Laborleiter: Prof. Dr.-Ing. M. Könemund Versuchsbetreuung: Dipl.-Ing. Gerald Hiller Versuch-Nr. 1: Untersuchungen an einer elektrisch langen Leitung, Lastflusssteuerung über einen Quer-Regeltrafo (220-kV-Modellanlage, Raum 662) Versuchsdatum: Abgabedatum: Ausgearbeitet von: Mitarbeiter: Testat: Note: Laborgruppen-Nr: Labor für Elektroenergiesysteme Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik 1. Einführung In diesem Versuch soll das Verhalten einer elektrisch langen Leitung hinsichtlich ihres zur Kompensation notwendigen Blindleistungsbedarfs untersucht werden. Dabei wird die elektrische Leitung durch ein speisendes Kraftwerk, welches in verschiedenen Betriebszuständen zunehmend Wirkleistung abgibt, belastet, wobei der Leistungsfaktor cos ϕ2 und die Spannung U2 an der Abnahmestelle konstant gehalten werden. Mit zunehmender eingespeister Wirkleistung P1 durch das Kraftwerk wird der Blindleistungsbedarf Q1 geringer und der Leistungsfaktor cos ϕ1 geht von kapazitivem- zu induktivem Verhalten über. Dieses Übergangsverhalten, bei dem Q1 ein Minimum annimmt, stellt für das Kraftwerk und die jeweilige elektrische Leitung an der Einspeisestelle ein Optimum dar. P1, Q1, U1, I1 P2, Q2, U2, I2 G 3~ R XL XC XC Bild 1: Prinzip der elektrischen Energieübertragung 2. Modellanlage Mit der Modellanlage für Netz- und Kraftwerkstechnik können elektrische Netze mit der Nennspannung 220 kV nachgebildet werden. Die Anlage besteht im wesentlichen aus zwei Kraftwerksblöcken, zwei Sammelschienenfeldern, zwölf Leitungsnachbildungen, einem Übergabefeld und einem Belastungsfeld. Die Kraftwerksblöcke sind mit Generatorschutzeinrichtungen ausgestattet. In den Sammelschienenfeldern werden die Abgänge zu den Leitungsnachbildungen durch Überstromzeit- bzw. Distanzschutzrelais überwacht. 2.1 Modellfaktoren Spannung Strom µ µ U I = = U U I I Natur = 220kV 220V = 10 = 422 A 4,22 A = 10 Modell Natur Modell -2- 3 2 Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik Impedanz µ µ Leistung Z P = = Z Z S S Natur µ µ U = Modell Natur = = µ *µ U 10 I I = 5 10 Modell 2.2 Kraftwerksblöcke Die Kraftwerksblöcke bestehen aus Gleichstrommotor (Nachbildung der Turbine), Erregermaschine, Synchrongenerator und Transformator (Bild 2). T M E G - Bild 2: Blockschaltbild des Kraftwerkes Die Drehzahl der Gleichstrommaschine wird mit Hilfe eines Motorregelgerätes verändert. Die Drehzahländerung ist grob („Sollwert Antriebsmaschine“) und fein („Statischer Betrieb“) einstellbar. Beim Betrieb eines Blockes am Netz oder bei Parallelbetrieb beider Blöcke sollte grundsätzlich nur die Feinverstellung benutzt werden. Die Erregerspannung für den Synchrongenerator kann geregelt oder ungeregelt eingestellt werden. Die Synchronmaschine bildet einen Turbogenerator mit folgenden Daten nach: Modellwerte natürliche Werte Nennspannung UN = 220 V UN = 220 kV Nennstrom IN = 4,22 A IN = 422 A Nennleistung SN = 1,61 kVA SN = 161 MVA -3- Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik Dem Generator ist ein Blocktransformator mit folgenden Daten nachgeschaltet: Modellwerte natürliche Werte Nennleistung SN = 1,61 kVA SN = 161 MVA Nennströme primär I1N = 4,65 A I1N = 465 A Nennströme sekundär I2N = 4,22 A I2N = 422 A Schaltgruppe Dy5 Über Maschinenschalter (Trenner, Leistungsschalter) können die Kraftwerksblöcke auf ein Doppelsammelschienensystem geschaltet werden und mit den Freileitungsnachbildungen verbunden werden. 2.3 Leitungsnachbildungen Mit den Leitungsnachbildungen werden 2-fach-Bündelleitungen St/Al 2x 240/40 der Längen l = 50 km und l = 100 km nachgebildet. Sie bestehen aus dreiphasigen π-Gliedern (Bild 3), die aus Ohmschen Widerstand R, Induktivität X den gegenseitigen Kapazitäten CL und den Erdkapazitäten CE sowie dem ohmschen Anteil RE und dem induktiven Anteil XE der Erdrückleitung aufgebaut sind. L1 CL R` X` CL L2 CL CL R` X` CL R` X` L3 CE N CE CE CE Re` CE Xe` Bild 3: Leitungsnachbildung aus dreiphasigen π-Gliedern -4- CL CE Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik Für Überschlagsrechnungen kann von folgenden Daten (natürliche Werte) ausgegangen werden: Länge km 50 100 R` Ohm/km 0,108 0,089 X` Ohm/km 0,336 0,313 Cb` nF/km 11,94 12,14 Xe` Ohm/km 0,251 0,261 Re` Ohm/km 0,088 0,072 2.4 Leitungsdaten In folgender Tabelle sind alle Leitungsdaten der Modellanlage bezogen auf ein 2-fachBündelleitung St/Al 2x 240/40 für 220 kV dargestellt: LeitungsNr.: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Länge km 100 50 50 100 100 50 50 100 100 50 50 100 R` X` Cb` Xe` Re` Ohm/km Ohm/km nF/km Ohm/km Ohm/km 0,088 0,313 12,172 0,261 0,071 0,112 0,336 11,928 0,252 0,092 0,104 0,336 11,916 0,252 0,084 0,090 0,313 12,110 0,260 0,075 0,088 0,312 12,127 0,261 0,071 0,110 0,334 11,948 0,250 0,093 0,105 0,336 11,936 0,251 0,086 0,088 0,313 12,157 0,261 0,071 0,089 0,313 12,100 0,261 0,073 0,114 0,336 11,936 0,251 0,087 0,105 0,336 11,958 0,252 0,086 0,090 0,312 12,170 0,261 0,073 2.5 Netztransformator Der Netztransformator verbindet die Anlage mit dem FH-Niederspannungsnetz. Über einen Schalter kann die Oberspannung in 24 Stufen von –10 % bis +10 % der Nennspannung eingestellt werden. Als Betriebsarten für den Sternpunkt sind möglich: starr geerdet, offen oder gelöscht. Die Induktivität der Erdschlussspule ist mit einem Handrad veränderbar. Daten des Netztransformators Übersetzungsverhältnis Modellwerte natürliche Werte ü = 220/380 V ü = 200/380 kV -5- Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik Nennleistung SN = 2,0 kVA SN = 200 MVA Nennströme primär I1N = 5,2 A I1N = 520 A Nennströme sekundär I2N = 3,04 A I2N = 304 A Schaltgruppe Dy5 3. Versuchsaufbau Vervollständigen Sie anhand der am Versuchstag vorgegebenen Leitungsdaten den Versuchsaufbau, bestehend aus Einspeisung, Übertragungsstrecke und Last. Benutzen Sie den Kraftwerksblock 1 als Einspeisung und verbinden Sie lastseitig die elektrisch lange Leitung mit dem Stelltransformator zur Einspeisung in das FH-Netz. 3.1 Versuchsdurchführung Teil 1 Nachdem der Versuchsaufbau gesteckt und durch den Betreuer abgenommen wurde, schalten Sie die Versuchsanlage mit dem Hauptschalter ein. Achten Sie vor der Inbetriebnahme des Kraftwerkblocks darauf, dass alle Trenner und Leistungsschalter auf der von Ihnen gewählten Übertragungsstrecke ausgeschaltet sind. Die Inbetriebnahme des Kraftwerkblocks geschieht durch Zuschalten der Antriebsmaschine, der Erregung und des Feldes. Mit dem Regler "Sollwert Antriebsmaschine" wird die Drehzahl der Gleichstrommaschine auf 1500 min-1 gebracht. Anschließend wird mit dem Regler „Sollwert Erregermaschine“ ein Erregerstrom von ca. 1,5 bis 2 Ampere eingestellt. Nun kann die leerlaufende Leitung durch Betätigung der Trenner und der Leistungsschalter zugeschaltet werden. Im nächsten Schritt wird die Frequenz und Phasenlage der vom Kraftwerk gespeisten elektrisch langen Leitung mit dem FH-Niederspannungsnetz synchronisiert. Nach erfolgter Synchronisation läuft die Anlage am starren Netz. Nun sind definierte Betriebszustände am Kraftwerksblock einzustellen. Mit Hilfe des Reglers „Statischer Betrieb“ soll konstante Wirkleistungsabgabe beginnend von 50 MW bis 225 MW in Schritten von 25 MW eingestellt werden. Dabei ist auf konstante Spannung U2 = 220 kV zu achten und ggf. am Stelltransformator nachzuregeln. Der Leistungsfaktor cosϕ2 ist ebenfalls konstant zu halten. Mit Hilfe des Reglers „Erregung Hand“ kann der Leistungsfaktor cosϕ2 für das Ende der elektrisch langen Leitung angepasst werden. Der Versuch ist nacheinander für cosϕ2 = 0,94 induktiv und cosϕ2 = 1 durchzuführen. Mit zunehmender Wirkleistungseinspeisung wird die elektrisch lange Leitung zunehmend belastet, so dass der cosϕ1 an der Einspeisestelle von kapazitivem- zu induktivem Verhalten wechselt. Überlegen Sie, welche elektrischen Werte und Parameter für die Beurteilung des Verhaltens einer belasteten, elektrisch langen Leitung relevant sind. Nehmen Sie diese mit Hilfe der digitalen multifunktionalen Leistungsmessgeräten A2000 auf und werten Sie die -6- Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik Ergebnisse für die unterschiedlichen Belastungsfälle in geeigneter Form tabellarisch und grafisch aus. In welchen Arbeitspunkten wird der natürliche Betrieb der elektrischen Leitung erreicht? Was versteht man darunter? Die Messergebnisse sind mit einer Modellrechnung in Matlab oder einer Simulation in Neplan zu überprüfen. 3.2 Versuchsdurchführung Teil 2 Ausgehend vom Versuchsteil 1 ist die elektrisch lange Leitung zu ersetzen durch eine Parallelschaltung von zwei ungleich langen Leitungen, deren genaue Längenvorgabe am Versuchstag erfolgt. Die Übertragungsstrecke ist mit einer ohmschen Last von 91 MW abzuschließen. Der zu erwartende Lastfluss in dieser Schaltungsvariante würde zu einem großen Teil von der kurzen Leitung getragen werden. Aus diesem Grund soll zusätzlich ein Quer-Regeltrafo in die kurze Leitung integriert werden, um stufenweise (Stufe 0-7) eine Lastflussverschiebung auf die lange Leitung zu erreichen. Der Arbeitspunkt des speisenden Kraftwerkes ist so einzustellen, dass die Spannung lastseitig für jeden Belastungsfall konstant 220 kV beträgt. Durch Einbinden der multifunktionalen Leistungsmessgeräte A2000 sowohl kraftwerks- als auch lastseitig sind alle relevanten Lastflusskennwerte aufzunehmen und die Lastflussverschiebung in geeigneter Form grafisch zu dokumentieren. Zusätzlich soll bei jeder Schalterstellung der Spannungsverdrehwinkel ϑ zwischen den Knotenpunkten A und B gemessen werden. Erläutern Sie die messtechnisch ermittelten Sachverhalte! A lange Leitung 2000 G 3~ A Knoten A Knoten B 2000 Querregler Last A 2000 kurze Leitung Bild 4: Einbindung des Querregel -Trafos (Prinzipschaltung) -7- Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Fakultät Elektrotechnik Institut für Elektrische Anlagen und Automatisierungstechnik 4. Versuchsvor- bzw. nachbereitung (in schriftlicher Form) Führen Sie anhand des Leitungsmodells eine Berechnung unter MatLab durch! Welche Maßnahmen sind vorzusehen, wenn Verbraucher am Ende einer elektrisch langen Leitung Blindleistung benötigen und die Leitung verlustarm betrieben werden soll? Was verstehen Sie unter ausgeglichener Blindleistungsbilanz einer Leitung? Wie ist der Wellenwiderstand einer elektrischen Leitung definiert? Berechnen Sie am Versuchstag den Wellenwiderstand der elektrischen Leitung anhand der Leitungsvorgabe aus dem Versuchsaufbau! Wann spricht man von einer angepassten Leitung? Was verstehen Sie, bezogen auf eine leerlaufende Leitung, unter dem so genannten Ferranti - Effekt? Wann kann ein „umgekehrter“ Ferranti-Effekt auftreten? Worin unterscheiden sich die π -Modelle einer elektrisch kurzen und einer elektrisch langen Leitung? Welche Größe beeinflusst bei vorgegebener Leistung hauptsächlich den Verdrehwinkel ϑ und welche den Spannungsfall ∆U ? Machen Sie sich, falls erforderlich durch Selbsstudium, mit den Aufgaben der verschiedenen Schaltertypen (Trennschalter, Leistungsschalter, Lastschalter, Sicherung) vertraut. Wie wirken Quer-, Längs- und Schrägregel-Trafos? Auf welche Größen haben sie Einfluss? Was verstehen Sie unter sogenannten „Flexible AC Transmission Systems - FACTS“? Wie sehen die Zeigerbilder für Strom und Spannung für die o.g. Transformatoren aus? Literaturhinweis: [1] Schlabbach/Metz. Netzsystemtechnik. VDE Verlag, 2005. [2] Eckhard Spring. Elektrische Energienetze. VDE Verlag, 2003. [3] V. Crastan. Elektrische Energieversorgung 2. Springer Verlag, 2000. -8- Auszug aus der Studienarbeit von Herrn H. Wichert 3. Quertransformator 17 „Untersuchung der Verwendbarkeit des Belastungssimulators und des Quertransformators an der 220 kV-Modellanlage.“ 3 Quertransformator 3.1 Aufbau eines Zusatztransformators 3.1.1 Allgemeiner Aufbau eines Zusatztransformators Ein Zusatztransformator ist häufig im Kessel des Haupttransformators als Teritärwicklung an dem eigentlichen Umspanner eingebracht. Hier soll aber der Betrachtungsschwerpunkt auf Grund des in der 220kV Modellanlage integrierten Querreglers bei den seperaten Zusatztransformatoren liegen. Der Zusatztransformator besteht in der Regel aus einer Hauptwicklung (Reihenwicklung), welche seriell zwischen Primär- und Sekundäranschlüssen angeschlossen ist, und einer Zusatzwicklung (Parallelwicklung) die entweder an den Primär- oder an den Sekundäranschlüssen parallel angeschlossen ist. Die Hauptwicklung ist häufig mit herausgeführten Abgriffen versehen, die eine Stufenbeschaltung zulassen. Abbildung 3.1: Schaltung eines a) Querreglers und eines b) Schrägreglers Entsprechend der Schaltung der Zusatzwicklung wird zwischen Längs-, Quer- und Schrägregelung unterschieden. Während mit der Längsregelung allein die Blindleistung und mit der Querregelung allein die Wirkleistung beeinflusst werden kann, ist mit der Schrägregelung eine gleichmäßige Beeinflussung der Wirk- und Blindleistung möglich. Ein Umpolen der Zusatzwicklung bewirkt eine umgekehrte Zusatzspannung und daher eine umgekehrte Phasenlage von Primär- zur Sekundärspannung [8]. Auch das Tauschen des externen Anschlusses von Primär auf Sekundär und umgekehrt bewirkt diesen Effekt. Hierbei ist der Abgriff der Zusatzwicklung entscheidend. Ist z.B. die Zusatzwicklung auf der Eingangsseite angeschlossen, so eilt die Zusatzspannung der statischen Eingangsspannung in einem konstanten Winkel vor und die sich verschiebende Ausgangsspannung (positive Phasenlage zur Primärspannung) ergibt sich aus der geometrischen Addition von Eingangs- und Zusatzspannung. Ist die Zusatzwicklung aber auf der Ausgangsseite angeschlossen, so eilt die Zusatzspannung der sich verschiebende Ausgangsspannung (negative Phasenlage zur Primärspannung) in einem konstanten Winkel vor. Die Ausgangsspannung ergibt sich aus der geometrischen Addition der statischen Eingangsspannung und der Zusatzspannung. Bei einer Querregelung nach Abbildung 3.1a) liegt die Zusatzspannung in einem 90◦ voreilenden Winkel zur Primärspannung. Für den Fall einer Schrägregelung wird die Zusatzwicklung oder die Hauptwicklung entgegengesetzt des Wicklungssinnes des Querreglers gepolt und im Stern verschaltet (s. Abb. 3.1b)). Dann wird eine voreilende Zusatzspannung von 60◦ auf die Primärspannung addiert [2]. 3. Quertransformator 18 3.1.2 Aufbau des Querreglers der 220kV Modellanlage Der in der 220kV Demonstrationsanlage integrierte Quertransformator ist mit je einer Hauptwicklung pro Phase ausgestattet, die mit 7 Anzapfungen versehen und mit einem 8Stufenschalter zur stufenweisen Einstellung abgegriffen werden kann. Hierbei ist die Umschaltung des Stufenschalters unterbrechungsfrei. Damit können die Übersetzungsverhältnisse unter Last durch geringe Impedanzveränderungen angepasst werden. Bei dem hier verwendeten 5kVA Drehstrom-Querregler der Firma Siemens sind die Hauptwicklungen und die Zusatzwicklungen auf einem 3-schenkligen, geblechten Kern aufgebracht, je eine Haupt- und eine Zusatzwicklung pro Schenkel. Die Zusatzwicklungen sind Ausgangsseitig der Hauptwicklung im Dreieck verschaltet, wobei wie in Abbildung 3.2 ersichtlich, die dem jeweiligen Phasenkern fremden Phasen an der Zusatzwicklung anliegen. Abbildung 3.2: Schaltung und Schaltbild des Quertransformators Die Außenleiterspannung U 23 besitzt gegenüber der Sternspannung U 1 eine Nacheilung von 90◦ . Bringt man auf dem Schenkel von z.B. L1 des Transformators eine Sekundärwicklung (auch Hilfs- oder Zusatzwicklung) auf und schließt diese Ausgangsseitig der Hauptwicklung so an, dass der induzierte magnetische Fluss entgegengesetzt dem der Spannung U 23 gerichtet ist, so hat diese neue Spannung U q1 eine Phasenvoreilung von 90◦ gegenüber der Spannung U 1sek (s. Abb. 3.3). Entsprechende Überlegungen gelten auch für die anderen Phasen [8]. i P P 6 PPP J J J U1 J U J q3 J JU 12 ]J J U 31 J U q1 J J ? J *H Y HH J H U 3 HH J U2 H J U q2 HH ^ J U 23 U q1 U 1sek U 1prim Abbildung 3.3: Spannungsdreieck mit Querkomponente senkrecht zur Sternspannung 3. Quertransformator 19 3.2 Funktionsweise des Quertransformators 3.2.1 Einsatzgebiete der Zusatztransformatoren Übertragungsengpässe im Verbundnetz können es erforderlich machen, Leistungsaustausch durch besondere Maßnahmen gezielt auf bestimmte Leitungen zu lenken. Die primären Steuergrössen des Lastflusses sind die Wirkleistungen der Generatorknoten und die Spannungen oder Blindleistungen aller Einspeisungen, einschließlich Synchronkompensatoren und geregelter Parallelkompensatoren. Ferner lässt sich mit geregelter Serienkompensation ebenfalls Einfluss auf Leitungswinkel (Wirleistungstransport, Stabilität) und Spannungsabfall (Spannungsprofil, Blindleistungsfluss) nehmen. Weitere Steuerelemente sind die regelbaren Stufentransformatoren mit Längs-, Schräg- oder Querregelung, die im wesentlichen einer Spannungseinkopplung in Längs-, Schräg- oder Querrichtung entsprechen und so ebenfalls den Blind- und Wirkleistungsfluss mitbestimmen. Mit Steuerung dieser Grössen wird ein möglichst wirtschaftlicher und sicherer Netzbetrieb angestrebt. Konkrete Ziele sind z.B. die Minimierung der Erzeugungskosten und die Sicherung der Stabilität des Netzes mittels Steuerung des Wirkleistungsflusses sowie die Verlustminimierung und die Optimierung des Spannungsprofils mittels Steuerung des Blindleistungsflusses. Der Zusatztransformator mit Querregelung ermöglicht z.B. in den wichtigen Anwendungsfällen der • Parallelschaltung von Freileitungen auf unterschiedlichen Spannungsebenen [6] [4] • Parallelschaltung von Freileitungen unterschiedlicher Länge [10] • Parallelschaltung von Kabel und Freileitung [4] [7] eine Wirkleistungsflusssteuerung. Mit der 220kV Modellanlage kann der integrierte Quertransformator für den zweiten Anwendungsfall verwendet werden. 3.2.2 Zerlegung des komplexen Spannungsabfalls einer Leitung Zur Berechnung der Vorgänge und der grundsätzlichen Zusammenhänge der Elektroenergieübertragung über Leitungen ist ein Ersatzschaltbild mit verteilten Längsimpedanzen Z L = RL + jXL und Queradmittanzen Y B = GB + jBB nach Abb. 3.4 ausreichend [9]. b I -A I r r -L I -E b ZL I C,A ? UA YA ? b r I C,E ? YE UE r ? b Abbildung 3.4: Einphasige Ersatzschaltung einer Freileitung zur Berechnung des Spannungsabfalls ∆U 3. Quertransformator 34 3.4 Verdrängung des Quertransformators durch FACTS Die Liberalisierung im Bereich der elektrischen Energieversorgung hat zu einem verstärkten und variablen Energieaustausch geführt und wird zu einer immer mehr verstärkteren Auslastung und Nutzung der Übertragungseinrichtungen zwingen. Damit werden die Anforderungen an eine schnelle Lastflussregelung wachsen. Neben dem Einsatz der bereits erwähnten konventionellen Mittel wird ein Einsatz der FACTS-Geräte3 immer mehr zunehmen. Mittels flexibler Lastflußsteuerung ist es möglich, bestehende Netze besser auszunützen, bestimmte Netzteile von unerwünschten Leistungstransiten freizuhalten oder auch unerwünschte dynamische Effekte wie beispielsweise Leistungspendelungen zu bedämpfen. Fortschritte in der Entwicklung leistungselektronischer (FACTS-) Komponenten ermöglichen es nunmehr, thyristorgesteuerte Elemente wie statische Kompensatoren (static shunt compensator, STATCOM), thyristorgesteuerte Reihenkompensatoren (thyristorcontrolled series capacitor, TCSC), thyristorgesteuerte Phasenschieber (thyristor-controlled phase shifting transformer, TCPST) und thyristorgesteuerte Schrägregler (unified power flow controller, UPFC) in Hochspannungsnetzen einzusetzen [11]. Es handelt sich um leistungselektronische Systeme, die einerseits eine Weiterentwicklung der thyristorgesteuerten Kompensatoren darstellen und andererseits, ähnlich den Stufentransformatoren, Spannungen in die Leitungen einkoppeln und so mit grosser Flexibilität den Spannungsvektor in Betrag und Phase verändern können. Der Vorteil von FACTS-Elementen liegt in einer erweiterten Steuerbarkeit von Energieübertragungssystemen durch Shuntkompensation, Serienkompensation und Schrägregelung. Elektrisch wirken diese Elemente über schnelle Strom-, Spannungs- und Impedanzregelung. Leistungselektronik ermöglicht sehr kurze Antwortzeiten, die deutlich unter einer Sekunde liegen können. In Netzen mit longitudinaler Struktur mit langen Verbundleitungen - z.B das kanadische Netz - und schwach vermaschten Verbundsystemen entstehen betriebliche Engpässe bei der Wahrung des stabilen Netzbetriebes. In beiden Fällen ist die Installation zusätzlich regelbarer Betriebsmittel im Netz eine wirtschaftliche Alternative zu dem häufigen langwierigen Zubau von Übertragungsleitungen. Neben den bereits seit Jahrzehnten bekannten schalt- und stufbaren Netzelementen bieten heute die FACTS-Elemente zusätzliche Freiheitsgrade im Netzbetrieb. Die verbreitendsten FACTS-Elemente sind z.B. • Thyristor Controlled Series Capacitor (TCSC): Durch Hinzufügen von Serienkapazitäten in die Leitung wird eine zusätzliche kapazitive Spannung addiert, was eine Beeinflussung des Lastflusses über die Leitung zur Folge hat. Abbildung 3.28: Prinzipschaltung eines TCSC 3 Flexible AC Transmission System 3. Quertransformator 35 • Static Synchronous Compensator (STATCOM): Der STATCOM ist ein parallel ins Netz geschaltetes Bauteil und ist - abhängig von der Regelungsphilosophie - in der Lage, die Knotenspannung zu beeinflussen oder eine dynamische Blindleistungskompensation zu ermöglichen. Abbildung 3.29: Prinzipschaltung eines STATCOM • Unified Power Flow Controller (UPFC): Eine entkoppelte Regelung der Wirk- und Blindleistung wird durch Schrägregelung auf einem Übertragungselement ermöglicht. Der universale Leistungsflussregler (UPFC) weist zusätzlich kompensierende Eigenschaften auf. Abbildung 3.30: Prinzipschaltung eines UPFC Für weitere Details sei auf weiterführende Literatur wie [4] [11] [9] [1] verwiesen. Für den Laboreinsatz wäre sicherlich ein UPFC eine interessante Erweiterung um den Einfluß von Kompensation sowie Wirk- und Blindleistungsfluss auf elektrische Netze zu verdeutlichen.