Buchvorstellung: Dr. med. Udo Boessmann (2005): Psychoanalytisch und tiefenpsychologisch fundierte Berichte an den Gutachter schnell und sicher schreiben Gabriele Helga Franke im SoSe 2009 Überblick über den Inhalt des Buches Anliegen des Buches Repetitorium wichtiger Begriffe der psychoanalytischen Neurosenlehre Die zeitsparende Strategie Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik Behandlungsplan und Zielsetzung Weitere Berichtsarten im Rahmen des Gutachterverfahrens Nach welchen Kriterien urteilt der Gutachter? Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren Definition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Beispiele für Berichte an den Gutachter 2 Gliederung der vorliegenden Buchvorstellung 1) Definition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2) Anliegen des Buches 3) Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen 5) Die zeitsparende Strategie 6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik 7) Behandlungsplan und Zielsetzung 8) Nach welchen Kriterien urteilt der Gutachter? 9) Mögliche Gründe der Ablehnung des Berichtes 3 1) Definition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie „Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie umfaßt Therapieformen, die aktuell wirksame neurotische Konflikte behandeln, dabei aber durch Begrenzung des Behandlungsziels, durch ein konfliktzentriertes Vorgehen und durch Einschränkung regressiver Tendenzen (d.h. die Wiederholung kindlicher Einstellungen gegenüber dem Therapeuten wird nicht forciert) eine Konzentration des therapeutischen Prozesses anstreben“. 4 2) Anliegen des Buches Das Buch soll dabei unterstützen, in vertretbarer Zeit und auf direktem Weg einen Bericht zum Psychotherapieantrag anzufertigen, der dem Gutachter die Befürwortung ermöglicht. Dem Autor liegt am Herzen, dass wir im Gutachterverfahren nicht nur eine lästige Pflicht und eine bevormundende Kontrolle sehen, sondern auch den Nutzen für uns selbst entdecken können und die kontraproduktive Aversion gegen das Gutachterverfahren ein wenig überwinden. 5 3) Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren Das Gutachterverfahren ist für die meisten Therapeuten eine zeitraubende und lästige Formalität. Da das Gutachterverfahren jedoch eine unumgängliche Voraussetzung für die Leistungspflicht der Krankenkassen darstellt, empfiehlt sich eine zeitsparende Strategie bei der Abfassung des Berichtes an den Gutachter, die formale Richtigkeit und inhaltliche Schlüssigkeit garantiert, um dem Gutachter die Zustimmung zu erleichtern. 6 3) Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren Das Gutachterverfahren kann und sollte auch im eigenen Interesse genutzt werden: Verschaffen fallbezogener Klarheit Indikationsprüfung der Psychotherapie Überprüfung der Eignung des Settings für den Klienten Planung therapeutischer Interventionen Hoffnung bezüglich fallbezogener Erfolge 7 3) Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren Begreifen Sie das Gutachterverfahren als das, was es ist: einen formalen Akt. Der Bericht an den Gutachter ist ein ungeeignetes Mittel der kontroversen Auseinandersetzung über Theorien und Methoden. Versuchen Sie mit Ihrem Bericht nicht, ideologische Überzeugungsarbeit zu leisten. Versetzen Sie sich in die Position des Gutachters: Dieser hat ein Interesse, emotionslos, mit geringem Zeitaufwand und formal unanfechtbar Ihren Bericht daraufhin zu prüfen, ob er mit den Kriterien der Psychotherapie-Vereinbarungen kompatibel ist. Der Gutachter und Sie sind keine Antagonisten: Sie haben ein gemeinsames Ziel: Das Gutachterverfahren auf dem direktesten Weg zur Bewilligung zu führen. 8 3) Die innere Einstellung zum Gutachterverfahren Also machen Sie es sich und dem Gutachter nicht unnötig schwer: Streben Sie immer nach Einfachheit & Reduktion auf das Wesentliche! 9 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen 10 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen Frühgenese Umweltbedingungen & angeborene Schwachstellen in der Kindheit, die eine erhöhte Vulnerabilität für bestimmte Belastungsmomente und Konflikte sowie eine Disposition für die spätere neurotische Störung bewirken. Grundlegende kindliche Bedürfnis- und Triebregungen können nicht adäquat befriedigt werden, weil angeborene Behinderungen, äußere oder innere Faktoren die nachhaltig verhindern. 11 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen Psychische Anpassungsleistung Die Schutz-, Kompensations- und Abwehrmechanismen sind eine für das seelische Überleben notwendige kreative Antwort des kindlichen Ich auf die Bedingungen der Frühgenese. Eine klinisch wichtige Notlösung der kindlichen Seele besteht darin, die Trieb- oder Bedürfnisregung mitsamt der dazugehörigen Angst zu verdrängen. 12 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen (Neurosen-) Struktur Die spezifischen Anpassungs- und Abwehrmechanismen verdichten und verfestigen sich zu charakteristischen & dauerhaften Erlebens- und Verhaltensmustern (Persönlichkeitsstruktur). Ist diese Struktur besonders anfällig für eine neurotische Störung, kann man auch von einer Neurosenstruktur sprechen. Der Zusammenhang von Abwehr und Struktur wurde mit einem Kind vergleichen, das sich eine Schutzrüstung zulegt, die so schwer ist, dass es in eine groteske Form wachsen muss. Nach Jahren ist der Körper so verkrüppelt, dass das Kind die Rüstung nicht mehr ablegen kann, obwohl die ursprüngliche Bedrohung nicht mehr existiert. Das Tragen der schweren Rüstung raubt dem Menschen jegliche Energie und hält auch gute Erfahrungen fern. 13 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen Auslösende Belastungs- und Konfliktsituationen Es besteht eine unbewusste Tendenz, sich immer wieder in Situationen und Beziehungskonstellationen zu begegnen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den strukturprägenden kindlichen Grunddefiziten und -konflikten haben (neurotischer Wiederholungszwang). Der Aktualkonflikt betrifft und aktualisiert dringende Trieb- und Bedürfnisregungen aus der Kindheit. Der Patient reagiert unbewusst ähnlich wie als Kind (Regression), was jedoch für die aktuelle Problemsituation inadäquat und dysfunktional ist. Der Konflikt kann so (erneut) nicht gelöst werden. 14 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen Dekompensation Der Dekompensation geht in der Regel eine lange Zeit voran, in der der Patient versucht hat, mit seinen (oft unbewussten) strukturspezifischen Anpassungs- und Abwehrstrategien die aktuelle Belastungs- und Konfliktsituation zu bewältigen. Doch genau diese Strategien sind nicht (mehr) geeignet, das aktuelle Problem zu lösen und die drängenden Trieb- und Bedürfnisregungen zu befriedigen. Zunehmend misslingt die Verdrängung bzw. Abspaltung der bedrohlichen Affekte. Schließlich kann die Angst nicht mehr erfolgreich abgewehrt werden. Die Selbstregulierung bricht zusammen. 15 4) Grundlegende Zusammenhänge, die in einem Bericht deutlich werden müssen Psychische und psychosomatische Symptomatik Während vor Krankheitsausbruch eine gesteigerte progressive Aktivität des Patienten die Regel ist, stellt die manifeste seelische oder psychosomatische Störung die regressive Form der Konfliktverarbeitung dar. Diese letzte Möglichkeit der kompromisshaften Selbstsicherung und Bedürfnisbefriedigung muss der Patient mit erheblichen Leiden und Opfern bezahlen: Mit Einbußen an Selbstachtung, Autonomie, Aktivität und Lebensfreude. 16 5) Die zeitsparende Strategie Grundhaltungen: Versuchen Sie bitte nicht, Ihren Bericht an den Gutachter zu einem vollkommenen Dokument der Wahrheitsfindung zu erheben. Ihr Bericht ist nur eine Hypothese. Sie formulieren eine – allerdings gut begründete – Vermutung. Wichtig ist, dass die Hypothese in sich schlüssig, überzeugend und mit einer psychoanalytischen Theorie und Krankheitslehre vereinbar ist. Sie muss eine (früh-) kindliche Ätiologie und eine unbewusste Psychodynamik aufzeigen, die sich in der Übertragung und Gegenübertragung sowie im Widerstand bemerkbar macht. 17 5) Die zeitsparende Strategie 1. 2. 3. 4. 5. Vorschriften der Kassenärztlichen Vereinigung zur Gliederung des Berichts an den Gutachter: Spontanangaben des Patienten (Klagen/Symptomatik) Kurze Darstellung der lebensgeschichtlichen Entwicklung (Familienanamnese; körperliche, psychische & soziale Entwicklung) Krankheitsanamnese (frühere Behandlungen und Psychotherapien) Psychischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung Somatischer Befund 18 5) Die zeitsparende Strategie 6. 7. 8. 9. Vorschriften der Kassenärztlichen Vereinigung zur Gliederung des Berichts an den Gutachter: Psychodynamik der neurotischen Entwicklung Neurosenpsychologische Diagnose zum Zeitpunkt der Antragstellung Behandlungsplan und Zielsetzung der Therapie Prognose der Psychotherapie Bei Kindern kommt die Schilderung der familiären Situation (Eltern/Bezugspersonen) hinzu. 19 5) Die zeitsparende Strategie Diese Vorschriften legen eine induktive Vorgehensweise nahe: Biografie Æ Psychodynamik Æ Diagnosen Dadurch kann man sich auf furchtbar komplizierte und zeitraubende Abwege verlieren, wenn man versucht, aus der Fülle der biografischen Daten eine schlüssige und widerspruchsfreie Psychodynamik abzuleiten. Daher schlägt Boessmann ein deduktives Vorgehen vor: Diagnosen (symptomatische & strukturelle) Æ Psychodynamik Æ Biografie Denn: Wenn valide neurosenspezifische Diagnosen gefunden wurden, kann man in jedem ordentlichen Lehrbuch der psychoanalytischen Neurosenlehre die dazu passenden, also theoretisch zu erwartenden psychodynamischen Zusammenhänge und Abwehrmechanismen nachlesen. 20 5) Die zeitsparende Strategie Die symptomatische Diagnose belegt, dass der Patient tatsächlich an einer Störung leidet, die im Rahmen der kassenpsychotherapeutischen Versorgung behandelt werden darf. Tipp: Vorarbeit der Voruntersucher und Vorbehandler nutzen – Man kann sich eine Menge Zeit ersparen, wenn man konsequent die diagnostische und therapeutische Vorarbeit der Kollegen nutzt. Es ist wichtig, dass man ausgiebig darlegt, dass der zu behandelnde Patient ernsthaft krank ist. 21 5) Die zeitsparende Strategie Zur Erstellung der symptomatischen Diagnose kann das Balance-Modell von Peseschkian genutzt werden: Körper Zukunft Leistung Kontakt Konflikt Æ Krankheit 22 5) Die zeitsparende Strategie Bei der Suche nach der symptomatischen Diagnose ist die ICD 10 eine Hilfe. Der Zwang zur Verschlüsselung belastet uns Psychotherapeuten am allerwenigstens. Wenn Sie sich einmal anschauen, wie viele verschiedene Diagnosen Sie in den vergangenen Jahren wirklich gestellt haben, werden Sie feststellen, dass Sie kaum über 10 kommen. Wahrscheinlich haben Sie eine Hand voll Lieblingsdiagnosen, die Sie immer wieder verwenden. Schreiben Sie sich diese mit der entsprechenden Codierung heraus! 23 5) Die zeitsparende Strategie Die Formulierung „Frühe Störung“ ist keine etablierte Einheit und könnte bei einigen Gutachtern auf Skepsis stoßen Æ Ausdruck vermeiden! Die Diagnose „Dysthymia“ erscheint auch wenig überzeugend Æ aktueller Auslöser und das akute Krankheitsgeschehen lassen sich kaum darstellen Jede Diagnose ist zunächst eine Verdachtsdiagnose (vorläufig und später korrigierbar) Æ Quälen Sie sich nicht zu lange mit der exakten nosologischen Zuordnung, denn alle Diagnosen sind mehr oder weniger grobe Schubladen, in die Sie die Einzigartigkeit und Komplexität des Patienten hineinzwängen müssen. Wichtig: Ausschluss biologisch-organischer Ursachen! 24 5) Die zeitsparende Strategie Wie finden Sie die strukturelle Diagnose? Die strukturelle Diagnose ist der Schlüssel zur Psychodynamik. Bei der strukturellen Diagnose wollen wir eine Aussage machen über: die Qualität der Ich-Funktionen die charakteristische Art der Beziehungsgestaltung die Beschaffung des Selbst die Mechanismen der Abwehr und ihre Funktionalität Diese vier Aspekte bedingen und durchdringen sich gegenseitig. Seite 55 25 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Ich-Funktionen: Wie ist das äußere Erscheinungsbild? (gepflegt vs. verwahrlost) Wie ist der Bewusstseinszustand des Patienten? (wach, geistig präsent, Konzentration) Wie ist die Orientierung, zeitlich, räumlich zur Situation und zur Person? Funktioniert das Kurz- und Langzeitgedächtnis? Haben Sie das Gefühl, dass Sie Kontakt zu Ihrem Patienten finden? Sucht er Augenkontakt? 26 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Ich-Funktionen: Wie ist die Wahrnehmung? (Wahrnehmungslücken, Verzerrungen, Halluzinationen) Ist der Gedankenfluss frei, klar und logisch oder blockiert, eingeengt, zwanghaft, diffus, sprunghaft, zerfahren? Sind die Inhalte des Denkens realitätsgerecht und vernünftig oder wahnhaft, absurd, bizarr? Sind die Affekte des Patienten der Situation und dem, was er berichtet, angemessen? Ist der Antrieb auffällig vermindert oder gesteigert? Bestehen suizidale Tendenzen? 27 5) Die zeitsparende Strategie Für eine Psychotherapie muss der Patient noch einige weitere Voraussetzungen erfüllen: eine ausreichende Intelligenz, Differenziertheit und Introspektionsfähigkeit Einsichtsfähigkeit und Krankheitseinsicht ausreichende Motivation 28 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Die charakteristische Art der Beziehungsgestaltung: Wie ist die Objektwahrnehmung? Funktioniert die Realitätsprüfung? Wie funktioniert die Kommunikation? Wie ist das Bindungsverhalten? Wie erlebt sich der Patient in Beziehungen, auch zum Therapeuten? Wie ist die Gegenübertragung, Ihr subjektives Empfinden im Kontakt mit dem Patienten? 29 5) Die zeitsparende Strategie Veranschaulichen Sie dem Gutachter mit einem individuell formulierten psychischen Befund, dass Sie sich auf eine Übertragungsbeziehung mit dem Patienten eingelassen haben, jedoch ohne die therapeutische Distanz zu verlieren! 30 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Die Beschaffenheit des Selbst: Wir können die Struktur des Patienten und die Notwendigkeit seiner Abwehrmechanismen nur verstehen, wenn wir ein Bild vom Kern seiner Persönlichkeit, von seinem Selbst haben: Vitalität Selbstwerterleben Kohärenz Autonomie 31 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Die Beschaffenheit des Selbst: Wenn die Vitalität, Kohärenz und Autonomie des Selbst und ein ausreichender Selbstwert fehlen, entwickeln sich Schutz- und Abwehrmechanismen, welche die Selbstregulation so gut wie möglich aufrechterhalten. Wenn diese Reparaturmechanismen über einen langen Zeitraum notwendig sind, prägen sie eine bestimmte Persönlichkeitsoder Neurosenstruktur. Alle im ICD 10 genannten Persönlichkeitsstörungen könne auch als neurotische Grund- und Persönlichkeitsstruktur verstanden. Alle dienen, psychodynamisch gesehen, der Verteidigung der bedrohten Selbstwertregulation und/oder der Ichgrenzen. 32 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Die Beschaffenheit des Selbst: Sprechen Sie im Bericht aber nicht von Persönlichkeitsoder Charakterstörungen. Diese Begriffe könnten den Gutachter an eine fixierte und therapeutisch schwer korrigierbare Problematik denken lassen und ihn hinsichtlich der Indikation und Prognose skeptisch stimmen. Besser ist es, von (paranoider, abhängiger, emotional instabiler usw.) Neurosenstruktur zu sprechen. 33 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Die Beschaffenheit des Selbst: Wählen Sie die strukturelle Diagnose aus, deren diagnostische Kriterien am besten zu dem von Ihnen erhobenen psychischen Befund passen. Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, wenn Sie den psychischen Befund nicht 100%ig einer Grundstruktur zuordnen können. Die Grenzen zwischen den Charakterstrukturen sind fließend, Überschneidungen sind die Regel. Kombinationen sind möglich. Und vergessen Sie nicht: Sie formulieren nur eine Hypothese. 34 5) Die zeitsparende Strategie Vorgehensweise: Die Mechanismen der Abwehr und ihre Funktionalität: Hat man sich für eine Neurosenstruktur entschieden, kann man mit Hilfe der von Boessmann erstellten Tabelle (S. 64 – 66) die theoretisch dazu passenden Abwehrmechanismen ablesen. 35 6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik Nach Stellung einer symptomatischen, strukturellen und organischen Diagnose und Nennung auslösender Faktoren kann das Kernstück des Berichts – die Psychodynamik – formuliert werden. 1. Welche Defizite und Konflikte in der kindlichen Entwicklung sind bei der gewählten Neurosenstruktur zu erwarten und wie werden diese in der Regel abgewehrt? 2. Vergleichen Sie das theoretisch Erwartbare mit dem, was Sie tatsächlich über den Patienten wissen. In der Regel werden Sie große Übereinstimmungen finden. Bei deutlich Diskrepanzen, sollte die „Richtigkeit“ der Wahl der Neurosenstruktur überprüft werden. 36 6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik 3. Formulieren Sie eine in sich schlüssige „Geschichte“ darüber, auf welche Weise die spezifischen Bedingungen der Frühgenese das Selbst Ihres Patienten und die adäquate Lösung phasenspezifischer Konflikte behindert hat, mit welchen Kompensations-, Schutz- und Abwehrmechanismen Ihr Patient auf diese Bedingungen reagiert hat und wie seine Anpassungsleistung zur Persönlichkeit, zur Struktur geworden ist. 4. Machen Sie deutlich, welche Triebregungen, Bedürfnisse und Affekte abgewehrt, verdrängt oder abgespalten werden mussten und somit der Integration im Bewusstsein teilweise oder vollständig entzogen sind. 37 6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik 5. 6. 7. 8. Zeigen Sie ggf., wie sich die Struktur des Patienten und seine Abwehrstrategien in späteren Schwellensituationen (Adoleszenz, Eintritt ins Berufsleben, Heirat usw.) bewährt oder vulnerabel gezeigt haben. Stellen Sie dar, welche aktuellen Belastungsfaktoren auf die neurotische Grundstruktur treffen und welche unbewussten, infantilen Grundkonflikte aktualisiert werden. Erklären Sie, warum die Struktur mit der aktuellen Belastungs- und Konfliktsituation überfordert ist und dekompensiert. Machen Sie psychodynamisch plausibel, warum der Patient mit der aktuellen, in der symptomatischen Diagnose beschriebenen Störung auf den Aktualkonflikt reagiert. 38 6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik Der unbewusste Konflikt Der tiefenpsychologisch fundierte Bericht an den Gutachter erfordert undbedingt die explizite Darstellung des psychodynamisch wirksamen Unbewussten. 39 6) Anleitung zur Formulierung der Psychodynamik Darstellung lebensgeschichtlicher Entwicklung Die Darstellung der biografischen Anamnese soll kurz sein. Der Gutachter wird Ihnen dankbar sein, wenn Sie selektiv die biografischen Daten nennen, welche die – aus der symptomatischen und strukturellen Diagnose hervorgehende – Psychodynamik überzeugend belegen. Besonders die frühkindliche Situation sollte kurz umrissen werden. Achten Sie bei der Wiedergabe der Lebensgeschichte darauf, zuverlässige Realdaten vom subjektiven Erleben des Patienten klar abzugrenzen. Die Kunst bei der Darstellung der lebensgeschichtlichen Entwicklung besteht im Weglassen. Ersparen Sie sich und dem Gutachter die Fülle von Informationen, die nicht unmittelbar mit der Psychodynamik in Verbindung stehen. 40 7) Behandlungsplan und Zielsetzung 1. Auftragsklärung – Festlegen der Therapieziele Ganz wesentlich ist die Begrenzung der Therapieziele auf das für den Fokus Relevante. 2. Aufbau einer tragfähigen Beziehung, einer positiven Übertragung, Herstellung eines Arbeitsbündnisses Der Therapeut übernimmt dabei vorübergehend eine Containerfunktion: Er hält dem emotionalen Druck, der Angst, der Wut, der Verzweiflung, die der Patient mitbringt, stand. Damit wird oft eine spürbare emotionale und vegetative Stabilisierung mit Reduktion der akuten Symptome und des akuten Leidensdrucks erreicht und die Basis für die aufdeckende Arbeit am Unbewussten und Widerstand geschaffen. 41 7) Behandlungsplan und Zielsetzung 3. Der Patient soll den Zusammenhang zwischen seinen Beschwerden, seinen aktuellen Konflikten, seiner Biografie, den unbewussten Grundkonflikten und selbstschädigenden Abwehrformen verstehen. 4. Übertragungsarbeit und Widerstandsanalyse 5. Veränderung Die Struktur wir sich in der Therapie wahrscheinlich nicht grundlegend verändern. Wohl aber die Fähigkeit des Patienten, mit seiner Struktur umzugehen und den Anforderungen der Realität besser gewachsen sein. Therapeut bietet keine oder nur wenige direkte Unterweisungen, Ratschläge oder Trainings an, wohl aber lösungsorientierte Unterstützung bei akuten Problemen 42 7) Behandlungsplan und Zielsetzung Der Erfolg der Behandlung hängt entscheidend davon ab, ob sich der Patient verändern kann oder nicht. Es liegt und daran, dass der Patient Therapie macht, um sich zu verändern, und nicht Therapie macht, statt sich zu verändern. Im Sinne der Selbstpsychologie wird der Therapeut den Patienten unterstützen, sich selbst-stärkende, schützende und heilsame Selbstobjekterfahrungen auch außerhalb der Therapie zu verschaffen. Der Therapeut wird den Patienten zu Veränderungen ermutigen, ihm den Rücken stärken und ihn bei Misserfolgen auffangen. 6. Ich-Stärkung 43 7) Behandlungsplan und Zielsetzung Prognose Je gesünder, begabter und lebenstüchtiger der Patient vor Krankheitsbeginn war, je akuter der Krankheitsausbruch, kürzer die Anamnese, gravierender der Aktualkonflikt und je aufgewühlter und verstimmter das Zustandsbild ist, umso günstiger ist die Prognose. Umgekehrt werden wir prognostisch weniger hoffnungsvoll sein, wenn die prämorbide Persönlichkeit bereits passiv und lebensuntüchtig war, der Beginn der Erkrankung schleichend, der aktuelle Auslöser geringfügig, die Anamnese lang und die emotionale Beteiligung des Patienten gering ist. 44 8) Nach welchen Kriterien urteilt der Gutachter? Die Beurteilungskriterien sind im SGB V festgeschrieben. Danach müssen Leistungen zu lasten der gesetzlichen Krankenkassen notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Das sind sie aber nur, wenn sie ausreichende Aussicht auf Erfolg haben. Deshalb wird die Prognose als viertes Kriterium herangezogen. Folgende Fragen wird der Gutachter im Auftrag des Kostenträgers beantworten: Ist die Behandlung notwendig, liegt eine Krankheit oder ein klinisches Syndrom vor? Ist die Behandlung zweckmäßig? Gibt es ein klares Ziel, ist der Behandlungsansatz Methode der Wahl? Ist die Behandlung wirtschaftlich? Wie ist die Prognose zu beurteilen? 45 9) Mögliche Gründe der Ablehnung des Berichtes Die Störung gehört nicht zum Indikationsbereich der Psychotherapie-Richtlinien. Die Psychodynamik wird nicht ausreichend erkennbar. Das Therapieverfahren und methodische Vorgehen erscheint unzweckmäßig und/oder unwirtschaftlich und lässt einen Behandlungserfolg nicht ausreichend erwarten. Die Zielsetzung der Therapie überschreitet die Grenzen der kassenärztlichen Versorgung. Die Voraussetzung des Patienten lassen für die beantragte Therapieform keinen ausreichenden Therapieerfolg erwarten. Der Therapeut erfüllt nicht die Voraussetzungen gemäß der Psychotherapievereinbarung. 46