführt zu sagen: welche Lebenskunst
birgt doch diese Äußerung!“
Viktor E. Frankl: Die Sinnfrage in der Psychotherapie
(1981). 6.Auflage München 1996, Seite 114 f. – Frankl
(1905–1997), ab 1933 als Psychiater in Wien tätig, ab
1942 als „rassisch“ Verfolgter in verschiedenen KZs
(Theresienstadt, Auschwitz, Türkheim) inhaftiert, wurde 1955 Professor für Neurologie und Psychiatrie an
der Universität Wien, daneben auch Gastprofessuren
an US-amerikanischen Universitäten. Er begründete
die Existenzanalyse und die Logotherapie – auch als
„Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet – in deren Zentrum die Sinnfrage steht.
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Internet-Literaturverzeichnis Heft 47/2005, zu:
Bernhard R. Ruf1
Ortrud Werner2
Heinz-J. Schmitt3
Peter Wutzler4
Humane
und aviäre Influenza –
„Vogelgrippe“
Literatur Internet
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e6. Burbach G, Bienzle U, Stark K et al.: Influenza vaccination in liver transplant recipients. Transplantation
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⏐ Jg. 102⏐
⏐ Heft 47⏐
⏐ 25. November 2005
Deutsches Ärzteblatt⏐
A1
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