SWP – 06.10.14 - Lokaler Kulturspiegel- EVA-MARIE MIHAI Aufwärmübungen und andere Dramen Uraufführung im Akademietheater: Peter Radtkes „Hunger-Künstler“, eine Hommage an George Tabori Das Theater – seine Probleme, sein Charme, sein Dasein. Davon handelt Peter Radtkes „Hunger-Künstler“. Eine Uraufführung im Akademietheater. Ein Raum, acht Stühle, ein paar ausgeschnittene Bilder an der Wand und ein Vorhang zum Auf- und Abtauchen der Schauspieler. Viel mehr braucht es nicht für Peter Radtkes Stück „Hunger-Künstler“, das im Akademietheater Ulm uraufgeführt wurde. Langweilig? Keine Spur! Wutausbrüche, Tränen und Gelächter – die volle Ladung an Gefühlen: ein Theater im Theater. Schon während die Zuschauer den Raum betreten, kniet auf dem roten Teppich ein Mädchen in blauer Bluse, tütühaftem Blumenrock und mit Netzstrumpfhose. Vor ihr ein Wust von Zeitungen, sie ist damit beschäftigt, Bilder auszuschneiden und an die Wände zu kleben. Elfriede heißt sie, und sie bereitet als hoch motivierte Regieassistentin (Laura Becker) die Probe zu Franz Kafkas „Der Hungerkünstler“ vor. Regie führt die von ihr so verehrte ungarische Regielegende Sandor Temesvary (Victor Oller). Der erfolgreiche, aber verbitterte Schauspieler Andreas Doll (Hans Piersbergen) hat sogar eine Filmrolle ausgeschlagen, um noch einmal mit Temesvary, den er schon aus alten Zeiten kennt, zu arbeiten. Allerdings gibt es schon bei den ersten Aufwärmübungen Knatsch. Doll wehrt sich, mitzumachen, da sie früher „in Heidelberg den Scheiß schon bis zum Erbrechen gespielt“ hätten. Die überengagierte Elfriede bietet sich sofort an, einzuspringen, was Doll (wie so vieles) sarkastisch kommentiert: „Sie ist dein perfektes Opfer.“ So spitzt sich die Lage um die Drei immer weiter zu, während sie temperamentvoll über Sinn und Zweck des Theaters diskutieren: Erfolg durch Unterhaltung oder lieber Experimente? Peter Radtke hat das Stück selbst geschrieben und als Hommage an seinen verstorbenen Freund George Tabori inszeniert. Man muss Tabori kennen, um ihn im Verhalten Temesvarys zu entdecken: zum Beispiel die Angewohnheit, vor den Proben einen Stuhlkreis zu bilden – oder eben die besagten, ausgespielten Aufwärmübungen. Doch darüber hinaus ist das Stück auch eine Hommage an das Theater und die Theaterleute allgemein. Was aber nicht heißt, dass das Stück nur für theateraffine Menschen ist. Jeder Zuschauer kann sich in der Daseinsfrage des Andreas Doll oder der Bestechlichkeit der Elfriede Hübner wiederzufinden oder lauthals über den herrlichen Sarkasmus Dolls lachen. Auf Elfriedes flammendes Plädoyer über das Theater, das sie weit über das Filmgeschäft stellt, meint Doll nur trocken: „Sicher. Vor allem, man verdient weniger Geld.“ Info: Die weiteren Aufführungen von Peter Radtkes „Hunger-Künstler“: am Freitag, 10. Oktober, am Samstag, 11. Oktober, sowie am 17. und am 18. Oktober, jeweils um 20.15 Uhr im Akademietheater Ulm am Unteren Kuhberg. Kartenreservierung: Telefon 0731/387531.