„Die Franz Josefs-Straße, welche längs des rechten Ufers der Miljacka ins Herz der Stadt führt, gewinnt von Tag zu Tag an europäischem Charakter … Am Ende dieser ,europäischen‘ Straße aber gähnt linker Hand in altem massiven Gemäuer die finstere Höhlung eines gedrückten Bogengewölbes und sobald wir in dasselbe eintreten, ist es aus mit Europa.“ (Beschreibung Sarajevos von 1888) Die imaginäre Grenze zwischen dem Westen und dem Orient ist ständig in Bewegung. In Österreich war diese Grenzziehung über Jahrhunderte geprägt von einem kulturellen Abwehrkampf des christlichen Abendlandes gegenüber den „Grenzverletzungen“ muslimischer Osmanen. Der Balkan Die negative Interpretation des „Orients“ als rückständig übertrug sich auf den Balkan. Durch die Besetzung Bosnien-Herzegowinas 1878 wurde plötzlich ein Teil des „Anderen“ ein Teil von „uns“. In der Folge wurden die Orte durch moderne Bauten, wie etwa auch Tabakfabriken, „europäisch“ geprägt. Die Tabakfabrik in Sarajevo als Symbol habsburgischer Modernität war daher am 28. Juni 1914 Ausgangspunkt für das österreichische Thronfolger-Ehepaar, das am Weg zum Rathaus einem Anschlag zum Opfer fiel. Der kleinasiatische „Orient“ Die bis nach dem 2. Weltkrieg in Europa vorherrschende Zigarette war jene aus Orienttabaken. Der „Orient“ bezeichnete dabei die Gebiete des Osmanischen Reichs, sowohl in Asien als auch in Europa. Auf das Osmanische Reich folgte in der Türkei die Republik unter unter Atatürk. Dies lässt sich an den Zigarettendosen gut ablesen, etwa durch das Verschwinden der arabischen Schrift und der Umbenennung Konstantinopels in Istanbul. Der europäische „Orient“ Da der „Orienttabak“ neben der kleinasiatischen Türkei in den Gebieten des europäischen „Orients“ von Griechenland, Mazedonien, BosnienHerzegowina und Bulgarien hauptsächlich von muslimischen Tabakbauern angebaut wurde, waren diese Länder bis in die 1950erJahre bei der Vermarktung in der Tabak- und Zigarettenindustrie durch eine orientalisch-islamische Bilderwelt charakterisiert. Die Firma TURMAC (Turkish Macedonian Tob. Co.) war berühmt für ihre seine Ornamentik. Türkische Griechen in Ägypten Durch die Verstaatlichung der Zigarettenerzeugung in der Türkei (1883) wanderten viele griechische Zigarettenproduzenten – wie Mantzaris, Dimitrino, Kyriazi, Simon Arzt - in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. von der Türkei nach Ägypten aus, obwohl hier selbst kein Tabak angebaut wurde. Dies war der Karrierebeginn der mit „Orienttabaken“ hergestellten „Ägyptischen Zigarette“. Daneben kamen vermehrt griechische, türkische und armenische Produzenten von Orientzigaretten in mitteleuropäische Länder. In Deutschland wurde Dresden das Zentrum der deutschen Zigarettenfabrikation. Der Islam als Deko-Versatzstück Im 19. Jh. bedienten sich Historismus und Eklektizismus in der europäischen Architektur unzähliger Anleihen aus der orientalischen und maurischen Ornamentik. So steht im heutigen Dresden ein renovierter Bau in Moscheenform mit Minarett und Glaskuppel. Dieser 1909 fertig gestellte, im Volksmund „Tabakmoschee“ genannte Bau beherbergte einst die Zigarettenfabrik „Yenidze“ des Unternehmers Hugo Zietz. Der im deutschsprachigen Raum zu dieser Zeit real abwesende Islam wurde, soweit es nur ging, in Form von Versatzstücken für die Werbebilderwelt vereinnahmt. Das Minarett war daher eines der häufigsten Stilelemente zur Betonung des Orientcharakters der Zigaretten. Über Jahrzehnte hindurch stand die Moschee in der Bilderwelt der Orientzigarette nicht für etwas Beängstigendes, sondern war Symbol für das „Fremde“ als exotisches Faszinosum. Bis heute sind Moscheen und Minarette auch auf den Rückseiten der „Camel“-Packungen zu finden. Erschien die US-Marke „Chesterfield“ über Jahrzehnte ebenfalls mit einer orientalischen Szenerie inklusive Minaretten, so wurden diese irgendwann nach 9/11 einfach wegretuschiert. Daneben wurden auch unzählige Markennamen der Glaubenswelt des Islam entnommen, wie „Mohammed“, „Moslem“, „Minarett“, „Ramadan“, „Mekka“, „Medina“, usw., oder es wurde der muslimische Gebetsritus persifliert. Altägyptisch-orientalische Bilderwelt Durch die ägyptische Orientzigarette wurden die Orientmotive um Versatzstücke aus der altägytischen Hochkultur erweitert. Zu den am häufigsten verwendeten Klischeebildern gehörten dabei neben dem Nil-Fluss die Pyramiden von Gizeh sowie die Sphinx. Dazu kamen altägyptische Gottheits- und HerrscherInnendarstellungen, garniert mit Hieroglyphen. Neben der eklektischen und beliebigen Motivverwendung gab es aber auch realistische Darstellungen, wie jene auf der US-Sorte Murad. Das antike Ägypten Gegen Ende des 19. Jh. stieg das Interesse Europas am Land der Pharaonen sprunghaft an, sodass es zu einem regelrechten Ägyptenhype kam. Diesen Umstand wusste nicht nur die in Ägypten ansässige Zigarettenindustrie für ihr Marketing zu nutzen. So wurden vor allem die Pyramiden, die Sphinx, der Nil und Cleopatra zu immer wieder eingesetzten illustrativen und positiv konnotierten SympathieträgerInnen auf Plakaten und Verpackungen. In Europa verglich man die eigene kulturelle Wichtigkeit, ökonomische Macht und kulturzivilisatorischen Fortschritte mit den Leistungen der vergangenen altägyptischen Hochkultur. Im Bereich der Architektur führte das zum Historismus, in welchem viele Baustile mit Bezug zur Antike und ägyptischen Hochkultur imitiert wurden. Dieser exotische Eklektizismus findet im Bereich der Zigarettenreklame ebenfalls statt, indem Orientmotive etwa mit griechischen Versatzstücken oder Anleihen ritterlicher Heraldik willkürlich miteinander vermischt werden. Die europäische Orientfaszination traf vor allem zwischen 1900 bis 1910 auch in den USA auf Zuspruch, wo der Werbespruch „Make it look Egyptian“ galt und Orienttabak-Zigaretten um 1903 einen Marktanteil von 25% erreicht hatten. Neben aller Fantasie, die bei der Gestaltung der Packungsdesigns zum Tragen kam, gab es Marken, welche ägyptische Ornamente sehr detailtreu und original darstellten. So sind einige der auf der Packung von „Murad“ abgebildeten Säulen ident mit jenen auf der Tafel „Ägyptisch No. 3“ des 1856 erstmals erschienenen Buchs „Grammar of Ornament“ von Owen Jones (1809–1874). Sex sells – die Orientalin als Figur aus 1001-Nacht Im Kontext mit einem verklärten Orientbild wurde auch das Konstrukt der Frau als verführerische Haremsfrau im „Serail“ strapaziert. Ebenso „gefährlich“ aus Männersicht erschien die „Löwenfrau“ von Kyriazi, welche mit ihrem Zigarettenrauch einen Löwen „zähmte“. Während ältere Frauen-Darstellungen noch um Detailtreue, etwa in der Kleidung, bemüht waren, kam es – wie an den sechs verschiedenen „Luxor“-Dosen ablesbar, zu einer „Verwestlichung“ der Frau auf den Zigarettendosen. In einem Europa, das sich zunehmend einer verhaltensnormierenden und triebregulierenden „Zivilisierung“ unterwarf, wurde der imaginäre Orient aufgeladen als Projektions- und Zufluchtsort für Freiheit, ausgelassenen Genuss, Relaxtheit und Drogenrausch. Noch nach 1900 enthielten einige Zigarettenmarken – wie etwa die „Nil“ – Cannabis. Gerade weil sich die orientalischen Formen des Rauchens nur im Sitzen oder Liegen genießen lassen, stehen sie positiv für Muße und Zeitlassen. Dazu wurde ein irdisches Paradies aus 1001-Nacht imaginiert, mit verführerischen Frauen, mitunter im Harem oder als Odaliske, die sich ihr Leben mit von SklavInnen gereichtem Kaffee und mit Tabak versüßten. Ein Paradebeispiel für die moralische Doppelbödigkeit des „zivilisierten“ Abendlandes ist ein um 1754 entstandenes Bild, das die Maitresse Madame de Pompadour als auf Kissen gelehnte – rauchende – Sultanin zeigt: Die dabei thematisierte Polygamie des Sultans im Harem ist dabei zu vergleichen mit den Maitressen von Ludwig XV. im Hirschpark von Versailles. Im Unterschied zu europäischen Haremsdarstellungen wirken jene in den USA im Vergleich dazu eher wie Karikaturen des Orients. Dazu verkörperte die verweiblichte Zigarette in vielen Gedichten die perfekt schlanke, weiße, gleichsam unschuldige Weiblichkeit, die zum anderen Sinnbild der in den Harem entführten, zugleich verführerischen Sklavin ist. Wohl nicht zufällig ist die Anzahl von Zigarettensorten groß, welche – wie die berühmte „Löwenfrau“ von Kyriazi - auf diesen Frauentypus anspielt. Wie die Anzeigenserie der österreichischen „Nil“ aus dem Jahr 1957 zeigt, wurde noch in den 1950ern der Schleier noch nicht als rückständiges Symbol einer von ihrem muslimischen Ehemann unterworfenen Frau verwendet, sondern vielmehr als erotisches Verführungsinstrument (inklusive dem lockenden “Vielleicht“) für die Augen des westlichen Mannes. Der Orientale als Karl May-Zerrbild Die Darstellung des Orientalen war ebenfalls fern jeder Realität und entsprach wohl vielmehr dem Klischee aus Karl-May-Romanen. Der Orientale ist entweder ein wilder, reitender – und damit etwas unzivilisierter - Krieger. Oder er liegt am Diwan lümmelnd herum bzw. ist der Sultan inklusive Harem. Auch mit dem Sultan oder ägyptischen Vizekönig (Khedive) waren viele klischeehafte Bilder, von großem Reichtum bis zum Besitz des Harems, verbunden. Die beiden „Simon Arzt“-Dosen illustrieren eindrucksvoll die “Verwestlichung“ des „Orientalen“. Aus dem Fes-tragenden, vollbärtigen Simon Arzt wird ein weißhaariger, rasierter Mann. VIII. Die Orientzigarette in Österreich Bis in die 1950er Jahre war auch in Österreich die Orientzigarette bestimmend. zu den meist verkauften Marken, die teilweise bis heute überlebt haben, zählten etwa „Nil“, „Memphis“, „Dames“, „Khedive“ oder „Egyptische III. Sorte“. Waren in der Monarchie die Verpackungen noch bunt dekoriert, so ging das österreichische Tabakmonopol in der Zeit der Ersten Republik dazu über, viele Sorten in einem einheitlichen Design anzubieten, lediglich unterschieden durch die Farbe. Die Deckelinnenseiten wurden hingegen im Dienste der Fremdenverkehrswerbung mit verschiedensten Motiven aus Österreich bestückt. Das Ende der „Orientzigarette“ In den USA und Großbritannien endete die Vorherrschaft der Orientzigaretten mit dem Ersten Weltkrieg, der den Handel mit dem Orienttabak zum Erliegen gebracht hatte. Die bei der 1913 eingeführten „Camel“ verwendete Mischung aus Orientund US-Tabaken ist heute als „American Blend“ weltweit dominierend. „Camel“ war die erste Markenzigarette und wurde erstmals US-weit bereits Monate vor Erscheinen mit einer einheitlichen Werbestrategie beworben. Als „Lucky Strike“ 1917 auf den Markt kam, war ihr Design – im Unterschied zur orientalischen Bilderwelt der „Camel“ bereits klar und amerikanisch. Sauer statt alkalisch Am Erfolg der American Blend-Zigarette ist die zufällige Entdeckung der Heißlufttrocknung des Tabaks beteiligt. Als Folge davon reagiert der Rauch nunmehr sauer und das Nikotin muss durch Inhalieren über die Lunge aufgenommen werden. Die Zigarette als industrielles Massenprod ukt Im Jahr 1884 schloss der Zigarettenproduzent James B. Duke mit dem Zigarettenmaschinen-Hersteller James Bonsack einen Vertrag, der Duke gegenüber der Konkurrenz einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffte. Um die so verursachte Überproduktion zu verkaufen, ging Duke daran, neue nationale und internationale Märkte für die US-Zigarette zu eröffnen. Bereits 1889 gab er rund 20% seines Umsatzes für das Marketing aus. Duke´s Trust Duke gründete die American Tobacco Co. (ATC), die um 1900 mit ihren rund 200 aufgekauften Firmen 92,7% Marktanteil bei Zigaretten hatte, den er jedoch aufgrund eins Anti-TrustGesetzes 1911 aufsplittern musste. Glob alisierung und Firmenkonzentrationen Neben der Eroberung des asiatischen Marktes mit Hilfe radikaler Werbemittel begab sich Duke 1901 nach England auf Einkauftstour. Ergebnis des darauf folgenden „Tobacco War“ war 1902 die Gündung des gemeinsamen US/GB-Konzerns British American Tobacco Co. (BAT) mit dem Ziel der Kontrolle aller offenen Märkte der Welt. Dies führte in den folgenden Jahren auf allen Kontinenten entweder zu einer vollkommenen Kolonialisierung der Märkte und/oder zu erbitterten, nationalistisch geprägten Kämpfen gegen BAT. Ko mpensationsgeschäfte Auch aufgrund der wirtschaftlich angespannten Situation blieb die Orientzigarette in Europa weiterhin bestimmend, da die für Tabakeinkäufe aus den USA nötigen Devisen fehlten. Mit den Orienttabak produzierenden Ländern wurden hingegen Kompensationsgeschäfte (Rohtabak gegen Industriewaren) abgeschlossen. Das führte jedoch bei Ländern wie Griechenland zu einer dramatischen Abhängigkeit von diesen Exporten. In den 1920er Jahren dominierten in Österreich weiterhin orientalisch klingende Markennamen - wie „Egyptische Sorte“, „Jussuf“, „Nil“, „Harun“ oder „Memphis“ - aber nun ganz auch ohne dementsprechende Bildersprache. In Deutschland folgten der Verklärung eines imaginierten Orients in den Werbeanzeigen ebenfalls nicht weniger einseitige pseudo-dokumentarische Fotoserien aus den OrienttabakAnbauländern. Nazideutschland und der Orienttabak Nach der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland wurde weiterhin auf den Orienttabak gebaut. In Verbindung mit der NS-Ideologie wurden dabei jedoch neue Aspekte betont. So wurde etwa auf den Doseninnenseiten von Orientzigaretten erwähnt, dass diese von deutschen Arbeitern gefertigt werden. Nach dem Tabakimportstopp ab Oktober 1944 zur Einführung der fast ungenießbaren Einheitszigarette, die als „Typ 4“ neben Orienttabak einen vorgeschriebenen Anteil nichtorientalischer europäischer Tabake beinhaltete. Werbefaktor Krieg Der Zweite Weltkrieg ließ die Konsumraten der Zigarette sprunghaft ansteigen und trotz kriegsbedingter Hindernisse war etwa der Zigarettenverbrauch im Deutschen Reich im Jahr 1944 im Vergleich zu 1938 um 25% höher. Im Unterschied zu Nazi-Deutschland mit Hitlers Antiraucherkampagne wurde in den USA der Krieg gegen Nazideutschland als häufiges Werbesujet genutzt und die Versorgung der Soldaten in Übersee mit 250 Milliarden US-Zigaretten zum patriotischen Akt hochstilisiert. Der Wunsch, für die Frauen an der US-Heimatfront attraktiver zu sein, war auch der Grund, warum „Lucky Strike“ 1942 sein Design auf ein sauberes, frisches Weiß umstellte. Offiziell hieß es jedoch: „Lucky Strike Green has gone to War“, da angeblich dafür verwendetes Titan und Bronze für den Kriegseinsatz gebraucht wurden. Der Sieg der „Ami-Zigarette“ Zu Kriegsende im Mai 1945 waren die deutsche und österreichische Zigarettenindustrie nicht mehr existent. In diesem Versorgungs- und Geschmacksvakuum war die Ami-Zigarette der US-Soldaten ein wahrer Luxus. Bis zu den Währungsreformen in Deutschland im Juni 1948 und Österreich im Dezember 1947 war die Zigarette der Besatzer für die Bevölkerung zu einer stabilen Ersatzwährung für die noch im Umlauf befindliche Reichsmark geworden. Der Marshall-Plan als Mittel der US-Kolonialisierung im Nachkriegseuropa Erst ab 1949 konnten deutsche Firmen wieder unter Einschränkungen in der Türkei Orienttabake einkaufen. Doch bereits ab 1948 wurden die europäischen Märkte mit Hilfe des Marshall-Plans großzügigst mit Rohtabaken der US-Tabakindustrie versorgt. Schlussendlich machten diese US-Tabakimporte im Rahmen des Marshall-Plans ein Drittel der Lebensmittellieferungen an Deutschland aus. Die ersten deutschen Ami-Zigaretten Versorgt mit US-Tabaken gingen die Zigarettenhersteller in den 1950er-Jahren daran, ihre ersten American Blend-Zigaretten herzustellen und zu vermarkten. Die meisten Sortennamen waren englisch, wie „Texas“, „Old Joe“ oder „Onkel Tom“ und bei den Anzeigen setzte man nun vermehrt auf USA-Motive. So wurden die muslimischen TabakarbeiterInnen des europäischen „Orients“ abgelöst durch muskulöse bzw. lächelnde afroamerikanische TabakarbeiterInnen. Doch nachdem es Mitte der 1950er Jahre mit einem Marktanteil von rund 15% nochmals ein vorübergehendes Comeback der Orientzigarette gegeben hatte, fuhr man eine Zeitlang doppelgleisig und bot die gleiche Sorte parallel mit Orienttabaken oder mit American Blend an. Das Verschwinden des „Orients“ im „Westen“ Bis Ende der 1950er Jahre waren die „orientalischen“ Bilderwelten aus der Werbung verdrängt. Bei den Orientzigaretten, die auf einen Bezug zu den Herkunftsländern nicht verzichten wollten, war ein deutlicher Bilderwechsel erkennbar, wie an der Reemtsma-Marke „Gelbe Sorte“ gut ablesbar. Die Abbildungen von Moscheen und Minaretten des europäischen „Orients“ wurden ersetzt durch den „klassischen Orient“ und seine abendländisch-europäischen „Wurzeln“. Bürgerliches Id yll der Aufbaugeneration Die Generation der „Wirtschaftswunderzeit“ ging es weniger um Traumreisen in ferne, unerreichbar und längst vergangene (orientalische) Fantasiewelten. Der eigene wirtschaftliche Aufstieg, die reale Umsetzung des „American dream“ mit Eigenheim, Zweikindfamilie und Griller schien möglich. Noch lange vor dem Marlboro Man warb „Marlboro“ in Deutschland daher mit der Figur eines leitenden Angestellten in seinem bürgerlichen Idyll. „Texas“, Werbeanzeigen 1952 Sicher ist sicher: „Nil“ als Orientzigarette und mit American Blend, 1958 „Gelbe Sor te“-Werbungen: noch mit muslimischen „Orient“-Mo tiven, 1955 „ Orientnostalgie im „rückständigen“ Osten Während in Westeuropa ab 1960 der American Blend die bestimmende Zigarettenmischung wurde, blieben die RaucherInnen jenseits des “Eisernen Vorhangs“ von diesen Vorgängen jahrzehntelang eher unbehelligt. Vor allem der bulgarische „Orienttabak“ blieb Basis für viele Zigarettensorten. „Go East“ Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten Anfang der 1990iger begann auch in diesen Staaten der Siegeszug des American Blend. Für westliche Tabakkonzerne, die innerhalb kürzester Zeit die Märkte vor Ort belieferten und Zigarettenfirmen bzw. ehemals Staatliche Monopole vor Ort aufkauften, begann damit ein neues goldenes Zeitalter. „Marlbo ro“ als die universelle Marke Die Krönung des Siegeszuges des American Blend und der Markenpolitik im Bereich des Zigarettenkonsums stellt der Aufstieg der „Marlboro“ dar, welcher es innerhalb weniger Jahrzehnte gelungen war, mit ihrem international verständlichen und klaren Design sowie einem ebenso attraktiven Image zu der universellen Zigarettensorte zu werden. Die Glob al Players als Ausbeuter des Süd ens Die vier weltgrößten Zigarettenkonzerne machen pro Jahr zusammen einen Gewinn von mehr als 18 Milliarden Dollar. Neben den durch das Rauchen verursachten Krankheiten geht dieser Gewinn zudem auf Kosten der RohtabakproduzentInnen in den südlichen Ländern. Obwohl etwa Philip Morris der größte Abnehmer von malawischem Tabak ist, bekommen Tabakbauern, unter ihnen auch Kinder, nur rund 0,60 US-Dollar pro Kilo, was weit unter den Investitionskosten liegt. In vielen Ländern kontrollieren ein bis zwei Tabakzwischenhändler die Rohtabakmärkte. Viele Tabakbauern leiden unter den Folgen von Nikotinvergiftungen bei der Ernte und dem Einsatz von Pestiziden. Daneben werden jährlich rund 200.000 Hektar Naturwald für den Tabakanbau und die Trocknung der Tabakblätter zerstört. (Quellen: www.rauchopfer.org; www.unfairtobacco.org) X. Neue und alte Idole Nach der „naturreinen“ Virginier-Zigarette der 1950er-, 60er Jahre startet die Virginier-Zigarette ihr Revival mit einem Image-Relaunch. Jetzt wird sie – mithilfe von bunten Farben und friedfertigen „Indianer“-Motiven - als „natural“ und „additive free“ (also ohne Tabak-Zusatzstoffe) beworben. Auch die Verwendung des „edlen Wilden“ als positiven Imageträger ist keineswegs neu. Für jene, die sich ihre Zigarette selbst drehen wollen bzw. ihren Tabak auch mit anderen berauschenden Mitteln mischen, finden sich unzählige Utensilien, die Che Guevara, Bob Marley oder das Hanfblatt als kulturelle Symbole benutzen.