Essen ist die beste Medizin Dass falsche Ernährung krank machen kann, ist hinlänglich bekannt. Doch was soll man essen, um gesund zu bleiben oder gar gesünder zu werden? Die Lösung ist einfacher, als man glaubt. Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Es gibt 1,5 Liter Wasser, ungezuckerten Tee oder ist wissenschaftlich belegt. Bereits Mitte des keine Verbote! Auch Leberkässemmel und verdünnte Säfte trinkt und viel Bewegung vergangenen Jahrhunderts entdeckten Wis- Sachertorte sind okay – vorausgesetzt, sie macht, hat gute Chancen, steinalt zu wer- senschafter im Rahmen der über 25 Jahre hin bleiben die Ausnahme, und man ernährt sich den. durchgeführten so genannten „Sieben Länder ansonsten gesund: Reichlich Getreidepro- Schon lange bevor die Ernährungsmedizin Studie“, dass die Lebenserwartung der Men- dukte, vorzugsweise Vollkornprodukte, dazu diese Empfehlungen herausgab, gestalteten schen beispielsweise auf Kreta wesentlich viel frisches Obst, Gemüse und Hülsenfrüch- Bewohner des Mittelmeerraums, vor allem in höher war als in den anderen untersuchten te, zubereitet mit hochwertigem Raps- oder ländlichen Gebieten, ihren Speiseplan ähnlich: Ländern. Es gab kaum Herz-Kreislauferkran- Olivenöl, fettarmer Käse und Joghurt, ein bis Brot, ein knackiger Salat, mit reichlich Oliven- kungen. In den 1980er Jahren starben laut zweimal die Woche sollten Fisch und ma- öl mariniert, Käse, hin und wieder Fisch oder World Health Organisation (WHO) in den USA geres Fleisch auf den Teller kommen. Mit Huhn und ein Gläschen Rotwein dazu. Dass fast vierzigmal mehr Menschen an Erkran- Eiern, fettem Fleisch und Süßigkeiten sollte dieses Essen nicht nur dazu beiträgt, gesund kungen als auf Kreta. Schon damals lag die man sich zurückhalten. Wer diese Grundre- zu bleiben, sondern sogar bei bestehenden Vermutung nahe, dass der Grund dafür in der geln beherzigt und dazu noch mindestens Erkrankungen den Zustand verbessern kann, Ernährung zu finden sei. 14 HUMAN 2/07 Human_02_07.indd 14 01.06.2007 8:52:45 Uhr www.gesundesooe.at Expertentipp Dr. Thomas Schickmair FA für Innere Medizin am Krankenhaus der Elisabethinen Linz ■ Mit mediterraner Ernährung kann man Herzinfarkte vermeiden, das Krebsrisiko reduzieren und Übergewicht verringern. ■ Es ist nie zu spät, anzufangen: Gerade dann, wenn bereits Erkrankungen bestehen, wie etwa Diabetes Typ II, Erleichterung für alle Schleckermäuler: Gelegentliches Naschen ist erlaubt. oder wenn man bereits einen Herzinfarkt hatte, bringt die mediterrane Gesunde Mittelmeerkost den Oliven-Anbaugebieten des Mittelmeer- Kost eine erhebliche Verbesserung Nicht alles, was in den Mittelmeerländern ge- raums in den 1960er Jahren üblich war. des Gesundheitszustands. gessen wird, ist gesund: „Wer sich von Riesenportionen zerkochter Spaghetti und über- Fett =/ Fett dimensionierten Salami-Pizzas ernährt, kann „Es kommt weniger darauf an, wie viel Fett gesundheitlich davon auf Dauer Schaden neh- man zu sich nimmt, als auf die Art des Fettsäuren im Fisch enthalten sind, stärken men“, sagte Dr. Thomas Schickmair, Facharzt Fettes“, erklärte Schickmair, „während ge- darüber hinaus die Zellmembran und senken für Innere Medizin am Krankenhaus der Eli- sättigte Fettsäuren, wie sie vorwiegend in den Triglyzeridspiegel. sabethinen in Linz im Rahmen einer großen tierischem Fett enthalten sind, den Choleste- Veranstaltung zum Thema Ernährung, die die rinspiegel erhöhen, wirken sich einfach unge- Gläschen Wein inklusive Ärztekammer für OÖ im März gemeinsam mit sättigte Fettsäuren, wie sie etwa im Olivenöl Die Mittelmeerkost ist keine strenge Diät, son- der Raiffeisen Landesbank OÖ in Linz veran- oder im Rapsöl vorkommen, positiv auf den dern eine Ernährungsform. Dementsprechend staltet hat. Unter der gesunden mediterranen Cholesterinspiegel aus.“ Mehrfach ungesät- gibt es auch keine strikten Verbote. „Wenn Kost versteht man vielmehr jene Kost, die in tigte Fettsäuren, wie sie etwa als Omega-3- man sich hin und wieder einen Schweins- Lesen Sie weiter auf Seite 16 Tipps vom Ernährungsprofi Marianne Tammegger „Gut essen kann so einfach sein“, sagt Basis einer gesunden Ernährung. „Ge- Marianne Tammegger, Diätologin und müse und Salat als Beilagen, zwischen- Direktorin der Akademie für Diät- und durch ein Apfel oder eine Birne, ins Jau- Ernährungsmedizinischen Beratungs- senbrot ein paar Scheiben Gurken oder dienst am KH der Elisabethinen in Linz. Tomaten – so kommt man auf die aus- Um gesund zu essen, muss man we- reichende Menge“, sagt Marianne Tam- der beim Einkaufen noch beim Kochen megger, die in ihrem Wohlfühl-Kochbuch einen außergewöhnlichen Aufwand trei- Tipps und Tricks verrät, wie man sich ben. „Man braucht nur Dinge, die man ohne großen Aufwand genussvoll und überall bekommt“, so Tammegger, „und gesund ernährt. auch das Kochen ist nicht aufwändiger! „Das Wohlfühl-Kochbuch“, Akademie Wichtig ist aber, bewusster einzukaufen für den Diätdienst und ernährungsme- und auch zu essen.“ Fünf mal am Tag dizinischen Beratungsdienst am KH der Obst und Gemüse – frei nach dem Leit- Elisabethinen, Linz. satz „Bunt soll das Essen sein“ – ist die Bestellung: 0732/7676-5705 Lesen Sie weiter auf Seite 16 2/07 HUMAN 15 Human_02_07.indd 15 01.06.2007 8:52:51 Uhr tausend verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe. „Mit einer ausgewogenen Ernährung nehmen wir etwa 1500 Milligramm an sekundären Pflanzenstoffen täglich zu uns. Diese Stoffe sind bei weitem nicht alle erforscht und wirken wahrscheinlich nur im ausgewogenen Zusammenspiel. Wer also glaubt, die tägliche Ration an frischem Obst und Gemüse durch Vitaminpräparate ersetzen zu können, der irrt!“, erklärt Schickmair. Länger leben mit Mittelmeerkost Dass die Mittelmeerkost nicht nur schmackhaft ist, sondern tatsächlich positiv auf die Gesundheit wirkt, ist längst bewiesen: Die Wissenschafterin Antonia Trichopoulou zeigte in einer Studie über 44 Monate, in der 22.000 griechische Erwachsene und ihre Ernährungsgewohnheiten beobachtet wurden, dass bereits durch eine leichte Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Richtung Mittelmeerkost die Sterblichkeit um ein Viertel gesenkt werden konnte. Nicht nur das Risiko Eines der Ernährungsgebote lautet: mindestens 1,5 Liter täglich trinken. einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, auch das braten oder ein Steak genehmigt, oder dem chungen zeigen, dass die im Rotwein Risiko, an gewissen Krebsarten zu erkran- Stück Torte nicht widerstehen kann, so ist enthaltenen Polyphenole den Cholesterin- ken, sinkt beträchtlich, wenn man seine Er- das nicht weiter schlimm. Allerdings sollte spiegel und die Gerinnungsfaktoren im Blut nährung auf die gesunde Mittelmeerkost um- das nicht zu oft sein. Als Faustregel gilt: eher günstig beeinflussen und so das Risiko von stellt. So stellte Trichopolou fest, dass das einmal im Monat, als einmal die Woche“, sagt Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. „Das Darmkrebsrisiko der Bevölkerung hoch ent- Schickmair. Auch ein Gläschen Wein, vor- ist aber keinesfalls ein Freibrief für über- wickelter westlicher Länder um 25 Prozent zugsweise Rotwein, zum Essen ist er- mäßigen Alkoholgenuss“, sagt Dr. Thomas gesenkt werden könnte, wenn sie auf die laubt. Untersu- Schickmair, „Frauen sollten nicht mehr als ein traditionelle mediterrane Kost umstiege, das Achtel Wein, Männer zwei Achtel Wein am Brustkrebsrisiko würde um 15 Prozent sin- Tag trinken, und das nicht jeden Tag!“ ken, das Risiko einer Prostatakrebserkrankung um 10 Prozent. Sekundäre Pflanzenstoffe Einen wesentlichen Teil der mediter- Dass diese positiven Effekte tatsächlich aus- ranen Kost machen frisches Obst schließlich auf die Ernährung, und nicht etwa und Gemüse aus. Diese ent- auf genetische Voraussetzungen zurückzufüh- halten neben den primären ren sind, beweist eine australische Studie. So- Pflanzenstoffen wie Eiweiß, wohl bei griechisch-stämmigen als auch bei Kohlenhydrate und Fet- keltisch-stämmigen Australiern wurde festge- ten auch als sekundäre stellt: Je mehr ihre Ernährung der Mittelmeer- Pflanzenstoffe bezeich- kost entsprach, desto gesünder waren sie. nete Inhaltsstoffe, welche beispielsweise Wenn man bereits einen Herzinfarkt hinter für Farbe, den Ge- sich hat, hilft die Umstellung auf Mittelmeer- schmack, den Ge- kost, weitere Infarkte zu vermeiden. Eine ruch der Pflanze französische Studie ergab, dass das Risiko, verantwortlich sind. einen weiteren Infarkt zu erleiden, um 67 Pro- Schätzungen zufolge gibt es bis zu hundert- zent gesenkt wird. Auch das gefährliche metabolische Syndrom 16 HUMAN 2/07 Human_02_07.indd 16 01.06.2007 8:52:56 Uhr www.gesundesooe.at kann durch eine Umstellung auf mediterrane die Umstellung auf mediterrane Kost die bei Untersuchungen zusammen und ist damit ei- Kost oft reduziert werden. Diese gefährliche metabolischem Syndrom ebenfalls häufige ner Meinung mit dem angesehenen Londo- Ansammlung von Fett um die Leibesmitte Begleiterscheinung der Erektionsstörungen in ner Royal College of Physicians, das bereits führt zu Herz-Kreislauferkrankungen und Typ- vielen Fällen normalisieren konnte. vor sieben Jahren feststellte: „Mediterrane 2-Diabetes, bei dem die Zellen das körperei- Kost ist die einzige Kostform, für die anhand gene Insulin nicht mehr gut aufnehmen kön- „Es ist erwiesen, dass man mit mediterraner gut dokumentierter Studien eine Verlänge- nen. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel bedingt Ernährung Herzinfarkte vermeiden, das Ri- rung der Lebensdauer nachgewiesen werden in der Folge weitere Erkrankungen, wie etwa siko einer Krebserkrankung reduzieren, und konnte.“ Gefäßschäden oder Nierenversagen. Eine Übergewicht verringern kann“, fasst Dr. Tho- 2006 durchgeführte Studie zeigt, dass allein mas Schickmair die Ergebnisse zahlreicher Mag. Susanne Sametinger INTERVIEW „Nahrungsmittelergänzung nie ohne medizinische Diagnose!“ Univ. Prof. Dr. Kurt M. Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin und Leiter der Abteilung für Ernährungsmedizin und Prävention an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien über sinnvolle Nahrungsmittelergänzung: Wenn man sich die Empfehlungen der … zum Beispiel? Ernährungswissenschaft ansieht, so Ältere Menschen haben oft Mangel- kommt man zu dem Schluss, den emp- zustände. Auch nach einer Operation, fohlenen Tagesbedarf an Vitaminen und nach einer Chemotherapie, einer Antibi- Spurenelementen mit einer normalen otika-Therapie oder nach einer Infektion eine Nahrungsmittelergänzung mitunter Ernährung nicht decken zu können … kann es notwendig sein, Nahrungser- sinnvoll sein. Das muss aber der Arzt … diese Vorgaben sind allgemein und gänzungsmittel zu verabreichen. Gerade von Fall zu Fall entscheiden. können nicht auf den individuellen Men- im Krankenhaus muss auch auf den Er- schen umgelegt werden. Jeder Mensch nährungszustand der Patientinnen und Ist es sinnvoll, sich selbst mit Präpa- hat unterschiedliche Voraussetzungen Patienten geachtet werden, um das be- raten aus dem Supermarkt einzude- und damit einen unterschiedlichen Be- kannte Phänomen der hospital malnutri- cken? darf. Ernährung ist etwas Individuelles, tion, der Mangelernährung im Kranken- Nein, eine wirkungsvolle Nahrungsmit- man kann keine allgemein gültigen Emp- haus, zu vermeiden. telergänzung bedarf immer einer medi- fehlungen für alle abgeben. Univ. Prof. Dr. Kurt M. Widhalm zinischen Diagnose und einer individuNicht alle Patientinnen und Patienten ellen Therapie! Sind Nahrungsergänzungsmittel ein können „normal“ essen… notwendiger Bestandteil einer gesun- … und genau in diesen Fällen muss Ist das Vitamin C, das ich in Form den Ernährung? man mit Trinknahrung und Ergänzungs- einer Orange zu mir nehme, gleich Keinesfalls! Ein gesunder Mensch ist un- mitteln eingreifen. Eine gute Ernährung gesund wie das Vitamin-C in der Ta- ter normalen Umständen mit einer ge- verbessert ja die Wundheilung und die blette? sunden gemischten Ernährung ausrei- Immunabwehr. Es gibt aber auch im- Das Vitamin C ist in der Tablette das chend versorgt! Eine Ergänzung kann mer wieder Fälle von Unterernährung, gleiche wie in der Orange. Trotzdem ist etwa notwendig werden, wenn man ex- zum Beispiel bei jüngeren Frauen. Das die Orange gesünder, weil sie zusätz- tremen Sport betreibt. Und es gibt na- muss noch keine diagnostizierte Ano- lich zum Vitamin C viele andere so ge- türlich gewisse Gruppen von Menschen, rexia nervosa (= Magersucht, Anm. d. nannte sekundäre Pflanzenstoffe liefert. bei denen eine Nahrungsergänzung Red.) sein. Auch bei besonders zarten Diese Stoffe kann die Pharmaindustrie sinnvoll sein kann … Kindern, die schlechte Esser sind, kann nicht imitieren. 2/07 HUMAN 17 Human_02_07.indd 17 01.06.2007 8:53:00 Uhr