GELERNT IST GELERNT Gleichstromtechnik (1) – Elektrischer Strom GRUNDLAGEN Was ist eigentlich elektrischer Strom? Bei der Beantwortung dieser Frage gerät selbst der Fachmann häufig ins Stocken. Dieser Beitrag, mit dem wir eine neue Grundlagenserie über Gleichstromtechnik starten, greift die Frage auf und gibt Antworten. F ür eine umfassende Beantwortung der oben gestellten Frage muss man schon ein bisschen ausholen. Ein großer Nachteil für die Erklärung ist sicher die Tatsache, dass man den Strom nicht sehen kann. Man sieht gegebenenfalls die Wirkung des elektrischen Stroms. enthält. Da aber die Kerne die wesentliche Masse eines Atoms ausmachen, bleiben diese beim Stromfluss durch z. B. einen metallischen Leiter ortsfest. Wenn man allerdings durch den Aggregatzustand des Leitermaterials eine Bewegung der positiven Ladungsträger möglich macht (flüssig und gasförmig), dann können sich unter Einfluss eines äußeren elektrischen Feldes auch die positiven Ionen (geladene Atome) gerichtet bewegen (Ionenstrom). Beispiele hierfür sind die beweglichen Ionen im Elektrolyten einer Batterie. In der Röhre einer Gasentladungslampe bewegen sich negative Elektronen zeitgleich entgegengesetzt zu positiv geladenen Ionen. Zum umfassenden Wissen um den elektrischen Strom sind auch die möglichen Wirkungen wichtig: Ein stromdurchflossener Leiter baut z. B. ein ihn konzentrisch umgebendes Magnetfeld auf und hat damit eine magnetische Wirkung. Wenn ein Leiter stromdurchflossen ist, wird er warm – somit zeigt der Strom eine thermische Wirkung. Weitere Wirkungen des elektrischen Stroms sind chemische Wirkungen z. B. bei der Elektrolyse und Leuchterscheinungen bei stromdurchflossenen Gasen. Ausgangspunkt: Elektrische Ladung In der Fachliteratur liest man häufig folgende Definition: Elektrischer Strom ist die gerichtete Bewegung elektrischer Ladung. Das klingt zunächst sehr einfach, aber eine richtige Erklärung scheint das nicht zu sein, da zumindest der Laie sich dann die Frage stellt: »Was sind elektrische Ladungen?« Dazu wäre folgende Erklärung möglich: Die bewegten Ladungsträger sind sehr häufig die negativ geladenen Elektronen in einem Metall (metallische Leitermaterialien). Aber auch positive Ladungsträger können eine gerichtete Bewegung ausführen. Man weiß z. B. vom Atomaufbau, dass der Kern jedes Atoms positiv geladene Protonen Physikalische Größe ortsfeste positive Ladungsträger (Metallionen) freibewegliche negative Ladungsträger (Elektronen) Bild 1: Physikalische Stromflussrichtung im metallischen Leiter Quelle: K.-H. Bleiß metallischer Leiter Um den Strom zu quantifizieren, spricht man im Fachjargon zwar oft vom Strom und meint dabei aber die Stromstärke, die messbar ist und mit der Einheit »Ampere« benannt wird. Die Größenkennzeichnung (Formelbuchstabe) ist das »I«. In der Umgangssprache haben sich in den Bezeichnungen einige Fehler eingeschlichen: So wird oft von Stromerzeugung gesprochen – z. B. in PV-Anlagen – in Wirklichkeit wird aber eine elektrische Spannung erzeugt, die einen Stromfluss möglich macht. Die Liste von Wirkungen des elektrischen Stroms ließe sich noch erheblich verlängern. Ein weiteres Beispiel ist der so genannte Stromverbrauch – Strom wird lediglich zum Transport von elektrischer Energie benutzt und nicht verbraucht. Genauso unrichtig ist es, von Stromkosten zu reden. Ein Blick auf die Abrechnung des Energielieferanten verrät, dass sich die Kosten aus dem Energieumsatz ergeben. Die gelieferte elektrische Energie »W« wird in der Einheit »kWh« (Kilowattstunden) gemessen. Quelle: Chris Darling / flickr.com Technische und physikalische Flussrichtung Bild 2: »Geladenes Kind« nach einer Rutschpartie 74 Das Ausgleichsbestreben der Ladungen (Potentialdifferenz oder elektrische Spannung) ist die Ursache für das Fließen des elektrischen Stroms (»I«) der in Ampere (»A«) gemessen wird, sofern sich ein »Transportweg« für die Ladungsträger ergibt (geschlossener Stromkreis). Da es sich bei den Elektronen um Teilchen mit einer negativen Elementarladung handelt, findet der Ladungsträgertransport (= elektrischer Strom) vom Elektronenüberschuss (Minuspol) zum Elektronenmangel (Pluspol) statt (Bild 1). Dieses nennt man die Physikalische Stromflussrichtung (von »Minus nach Plus«). de 7.2016 Bild 3: Wolke-Erde-Blitze über einer Stadt Sehr lange war man davon ausgegangen, dass der Strom vom höheren Niveau (Pluspol) zum niedrigeren (Minuspol) fließen würde, ähnlich dem fließenden Wasser, das vom höheren Pegel zum niedrigeren Pegel fließt. Man stand nun vor dem Problem, entweder eine Reihe von bestehenden technischen Regeln zu ändern, oder, trotz besseren Wissens, bei der »alten« Festlegung zu bleiben. Man legte fest, dass für technische Betrachtungen die Stromflussrichtung von »Plus nach Minus« weiterhin gilt, während es parallel die physikalische Stromflussrichtung (Elektronenflussrichtung) gibt, die aber nur bei der Betrachtung spezieller Vorgänge eine Rolle spielt: • physikalische Stromflussrichtung (von – nach +) • technische Stromflussrichtung (von + nach –). Entdeckung und Wesen der Elektrostatik Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. soll Thales von Milet entdeckt haben, dass Bernstein, wenn es in Tüchern gerieben wurde, in der Lage ist, leichte Gegenstände anzuziehen (Thales gilt als der erste Philosoph und als erster systematischer Denker der abendländischen Tradition). Eine schlüssige Erklärung für diese Erscheinung hatte man zwar noch nicht, aber der Name für dieses Phänomen wurde schon damals festgelegt und hat bis heute Gültigkeit. Bernstein heißt im Griechischen »Elektron«. Von diesem Begriff haben sich dann die vielfältig verzweigten Anwendungsbezeichnungen der heutigen Elektrizitätslehre und der modernen Elektrotechnik abgeleitet. Die Elektrostatik ist das Teilgebiet der Physik, das sich mit ruhenden elektrischen Ladungen, Ladungsverteilungen und den elektrischen Feldern geladener Körper befasst. Die Phänomene der Elektrostatik rühren von den Kräften her, die elektrische Ladungen aufeinander ausüben. Auch wenn die Kräfte klein erscheinen, ist die elektrische Kraft z.B. im Vergleich zur Gravitationskraft außerordentlich stark. So ist die elektrische Kraft zwischen einem Elektron und einem Proton um ungefähr den Faktor »40« größer als ihre gegenseitige Anziehung aufgrund der Gravitationskraft. Gefahren durch elektrostatische Entladungen Durch Reibung entstandene Ladungstrennungen sind zwar in vielen Fällen ungefährlich (Bild 2), sie können jedoch dazu führen, dass elektronische Geräte und Bauteile beschädigt werden. Funkenentladungen können leicht entzündliche Stoffe in der direkten Umgebung entflammen, wie beispielsweise an Tankstellen oder auch in der Umgebung von Mehlstaub (Kornmühlen). Hier können elektrostatische Entladungen zu schweren Unfällen führen. An bestimmten Maschinen (Papier- und Folienherstellung) entstehen durch Reibungselektrizität derart hohe Spannungen und Energien, dass Brandgefahr entwww.elektro.net steht. Auch die Gefahr eines gefährlichen elektrischen Schlages kann sich dabei für den Menschen ergeben. In der Natur kommen die Funkenentladungen als Blitz oder als ein kurzzeitiger Lichtbogen zwischen den Wolken oder zwischen Wolken und der Erde vor (Bild 3). Wir kennen Blitze während eines Gewitters infolge einer elektrostatischen Aufladung. Künstlich können im Labor mit Hochspannungsimpulsen Blitze erzeugt werde. Diese dienen vorwiegend dem Studium oder der Überprüfung von Einrichtungen des Stromnetzes. Hierbei werden die Effekte von Blitzeinschlägen und die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen untersucht. Eine natürliche Blitzentladung ist wesentlich komplexer als eine reine Funkenentladung. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten dafür, sind bis heute nicht abschließend erforscht. Technische Nutzung Zur technischen Nutzung des elektrischen Stroms kam es dann allerdings erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier waren vor allem die Entwicklung der Telegrafie und die Galvanik Wegbereiter für weitere elektrotechnische Entwicklungen. Als man aus der Experimentierphase herauskommen wollte, wurde sehr schnell der Ruf nach größeren Leistungen laut. Um 1866 entdeckte Werner von Siemens das dynamoelektrische Prinzip. Er nutzte es dann bei der Entwicklung des ersten elektrischen Generators (als rotierende Maschine).Bis dahin stammte elektrische Energie ausschließlich aus Batterien. Ab 1880 entwickelten sich die Generatoren immer mehr zu Großmaschinen, um den immer größer werdenden Energiebedarf der Stromnetze befriedigen zu können. In erster Linie dienten diese Netze der Versorgung von Beleuchtungen von Straßen und Haushalten. Man realisierte dies mit Bogen- und Glühlampen. In zentralen Kraftwerken arbeiteten zunächst einfache Wasserturbinen und Dampfmaschinen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts stehen leistungsfähige Dampfturbinen zur Verfügung, die bis in die Gegenwart als Kraftmaschinen bei der elektrischen Energieerzeugung Verwendung finden. Stromstärke als Basisgröße Gemäß dem SI-Einheitensystem, das in Deutschland seit 1970 mit Gesetzeskraft gilt, ist die Einheit »Ampere« eine Basiseinheit. Die meisten Einheiten für elektrische Größen wurden von den Namen bekannter Physiker abgeleitet. So auch in diesem Fall: Der französische Physiker und Mathematiker André-Marie Ampère (Bild 4) war der Namensgeber. In der kommenden Folge geht es dann zunächst noch um die exakte Definition der Einheit des elektrischen Stroms. (Fortsetzung folgt) Quelle: nickolae / fotolia.com Quelle: bluebeat76 / fotolia.com GELERNT IST GELERNT Bild 4: Namensgeber der Einheit des elektrischen Stroms André-Marie Ampère (1775-1836) AUTOR Karl-Heinz Bleiß Fachautor Hatten 75