20080628_Schautafeln..

Werbung
Vom Diwan …
… in den Sattel
oder: Wie der Marlboro Man
den Orient besiegte
Die Orientzigarette
„frontier orientalism“
Die imaginäre Grenze zwischen dem Westen und dem Orient ist ständig in Bewegung. In Österreich war diese Grenzziehung über Jahrhunderte geprägt von einem kulturellen
Abwehrkampf des christlichen Abendlandes gegenüber den
„Grenzverletzungen“ muslimischer Osmanen.
Der Balkan
„Die Franz Josefs-Straße, welche längs des rechten Ufers der
Miljacka ins Herz der Stadt führt, gewinnt von Tag zu Tag an
europäischem Charakter … Am Ende dieser ,europäischen‘
Straße aber gähnt linker Hand in altem massiven Gemäuer
die finstere Höhlung eines gedrückten Bogengewölbes und
sobald wir in dasselbe eintreten, ist es aus mit Europa.“ (Beschreibung Sarajevos von 1888)
Die negative Interpretation des „Orients“ als rückständig
übertrug sich auf den Balkan. Durch die Besetzung BosnienHerzegowinas 1878 wurde plötzlich ein Teil des „Anderen“ ein
Teil von „uns“. In der Folge wurden die Orte durch moderne
Bauten, wie etwa auch Tabakfabriken, „europäisch“ geprägt.
Die Tabakfabrik in Sarajevo als Symbol habsburgischer Modernität war daher am 28. Juni 1914 Ausgangspunkt für das
österreichische Thronfolger-Ehepaar, das am Weg zum Rathaus einem Anschlag zum Opfer fiel.
Rauchender Orientale aus einer Tabaktrafik und als Holzplastik (Wien, 19. Jh.)
„/Balkan“ oder „/
Orient“? Zur Widersprüchlichkeit der
Grenzziehungen am Beispiel von zwei
Zigarettensorten der k.u.k. BosnischHerzegowinischen Tabakregie vor 1918
„Borg Orient“ mit einer Landkarte
ihrer Orienttabake aus Europa und
Asien, vor 1922
Europäischer „Orient“: Tabakbauern im
griechischen Xanthi (1938)
Die in Ägypten ansässigen Unternehmen
„Simon Arzt“ (gegr. 1869) und „Dimitrino
& Co.“ (gegr. 1896)
Westliche „Orient“-Aneignung: „Ägyptischen Original-Zigaretten überlegen“.
Deutschland, 1941
Der europäische „Orient“
Da die Hauptanbaugebiete des „Orienttabaks“ neben der
kleinasiatischen Türkei hauptsächlich in den Gebieten des
europäischen „Orients“ von Griechenland, Mazedonien und
Bulgarien liegen, wurden diese Länder bis in die 1950er-Jahre
bei der Vermarktung in der Tabak- und Zigarettenindustrie
durch eine „orientalisierte“ und islamische Bilderwelt charakterisiert.
Verlagerung der „Orientzigarette“ nach
Ägypten
Mit der türkischen Monopolisierung der Zigarettenherstellung 1883 wanderten viele der in der Türkei produzierenden
Griechen nach Ägypten aus, obwohl hier selbst kein Tabak
angebaut wurde. Dies war der Karrierebeginn der mit „Orienttabaken“ hergestellten „Ägyptischen Zigarette“
Der Übergang zum selbst produzierten
„Orient“
Neben den Produktionsstandorten im Osmanischen Reich
inklusive Ägypten kamen vermehrt griechische, türkische und
armenische Produzenten von Orientzigaretten in europäische
Länder. In Deutschland wurde Dresden das Zentrum der
deutschen Zigarettenfabrikation
Die orientalische Bilderwelt
Die orientalische, muslimische Stadt und der
Orientale
Im 19. Jh. bedienten sich Historismus und Eklektizismus in der
europäischen Architektur unzähliger Anleihen aus der orientalischen und maurischen Ornamentik. So steht im heutigen
Dresden ein renovierter Bau in Moscheenform mit Minarett
und Glaskuppel. Dieser 1909 fertig gestellte, im Volksmund
„Tabakmoschee“ genannte Bau beherbergte einst die Zigarettenfabrik „Yenidze“ des Unternehmers Hugo Zietz.
Der im deutschsprachigen Raum zu dieser Zeit real abwesende Islam wurde, soweit es nur ging, in Form von Versatzstücken für die Werbebilderwelt vereinnahmt.
Das Minarett
Neben altägyptischen Motiven war daher das Minarett häufigstes Stilelement zur Betonung des Orientcharakters der
Zigaretten.
Die Dresdener Zigarettenfabrik Yenidze
nach ihrer Fertigstellung 1909 und in
renoviertem Zustand
Moscheen und Minarette auf der
Rückseite der „Camel“-Packung
Die Moschee als „türkisches“
Stilelement („Türkischer Rauchtabak“,
Österreich, vor 1918)
„Chesterfield“-Packungen, mit Minaretten (USA, ca. 1960er Jahre) und ohne
Minarette (Österreich, ca. 2003)
Deutsche Zeitungsannonce um 1905
Der Sultan am Diwan („Aristocratic“,
Malta, ca. 1930er Jahre)
Der gemütliche Orientale („Abadie flor“,
Österreich, vor 1925)
Der kriegerische Orientale („Senoussi“,
Deutschland, ca. 1930er Jahre)
Der moderne kriegerische Orientale
(„Abdulla“, Schweiz, ca. 1930er Jahre)
Bis heute sind Moscheen und Minarette auch auf den Rückseiten der „Camel“-Packungen zu finden.
Erschien die US-Marke „Chesterfield“ über Jahrzehnte ebenfalls mit einer orientalischen Szenerie inklusive Minaretten, so
wurden diese irgendwann nach 9/11 einfach wegretuschiert.
Daneben wurden auch unzählige Markennamen der Glaubenswelt des Islam entnommen, wie „Mohammed“, „Moslem“, „Minarett“, „Ramadan“, „Mekka“, „Medina“, usw., oder
es wurde der muslimische Gebetsritus persifliert.
Der „Orientale“
Der „Orientale“ selbst erscheint entweder als Sultan im Harem oder als gemütlich bis träge herumsitzender Rauchender.
Daneben gibt es dann noch die Variante des bewaffnet zu
Pferd oder Kamel reitenden Kriegers.
Die orientalische Bilderwelt
Laszivität, Genuss, der Harem und die
Orientalin
In einem Europa, das sich zunehmend einer verhaltensnormierenden und triebregulierenden „Zivilisierung“ unterwarf,
wurde der imaginäre Orient aufgeladen als Projektions- und
Zufluchtsort für Freiheit, ausgelassenen Genuss, Relaxtheit
und Drogenrausch. Noch nach 1900 enthielten einige Zigarettenmarken – wie etwa die „Nil“ – Cannabis.
Gerade weil sich die orientalischen Formen des Rauchens nur
im Sitzen oder Liegen genießen lassen, stehen sie positiv für
Muße und Zeitlassen.
Dazu wurde ein irdisches Paradies aus 1001-Nacht imaginiert, mit verführerischen Frauen, mitunter im Harem oder als
Odaliske, die sich ihr Leben mit von SklavInnen gereichtem
Kaffee und mit Tabak versüßten.
„Nil-Cigarretten“, Österreich, vor 1903
Madame de Pompadour als rauchende
Sultanin, 1754
Haremsvorstellungen für die in den USA
von griechischen Migranten produzierte
„türkische“ Zigarette Murad, um 1918
Ein Paradebeispiel für die moralische Doppelbödigkeit des
„zivilisierten“ Abendlandes ist ein um 1754 entstandenes Bild,
das die Maitresse Madame de Pompadour als auf Kissen gelehnte – rauchende – Sultanin zeigt: Die dabei thematisierte
Polygamie des Sultans im Harem ist dabei zu vergleichen mit
den Maitressen von Ludwig XV. im Hirschpark von Versailles.
Im Unterschied zu europäischen Haremsdarstellungen wirken
jene in den USA im Vergleich dazu eher wie Karikaturen des
Orients.
Dazu verkörperte die verweiblichte Zigarette in vielen Gedichten die perfekt schlanke, weiße, gleichsam unschuldige
Weiblichkeit, die zum anderen Sinnbild der in den Harem
entführten, zugleich verführerischen Sklavin ist. Wohl nicht
zufällig ist die Anzahl von Zigarettensorten groß, welche - wie
die berühmte „Löwenfrau“ von Kyriazi - auf diesen Frauentypus anspielt.
Wasserpfeifen rauchende Odaliske, Mitte 19. Jh.
Wie die Anzeigenserie der österreichischen „Nil“ aus dem
Jahr 1957 zeigt, wurde noch in den 1950ern der Schleier noch
nicht als rückständiges Symbol einer von ihrem muslimischen
Ehemann unterworfenen Frau verwendet, sondern vielmehr
als erotisches Verführungsinstrument (inklusive dem lockenden “Vielleicht“) für die Augen des westlichen Mannes.
Die „Löwenfrau“ von Kyriazi
Anzeigenserie der österreichischen „Nil“ aus dem Jahr 1957
Die orientalische Bilderwelt
Das antike Ägypten
Gegen Ende des 19. Jh. stieg das Interesse Europas am Land
der Pharaonen sprunghaft an, sodass es zu einem regelrechten Ägyptenhype kam. Diesen Umstand wusste nicht nur
die in Ägypten ansässige Zigarettenindustrie für ihr Marketing
zu nutzen. So wurden vor allem die Pyramiden, die Sphinx,
der Nil und Cleopatra zu immer wieder eingesetzten illustrativen und positiv konnotierten SympathieträgerInnen auf
Plakaten und Verpackungen.
In Europa verglich man die eigene kulturelle Wichtigkeit, ökonomische Macht und kulturzivilisatorischen Fortschritte mit
den Leistungen der vergangenen altägyptischen Hochkultur.
Im Bereich der Architektur führte das zum Historismus, in
welchem viele Baustile mit Bezug zur Antike und ägyptischen
Hochkultur imitiert wurden. Dieser exotische Eklektizismus
findet im Bereich der Zigarettenreklame ebenfalls statt,
indem Orientmotive etwa mit griechischen Versatzstücken
oder Anleihen ritterlicher Heraldik willkürlich miteinander
vermischt werden.
Die europäische Orientfaszination traf vor allem zwischen
1900 bis 1910 auch in den USA auf Zuspruch, wo der Werbespruch „Make it look Egyptian“ galt und Orienttabak-Zigaretten um 1903 einen Marktanteil von 25% erreicht hatten.
„Nilus“ und „Sphinx“ (Ungarn, vor 1918)
„Abdulla No. 6“ (Ägypten, ca. 1910)
„Egipskie“ (Polen, ca. 1920er Jahre)
„Caravallis Special“
(Ägypten, ca. 1920er Jahre)
„Murad“ (Rückseite) und die Tafel „Ägyptisch No. 3“ aus Owen Jones:
Grammar of Ornament
Neben aller Fantasie, die bei der Gestaltung der Packungsdesigns zum Tragen kam, gab es Marken, welche ägyptische
Ornamente sehr detailtreu und original darstellten. So sind
einige der auf der Packung von „Murad“ abgebildeten Säulen ident mit jenen auf der Tafel „Ägyptisch No. 3“ des 1856
erstmals erschienenen Buchs „Grammar of Ornament“ von
Owen Jones (1809–1874).
Der Aufstieg des American Blend
Das Ende der „Orientzigarette“
In den USA und Großbritannien endete die Vorherrschaft der
Orientzigaretten mit dem Ersten Weltkrieg, der den Handel
mit dem Orienttabak zum Erliegen gebracht hatte. Die bei der
1913 eingeführten „Camel“ verwendete Mischung aus Orientund US-Tabaken ist heute als „American Blend“ weltweit dominierend. „Camel“ war die erste Markenzigarette und wurde
erstmals US-weit bereits Monate vor Erscheinen mit einer
einheitlichen Werbestrategie beworben.
Als „Lucky Strike“ 1917 auf den Markt kam, war ihr Design
– im Unterschied zur orientalischen Bilderwelt der „Camel“ bereits klar und amerikanisch.
Sauer statt alkalisch
Am Erfolg der American Blend-Zigarette ist die zufällige
Entdeckung der Heißlufttrocknung des Tabaks beteiligt. Als
Folge davon reagiert der Rauch nunmehr sauer und das Nikotin muss durch Inhalieren über die Lunge aufgenommen
werden.
Die Zigarette als industrielles Massenprodukt
Im Jahr 1884 schloss der Zigarettenproduzent James B. Duke
mit dem Zigarettenmaschinen-Hersteller James Bonsack einen Vertrag, der Duke gegenüber der Konkurrenz einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffte.
„Old Joe“, das originale Zirkus-Dromedar als Vorlage für das „Camel“-Kamel
Die ursprünglich grüne „Lucky Strike“
(USA, ca. 1930er)
Tabaktrocknung in den USA
Zigarettenmaschine von Susini auf der
Pariser Weltausstellung von 1878
Duke, im Alter von 27 Jahren (1883)
Einladung zum Festbankett anlässlich
der BAT-Gründung im September 1902
Um die so verursachte Überproduktion zu verkaufen, ging
Duke daran, neue nationale und internationale Märkte für die
US-Zigarette zu eröffnen. Bereits 1889 gab er rund 20% seines Umsatzes für das Marketing aus.
Duke´s Trust
Duke gründete die American Tobacco Co. (ATC), die um 1900
mit ihren rund 200 aufgekauften Firmen 92,7% Marktanteil
bei Zigaretten hatte, den er jedoch aufgrund eins Anti-TrustGesetzes 1911 aufsplittern musste.
Globalisierung und Firmenkonzentrationen
Neben der Eroberung des asiatischen Marktes mit Hilfe radikaler Werbemittel begab sich Duke 1901 nach England auf
Einkauftstour. Ergebnis des darauf folgenden „Tobacco War“
war 1902 die Gündung des gemeinsamen US/GB-Konzerns
British American Tobacco Co. (BAT) mit dem Ziel der Kontrolle
aller offenen Märkte der Welt.
Dies führte in den folgenden Jahren auf allen Kontinenten
entweder zu einer vollkommenen Kolonialisierung der Märkte
und/oder zu erbitterten, nationalistisch geprägten Kämpfen
gegen BAT.
Europa von der Zwischenkriegszeit bis zum Zweiten Weltkrieg
Kompensationsgeschäfte
Auch aufgrund der wirtschaftlich angespannten Situation
blieb die Orientzigarette in Europa weiterhin bestimmend, da
die für Tabakeinkäufe aus den USA nötigen Devisen fehlten.
Mit den Orienttabak produzierenden Ländern wurden hingegen Kompensationsgeschäfte (Rohtabak gegen Industriewaren) abgeschlossen. Das führte jedoch bei Ländern
wie Griechenland zu einer dramatischen Abhängigkeit von
diesen Exporten.
In den 1920er Jahren dominierten in Österreich weiterhin orientalisch klingende Markennamen - wie „Egyptische Sorte“,
„Jussuf“, „Nil“, „Harun“ oder „Memphis“ - aber nun ganz auch
ohne dementsprechende Bildersprache.
In Deutschland folgten der Verklärung eines imaginierten Orients in den Werbeanzeigen ebenfalls nicht weniger einseitige
pseudo-dokumentarische Fotoserien aus den OrienttabakAnbauländern.
Nazideutschland und der Orienttabak
Nach der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland wurde
weiterhin auf den Orienttabak gebaut. In Verbindung mit der
NS-Ideologie wurden dabei jedoch neue Aspekte betont. So
wurde etwa auf den Doseninnenseiten von Orientzigaretten
erwähnt, dass diese von deutschen Arbeitern gefertigt werden.
In Österreich unterschieden sich in den 1920er-Jahren die Sorten teilweise kaum im
Design. Von der Bilderpracht des Orients blieben nur mehr die Markennamen
Neben der Versorgung mit Lebensmitteln wurden in Notzeiten immer
auch die Rauchwaren knapp. Hier eine
„Raucherkarte“ aus der Inflationszeit
nach dem Ersten Weltkrieg.
Während des Zweiten Weltkrieges kam es ab Jänner 1942 aufgrund des Rohtabaksmangels zur Einführung der „Raucherkarte“.
Die einzige ab Oktober 1944 noch erhältliche Sorte „Sondermischung Typ 4“
Nach dem Tabakimportstopp ab Oktober 1944 zur Einführung
der fast ungenießbaren Einheitszigarette, die als „Typ 4“ neben Orienttabak einen vorgeschriebenen Anteil nichtorientalischer europäischer Tabake beinhaltete.
Der Zweite Weltkrieg in den USA und die Besatzungszeit
Werbefaktor Krieg
Der Zweite Weltkrieg ließ die Konsumraten der Zigarette
sprunghaft ansteigen und trotz kriegsbedingter Hindernisse
war etwa der Zigarettenverbrauch im Deutschen Reich im
Jahr 1944 im Vergleich zu 1938 um 25% höher.
Im Unterschied zu Nazi-Deutschland mit Hitlers Antiraucherkampagne wurde in den USA der Krieg gegen Nazideutschland als häufiges Werbesujet genutzt und die Versorgung der
Soldaten in Übersee mit 250 Milliarden US-Zigaretten zum
patriotischen Akt hochstilisiert.
Der Wunsch, für die Frauen an der US-Heimatfront attraktiver
zu sein, war auch der Grund, warum „Lucky Strike“ 1942 sein
Design auf ein sauberes, frisches Weiß umstellte. Offiziell hieß
es jedoch: „Lucky Strike Green has gone to War“, da angeblich dafür verwendetes Titan und Bronze für den Kriegseinsatz gebraucht wurden.
Der Sieg der „Ami-Zigarette“
Zu Kriegsende im Mai 1945 waren die deutsche und österreichische Zigarettenindustrie nicht mehr existent. In diesem
Versorgungs- und Geschmacksvakuum war die Ami-Zigarette
der US-Soldaten ein wahrer Luxus.
Bis zu den Währungsreformen in Deutschland im Juni 1948
und Österreich im Dezember 1947 war die Zigarette der Besatzer für die Bevölkerung zu einer stabilen Ersatzwährung für
die noch im Umlauf befindliche Reichsmark geworden.
der Krieg gegen Nazideutschland als häufiges Werbesujet in den usa
„Lucky Strike“ stellt 1942 sein Design
auf ein sauberes, frisches WeiSS um.
Erste Nachkriegssorten in Deutschland:
„Erste Sorte“
Fässer mit US-Tabaken landen in
Deutschland
Der Marshall-Plan als Mittel der US-Kolonialisierung im Nachkriegseuropa
Erst ab 1949 konnten deutsche Firmen wieder unter Einschränkungen in der Türkei Orienttabake einkaufen.
Doch bereits ab 1948 wurden die europäischen Märkte mit
Hilfe des Marshall-Plans großzügigst mit Rohtabaken der
US-Tabakindustrie versorgt. Schlussendlich machten diese
US-Tabakimporte im Rahmen des Marshall-Plans ein Drittel
der Lebensmittellieferungen an Deutschland aus.
Wenig verlockende österreichische
Nach­k riegszigaretten: „Mischung A“ und
„Mischung B“
Der Sieg des American Blend
Die ersten deutschen Ami-Zigaretten
Versorgt mit US-Tabaken gingen die Zigarettenhersteller in
den 1950er-Jahren daran, ihre ersten American Blend-Zigaretten herzustellen und zu vermarkten.
Die meisten Sortennamen waren englisch, wie „Texas“, „Old
Joe“ oder „Onkel Tom“ und bei den Anzeigen setzte man
nun vermehrt auf USA-Motive. So wurden die muslimischen
TabakarbeiterInnen des europäischen „Orients“ abgelöst
durch muskulöse bzw. lächelnde afroamerikanische TabakarbeiterInnen.
Doch nachdem es Mitte der 1950er Jahre mit einem Marktanteil von rund 15% nochmals ein vorübergehendes Comeback
der Orientzigarette gegeben hatte, fuhr man eine Zeitlang
doppelgleisig und bot die gleiche Sorte parallel mit Orienttabaken oder mit American Blend an.
Das Verschwinden des „Orients“ im „Westen“
Bis Ende der 1950er Jahre waren die „orientalischen“ Bilderwelten aus der Werbung verdrängt. Bei den Orientzigaretten,
die auf einen Bezug zu den Herkunftsländern nicht verzichten
wollten, war ein deutlicher Bilderwechsel erkennbar, wie an
der Reemtsma-Marke „Gelbe Sorte“ gut ablesbar. Die Abbildungen von Moscheen und Minaretten des europäischen
„Orients“ wurden ersetzt durch den „klassischen Orient“ und
seine abendländisch-europäischen „Wurzeln“.
„Texas“, Werbeanzeigen 1952
Sicher ist sicher: „Nil“ als Orientzigarette und mit American Blend, 1958
„Gelbe Sorte“-Werbungen: noch mit
„Orient“-Motiven, wie der Moschee von
Kiredjiler, 1955
„Marlboro gehört dazu“, 1961
Bürgerliches Idyll der Aufbaugeneration
Die Generation der „Wirtschaftswunderzeit“ ging es weniger
um Traumreisen in ferne, unerreichbar und längst vergangene
(orientalische) Fantasiewelten. Der eigene wirtschaftliche
Aufstieg, die reale Umsetzung des „American dream“ mit
Eigenheim, Zweikindfamilie und Griller schien möglich. Noch
lange vor dem Marlboro Man warb „Marlboro“ in Deutschland
daher mit der Figur eines leitenden Angestellten in seinem
bürgerlichen Idyll.
„Gelbe Sorte“-Werbungen: noch mit
muslimischen „Orient“-Motiven, 1955
Weltweite Globalisierung, Kolonialisierung und Ausbeutung
Orientnostalgie im „rückständigen“ Osten
Während in Westeuropa ab 1960 der American Blend die
bestimmende Zigarettenmischung wurde, blieben die RaucherInnen jenseits des “Eisernen Vorhangs“ von diesen Vorgängen jahrzehntelang eher unbehelligt. Vor allem der bulgarische „Orienttabak“ blieb Basis für viele Zigarettensorten.
„Go East“
Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten Anfang der 1990iger begann auch in diesen Staaten der Siegeszug des American Blend. Für westliche Tabakkonzerne, die
innerhalb kürzester Zeit die Märkte vor Ort belieferten und
Zigarettenfirmen bzw. ehemals Staatliche Monopole vor Ort
aufkauften, begann damit ein neues goldenes Zeitalter.
„Marlboro“ als die universelle Marke
Die Krönung des Siegeszuges des American Blend und der
Markenpolitik im Bereich des Zigarettenkonsums stellt der
Aufstieg der „Marlboro“ dar, welcher es innerhalb weniger
Jahrzehnte gelungen war, mit ihrem international verständlichen und klaren Design sowie einem ebenso attraktiven
Image zu der universellen Zigarettensorte zu werden.
Die Global Players als Ausbeuter des Südens
Die vier weltgrößten Zigarettenkonzerne machen pro Jahr zusammen einen Gewinn von mehr als 18 Milliarden Dollar.
Bulgarische Sorten, hergestellt für
die Märkte in der DDR und Ungarn, ca.
1960er Jahre
Neben den durch das Rauchen verursachten Krankheiten
geht dieser Gewinn zudem auf Kosten der RohtabakproduzentInnen in den südlichen Ländern. Obwohl etwa Philip
Morris der größte Abnehmer von malawischem Tabak ist,
bekommen Tabakbauern, unter ihnen auch Kinder, nur rund
0,60 US-Dollar pro Kilo, was weit unter den Investitionskosten
liegt. In vielen Ländern kontrollieren ein bis zwei Tabakzwischenhändler die Rohtabakmärkte. Viele Tabakbauern leiden
unter den Folgen von Nikotinvergiftungen bei der Ernte und
dem Einsatz von Pestiziden.
Daneben werden jährlich rund 200.000 Hektar Naturwald
für den Tabakanbau und die Trocknung der Tabakblätter
zerstört.
American Blend in Russland, China, Rumänien, Slowenien und Ukraine
Zigarettenkonzerne
Umsatz in $
Gewinn in $
1. Philipp Morris*
101,407 Mrd.
12 Mrd.
2. British American Tobacco (BAT)*
16 Mrd.
3,3 Mrd.
3. Japan Tobacco Inc. ** (inkl. Austria Tabakwerke)
39,5 Mrd.
1,7 Mrd.
4. Imperial Tobacco*
21,86 Mrd.
1,45 Mrd.
(Quellen: www.rauchopfer.org; www.unfairtobacco.org)
*Daten von 2007; ** Daten von 2006
Die „Marlboro“ von Philip Morris
wird in Kanada ohne Erwähnung des
Markennamens verkauft, da diese
Marke bereits durch eine andere Firma
geschützt ist
Die vier weltgröSSten Zigarettenkonzerne machen pro Jahr zusammen einen Gewinn von
mehr als 18 Milliarden Dollar.
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