Minimalgrammatik MR

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Minimalgrammatik MR
Minimalgrammatik MR
Diese Minimalgrammatik entstand nach einer Idee von Frank Kammerzell (1998).
Sie wurde hier so modifiziert, dass sie den in dem Wörterverzeichnis verwendeten
Termini entspricht. Außerdem wurde das 2. Tempus an seine Systemstelle als prädikative Verbalform (für das Mittel- und Klassisch-Ägyptische!) eingeordnet, was
weitgehende Auswirkungen auf die Syntax hat, denn es verliert so seine dominante Position, die es in früheren Grammatiken besitzt. Zusätzlich wurde
Thought Couplet als syntaxrelevante Einheit in die Beschreibung aufgenommen.
Die Minimalgrammatik erfüllt die Grundanforderungen für den Abschluss eines
dreijährigen BA-Studiums (ohne Spezialisierung auf Grammatik). Sie enthält deshalb möglichst wenige Ausnahmeregeln.
Das Ägyptische gehört zur hamito-semitischen (afro-asiatischen) Sprachfamilie. Es ist
bezeugt von ca. 3000 v.Chr. bis ins 5. Jahrhundert n.Chr. Obwohl keine Vokale und nur
Konsonanten wiedergegeben werden, ist bei den meisten Wörtern die konsonantische
Lautstruktur erkennbar. Die Wörter werden in einer Kombination aus Ein-, Zwei- und
Dreikonsonantenzeichen geschrieben; am Ende eines Wortes stehen meist ein oder mehrere
Determinative, die grob die Einordnung in Bedeutungsklassen erlauben. Andere Wortschreibungen bezeichnen nicht die Lautstruktur, sondern geben durch Logogramme das
Gemeinte abgekürzt wieder, z.B. r für "Sonne".
Tabelle 1: Einkonsonantenzeichen
a
j
o
w
a
j
o
w
b
p
f
m
b
p
f
m
n
r
h
e
n
r
h
e
x
i
z
s
x
i
z
s
u
q
k
g
u
q
k
g
t
c
d
v
t
c
d
v
1
w
, m
.
n
ñ
g
+
t
zusätzl.
y
y
Tabelle 2: wichtigste
å
A
º
,
"
¡
Y
aw
ab, mr
jw
jm, gs
jm
jn
jr
ƒ
Ï
=
∂
B
‹
P
Zweikonsonantenzeichen
wn
∞ mr
— nv
wn
: mr
l rw
wr
… me
E ea
wv
em
9 ms
[
ba
– mt
ª en
be, ew ›
nw
Ä er
pa
es, ez
• nw
‰
I
π
Û
Z
Ω
S
‚
in
in
ir
sa, za
sa
sw
sn
Á
Q
K
∆
G
T
+
ud
qd
ka
km
gm
ta
tj
Minimalgrammatik MR
Tabelle 2: wichtigste
js
oa
wa
wo
wp, jp
J
O
W
∑
!
ö
F
;
_
µ
Zweikonsonantenzeichen
ev
N nb
™
nm
xa
~
X
> nn
≈ xo
3 ne
ˇ xt
¬ ns
⁄ ia
pr
pe
ma
mj
mn
sk, wae
st
ua
uw
un
^
/
U
¨
œ
˝
C
V
√
◊
tm
ca
va
vw
vr
Tabelle 3: Dreikonsonantenzeichen
onx
oeo
*
4
^
5
wae, sk Ì
nfr
è
Tabelle 4: wichtigste
#
ö
Ö
e
E
c
n
~
_
ä
l
w
£
º
ü
ˆ
xpr
xsf
7 svm
< tjw
Determinative
Mann, ich, (bei Name)
Frau, (bei Name)
Menschen
Tätigkeit des Mundes
beladen, tragen
Feind, Tod
Tätigkeit mit Armen
preisen
Kind
Gott, König
Gott
Tätigkeit des Auges
Tätigkeit der Nase
Fleisch
Tabelle 5: Substantive
Maskulinum
Femininum
eqa
etp
°
˜
´
'
°
b
Æ
'
a
ü
A
2
ª
ˇ
Verneinung
Himmel, oben
Tätigkeit mit Armen
Nacht
+
±
umarmen
r
Tätigkeit der Beine
…
umkehren
w
Tätigkeit der Beine
÷
überschreiten, sündigen “
Fell, Tier
x
Vogel, Insekt
ø
klein, schwach, schlecht v
s. niederlassen
#
Baum
,
Pflanze
‚
Holz, Baum
M
Sonne, Tag, Zeit
Stein
Weg, fern
Fruchtland
Wasser
Berg, Ausland
Stadt
Fest
Stoff, Kleidung
Feuer
rechnen, brechen
Schreiben, Abstrakta
und Adjektiva (häufigste Endungen)
Singular
Plural
Dual
ø
t
w
wt
wj
tj
Personalpronomen: Suffixe (genetivisch = S), enklitische (akkusativisch = E) und autonome
(nominativisch = A) und alte autonome Personalpronomen (Aa). Mit dem Übergang von c
zu t ist immer zu rechnen. Als sekundäres Pronomen erscheint das Indefinitpronomen tw
tw, womit auch ein Passiv gebildet werden kann.
Tabelle 6: Personalpronomen
S
Sg 1c
Sg 2m
Sg 2f
#
k
c
E
=j
=k
=c
w#
cw
≥
A
wj
cw
cn
p
4
V
Aa
jnk
ntk
ntc
cwt
cwt
cwt
cwt
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Tabelle 6: Personalpronomen
S
Sg 3m
Sg 3f
E
f
s
=f
=s
,
<
s,
=n
=cn
=sn
Sg 3n
Pl 1c
Pl 2c
Pl 3c
A
sw
sj
st
n
cn
sn
Sw
s2
st
,
<
s,
Aa
3
ns
ntf
nts
je›
n<
ns,
jnn
ntcn
ntsn
Sw
Sw
swt
swt
Demonstrativpronomina waren im Ägyptischen sehr beliebt und wandelten sich beständig,
wobei ältere Formen in bestimmten Textsorten weiter benutzt wurden.
Tabelle 7: wichtige
Demonstrativpronomina
dieser
Sg m
Sg f
Pl c
π
†
>
jener
der
pn
r
tn
$
nn (n) '
dieser
pf
pw
tf
tw
nf (n) ìw
pw
PA
tw
ta2
nw (n) .2
paj
taj
naj
Aus einem Demonstrativum entwickelt sich der bestimmte Artikel und der Possessivartikel
(mit Suffix), die beide vor dem Substantiv stehen.
Tabelle 8: Artikel
Sg m
Sg f
Pl c
und Possessivartikel
Artikel
der, die
Poss.-Artikel mein
Pa
ta
.
patana-
Pay
tay
.y
pay(=j)
tay(=j)
nay(=j)
Das Ägyptische unterscheidet bei Genitivkonstruktionen zweier Nomina zwischen direktem und indirektem Genitiv. Der direkte Genitiv geschieht durch Juxtaposition, der indirekte durch Vermittlung des Genitivpronomens. Es flektiert zunächst nach Numerus und
Geschlecht, fällt aber später mit einfachem n zusammen.
Tabelle 9: Genitivpronomen
Sg
Mask
Fem.
n
n
n(j)
nt
("von")
Pl
Dual
+,›w nw
nt
n
~
ntj
Das Relativpronomen entstand vermutlich als südsprachliche vereinfachende Variante zu
den Nisbe-Konstruktionen. Das Pronomen adjektiviert das Folgende. Es gibt positive und
negative Formen "der/die/das" und "der/die/das nicht".
Tabelle 10: Relativpronomina
positives Relativpronomen
Sg
Mask. ~
Fem.
›
ntj
ntt
negatives Relativpronomen
Pl
Sg
n<p ntjw
›
ntt
Æ
!
Pl
jwtj
jwtt
°t<p jwtjw
jwtt
!
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Von Präpositionen und Substantiven begleitet, können Interrogativpronomina alle Arten
von Fragen wiedergeben. Die wichtigsten einfachen Interrogativa:
Tabelle 11: einfache
jn jn
m\ m
j¥ jx
Interrogativa
pw pw wer? was? ≥/A cnj wo?
wer? was?
0“ ptr was/wer ist? l wr wieviel?
was?
`y sy, zy was für?
˛\ nm wer? was?
(Satzfragen)
Das Ägyptische weist einen reichen Schatz an Präpositionen auf, wobei zwischen einfachen
und zusammengesetzten geschieden wird (cf. HL2, ab S. 29). In bestimmten Gebrauchsweisen erfüllen sie Aufgaben unserer Konjunktionen. Die wichtigsten Präpositionen sind:
Tabelle 12: wichtigste
m
n
r
ä
æ
y
å
m
n
r
er
ir
xr
xft
Präpositionen
mj wie
_j
für, zu
e… eno und, mit
zu, nach, gegen Ea† ea hinter, um
auf, wegen, bei 4n xnt (frontal) vor
unter, tragend «
vr seit, infolge
bei, durch
tp auf, über
†
entsprechend js
wie
js
in, als, durch
j"tw jmjtw
mo m-o
m— m-bae
mm m-m
m±' m-xt
m'ö m-inw
rï r-gs
zwischen
bei, durch
vor
unter (Pers.)
nach
in
neben
Von Substantiven und Präpositionen werden Adjektive mit der Endung 2 j gebildet, die man Nisben nennt: z.B. njwt "Stadt" > njwtj "städtisch", ir "unter" > irj
"befindlich (sein) unter". Eine ausführliche Liste findet sich in HL2, ab S. 26.
Echte Adverbien sind im Ägyptischen vergleichsweise selten, doch erfüllen zum
großen Teil andere Konstruktionen adverbielle Aufgaben. Eine ausführliche Liste
findet sich in HL2, ab S. 45.
Unter dem Ausdruck Partikeln sind mehrere Wortarten (auch unterschiedlich wortartlicher
Herkunft) subsumiert, die der deutschen Sprache fremd sind. Deshalb gelten die deutschen
Übersetzungsweisen grundsätzlich nur als ein Notbehelf, weil die Begrifflichkeiten nur
schwer abzubilden sind. Durch die alte deutsche Bibelsprache sind uns einige Übertragungen geläufig, doch klingen sie im Allgemeinen altmodisch. Verzichtet man aber ganz auf
eine Übersetzung der Partikeln, dann gehen wichtige Informationen verloren. Nach der
Wortstellung unterscheidet man zwei Großgruppen: die autonomen Partikel stehen fast
immer am Satzanfang, die enklitischen Partikel hingegen schließen sich meist einem Satzteil
am Satzanfang an. Unter den autonomen Partikeln muss man zwischen Partikeln unterscheiden, die nur in wörtlicher Rede (kommunikative Partikel), in der Erzählung (narrative
P.) und in Rede und Erzählung gleichermaßen (deskriptive P.) vorkommen.
Tabelle 13: autonome
Partikel (kommunikativ)
mJ mk Präsentativ
kae ka Konsiderativ
ewj
eW
Eae ea
jx
j¥
smEe smwn Possibilitativ
siehe; denn (siehe)
bedenke doch
ach dass doch
ach dass doch
ach möchte
vielleicht
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Tabelle 14: autonome
oeo.n
4ø
wn.jn
Ejn
yçm± xr-m-xt
jsc
jsc
dann
Konsekutiv
daraufhin, und dann
(kein Nebensatz!)
sobald
Konkomitativ
nun aber
Tabelle 15: autonome
jw
y
jG
Et
›
jw!
jw
xr
jgr
wnt
ntt
jwtt
Partikel (narrativ)
Kontinuativ
Partikel (deskriptiv)
Konfirmativ
ø, wahrlich
’Kausalis’
denn, dann
Adversativ
vielmehr
dass
dass
dass nicht
Enklitische Partikeln verhalten sich meist wie deutsche Modalpartikel:
Tabelle 16: wichtigste
js
js
µ,m\ mj
rf, jrf
?
rk
9
Swt swt
grt
Gt
Ömn em
T”e tr
En wnnt
enklitische Partikel
auch
(gern nach Negativum)
doch, bitte sehr
(nach Imperativen)
doch
(nach Aufforderungen)
doch
(nach Aufforderungen)
aber
starker Gegensatz
auch, ferner; aber
wieder; aber
fürwahr; nämlich
in der Tat
Das Verbum ist fast so vielschichtig wie in den semitischen Sprachen, denen es in vielem
ähnelt. Zur Bildung der Tempora verwendet man Formen der Suffixkonjugation, aber auch
Infinitivkonstruktionen und das Pseudopartizip (mit dem akkadischen Stativ in Funktion
und Endungen verwandt).
Tabelle 17: Grundform,
3rad
3inf
3kaus
2rad
2gem
2kaus
4rad
4inf (1)
Infinitiv und Imperativ der Verben
Grundform
svm hören
haj
sonx
mn
qbb
smn
wscn
mawj
hinabgehen
beleben
bleiben
kühl sein
befestigen
schreiten
neu sein
Infinitiv
Imperativ
svm
7m
ha% hat
s*# sonx
mn
M
qbb3 qbb
sMt smnt
ws≥' wscn
;aWm mawj
svm
7m
ha' haj
s*# sonx
mn
M
qbb3 qbb
smn
sM
ws≥' wscn
;aWm mawj
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Tabelle 17: Grundform,
4inf (2)
Infinitiv und Imperativ der Verben
Grundform
emsj s. setzen
unregelm rvj
jj, jw
jrj
jnj
maa
geben
kommen
machen
holen
sehen
Infinitiv
Imperativ
ªt™ emst
rvt
¯t
Ht,'wt jjt, jwt
jrt
Å
jnt
ö
Baa maa
ª™
jmò
m'
Y
ö
Baa
emsj
jmj
mj
jrj
jnj
maa
Das Negativkomplement steht nach bestimmten Negationen. Es entspricht der Grundform
der Tabelle 17. Seine Endung w wird meist nicht geschrieben.
Tabelle 18: Grundformen
svm=f svm.n=f
svm.n=f
haj.n=f
sonx.n=f
mn.n=f
qbb.n=f
smn.n=f
wscn.n=f
emsj.n=f
rvj vj=f
rvj.n=f
jj, jw jj=f,jw=fjj.n=f
jrj
jrj=f
jrj.n=f
jnj jnj=f
jnj.n=f
maa maa=f ma.n=f
3rad svm=f
3inf haj=f
3kaus sonx=f
2rad mn=f
2gem qbb=f
2kaus smn=f
4rad wscn=f
4inf emsj=f
der Tempora
prosp. svm=f svm.t=f svm.xr=f
svm=f
haj=f
sonx=f
mn=f
qb=f
smn=f
wscn=f
emsj=f
vj=f
jwt=f
jrj=f
jnt=f
man=f,ma=f
Tabelle 19: Pseudopartizip/Stativ,
Endungen
Sg 1c
Sg 2m
Sg 2f
Sg 3m
Sg 3f
Pl 1c
Pl 2c
Pl 3c
kw#,k# .kw, kj
.tj
+j
.tj
+j
.w
w
.tj
+j
wn,w2, .wjn
.twnj
<;
.w
w,y
svm.t=f svm.xr=f
haj.t=f haj.xr=f
sonx.t=f sonx.xr=f
mn.t=f mn.xr=f
qbb.t=f qbb.xr=f
smn.t=f smn.xr=f
wscn.t=f wscn.xr=f
ems.t=f emsj.xr=f
rv.t=f rvj.xr=f
jy.t=f jj.xr=f
jr.t=f
jrj.xr=f
jn.t=f jnj.xr=f
man.t=f maa.xr=f
svm.jn=f
svm.jn=f
haj.jn=f
sonx.jn=f
mn.jn=f
qbb.jn=f
smn.jn=f
wscn.jn=f
emsj.jn=f
rvj.jn=f
jj.jn=f
jrj.jn=f
jnj.jn=f
maa.jn=f
svm.ka=f
svm.ka=f
haj.ka=f
sonx.ka=f
mn.ka=f
qbb.ka=f
smn.ka=f
wscn.ka=f
emsj.ka=f
rvj.ka=f
jj.ka=f
jrj.ka=f
jnj.ka=f
maa.ka=f
Endungen und Formen
Formen mit Sg 1c (althochsprachlich)
3rad
svm.kj
7mk#
3inf
2rad
2gem
rvj
jj
jnj
maa
ha.kj
ha'k#
mn.kj
Mk#
qb.kj
qb3k#
(r)v.kj
¯k#
Hjk#,'wk# jj.kj, jw.kj
jnj.kj
ök#
ma.kj
Bak#
Passiva der Formen in Tabelle 18 werden durch das Indefinit-Infix tw tw gebildet,
z.B. svm.tw=f oder svm.n.tw=f. Bei Handlungsverben ersetzt oft das Pseudopartizip das Passiv.
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Gebrauch der Tempora:
1. svm=f (imperfektiver Aspekt) erfüllt die Aufgabe, eine unabgeschlossene Handlung
(Ausdehnung/Dauer irrelevant) in allen Zeitstufen (Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft)
widerzugeben. Es wird meist mit deutschem Präsens übersetzt. Da es auch zeitgleiche
Begleitumstände abbildet, ist eine Übersetzung mit "indem …" möglich.
2. svm.n=f (perfektiver Aspekt) erfüllt die Aufgabe, eine abgeschlossene Handlung in
Gegenwart und selten Zukunft auszudrücken, weshalb die deutschen Tempora Perfekt und
Präteritum (und Futur-Perfekt) als Widergabe bestens geeignet sind. In der Gegenwart wird
es nur als Koinzidenzpräsens verwendet mit der Übersetzung "hiermit", wenn Handlung
und Wort zeitgleich erfolgen. Da es auch vorausgehende Begleitumstände abbildet, ist eine
Übersetzung mit "nachdem …" üblich.
3. er + Infinitiv (imperfektiv-durativer Aspekt) erfüllt die Aufgabe, eine unabgeschlossene
Handlung (Ausdehnung/Dauer betont) in allen Zeitstufen (Gegenwart, Vergangenheit,
Zukunft) widerzugeben. Er wird meist mit deutschem Präsens, im Englischen mit der ingForm übersetzt, weshalb auch im Deutschen das regionale "er ist am Hören" eine brauchbare Entsprechung ist. Da er auch zeitgleiche Begleitumstände abbildet, ist eine Übersetzung mit "während …" möglich. Der Ägypter antwortet mit dieser Form auf die Frage:
"was tust du gerade". Bei Verben der Bewegung benutzt man m + Infinitiv.
4. r + Infinitiv (imperfektiv) erfüllt die Aufgabe, eine später stattfindende unabgeschlossene
Handlung (Ausdehnung/Dauer betont) widerzugeben. Er wird deshalb mit deutschem
Futur übersetzt.
5. Pseudopartizip/Stativ (perfektiv-durativer Aspekt) erfüllt die Aufgabe, einen Zustand
(Ausdehnung/Dauer betont) in allen Zeitstufen auszudrücken. Das Pseudopartizip steht
nach dem Substantiv und kennt kein Akkusativobjekt (Ausnahmen!). Während das Deutsche u.U. zwei unterschiedliche Verben verwenden, modifiziert das PsP die Verbbedeutung
in Richtung Zustand, so dass das Ägyptische nur ein Verb braucht, z.B. emsj=f "er setzt
sich" wird im PsP zu emsj.w "(er) sitzt". Bei Handlungsverben ersetzt es oft das Passiv, bei
Verben der Bewegung oft das svm.n=f. Ist es nicht eingebunden als Tempusbildner, fungiert
es auch als Ersatz für Adverbien.
6. svm=f (prospektiv) erfüllt als Modalform die Aufgabe, ungewisse und mögliche Handlungen in allen Zeitstufen (meist in Zukunft) auszudrücken. Es kann mit deutschem Konjunktiv, Futur oder mit Hilfe von Modalverben (sollen, können, mögen) adäquat übersetzt
werden. Es steht gerne gerne hinter dem Verb rvj "veranlassen, dass".
7. svm.t=f (Terminativ) steht nur nach der Präposition r "bis er hört" und der Negation n
"bevor / ehe er hört".
8. svm.xr=f (Obligativ) bezeichnet notwendige Handlungen, die im Deutschen mit "sollen,
müssen" verbunden werden.
9. svm.jn=f (Konsekutiv) bezeichnet folgende Handlungen, die sich aus vorhergehenden
ergeben. Es wird deshalb gerne in narrativen Passagen oder wissenschaftlichen Texten verwendet. Als Übersetzung bietet sich an "daraufhin, und dann".
10. svm.ka=f bezeichnet *denkbare Handlungen, als deutsche Übersetzungweise bieten
sich "könnte" bzw. "so" an.
Tempora in Deskription, Narration und Kommunikation. In berichtenden und
beschreibenden Kontexten (Deskription) sind neben den einfachen die mit den
Partikeln jw und xr gebildeten zusammengesetzten Tempora häufig. In Erzählfolgen haben die Ägypter eine reiche Auswahl: narrativer Infinitiv, narratives
Minimalgrammatik MR
svm.n=f, selten narratives (imperfektives) svm.=f, konsekutives svm.jn=f und mit
den Partikeln wn.jn, oeo.n und xr-m-xt gebildete zusammengesetzte Tempora. Mit
Verben der Bewegung benutzt man gerne die Konstruktion svm pw jrj.n=f, die
einen neuen Erzählschritt dokumentiert. In der Kommunikation sind neben Imperativen auch Sätze mit Partikeleinleitung häufig, darunter besonders die mit mk
und ka.
"Adjektivische" Verbalformen
Zu den adjektivischen Verbalformen rechnet man die Adjektive selbst, die eigentlich Adjektivverben sind, die Partizipien, Relativformen und das svm.tj=fj.
Zumindest bei den ersten drei Formgruppen ist ein dreifacher Gebrauch (Transposition) erkennbar: den prädikativen, attributiven und substantivierten. Im prädikativen Gebrauch bildet man Sätze, wobei die Form am Anfang eines Satzes zu
stehen kommt. In diesem Fall flektiert sie nicht nach Numerus und Genus, denn
sie wird satzfähig! Mit dem Adjektivverb bildet man Adjektivsätze, z.B. nfr pr
"das Haus ist schön". Mit dem Partizip (insbesondere dem passiven; nennt man
auch svm.w-Passiv!) bildet man Eigenschaftssätze, z.B. ewj.w mnjt "der Landepflock ist eingeschlagen". Bei der Relativform muß man mit mindestens zwei
Arten rechnen, die sich an das imperfektive svm.=f und das perfektive svm.n=f
anschließen. Eine prospektive Relativform auf der Basis vom prospektiven svm.=f
ist aber zu erwarten. In der Funktion im prädikativen Gebrauch (entspricht dem
2. Tempus in der älteren Standardtheorie) flektiert sie nicht nach Genus und
Numerus, betont aber offenbar in vielen Fällen die Adverbiale, z.B. gmj.n=f sj m
pr=s"er traf sie in ihrem Haus an" bzw. "in ihrem Haus traf er sie an". Sie steht
aber auch gerne in Überschriften und nach Präpositionen.
Im attributiven Gebrauch folgen die Formen dem Nomen vor ihm und kennzeichnen seine Eigenschaft, z.B. ot nfrt "gutes Haus", mnjt ewt "eingeschlagener Landepflock" und st gmt.n=f m pr=s "die Frau, die er in ihrem Haus antraf". Die
Formen flektieren kongruent nach Numerus und Genus des Bezugswortes!
Im substantivierten Gebrauch werden die Formen zu Nomina transponiert und
verhalten sich wie normale Substantive mit Flektion von Numerus und Genus,
z.B. nfrt "die Schöne", ewt "das Eingeschlagene" und gmt.n=f m pr=s "diejenige,
die er in ihrem Haus antraf".
Das svm.tj=fj "einer der hören wird" vertritt ein prospektives Partizip, da jenes
nur selten gebraucht wird. Ein prospektives passives Partizip liegt im häufigen
vj.w onx "Leben zu geben" bzw. "dem Leben zu geben ist" vor, mit gerundiv-ähnlicher Bedeutung.
Tabelle 20: Endungen
der Partizipien und der svm.tj=fj-Form
perfektiv perfektiv imperfektiv imperfektiv
aktiv
passiv
aktiv
passiv
svm.tj=fj
Sg m
Sg f
Pl m
Pl f
.ø
.t
.(w)
.t
.(y/w)
.t
.(y/w)
.t
.ø
.t
.yw
.t
.w
.t
.w
.t
.tj=fj
.tj=sj
.tj=sn
.tj=sn
Minimalgrammatik MR
Tabelle 21: Stämme
perfektivaktives
Partizip
3rad
3inf
2rad
2gem
svmha(j.)vdqbrvj rv-, vjj
jw-, jyjnj jnmaa ma-
der Partizipien, svm.tj=fj und imperfektiven Relativform
perfektivpassives
Partizip
imperfektivaktives
Partizip
imperfektivpassives
Partizip
imperfektive
Relativform
(=2. Tempus,
svm.tj=fj mrr=f)
svmhavdd*qbrv-
svmhaavdqbbvvjyjnnmaa-
svmha3vdqbbvvjnnmaa-
svmhawvd*qbrvwjwjnwmaa-
jnma-
svm=f
haa=f
vd=f
qbb=f
vv=f
jw(w)=f
jnn=f
maa=f
Die Formen der perfektiven Relativform entsprechen dem perfektiven svm.n=f,
siehe oben.
Hilfsverben erfüllen spezielle Aufgaben. wnn "sein" transponiert den Satz in
bestimmten Zeitstufen oder Satztypen: ‰ wnn a. Zukunftskonverter b. Emphatischer Konverter (Betonung der Adverbiale) E wn a. Vergangenheitskonverter b.
Prospektivkonverter. pPa pa "etwas getan haben" (in Vergangenheit). ¯ rvj
"veranlassen, dass" (Kausativierung).
Das Ägyptische verfügt über eine reiche Zahl von Negationen, entweder mit Verben oder mit Partikeln. Die häufigste Negation ° n negiert die Suffixkonjugation.
n svm.n=f meist "er kann nicht hören", n svm=f "er hört(e) nicht". n nn negiert
prospektives svm=f "er soll/wird nicht hören", negiert Adverbialsätze und Substantive ("kein"). °ï n sp "niemals". Æ jwtj als negative Relativpartikel. "m°
jmj (+Negativkomplement) "nicht sollen"; m m (+Negativkomplement) als negativer Imperativ. ≥mtm (+Negativkomplement) ist voll konjugierbar. 5 nfr Null
sein ≈ n nicht ("Null von") ≈ pw nicht ("es ist Null"). Andere Negationsformen
sind weniger wichtig.
Syntax
Die Syntaxtheorie der älteren Standardtheorie wird hier abgelehnt. Sie ist nicht
mit den Thought Couplet kompatibel, das Hinweise auf Satzgrenzen liefert.
Nominalsätze enthalten nur Nomina oder das Demonstrativum pw pw als Satzglieder: S P "S ist P" (Subj-Präd), jnk P ("ich bin P"), jnk pw ("ich bin es"), P pw
"es/er/sie ist P", S pw P oder P pw S. Das Demonstrativum pw auch zur Wiedergabe von "das bedeutet:".
Adverbialsätze enthalten adverbielle Bestimmungen als Prädikat, aber keine Suffixkonjugation, z.B. jt=k m pr=f "dein Vater ist in seinem Haus". Das pronominale Subjekt muß durch autonome Partikel gestützt werden, meist durch jw jw=
(hier nicht unbedingt mit der Bedeutung "Konfirmativ"!), z.B. jw=f m pr=f "er ist
in seinem Haus". Ein Sonderfall mit Verben ist die "pseudoverbale Konstruk-
Minimalgrammatik MR
tion", die Durativität ausdrückt. Als Prädikat erscheinen die Infinitivtempora er/
m/r (+Infinitiv) "er ist am/wird (Hören)" oder das Pseudopartizip, z.B. jw=f snb.w
"er ist gesund".
Adjektivalsätze sind Sätze mit Adjektiv, Partizip oder Relativform (2. Tempus!)
als Prädikat, z.B. nfr pr "das Haus ist schön".
Verbalsätze sind Sätze mit der Suffixkonjugation, eingeleitet oder nicht eingeleitet
von Partikeln, Imperativsätze etc.
Hervorhebung. Zur Hervorhebung eines Satzteils wird es an den Satzanfang
gestellt und oft später durch Pronomina oder pw wieder aufgenommen, z.B. Mnt
tf snt=j pw "jene Menet, das ist meine Schwester". Üblicher ist die jr-Konstruktion: auf jr folgt ein Substantiv ("hinsichtlich des …") oder Satz ("falls" wie Protasis einer Konditionalkonstruktion). Zur Betonung des Subjekts im Satz
verwendet man die jn-Konstruktion mit folgendem Partizip oder prospektivem
svm=f, z.B. jn sat=f sonx rn=f "es ist seine Tochter, die seinen Namen am Leben
erhält". Bei pronominaler Hervorhebung steht das autonome Personalpronomen
an Stelle des jn, z.B. nts sonx rn=f "sie ist es, der seinen Namen am Leben erhält".
Das Ägyptische macht reichlich Gebrauch von Relativsätzen. Ein Relativsatz ist
eigentlich eine Attributierung, wodurch er die Qualität eines attributiven Adjektivs bekommt. Verblose Relativsätze werden entweder durch präpositionale Nisben (z.B. s jmj pr pn "der Mann, der in diesem Haus ist") oder die (*aus südlichen
Dialekten stammenden) Relativpartikel ntj und negatives jwtj (z.B. s ntj m pr pn
"der Mann, der in diesem Haus ist"). Wenn das Bezugswort dem Subjekt des
Relativsatzes ungleich ist, wird ein Rückweis in Form eines Pronomens (oder
Adverb) notwendig, z.B. wsx ntj sa-nsw jm=f "das Schiff, in dem der Prinz war".
Ein pronominales Subjekt tritt als abhängiges Pronomen oder Suffix an das Relativpronomen, z.B. sum pn ntj wj ir=f "diese Lage, in der ich bin" oder sum pn
ntj=f (ntf) ir=f "diese Lage, in der er ist". Possessivrelationen mit Verb im Relativsatz werden durch das passive Partizip ausgedrückt, als Rückweis dient ein Suffix,
z.B. emt rvt mvat n sa=s "die Frau, deren Sohn das Buch gegeben wurde". Ist das
Verb mit einem eigenen Subjekt versehen, benutzt man statt des passiven Partizips
die Relativform, z.B. st gmt.n=f m pr=s "die Frau, die er in ihrem Haus antraf".
Sprachstile. Emotionaler Sprachstil mit Wiederholungen, Imperativen und Kommunikationspartikeln finden sich in Privatbriefen (Typ: Heqanachte). Der Verwaltungsstil (Typ: Verträge des Hapi-djefai) zeichnet sich durch präzise Sprache,
klaren Satzverbindungen, Artikel, Satzanschlüsse z.B. durch eno +Infinitiv aus.
Die Wissenschaftssprache (Typ: pEdwin Smith) ist dem Verwaltungsstil wegen seines präzisen Stils verwandt, hat aber andere häufige Verbalformen (svm.xr=f etc.).
Der Hofstil (Typ: Semti; in Sethe, Lesestücke, S. 75) zeichnet sich durch altertümliche, aber auch künstlerische Sprache aus; der Hymnenstil mit vielen Partizipien
gehört hierzu. Die mittelägyptische Literatur verwendet den "volkstümlichen"
Erzählstil (Typ: pWestcar) oder auch den Hofstil (Sinuhe, Schiffbrüchiger). Im
Hofstil der Literatur wird das Thought Couplet (Gedankenparallelismus; a. parallelis membrorum genannt) als poetisches Element des Textaufbaus genutzt. Das
Thought Couplet (als Strophe) besteht meist aus zwei Zeilen (als Verse), die zueinander in Beziehung stehen. Zwischen den Thought Couplets besteht ein Gedan-
Minimalgrammatik MR
kensprung, so dass die Couplets isoliert stehen. Durch die inhaltliche Isolierung
ist es nicht möglich, Sätze über ein oder mehrere Thought Couplets hinauszuführen, wie es von der Standardtheorie getan wurde. Ein Beispiel (Anfang des Schiffbrüchigen):
Tabelle 22: Beispiel
Text
wva jb=k, eatj-o
mk pe.n=n inw.
usp.w xrp, ewj.w mnjt
eatt rvj.tj er ta.
rvjw eknw, dwaw ncr
s nb er ept snnw=f
jswt=n jj.tj ov.tj
nn nhw n muo=n
der Funktionsweise des Thought Couplets
Übersetzung
Freue dich, Präfekt;
denn wir haben die Heimat erreicht.
Inhalt
Grund zur Freude
neues Thema
Der Schlegel ist ergriffen, der Landepflock Beschreibung des
eingeschlagen
Anlegemanövers
das Tau wurde am Land befestigt.
neues Thema
Gegeben ist Lobpreis, gepriesen Gott
Freude der Besatzung
und jedermann umarmt seinen Nächsten.
neues Thema
unsere Mannschaft ist heil angekommen Ohne Verlust
es gab keinen Verlust bei unserer Truppe.
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