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Interview: "Es gibt Platz für eine rechte Sammlungspartei" | tagesschau.de
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Debatte um Sarrazin und Steinbach
"Es gibt Platz für eine rechte Sammlungspartei"
Die Sarrazin-Debatte und der Steinbach-Rückzug aus der CDU-Spitze haben eine Diskussion um
eine neue Rechtspartei entfacht. Ein Ex-CDU-Abgeordneter kündigte nun ein entsprechendes
Projekt an. Im Interview mit tagesschau.de sagt der Politikwissenschaftler Häusler, es gebe Platz
für eine neue rechtspopulistische Partei.
tagesschau.de: Drei Tage nach seinem Ausschluss aus der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat der
Parlamentarier René Stadtkewitz die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Er begründete diesen Schritt
auch mit der "Hetzjagd" auf Thilo Sarrazin. Die neue Partei "Die Freiheit" solle vor allem frustrierten Nichtwähler
ansprechen. Ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem eine neue rechte Partei bundesweit Erfolg haben könnte?
Alexander Häusler: Das ist noch nicht ausgemacht, weil noch unklar ist, welche Köpfe mit ins Rennen gehen.
Der Erfolg einer solchen Partei hängt davon ab, ob sie unterschiedliche Ängste und Wählerschichten bedienen
kann und ob sie auch charismatische Führungspersönlichkeit hervorbringt.
Zur Person
Alexander Häusler ist Sozialwissenschaftler und Rechtsextremismusforscher.
Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsstelle Neonazismus der
Fachhochschule Düsseldorf. Häusler ist Herausgeber der ersten
wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der "Pro-Bewegung".
tagesschau.de: Gibt es generell einen politischen Raum für eine solche
Partei?
Häusler: Ganz eindeutig. Es gibt einen Platz für eine neue Sammlungspartei von Rechtsaußen. Diese könnte
einen politischen Ort besetzen - nämlich den zwischen der konservativen und der extremen Rechten. Das ist in
anderen europäischen Ländern bereits geschehen.
tagesschau.de: Laut Umfragen könnte eine Sarrazin-Partei aus dem Stand bis zu 18 Prozent kommen. Wie
bewerten Sie solche Zahlen?
Häusler: Da muss deutlich zwischen Einstellungen wie Nationalismus oder Rassismus und Wahlverhalten
unterschieden werden. Alle wissenschaftlichen Studien haben gezeigt, dass es ein Potenzial um diese 20 Prozent
gibt, welches ein solches Einstellungsverhalten hat. Dieses Potenzial kann bei Wahlen aber zumeist von den
großen Parteien integriert werden. Wie gesagt: Es hängt nun von den Führungspersönlichkeiten einer neuen
Partei ab.
Zentrales Thema: antimuslimischer Kulturrassismus
tagesschau.de: Welche gemeinsamen Ziele - und vor allem Feindbilder - verbindet dieses Spektrum?
Häusler: Das inhaltlich Ticket ist ganz eindeutig der antimuslimische Kulturrassismus. Das ist das
mehrheitsfähige Feindbild, das bedient werden kann.
tagesschau.de: Reicht denn Angst als Thema für langfristigen Erfolg?
13.09.2010 09:07
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Häusler: Die temporären Erfolge der Schill-Partei in Hamburg haben gezeigt: Dies ist für eine populistische
Rechte erst einmal ausreichend, dafür bedarf es keiner Fähigkeit zur Realpolitik. Es kann aber auch weitergehen,
wie das Beispiel Geert Wilders in den Niederlanden zeigt. Er spielt fast ausschließlich auf der Klaviatur der
Feindbilder - und hat damit das gesamte politische Gefüge verschoben - nach rechts.
"Schill-Partei"
Die "Partei Rechtsstaatliche Offensive", gegründet vom damaligen Amtsrichter
Roland Schill aus Hamburg, existierte von 2000 bis 2007. Bei der
Bürgerschaftswahl im Jahr 2001 holte sie 19,4 Prozent der Stimmen - und
koalierte mit der CDU. Im Folgenden prägten Skandale das öffentliche Bild, bis
sich die Partei schließlich selbst auflöste.
tagesschau.de: Könnte Thilo Sarrazin der deutsche Wilders sein?
Häusler: Sarrazin und seine gut gemachte PR-Maschinerie haben die Funktion eines Durchlauferhitzers. Das ist
der klassische Rechtspopulismus, der in Krisensituationen immer wieder auftaucht. Wenn es soziale Ängste in
verschiedenen Schichten gibt, dann versuchen rechte Populisten klare Sündenböcke zu bieten: In den 1980igern
die "Asylantenflut", in den 1990igern der Ansturm der Armen, die aus anderen Ländern kommen - und aktuell
erleben wir einen Kulturrassismus gegen Muslime gerichtet.
tagesschau.de: Sollte es eine neue Rechtspartei geben, wäre
insbesondere die Union betroffen. Wie könnte sie die rechten Kräfte
binden?
Häusler: Der nationalkonservative Rand fühlt sich in der Union
allein gelassen. Was nun passiert, ist offen: Kann die Union als
Volkspartei den großen Spannungsbogen von nationalkonservativ bis
zur Mitte hinbekommen? Oder rebelliert der rechte Rand und bricht
Hunderte Journalisten drängten sich um
Sarrazin.
weg? Wenn man sich die aktuelle Entwicklung so anschaut, könnte es
zum Erosionsprozess kommen. Wir erleben eine Krise der
Demokratie beziehungsweise der Parteien. Entweder etabliert sich eine neue Kraft von Rechtsaußen - oder aus
dem politischen Gefüge heraus ergibt sich eine Akzentverschiebung nach rechts. Ein Kulturrassismus in der Mitte
- der sich in der aktuellen Politik niederschlägt.
tagesschau.de: Was bedeutet das konkret?
Häusler: Es könnte einen Rückfall geben in der Integrationsdebatte - wieder zurück dahin, dass wir kein
Einwanderungsland sind. Und dass Integration ausschließlich eine Anpassungsaufgabe ist. Daher ist die Debatte
um die roten Linien, die beispielsweise SPD-Chef Sigmar Gabriel angemahnt hat, so wichtig.
tagesschau.de: Welche Linien sind das?
Häusler: Das sind ganz zentrale Fragen: Wie stellen wir uns Gesellschaft vor? Wie wollen wir mit Konflikten
umgehen? Was verstehen wir unter Integration? Wie wollen wir soziale Probleme und Ängste bewältigen? Da
muss eine klare Entscheidung her zwischen zwei Polen: Sind wir für Kulturkampf, für Abgrenzung, für
Klassenkampf von oben? Sind wir eine Gesellschaft, die eugenische Vorstellungen für diskussionswürdig
erachtet? Oder wollen wir hier gleichberechtigt und sozial abgesichert miteinander klarkommen? Innerhalb dieser
Gegensätze muss die politische Auseinandersetzung geführt werden - und da muss auch Kante gezeigt werden.
Fragen und Antworten
(/inland/sarrazin154.html)
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Was ist dran an Sarrazins Thesen? (/inland/sarrazin154.html) [mehr
(/inland/sarrazin154.html)]
tagesschau.de: In aktuellen Debatten tauchen immer wieder Vorwürfe auf,
wonach es Denk- und Sprechverbote sowie eine linke Meinungsführerschaft
gebe. Gleichzeitig kann Sarrazin seine Thesen flächendeckend medial verbreiten. Wie passt das zusammen?
Häusler: Der Diskurs bewirkt eine Achsenverschiebung, die wir nun auch in der Debattenkultur erleben.
Während die linke Seite auf ein Gesellschaftskonzept setzt, welches auf Toleranz und auf soziale Gleichheit
ausgerichtet ist, wird diese Vorstellung von rechts angegriffen. Daher die Attacke auf eine angebliche
Meinungsführerschaft von links. Das ist eine Strategie von Rechtsaußen, um die Begriffe von Integration und
Gesellschaft umzudeuten.
Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de
Problem Sarrazin bleibt der SPD erhalten (/inland/sarrazin248.html)
BdV-Präsidentin Steinbach erhält Rückendeckung aus der Union (/inland/steinbach262.html)
Berlin: Ex-CDU-Politiker gründet neue Partei [rbb] (http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2010_09
/berliner_ex_cdu_politiker.html)
Weltatlas: Deutschland (http://atlas.tagesschau.de/index.php?mode=news&country=deutschland) [Flash
(http://atlas.tagesschau.de/index.php?mode=news&country=deutschland)|HTML (http://atlas.tagesschau.de
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Stand: 10.09.2010 16:42 Uhr
meta.tagesschau.de
92 Kommentare zur Meldung (http://meta.tagesschau.de/id/40332/es-gibt-platz-fuer-eine-rechtesammlungspartei)
Neuester Kommentar von 'Al' am 12.09.2010 08:04 Uhr:
Mitte besetzt, Ränder frei
Wenn alle Parteien in die so genenannte Mitte rücken (wo immer das auch ist, hängt von der jeweiligen
Definition ab) ist an den verwaisten Rändern eben mehr Platz. Die SPD hat diese Entwicklung schon zu
spüren bekommen, nun scheint die CDU dran zu sein. Ic... (http://meta.tagesschau.de/id/40332/es-gibt-platzfuer-eine-rechte-sammlungspartei#comment-156564)
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