Buchvorstellung - Franke

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Buchvorstellung:
Dr. med. Udo Boessmann (2005):
Psychoanalytisch und tiefenpsychologisch
fundierte Berichte an den Gutachter schnell
und sicher schreiben
Gabriele Helga Franke
im SoSe 2009
Überblick über den Inhalt des Buches
„
„
„
„
„
„
„
„
„
„
Anliegen des Buches
Repetitorium wichtiger Begriffe der psychoanalytischen
Neurosenlehre
Die zeitsparende Strategie
Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik
Behandlungsplan und Zielsetzung
Weitere Berichtsarten im Rahmen des
Gutachterverfahrens
Nach welchen Kriterien urteilt der Gutachter?
Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren
Definition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Beispiele für Berichte an den Gutachter
2
Gliederung der vorliegenden
Buchvorstellung
1) Definition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
2) Anliegen des Buches
3) Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem
Bericht deutlich werden müssen
5) Die zeitsparende Strategie
6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik
7) Behandlungsplan und Zielsetzung
8) Nach welchen Kriterien urteilt der Gutachter?
9) Mögliche Gründe der Ablehnung des Berichtes
3
1) Definition der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung für
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
„Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
umfaßt Therapieformen, die aktuell wirksame
neurotische Konflikte behandeln, dabei aber durch
Begrenzung des Behandlungsziels, durch ein
konfliktzentriertes Vorgehen und durch
Einschränkung regressiver Tendenzen (d.h. die
Wiederholung kindlicher Einstellungen gegenüber
dem Therapeuten wird nicht forciert) eine
Konzentration des therapeutischen Prozesses
anstreben“.
4
2) Anliegen des Buches
„
Das Buch soll dabei unterstützen, in vertretbarer
Zeit und auf direktem Weg einen Bericht zum
Psychotherapieantrag anzufertigen, der dem
Gutachter die Befürwortung ermöglicht.
„
Dem Autor liegt am Herzen, dass wir im
Gutachterverfahren nicht nur eine lästige Pflicht und
eine bevormundende Kontrolle sehen, sondern auch
den Nutzen für uns selbst entdecken können und
die kontraproduktive Aversion gegen das
Gutachterverfahren ein wenig überwinden.
5
3) Die innere Einstellung zum
Gutachterverfahren
„
Das Gutachterverfahren ist für die meisten
Therapeuten eine zeitraubende und lästige
Formalität.
„
Da das Gutachterverfahren jedoch eine
unumgängliche Voraussetzung für die
Leistungspflicht der Krankenkassen darstellt,
empfiehlt sich eine zeitsparende Strategie bei der
Abfassung des Berichtes an den Gutachter, die
formale Richtigkeit und inhaltliche Schlüssigkeit
garantiert, um dem Gutachter die Zustimmung zu
erleichtern.
6
3) Die innere Einstellung zum
Gutachterverfahren
„
„
„
„
„
Das Gutachterverfahren kann und sollte auch im
eigenen Interesse genutzt werden:
Verschaffen fallbezogener Klarheit
Indikationsprüfung der Psychotherapie
Überprüfung der Eignung des Settings für den
Klienten
Planung therapeutischer Interventionen
Hoffnung bezüglich fallbezogener Erfolge
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3) Die innere Einstellung zum
Gutachterverfahren
„
„
„
„
„
Begreifen Sie das Gutachterverfahren als das, was es ist:
einen formalen Akt.
Der Bericht an den Gutachter ist ein ungeeignetes Mittel der
kontroversen Auseinandersetzung über Theorien und Methoden.
Versuchen Sie mit Ihrem Bericht nicht, ideologische
Überzeugungsarbeit zu leisten.
Versetzen Sie sich in die Position des Gutachters: Dieser hat ein
Interesse, emotionslos, mit geringem Zeitaufwand und formal
unanfechtbar Ihren Bericht daraufhin zu prüfen, ob er mit den
Kriterien der Psychotherapie-Vereinbarungen kompatibel ist.
Der Gutachter und Sie sind keine Antagonisten: Sie haben ein
gemeinsames Ziel: Das Gutachterverfahren auf dem direktesten
Weg zur Bewilligung zu führen.
8
3) Die innere Einstellung zum
Gutachterverfahren
Also machen Sie es sich und dem Gutachter
nicht unnötig schwer:
Streben Sie immer nach
Einfachheit
&
Reduktion auf das Wesentliche!
9
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
10
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
Frühgenese
„
„
Umweltbedingungen & angeborene Schwachstellen in
der Kindheit, die eine erhöhte Vulnerabilität für
bestimmte Belastungsmomente und Konflikte sowie eine
Disposition für die spätere neurotische Störung
bewirken.
Grundlegende kindliche Bedürfnis- und Triebregungen
können nicht adäquat befriedigt werden, weil
angeborene Behinderungen, äußere oder innere
Faktoren die nachhaltig verhindern.
11
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
Psychische Anpassungsleistung
„
„
Die Schutz-, Kompensations- und Abwehrmechanismen
sind eine für das seelische Überleben notwendige
kreative Antwort des kindlichen Ich auf die Bedingungen
der Frühgenese.
Eine klinisch wichtige Notlösung der kindlichen Seele
besteht darin, die Trieb- oder Bedürfnisregung mitsamt
der dazugehörigen Angst zu verdrängen.
12
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
(Neurosen-) Struktur
„
Die spezifischen Anpassungs- und Abwehrmechanismen
verdichten und verfestigen sich zu charakteristischen & dauerhaften Erlebens- und Verhaltensmustern (Persönlichkeitsstruktur).
„
Ist diese Struktur besonders anfällig für eine neurotische Störung,
kann man auch von einer Neurosenstruktur sprechen.
„
Der Zusammenhang von Abwehr und Struktur wurde mit einem Kind
vergleichen, das sich eine Schutzrüstung zulegt, die so schwer ist,
dass es in eine groteske Form wachsen muss. Nach Jahren ist der
Körper so verkrüppelt, dass das Kind die Rüstung nicht mehr
ablegen kann, obwohl die ursprüngliche Bedrohung nicht mehr
existiert. Das Tragen der schweren Rüstung raubt dem Menschen
jegliche Energie und hält auch gute Erfahrungen fern.
13
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
Auslösende Belastungs- und Konfliktsituationen
„
„
„
Es besteht eine unbewusste Tendenz, sich immer
wieder in Situationen und Beziehungskonstellationen zu
begegnen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den
strukturprägenden kindlichen Grunddefiziten und
-konflikten haben (neurotischer Wiederholungszwang).
Der Aktualkonflikt betrifft und aktualisiert dringende
Trieb- und Bedürfnisregungen aus der Kindheit.
Der Patient reagiert unbewusst ähnlich wie als Kind
(Regression), was jedoch für die aktuelle
Problemsituation inadäquat und dysfunktional ist.
Der Konflikt kann so (erneut) nicht gelöst werden.
14
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
Dekompensation
„
„
„
„
Der Dekompensation geht in der Regel eine lange Zeit voran, in der
der Patient versucht hat, mit seinen (oft unbewussten)
strukturspezifischen Anpassungs- und Abwehrstrategien die aktuelle
Belastungs- und Konfliktsituation zu bewältigen.
Doch genau diese Strategien sind nicht (mehr) geeignet, das
aktuelle Problem zu lösen und die drängenden Trieb- und
Bedürfnisregungen zu befriedigen.
Zunehmend misslingt die Verdrängung bzw. Abspaltung der
bedrohlichen Affekte.
Schließlich kann die Angst nicht mehr erfolgreich abgewehrt
werden.
Die Selbstregulierung bricht zusammen.
15
4) Grundlegende Zusammenhänge, die in
einem Bericht deutlich werden müssen
Psychische und psychosomatische Symptomatik
„
„
Während vor Krankheitsausbruch eine gesteigerte
progressive Aktivität des Patienten die Regel ist, stellt
die manifeste seelische oder psychosomatische Störung
die regressive Form der Konfliktverarbeitung dar.
Diese letzte Möglichkeit der kompromisshaften
Selbstsicherung und Bedürfnisbefriedigung muss der
Patient mit erheblichen Leiden und Opfern bezahlen: Mit
Einbußen an Selbstachtung, Autonomie, Aktivität und
Lebensfreude.
16
5) Die zeitsparende Strategie
„
„
Grundhaltungen:
Versuchen Sie bitte nicht, Ihren Bericht an den
Gutachter zu einem vollkommenen Dokument der
Wahrheitsfindung zu erheben. Ihr Bericht ist nur eine
Hypothese. Sie formulieren eine – allerdings gut
begründete – Vermutung.
Wichtig ist, dass die Hypothese in sich schlüssig,
überzeugend und mit einer psychoanalytischen
Theorie und Krankheitslehre vereinbar ist. Sie muss
eine (früh-) kindliche Ätiologie und eine unbewusste
Psychodynamik aufzeigen, die sich in der Übertragung
und Gegenübertragung sowie im Widerstand bemerkbar
macht.
17
5) Die zeitsparende Strategie
1.
2.
3.
4.
5.
Vorschriften der Kassenärztlichen Vereinigung zur
Gliederung des Berichts an den Gutachter:
Spontanangaben des Patienten (Klagen/Symptomatik)
Kurze Darstellung der lebensgeschichtlichen
Entwicklung (Familienanamnese; körperliche,
psychische & soziale Entwicklung)
Krankheitsanamnese (frühere Behandlungen und
Psychotherapien)
Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung
Somatischer Befund
18
5) Die zeitsparende Strategie
6.
7.
8.
9.
Vorschriften der Kassenärztlichen Vereinigung zur
Gliederung des Berichts an den Gutachter:
Psychodynamik der neurotischen Entwicklung
Neurosenpsychologische Diagnose zum Zeitpunkt der
Antragstellung
Behandlungsplan und Zielsetzung der Therapie
Prognose der Psychotherapie
Bei Kindern kommt die Schilderung der familiären Situation
(Eltern/Bezugspersonen) hinzu.
19
5) Die zeitsparende Strategie
„
„
„
„
Diese Vorschriften legen eine induktive Vorgehensweise nahe:
Biografie Æ Psychodynamik Æ Diagnosen
Dadurch kann man sich auf furchtbar komplizierte und zeitraubende
Abwege verlieren, wenn man versucht, aus der Fülle der
biografischen Daten eine schlüssige und widerspruchsfreie
Psychodynamik abzuleiten.
Daher schlägt Boessmann ein deduktives Vorgehen vor:
Diagnosen (symptomatische & strukturelle) Æ Psychodynamik Æ
Biografie
Denn: Wenn valide neurosenspezifische Diagnosen gefunden
wurden, kann man in jedem ordentlichen Lehrbuch der
psychoanalytischen Neurosenlehre die dazu passenden, also
theoretisch zu erwartenden psychodynamischen Zusammenhänge
und Abwehrmechanismen nachlesen.
20
5) Die zeitsparende Strategie
„
„
Die symptomatische Diagnose belegt, dass der Patient
tatsächlich an einer Störung leidet, die im Rahmen der
kassenpsychotherapeutischen Versorgung behandelt
werden darf.
Tipp: Vorarbeit der Voruntersucher und Vorbehandler
nutzen – Man kann sich eine Menge Zeit ersparen, wenn
man konsequent die diagnostische und therapeutische
Vorarbeit der Kollegen nutzt.
Es ist wichtig, dass man ausgiebig darlegt, dass der zu
behandelnde Patient ernsthaft krank ist.
21
5) Die zeitsparende Strategie
„
Zur Erstellung der symptomatischen Diagnose kann das
Balance-Modell von Peseschkian genutzt werden:
Körper
Zukunft
Leistung
Kontakt
Konflikt Æ Krankheit
22
5) Die zeitsparende Strategie
„
„
„
„
„
Bei der Suche nach der symptomatischen Diagnose ist
die ICD 10 eine Hilfe.
Der Zwang zur Verschlüsselung belastet uns
Psychotherapeuten am allerwenigstens.
Wenn Sie sich einmal anschauen, wie viele
verschiedene Diagnosen Sie in den vergangenen Jahren
wirklich gestellt haben, werden Sie feststellen, dass Sie
kaum über 10 kommen.
Wahrscheinlich haben Sie eine Hand voll
Lieblingsdiagnosen, die Sie immer wieder verwenden.
Schreiben Sie sich diese mit der entsprechenden
Codierung heraus!
23
5) Die zeitsparende Strategie
„
„
„
„
Die Formulierung „Frühe Störung“ ist keine etablierte
Einheit und könnte bei einigen Gutachtern auf Skepsis
stoßen Æ Ausdruck vermeiden!
Die Diagnose „Dysthymia“ erscheint auch wenig
überzeugend Æ aktueller Auslöser und das akute
Krankheitsgeschehen lassen sich kaum darstellen
Jede Diagnose ist zunächst eine Verdachtsdiagnose
(vorläufig und später korrigierbar) Æ Quälen Sie sich
nicht zu lange mit der exakten nosologischen
Zuordnung, denn alle Diagnosen sind mehr oder weniger
grobe Schubladen, in die Sie die Einzigartigkeit und
Komplexität des Patienten hineinzwängen müssen.
Wichtig: Ausschluss biologisch-organischer Ursachen!
24
5) Die zeitsparende Strategie
Wie finden Sie die strukturelle Diagnose?
„ Die strukturelle Diagnose ist der Schlüssel zur
Psychodynamik. Bei der strukturellen Diagnose wollen
wir eine Aussage machen über:
‰
‰
‰
‰
„
die Qualität der Ich-Funktionen
die charakteristische Art der Beziehungsgestaltung
die Beschaffung des Selbst
die Mechanismen der Abwehr und ihre Funktionalität
Diese vier Aspekte bedingen und durchdringen sich
gegenseitig.
Seite 55
25
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Ich-Funktionen:
‰
‰
‰
‰
‰
Wie ist das äußere Erscheinungsbild? (gepflegt vs.
verwahrlost)
Wie ist der Bewusstseinszustand des Patienten? (wach,
geistig präsent, Konzentration)
Wie ist die Orientierung, zeitlich, räumlich zur Situation und
zur Person?
Funktioniert das Kurz- und Langzeitgedächtnis?
Haben Sie das Gefühl, dass Sie Kontakt zu Ihrem
Patienten finden? Sucht er Augenkontakt?
26
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Ich-Funktionen:
‰
‰
‰
‰
‰
Wie ist die Wahrnehmung? (Wahrnehmungslücken,
Verzerrungen, Halluzinationen)
Ist der Gedankenfluss frei, klar und logisch oder blockiert,
eingeengt, zwanghaft, diffus, sprunghaft, zerfahren? Sind
die Inhalte des Denkens realitätsgerecht und vernünftig
oder wahnhaft, absurd, bizarr?
Sind die Affekte des Patienten der Situation und dem, was
er berichtet, angemessen?
Ist der Antrieb auffällig vermindert oder gesteigert?
Bestehen suizidale Tendenzen?
27
5) Die zeitsparende Strategie
Für eine Psychotherapie muss der Patient noch
einige weitere Voraussetzungen erfüllen:
„
„
„
eine ausreichende Intelligenz, Differenziertheit und
Introspektionsfähigkeit
Einsichtsfähigkeit und Krankheitseinsicht
ausreichende Motivation
28
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Die charakteristische Art der Beziehungsgestaltung:
‰
‰
‰
‰
‰
Wie ist die Objektwahrnehmung? Funktioniert die
Realitätsprüfung?
Wie funktioniert die Kommunikation?
Wie ist das Bindungsverhalten?
Wie erlebt sich der Patient in Beziehungen, auch zum
Therapeuten?
Wie ist die Gegenübertragung, Ihr subjektives Empfinden im
Kontakt mit dem Patienten?
29
5) Die zeitsparende Strategie
Veranschaulichen Sie dem Gutachter mit
einem individuell formulierten psychischen
Befund, dass Sie sich auf eine
Übertragungsbeziehung mit dem Patienten
eingelassen haben, jedoch ohne die
therapeutische Distanz zu verlieren!
30
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Die Beschaffenheit des Selbst:
Wir können die Struktur des Patienten und die
Notwendigkeit seiner Abwehrmechanismen nur
verstehen, wenn wir ein Bild vom Kern seiner
Persönlichkeit, von seinem Selbst haben:
‰
‰
‰
‰
Vitalität
Selbstwerterleben
Kohärenz
Autonomie
31
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Die Beschaffenheit des Selbst:
‰
‰
Wenn die Vitalität, Kohärenz und Autonomie des Selbst
und ein ausreichender Selbstwert fehlen, entwickeln sich
Schutz- und Abwehrmechanismen, welche die
Selbstregulation so gut wie möglich aufrechterhalten. Wenn
diese Reparaturmechanismen über einen langen Zeitraum
notwendig sind, prägen sie eine bestimmte Persönlichkeitsoder Neurosenstruktur.
Alle im ICD 10 genannten Persönlichkeitsstörungen könne
auch als neurotische Grund- und Persönlichkeitsstruktur
verstanden. Alle dienen, psychodynamisch gesehen, der
Verteidigung der bedrohten Selbstwertregulation und/oder
der Ichgrenzen.
32
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Die Beschaffenheit des Selbst:
Sprechen Sie im Bericht aber nicht von Persönlichkeitsoder Charakterstörungen.
Diese Begriffe könnten den Gutachter an eine fixierte und
therapeutisch schwer korrigierbare Problematik denken
lassen und ihn hinsichtlich der Indikation und Prognose
skeptisch stimmen.
Besser ist es, von (paranoider, abhängiger, emotional
instabiler usw.) Neurosenstruktur zu sprechen.
33
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Die Beschaffenheit des Selbst:
Wählen Sie die strukturelle Diagnose aus, deren
diagnostische Kriterien am besten zu dem von Ihnen
erhobenen psychischen Befund passen.
Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, wenn Sie den
psychischen Befund nicht 100%ig einer Grundstruktur
zuordnen können.
Die Grenzen zwischen den Charakterstrukturen sind
fließend, Überschneidungen sind die Regel.
Kombinationen sind möglich. Und vergessen Sie nicht:
Sie formulieren nur eine Hypothese.
34
5) Die zeitsparende Strategie
Vorgehensweise:
„ Die Mechanismen der Abwehr und ihre Funktionalität:
Hat man sich für eine Neurosenstruktur entschieden, kann
man mit Hilfe der von Boessmann erstellten Tabelle
(S. 64 – 66) die theoretisch dazu passenden
Abwehrmechanismen ablesen.
35
6) Anleitung zur Formulierung der
Psychodynamik
Nach Stellung einer symptomatischen, strukturellen und
organischen Diagnose und Nennung auslösender Faktoren
kann das Kernstück des Berichts – die Psychodynamik –
formuliert werden.
1. Welche Defizite und Konflikte in der kindlichen
Entwicklung sind bei der gewählten Neurosenstruktur zu
erwarten und wie werden diese in der Regel abgewehrt?
2. Vergleichen Sie das theoretisch Erwartbare mit dem, was
Sie tatsächlich über den Patienten wissen. In der Regel
werden Sie große Übereinstimmungen finden. Bei deutlich
Diskrepanzen, sollte die „Richtigkeit“ der Wahl der
Neurosenstruktur überprüft werden.
„
36
6) Anleitung zur Formulierung der
Psychodynamik
3. Formulieren Sie eine in sich schlüssige „Geschichte“
darüber, auf welche Weise die spezifischen Bedingungen
der Frühgenese das Selbst Ihres Patienten und die
adäquate Lösung phasenspezifischer Konflikte behindert
hat, mit welchen Kompensations-, Schutz- und
Abwehrmechanismen Ihr Patient auf diese Bedingungen
reagiert hat und wie seine Anpassungsleistung zur
Persönlichkeit, zur Struktur geworden ist.
4. Machen Sie deutlich, welche Triebregungen, Bedürfnisse
und Affekte abgewehrt, verdrängt oder abgespalten
werden mussten und somit der Integration im Bewusstsein
teilweise oder vollständig entzogen sind.
37
6) Anleitung zur Formulierung der
Psychodynamik
5.
6.
7.
8.
Zeigen Sie ggf., wie sich die Struktur des Patienten und
seine Abwehrstrategien in späteren Schwellensituationen
(Adoleszenz, Eintritt ins Berufsleben, Heirat usw.) bewährt
oder vulnerabel gezeigt haben.
Stellen Sie dar, welche aktuellen Belastungsfaktoren auf die
neurotische Grundstruktur treffen und welche unbewussten,
infantilen Grundkonflikte aktualisiert werden.
Erklären Sie, warum die Struktur mit der aktuellen
Belastungs- und Konfliktsituation überfordert ist und
dekompensiert.
Machen Sie psychodynamisch plausibel, warum der Patient
mit der aktuellen, in der symptomatischen Diagnose
beschriebenen Störung auf den Aktualkonflikt reagiert.
38
6) Anleitung zur Formulierung der
Psychodynamik
„
Der unbewusste Konflikt
Der tiefenpsychologisch fundierte Bericht an den
Gutachter erfordert undbedingt die explizite Darstellung
des psychodynamisch wirksamen Unbewussten.
39
6) Anleitung zur Formulierung der
Psychodynamik
„
Darstellung lebensgeschichtlicher Entwicklung
Die Darstellung der biografischen Anamnese soll kurz sein. Der
Gutachter wird Ihnen dankbar sein, wenn Sie selektiv die
biografischen Daten nennen, welche die – aus der symptomatischen
und strukturellen Diagnose hervorgehende – Psychodynamik
überzeugend belegen. Besonders die frühkindliche Situation sollte
kurz umrissen werden.
Achten Sie bei der Wiedergabe der Lebensgeschichte darauf,
zuverlässige Realdaten vom subjektiven Erleben des Patienten klar
abzugrenzen.
Die Kunst bei der Darstellung der lebensgeschichtlichen
Entwicklung besteht im Weglassen. Ersparen Sie sich und dem
Gutachter die Fülle von Informationen, die nicht unmittelbar mit der
Psychodynamik in Verbindung stehen.
40
7) Behandlungsplan und Zielsetzung
1. Auftragsklärung – Festlegen der Therapieziele
Ganz wesentlich ist die Begrenzung der Therapieziele auf das
für den Fokus Relevante.
2. Aufbau einer tragfähigen Beziehung, einer positiven
Übertragung, Herstellung eines Arbeitsbündnisses
Der Therapeut übernimmt dabei vorübergehend eine
Containerfunktion: Er hält dem emotionalen Druck, der Angst,
der Wut, der Verzweiflung, die der Patient mitbringt, stand.
Damit wird oft eine spürbare emotionale und vegetative
Stabilisierung mit Reduktion der akuten Symptome und des
akuten Leidensdrucks erreicht und die Basis für die
aufdeckende Arbeit am Unbewussten und Widerstand
geschaffen.
41
7) Behandlungsplan und Zielsetzung
3. Der Patient soll den Zusammenhang zwischen seinen
Beschwerden, seinen aktuellen Konflikten, seiner
Biografie, den unbewussten Grundkonflikten und
selbstschädigenden Abwehrformen verstehen.
4. Übertragungsarbeit und Widerstandsanalyse
5. Veränderung
Die Struktur wir sich in der Therapie wahrscheinlich nicht
grundlegend verändern. Wohl aber die Fähigkeit des Patienten,
mit seiner Struktur umzugehen und den Anforderungen der
Realität besser gewachsen sein.
Therapeut bietet keine oder nur wenige direkte
Unterweisungen, Ratschläge oder Trainings an, wohl aber
lösungsorientierte Unterstützung bei akuten Problemen
42
7) Behandlungsplan und Zielsetzung
Der Erfolg der Behandlung hängt entscheidend davon
ab, ob sich der Patient verändern kann oder nicht. Es
liegt und daran, dass der Patient Therapie macht, um
sich zu verändern, und nicht Therapie macht, statt sich
zu verändern.
„ Im Sinne der Selbstpsychologie wird der Therapeut den
Patienten unterstützen, sich selbst-stärkende,
schützende und heilsame Selbstobjekterfahrungen auch
außerhalb der Therapie zu verschaffen.
„ Der Therapeut wird den Patienten zu Veränderungen
ermutigen, ihm den Rücken stärken und ihn bei
Misserfolgen auffangen.
6. Ich-Stärkung
„
43
7) Behandlungsplan und Zielsetzung
Prognose
Je gesünder, begabter und lebenstüchtiger der Patient
vor Krankheitsbeginn war, je akuter der
Krankheitsausbruch, kürzer die Anamnese, gravierender
der Aktualkonflikt und je aufgewühlter und verstimmter
das Zustandsbild ist, umso günstiger ist die Prognose.
Umgekehrt werden wir prognostisch weniger
hoffnungsvoll sein, wenn die prämorbide Persönlichkeit
bereits passiv und lebensuntüchtig war, der Beginn der
Erkrankung schleichend, der aktuelle Auslöser
geringfügig, die Anamnese lang und die emotionale
Beteiligung des Patienten gering ist.
44
8) Nach welchen Kriterien urteilt der
Gutachter?
Die Beurteilungskriterien sind im SGB V festgeschrieben.
Danach müssen Leistungen zu lasten der gesetzlichen
Krankenkassen notwendig, zweckmäßig und
wirtschaftlich sein. Das sind sie aber nur, wenn sie
ausreichende Aussicht auf Erfolg haben. Deshalb wird die
Prognose als viertes Kriterium herangezogen. Folgende
Fragen wird der Gutachter im Auftrag des Kostenträgers
beantworten:
‰
‰
‰
‰
Ist die Behandlung notwendig, liegt eine Krankheit oder ein
klinisches Syndrom vor?
Ist die Behandlung zweckmäßig? Gibt es ein klares Ziel, ist der
Behandlungsansatz Methode der Wahl?
Ist die Behandlung wirtschaftlich?
Wie ist die Prognose zu beurteilen?
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9) Mögliche Gründe der Ablehnung
des Berichtes
„
„
„
„
„
„
Die Störung gehört nicht zum Indikationsbereich der
Psychotherapie-Richtlinien.
Die Psychodynamik wird nicht ausreichend erkennbar.
Das Therapieverfahren und methodische Vorgehen erscheint
unzweckmäßig und/oder unwirtschaftlich und lässt einen
Behandlungserfolg nicht ausreichend erwarten.
Die Zielsetzung der Therapie überschreitet die Grenzen der
kassenärztlichen Versorgung.
Die Voraussetzung des Patienten lassen für die beantragte
Therapieform keinen ausreichenden Therapieerfolg erwarten.
Der Therapeut erfüllt nicht die Voraussetzungen gemäß der
Psychotherapievereinbarung.
46
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