Inhalt - Hochschule Bochum

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Grundlagen der Elektrotechnik/Elektronik für die Studiengänge
Informatik (IB01-E1) und Nachhaltige Entwicklung (EE1)
Prof. Dr. Martin Sternberg, Hochschule Bochum
Stand: 30.1.2017
Inhalt
1.1.
Ingenieurwissenschaft in Informatik und Nachhaltiger Entwicklung ...................................... 3
1.2.
Bemerkungen zur Mathematik und zur Schreibweise ............................................................ 4
1.
Einführung ....................................................................................................................................... 3
2.
Physikalische Größen und Einheiten ............................................................................................... 7
3.
Elektrische Grundgrößen ................................................................................................................. 9
4.
5.
3.1.
Elektrische Ladung................................................................................................................... 9
3.2.
Elektrische Kraftwirkung ....................................................................................................... 10
3.3.
Bewegte Ladung, elektrischer Strom .................................................................................... 11
3.4.
1. Kirchhoffsches Gesetz ....................................................................................................... 12
3.5.
Elektrisches Feld, elektrisches Potenzial und elektrische Spannung .................................... 13
3.6.
2. Kirchhoffsches Gesetz ....................................................................................................... 17
3.7.
Ohmsches Gesetz .................................................................................................................. 19
3.8.
Spezifischer Widerstand, Leitungstypen ............................................................................... 19
3.9.
Energie, Leistung und Wirkungsgrad ..................................................................................... 21
Quellen und Schaltung von Widerständen .................................................................................... 24
4.1.
Schaltungen ........................................................................................................................... 24
4.2.
Ideale Spannungs- und Stromquellen ................................................................................... 25
4.3.
Reale Spannungs- und Stromquellen .................................................................................... 27
4.4.
Äquivalenz von Spannungs- und Stromquellen..................................................................... 29
4.5.
Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Spannungs- und Stromteiler ................. 30
4.6.
Stern-Dreieck-Umwandlung .................................................................................................. 33
4.7.
Nichtlineare passive Zweipole ............................................................................................... 35
4.8.
Temperaturabhängigkeit passiver Zweipole ......................................................................... 36
4.9.
Zeitabhängigkeit passiver Zweipole ...................................................................................... 38
Einfache Stromkreise .................................................................................................................... 39
5.1.
Elektrischer Grundkreis ......................................................................................................... 39
5.2.
Wirkungsgrad und Leistungsanpassung ................................................................................ 41
5.3.
Spannungs-, Strom- und Widerstandsmessung .................................................................... 43
5.4.
Komplexe Netzwerke ............................................................................................................ 45
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 1
5.5.
Maschenstrom-Verfahren ..................................................................................................... 47
5.6.
Überlagerungssatz ................................................................................................................. 48
5.7.
Ersatzquellen ......................................................................................................................... 49
5.8.
Netzumwandlungen, Zweipoltheorie .................................................................................... 51
6.
Elektromagnetisches Feld.............................................................................................................. 53
6.1.
Feldtheorien .............................................................................................................................. 53
6.2.
Elektrisches Feld im Vakuum ..................................................................................................... 55
6.3.
Elektrisches Feld in Nichtleitern ................................................................................................ 59
6.4.
Elektrisches Feld in Leitern, Strömungsfeld .............................................................................. 60
6.5.
Entstehung magnetischer Felder............................................................................................... 62
6.6.
Kräfte im magnetischen Feld ..................................................................................................... 64
6.7.
Ferromagnetika ......................................................................................................................... 66
6.8.
Zusammenhang zwischen elektrischen und magnetischen Feldern ......................................... 67
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 68
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 2
1. Einführung
1.1.
Ingenieurwissenschaft in Informatik und Nachhaltiger Entwicklung
Unsere Welt ist in ganz starkem Maß geprägt von Elektrotechnik und Elektronik. Seit der Erfindung
des Dynamoprinzips und dem Beginn der industriellen Erzeugung elektrischer Energie in der Mitte
des 19. Jahrhunderts hat die Elektrizität Eingang in fast alle Bereiche des Lebens gefunden. Heute
wird der Elektrizitätserzeugung nach den Kriterien Kosten, ökologische Bilanz, Wirkungsgrad,
Gefährdungspotenzial, Versorgungssicherheit etc. eine große Bedeutung beigemessen.
Kraftwerkstyp
Photovoltaikanlagen
Windkraftanlagen
Steinkohlekraftwerke
einschl. Mischfeuerung
Braunkohlekraftwerke
Gaskraftwerke
Kernkraftwerke
Wasserkraftwerke
Biomassekraftwerke
Ölkraftwerke
Geothermiekraftwerke
Sonstige
Gesamt
Installierte
Anteil an
Leistung Bruttostromerzeugung
der
(Ende
gesamten Wirkungsgrad
(im Jahr 2013)
2013)
in TWh
elektrischen
in GW
Energie
35,9
31,0
4,9 %
≈ 15 %
34,7
51,7
8,2 %
≈ 50 %
29,2
121,7
19,3 %
< 46 %
23,1
160,9
25,5 %
26,7
67,4
10,7 %
12,1
10,3
6,4
2,9
0,024
2,9
188,9
97,3
26,8
42,2
7,2
0,0
25,9
632,1
15,4 %
4,2 %
6,7 %
1,1 %
1,6 %
4,1 %
< 44 %
GuD ~60 %
Gas < 40 %
≈ 35 %
≈ 90 %
≈ 40 %
≈ 45 %
≈ 45 %
≈ 45 %
Leistung unterschiedlicher Kraftwerksarten in Deutschland (GuD: Gas- und Dampfturbine) Quelle:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk, Zugriff am 25.7.2016
Die physikalischen Grundlagen der Kraftwerke sind dabei völlig unterschiedlich. Für alle gelten aber
die Gesetze der Elektrotechnik. Es ist ein Ziel dieses Kurses, die grundsätzlichen elektrotechnischen
Begriffe und Zusammenhänge zu vermitteln. Darauf können folgende Kurse aufbauen.
So wie die Versorgung mit elektrischer Energie elementar für unser heutiges Leben ist, so ist es auch
die Elektronik. Sie ermöglicht Energie- und Informationsübertragung, steuert Maschinen und
Fahrzeuge und ist ein wichtiges Hilfsmittel in der Medizin. Elektronik ermöglicht Computer und
andere informationstechnische Geräte. Obwohl theoretisch eine Informatik ohne Computer denkbar
ist, sind Informatik und Elektronik eng verbunden. Je stärker die Einbindung von Software in
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 3
Maschinen ist, umso enger wird die Verbindung zur Elektronik über Schnittstellen. Bei embedded
systems verschmelzen Software und Elektronik. Wer ausschließlich Bedienoberflächen oder
Datenbanken programmiert oder Compiler entwickelt, wird natürlich weniger mit Elektronik in
Berührung kommen.
In diesem Kurs sollen für Studierende der Informatik und der Nachhaltigen Entwicklung die
Grundlagen der Elektrotechnik und Elektronik vermittelt werden, so dass ein Grundverständnis für
elektronische Komponenten, Schaltungen und Energieübertragung da ist.
Bei der Entwicklung analoger Schaltungen werden heute überwiegend Operationsverstärker
verwendet. Das sind Verstärker mit komplexem Innenleben, deren Wirkung weitgehend durch die
äußere Beschaltung mit Widerständen und anderen passiven Bauelementen bestimmt wird und die
so beispielsweise als Verstärker, Summierer, Differenzbilder, Inverter, Strom-Spannungswandler,
Differenzierer, Integrierer oder Filter betrieben werden.
Abbildung 1 Nichtinvertierender Verstärker mit Operationsverstärker und Widerständen
Operationsverstärker werden in diesem Kurs zwar nicht behandelt, dafür aber die Methoden, die bei
der Analyse und beim Entwurf solcher Schaltungen eingesetzt werden wie Maschensatz, Knotensatz,
Ersatz-Spannungs- und Stromquellen und der Überlagerungssatz.
In Führungsfunktionen wird (neben manch anderem) erwartet, dass Entscheidungen getroffen
werden. Diese sind meistens nicht zwangsläufig, sondern mit Unsicherheiten behaftet. Die Kunst ist,
mit begrenzten Informationen eine Entscheidung zu treffen, die sich als richtig erweist. Das geht oft
nur unter Einsatz von Intuition oder "Bauchgefühl". Das wiederum stützt sich aber auf Erfahrung und
ein gewisses Grundwissen. Dieses wird aber in diesem Kurs vermittelt, der somit auch ein Instrument
der Karriereförderung ist (wie jeder Kurs).
Schließlich geht es in diesem Kurs auch um elektrotechnisch-physikalische Allgemeinbildung, die eine
kompetente Beteiligung an Diskussionen zu solchen Fragestellungen ermöglicht bzw. die
Meinungsbildung erleichtert. In diesem Sinn ist der Kurs ein Beitrag zur politischen Partizipation.
Neben Begeisterung, Ausdauer und rhetorischen Qualitäten ist ein gewisses Maß an Sachkenntnis
hilfreich bei jedem Diskurs.
Es lohnt sich also, dabei zu bleiben, nicht nur für das Bestehen der Prüfung.
1.2.
Bemerkungen zur Mathematik und zur Schreibweise
Zur Beschreibung vieler elektrotechnischer und elektronischer Sachverhalte bedient man sich der
Sprache der Mathematik. Einige Grundkenntnisse, die zum Verständnis der folgenden Kapitel
notwendig sind, werden hier zusammengestellt. Wer eine solide Mathematikkenntnis hat, kann
diesen Abschnitt getrost überblättern.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 4
(1) Zwei ohne Operator hintereinander geschriebene Größen bedeutet, dass diese Größen
miteinander multipliziert werden:
𝐴𝐴𝐴𝐴 = 𝐴𝐴 βˆ™ 𝐡𝐡
𝐢𝐢
𝑑𝑑
𝑑𝑑
= 𝐢𝐢 βˆ™
𝑒𝑒
𝑒𝑒
1
2
Dies gilt aber nicht bei Zahlen, da hier gewohnheitsmäßig z.B. gilt: 2 = 2 +
1
2
(2) Punktrechnung geht vor Strichrechnung:
𝐴𝐴𝐴𝐴 + 𝐢𝐢 ≠ 𝐴𝐴(𝐡𝐡 + 𝐢𝐢) = 𝐴𝐴𝐴𝐴 + 𝐴𝐴𝐴𝐴
(3) Beim Bruchrechnen gilt: „Bei Differenzen und Summen kürzen nur die Dummen.“:
1
𝑐𝑐 𝑐𝑐
𝑐𝑐
≠ π‘Žπ‘Ž
≠ +
π‘Žπ‘Ž + 𝑏𝑏
+ 𝑏𝑏 π‘Žπ‘Ž 𝑏𝑏
𝑐𝑐
(4) Es gibt gerichtete Größen, Vektoren (z.B. Kraft), und ungerichtete Größen, Skalare (z.B.
Spannung). Vektoren sind fett gedruckt und im Tafelbild mit einem Pfeil über dem Symbol
gekennzeichnet:
𝑨𝑨 = 𝐴𝐴⃗
(5) Vektoren kann man auf zwei Arten miteinander multiplizieren.
Skalarprodukt:
𝒂𝒂 βˆ™ 𝒃𝒃 = π‘Žπ‘Ž βˆ™ 𝑏𝑏 βˆ™ 𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐 π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š 𝛼𝛼: π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Š π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§β„Žπ‘’π‘’π‘’π‘’ 𝒂𝒂 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 𝒃𝒃
Vektorprodukt:
𝒂𝒂 × π’ƒπ’ƒ = 𝒄𝒄 π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š 𝑐𝑐 = π‘Žπ‘Ž βˆ™ 𝑏𝑏 βˆ™ 𝑠𝑠𝑠𝑠𝑠𝑠𝑠𝑠 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 𝒄𝒄 π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ β„Žπ‘‘π‘‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ π‘ β„Žπ‘‘π‘‘ π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž 𝒂𝒂 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 𝒃𝒃
Dabei bilden a, b und c ein Rechtssystem (rechte-Hand-Regel)
c
90o
90
b
α
o
a
Abbildung 2 Vektorprodukt
(6) Gerne werden griechische Buchstaben verwendet: α (Alpha), β (Beta), γ (Gamma), δ (Delta), η
(Eta), κ (Kapa), λ (Lamda), μ (Mü), ν (Nü), π (Pi), ρ (Rho), τ (Tau), φ (Phi), Δ (großes Delta), Σ
(großes Sigma), Π (großes Pi), Ω (großes Omega)
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 5
(7) Summen werden abgekürzt durch das griechische große „S“, das Sigma:
5
οΏ½ π‘Žπ‘Žπ‘–π‘– = π‘Žπ‘Ž1 + π‘Žπ‘Ž2 + π‘Žπ‘Ž3 + π‘Žπ‘Ž4 + π‘Žπ‘Ž5
𝑖𝑖=1
(8) Produkte werden abgekürzt durch das griechische große „P“, das Pi:
4
οΏ½ π‘π‘π‘˜π‘˜ = 𝑏𝑏1 βˆ™ 𝑏𝑏2 βˆ™ 𝑏𝑏3 βˆ™ 𝑏𝑏4
π‘˜π‘˜=1
(9) Bei vielen Größen kommt es auf Verhältnisse an, z.B. bei elektrischem Strom, der definiert ist als
Ladung, die pro Zeit durch einen Querschnitt fließt. Größen mit einem Δ kennzeichnen
Differenzen, also z.B.:
βˆ†π‘„π‘„
𝐼𝐼 Μ… =
βˆ†π‘‘π‘‘
Leider ist es oft so, dass man die Differenzen sehr klein werden lassen muss und den Grenzwert
betrachten muss, wenn die Differenz gegen null geht. (Wenn sich der Strom dauernd ändert,
welches Zeitintervall Δt soll man denn dann nehmen?). Dafür gibt es die Ableitung. Den Vorgang
nennt man Differenzieren:
βˆ†π‘„π‘„
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝐼𝐼 = lim � � =
βˆ†π‘‘π‘‘→0 βˆ†π‘‘π‘‘
𝑑𝑑𝑑𝑑
Wer nicht differenzieren kann, möge es lernen und sich solange den Quotienten mit sehr kleinen
Größen Δx vorstellen.
(10)Wenn Verhältnisgrößen gegeben sind (z.B. Strom = Ladung/Zeit, Leistung = Arbeit/Zeit,
Flussdichte = Fluss/Fläche), die nicht konstant sind, kann man bestimmte Größen nur so
berechnen, dass man für einen kleinen Bereich die Konstanz annimmt und dann über alle kleinen
Bereiche summiert. Wenn also z.B. der Strom I gegeben ist und man die Ladung ausrechnen will,
die sich in einem Zeitintervall durch einen Querschnitt bewegt hat, teilt man das Zeitintervall in
kleine Teilintervalle auf, in denen der Strom näherungsweise konstant ist, multipliziert den
konstanten Wert dann mit dem jeweiligen Zeit-Teilintervall und summiert über alle Teilintervalle.
𝑛𝑛
βˆ†π‘„π‘„ ≈ οΏ½ 𝐼𝐼𝑛𝑛 βˆ™ βˆ†π‘‘π‘‘π‘–π‘–
𝑖𝑖=1
Das gilt aber nur ungefähr. Um das exakte Ergebnis zu erhalten muss man (im obigen Beispiel)
die Zeit-Teilintervalle Δti immer kleiner werden lassen und dann den Grenzwert betrachten,
wenn die Teilintervalle gegen null gehen. Dafür gibt es das Integral. Den Vorgang nennt man
Integrieren. Das Integral-Symbol ∫ leitet sich aus dem großen „S“ her und erinnert daran, dass
das Integral aus dem Grenzwert einer Summe entsteht.
𝑛𝑛
𝑑𝑑𝐸𝐸
𝑄𝑄 = lim οΏ½ 𝐼𝐼𝑛𝑛 βˆ™ βˆ†π‘‘π‘‘π‘–π‘– = οΏ½ 𝐼𝐼(𝑑𝑑)𝑑𝑑𝑑𝑑
βˆ†π‘‘π‘‘π‘–π‘– →0
𝑖𝑖=1
𝑑𝑑𝐴𝐴
Wer nicht integrieren kann, möge es lernen und sich solange die Summe mit vielen kleinen
Summanden vorstellen.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 6
2. Physikalische Größen und Einheiten
In den Ingenieur- und Naturwissenschaften werden Sachverhalte häufig (nicht immer!) durch
eindeutig definierte Größen und mathematische Zusammenhänge zwischen diesen Größen
beschrieben. So würde man einen umgangssprachlichen Sachverhalt wie
„Es ist ziemlich warm“
Beschreiben mit:
𝑇𝑇 ≥ 20°πΆπΆ
Dabei ist T eine physikalische Größe, 20 ein Zahlenwert, °πΆπΆ eine Einheit und ≥ ein mathematischer
Zusammenhang zwischen Größe und dem Produkt aus Zahlenwert und Einheit.
(Anmerkung: Auch umgangssprachliche Formulierungen können in der Informatik eine Rolle spielen,
etwa bei Bedienkonzepten.)
Physikalische Größen: (im Prinzip) messbare Eigenschaften von Objekten oder Systemen
Messen physikalischer Größen: Vergleich mit bekannter Größe gleicher Qualität (z.B. Länge, Masse,
elektrische Ladung)
Wert einer physikalischen Größe: Produkt aus Zahlenwert und Einheit
Einheit ist die Größe, mit der beim Messen verglichen wird, der Zahlenwert ist das Ergebnis des
Vergleichs.
Zur Vereinfachung und Standardisierung sind Einheiten international im SI-System (Système
International d'Unités) standardisiert. Es dürfen, bis auf wenige Ausnahmen, nur diese Einheiten und
davon abgeleitete verwendet werden. (Danach richten sich die Angelsachsen nur bedingt. Auch in
Luft- und Schifffahrt werden noch andere Einheiten verwendet.)
Länge: Ein Meter (m) ist die Strecke, die das Licht im Vakuum in 1 / 299 792 458 Sekunden zurücklegt.
Masse: Ein Kilogramm (kg) ist die Masse des Internationalen Kilogrammprototyps.
Zeit: Eine Sekunde (s) ist das 9 192 631 770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen
den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Caesium-Isotops 133Cs
entsprechenden Strahlung.
Stromstärke: Ein Ampere (A) ist die Stärke eines konstanten elektrischen Stromes, der, durch zwei
parallele, geradlinige, unendlich lange und im Vakuum im Abstand von 1 Meter voneinander
angeordnete Leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigem Querschnitt fließend, zwischen
diesen Leitern pro Meter Leiterlänge die Kraft 2·10−7 Newton hervorrufen würde.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 7
Temperatur: Ein Kelvin (K) ist 1/ 273,16 der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunkts von
Wasser genau definierter isotopischer Zusammensetzung.
Stoffmenge: Ein Mol (mol) ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso vielen Einzelteilchen
besteht, wie Atome in 12 Gramm des Kohlenstoff-Nuklids 12C in ungebundenem Zustand enthalten
sind. Bei Benutzung des Mol müssen die Einzelteilchen spezifiziert sein und es können Atome,
Moleküle, Ionen, Elektronen sowie andere Teilchen oder Gruppen solcher Teilchen genau
angegebener Zusammensetzung sein.
Lichtstärke: Ein Candela (cd) ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strahlungsquelle,
die monochromatische Strahlung der Frequenz 540·1012 Hz aussendet und deren Strahlstärke in
dieser Richtung 1 / 683 Watt pro Steradiant beträgt. Die Lichtstärke ist eine photometrische Größe,
d.h., die Lichtempfindlichkeit des menschlichen Auges wird mit einbezogen. Häufiger verwendet
werden die Einheiten für den Lichtstrom Lumen (lm = cd.sr) und die Beleuchtungsstärke Lux
(lx = lm/m2).
Die Einheiten von Masse, Stromstärke, Temperatur und Stoffmenge werden derzeit zurückgeführt
auf die Definition von Naturkonstanten (Plancksches Wirkungsquantum, Elementarladung,
Boltzmann-Konstante, Avogadro-Konstante). Der Prozess ist nicht abgeschlossen.
Die Größen können auch mit dezimalen Vielfachen geschrieben werden:
Exa
1018
E
Dezi
10-1
d
Peta
1015
P
Zenti
10-2
c
Tera
1012
T
Milli
10-3
m
Giga
109
G
Mikro
10-6
µ
Mega
106
M
Nano
10-9
n
Kilo
103
k
Piko
10-12
p
Hekto
102
h
Femto
10-15
f
Deka
101
da
Atto
10-18
a
Abkürzungen für dezimale Vielfache sollten nur dort benutzt werden, wo es gebräuchlich ist. In allen
anderen Fällen ist die Verwendung der Potenzschreibweise vorzuziehen.
Die Einheit Bit ist keine physikalische sondern eine informationstechnische Einheit. Eine Information
hat die Größe ein Bit, wenn sie zwei Zustände annehmen kann. Aus historischen Gründen verwendet
man als Vielfache das aus dem Binärsystem abgeleitete 210 = 1024 oder 220 = 1048576 und
bezeichnet es als k bzw. M. (So ungefähr stimmt es ja auch mit dem dezimalen Wert überein.)
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 8
3. Elektrische Grundgrößen
3.1.
Elektrische Ladung
Bestimmte Kraftwirkungen lassen sich nicht auf die Gesetze der Mechanik zurückführen. Dies sind
z.B. die Ausrichtung einer Kompassnadel zum magnetischen Nordpol oder die Anziehung bzw.
Abstoßung bestimmter Körper, wenn man sie geeignet bearbeitet hat. Diese Wirkungen waren
bereits in der Antike bekannt. Die Wörter „Elektrizität“ oder „Elektronik“ gehen auf das griechische
Wort für Bernstein zurück. Bernstein kann, mit einem geeigneten Tuch gerieben, Vogelfedern
anziehen. Auch der Blitz lässt sich mit den mechanischen Gesetzen nicht deuten, wenn man sich
nicht auf die antiken Deutungen des durch Zeuss geschleuderten Speers einlassen möchte.
Wie man feststellen kann, gibt es Körper, die sich zufolge einer „elektrischen“ Wechselwirkung
anziehen und solche, die sich abstoßen.
Empirisch lässt sich feststellen:
Elektrische Ladung ist eine Eigenschaft von Körpern, die dazu führt, dass sie sich anziehen oder
abstoßen ohne dass andere bekannte Kräfte daran beteiligt sind. Es lassen sich den Körpern positive
und negative Ladungen so zuordnen, dass sich Ladungen mit gleichem Vorzeichen abstoßen und
solche mit verschiedenem Vorzeichen anziehen.
Heute wissen wir, dass die Elementarteilchen Ladungen tragen können. Ein Atomkern besteht aus
Neutronen (ohne Ladung) und Protonen (positive Ladung). In der Atomhülle befinden sich Elektronen
(negative Ladung). Die Definition von positiv und negativ ist dabei historisch bedingt. Auch weitere
Elementarteilchen haben positive oder negative Ladung oder die Ladung null. Ladungen werden oft
mit dem Buchstaben 𝑄𝑄 bezeichnet, bei Elementarteilchen auch mit π‘žπ‘ž.
Die Einheit der elektrischen Ladung ist das Coulomb (C). 1 C ist die Ladung, die bei dem Strom 1 A pro
Sekunde durch einen Querschnitt fließt. (1C = 1A βˆ™ s)
Man stellt nun fest, dass es eine kleinste elektrische Ladung gibt (Elementarladung). Diese kann man
einem Elektron (negativ) oder einem Proton (positiv) zuordnen. Sie beträgt:
π‘žπ‘ž− = −𝑒𝑒 = −1,602 βˆ™ 10−19 As
für z.B. ein Elektron und
π‘žπ‘ž+ = +𝑒𝑒 = 1,602 βˆ™ 10−19 As
für z.B. ein Proton.
Umgekehrt bedeutet das, dass bei einem Strom von 1 A ca. 0,6 βˆ™ 1019 Elektronen pro Sekunde durch
einen Querschnitt fließen!
(Quarks, die Bestandteile von Protonen, Neutronen und anderen Elementarteilchen, haben die
1
3
2
3
elektrische Ladung − 𝑒𝑒 oder 𝑒𝑒, sie setzen sich aber immer nur so zu Elementarteilchen
zusammen, dass sich eine ganzzahlige Elementarladung oder null ergibt.)
Ähnlich wie für Energie, Impuls oder auch Drehimpuls gilt für die Ladung ein Erhaltungssatz:
In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aller Ladungen zeitlich konstant.
Formel 1 Ladungserhaltung
∑𝑛𝑛𝑖𝑖=1 𝑄𝑄𝑖𝑖 = 𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐 bzw.
d
(∑𝑛𝑛𝑖𝑖=1 𝑄𝑄𝑖𝑖 )
d𝑑𝑑
=0
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 9
Maßgeblich für die elektrische Leitfähigkeit eines Körpers ist die Menge an frei beweglichen
elektrischen Ladungen. Sie beträgt bei Metallen etwa 1022 𝑐𝑐𝑐𝑐−3, bei Halbleitern zwischen 1010 und
1021 𝑐𝑐𝑐𝑐−3 und bei Isolatoren ≤ 108 𝑐𝑐𝑐𝑐−3.
3.2. Elektrische Kraftwirkung
Die Beobachtung zeigt, dass zwei elektrische Ladungen Kräfte aufeinander ausüben. Besonders
einfach wird die Beschreibung bei elektrischen Punktladungen, die die Ausdehnung null besitzen.
r12
Q1
Q2
FQ2(r12)
Abbildung 3 Kraftwirkung auf elektrische Punktladungen
Q1 und Q2 sind Punktladungen, r12 ist der Vektor, der von Q1 nach Q2 zeigt, also 𝐫𝐫𝟏𝟏𝟏𝟏 = 𝐫𝐫𝟐𝟐 − 𝐫𝐫𝟏𝟏, und
FQ2(r12) ist die Kraft, die auf Q2 wirkt, wenn sich eine Ladung Q1 bei r1 befindet.
𝑭𝑭Q2 (π’“π’“πŸπŸπŸπŸ ) =
Formel 2 Coulombsches Gesetz
1 π‘„π‘„πŸπŸ 𝑄𝑄2 π’“π’“πŸπŸπŸπŸ
2 π‘Ÿπ‘Ÿ
4πœ‹πœ‹πœ‹πœ‹ π‘Ÿπ‘Ÿ12
12
Dabei ist r12 der Abstand zwischen Q1 und Q2, also der Betrag von r12, und Τ‘ eine materialabhängige
𝐴𝐴𝐴𝐴
Konstante, die Permittivität. Diese setzt sich zusammen aus einer Konstanten πœ€πœ€0 = 8,854 βˆ™ 10−12 ,
𝑉𝑉𝑉𝑉
der elektrischen Feldkonstanten, und der relativen Permittivitätszahl Τ‘r (Dielektrizitätszahl), die
dimensionslos, für das Vakuum gleich 1 und für alle festen, flüssigen und gasförmigen Materialien
größer als 1 ist. Sie ist ein Maß dafür, wie die Materie die elektrische Kraftwirkung zwischen zwei
Ladungen abschwächt.
Die Einheit der Coulombkraft ist natürlich N. Sie ergibt sich aus Formel 2 Coulombsches Gesetz mit
[𝐹𝐹] =
𝑉𝑉𝑉𝑉 𝐢𝐢 2
𝐴𝐴𝐴𝐴 π‘šπ‘š2
=
𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉
π‘šπ‘š2
=
𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉
π‘šπ‘š
=
π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Š
π‘šπ‘š
= 𝑁𝑁, wenn man bedenkt, dass Coulomb 𝐢𝐢 = 𝐴𝐴𝐴𝐴, Watt π‘Šπ‘Š = 𝑉𝑉𝑉𝑉
und sich die Einheit der Arbeit als Nm darstellen lässt.
Aus dem Coulombschen Gesetz lässt sich ablesen, dass sich gleichnamige Ladungen abstoßen,
ungleichnamige anziehen und dass die Kraft auf Q1 entgegengesetzt zu der Kraft auf Q2 ist, wie es
nach dem Newtonschen Gesetz ja auch sein muss.
Formal gibt es eine große Ähnlichkeit zwischen dem Coulombschen Gesetz und dem Newtonschen
Gravitationsgesetz:
Formel 3 Newtonsches Gravitationsgesetz
𝐅𝐅m2 (π’“π’“πŸπŸπŸπŸ ) = −G
π‘šπ‘š1 π‘šπ‘š2 π’“π’“πŸπŸπŸπŸ
2
π‘Ÿπ‘Ÿ12
π‘Ÿπ‘Ÿ12
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 10
Die Massen entsprechen den Ladungen und die Konstante
π‘šπ‘š3
1
4πœ‹πœ‹πœ‹πœ‹
wird durch die Gravitationskonstante
-G ersetzt (𝐺𝐺 = 6,674 βˆ™ 10−11 π‘˜π‘˜π‘˜π‘˜π‘ π‘ 2 ). Das Minuszeichen ist Ausdruck dafür, dass sich gleichnamige
Massen (andere kennen wir derzeit nicht) anziehen und nicht wie gleichnamige Ladungen abstoßen.
Die Gleichartigkeit der Gesetzmäßigkeit ist umso erstaunlicher, als beiden Phänomenen nach
heutiger Kenntnis völlig unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen.
Betrachtet man nun beispielsweise zwei Protonen im Abstand von 10-10 m, so ergibt sich für die
elektrische Kraft
𝐹𝐹𝑒𝑒𝑒𝑒 = 2,31 βˆ™ 10−8 𝑁𝑁 und für die Gravitationskraft 𝐹𝐹𝑔𝑔𝑔𝑔 = 1,86 βˆ™ 10−44 𝑁𝑁 mit einer Protonenmasse von
1,67 βˆ™ 10−27 π‘˜π‘˜π‘˜π‘˜. Eigentlich würde die Gravitationskraft in unserer Welt gar keine Rolle spielen, wenn
nicht ganz überwiegend alles elektrisch neutral wäre.
3.3. Bewegte Ladung, elektrischer Strom
Bewegen sich elektrische Ladungen im Raum, so spricht man von einem elektrischen Strom. Die
Ladungen können von Elektronen, Ionen oder anderen Teilchen getragen werden. In Halbleitern
können auch „Löcher“, also fehlende Elektronen, als Ladungsträger betrachtet werden.
Da es um Bewegung im Raum geht, ist der elektrische Strom vom Bezugssystem des Betrachters
abhängig. Ruhende Ladungen können also von einem bewegten Beobachter als bewegte Ladungen,
also Strom, wahrgenommen werden. Bedenkt man, dass elektrischer Strom eine magnetische Kraft
hervorruft, ergibt sich nur durch Änderung des Bezugssystems aus ruhenden Ladungen eine
magnetische Kraft. Elektrische und magnetische Erscheinungen hängen eng miteinander zusammen.
(Alle elektromagnetischen Erscheinungen lassen sich durch fünf Gleichungen darstellen, vier
Maxwellsche Gleichungen und die Lorentzkraft. Eine Lösung der Maxwellschen Gleichungen sind die
elektromagnetischen Wellen. Ein Teil der Lorentzkraft ist die Coulombkraft.)
Die Stromstärke I ist definiert als die Menge an Ladung, die pro Zeiteinheit durch einen Querschnitt
fließt. Dieser Querschnitt kann ein Leiter sein, aber auch eine gedachte Fläche im Raum, z.B in einer
Elektronenstrahlröhre oder in einem Teilchenbeschleuniger.
gedachter Querschnitt im Raum
Ladungsträger
Durchtrittsrichtung der
Ladungsträger (wichtig für
Vorzeichen der Stromstärke)
Abbildung 5 Zur Definition der elektrischen Stromstärke
Somit ergibt sich: 𝐼𝐼 =
βˆ†π‘„π‘„
,
βˆ†π‘‘π‘‘
wobei ΔQ die Ladungsmenge ist, die pro Zeiteinheit durch den gedachten
Querschnitt fließt. Da Ladungen positiv oder negativ sein können, kann auch die Stromstärke positiv
oder negativ sein. Die Einheit der Stromstärke ist das Ampere A. Das ist eine Grundeinheit im
internationalen Einheitensystem. Somit erklärt sich auch die Einheit der Ladung mit C = As.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 11
Allerdings kann sich der Strom zeitlich ändern. In der Tat ist das bei den allermeisten Strömen der
Fall. Daher ist es zweckmäßig, ein kleines Δt zur Messung der Stromstärke zu nehmen bzw. in der
mathematischen Beschreibung den Grenzwert für Δt gegen null zu verwenden. Die elektrische
Stromstärke ist also definiert als:
βˆ†π‘„π‘„ 𝑑𝑑𝑑𝑑
=
βˆ†π‘‘π‘‘→0 βˆ†π‘‘π‘‘
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝐼𝐼(𝑑𝑑) = lim
Formel 4 Definition der Stromstärke
Umgekehrt ergibt sich für die Ladung bei konstantem Strom:
Bei zeitveränderlichem Strom:
𝑄𝑄(𝑑𝑑1 ) = 𝑄𝑄(𝑑𝑑0 ) + 𝐼𝐼 βˆ™ (𝑑𝑑1 − 𝑑𝑑0 )
𝑑𝑑2
Formel 5 Ladung bei gegebenem Strom
𝑄𝑄 = 𝑄𝑄(𝑑𝑑0 ) + οΏ½ 𝐼𝐼(𝑑𝑑)𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑1
(Die Naturgesetze unserer Welt sind so, dass man zur Beschreibung Differenzial- und
Integralrechnung braucht. Beklagen Sie sich dort.)
Technische Stromstärken reichen von über 1000 A bis zu 10-13 A. Eine normale Autobatterie kann
kurzzeitig mehrere 100 A liefern. Ein Strom von 50 mA durch den menschlichen Körper kann tödlich
sein!
Wie man an der Definitionsgleichung der Stromstärke sieht, ist der elektrische Strom dann positiv,
wenn sich positive Ladungen in der Durchtrittsrichtung durch den Querschnitt bewegen. Da
technische Ströme überwiegend durch Elektronen getragen werden, die negative Ladung haben, ist
die Stromstärke in diesem Fall negativ. Man kann die Festlegung einer negativen Ladung für
Elektronen in diesem Zusammenhang als unglücklich bezeichnen.
3.4.
1. Kirchhoffsches Gesetz
Wie mit Formel 1 Ladungserhaltung gesagt ist, bleibt in einem abgeschlossenen System (Volumen)
die Ladung konstant. Ladungen können zwar entstehen, z.B. durch Trennung eines Elektrons von
einem Atom, aber dabei entstehen immer zwei Ladungen, deren Summe gleich null ist. Eine
Änderung der Ladung kann also nur durch Ladungszu- oder -abfluss erfolgen:
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑𝑑𝑑
=
οΏ½
οΏ½ − οΏ½ = 𝐼𝐼𝑧𝑧𝑧𝑧 − πΌπΌπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž
𝑑𝑑𝑑𝑑 π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žβ„Žπ‘™π‘™. 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑧𝑧𝑧𝑧 𝑑𝑑𝑑𝑑 π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž
Formel 6 Kontinuitätsgleichung des elektrischen Stroms
Betrachtet man nun einen von einem Strom durchflossenen Leiterkreis, so gilt für jedes Volumen V,
dass die Ladung konstant bleibt und damit 𝐼𝐼𝑧𝑧𝑧𝑧 = πΌπΌπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž ist. Durch jeden Querschnitt fließt der gleiche
Strom!
Fließen durch eine geschlossene Hüllfläche mehrere zufließende und abfließende Ströme, so gilt
auch dann die Kontinuitätsgleichung, wenn im „Knotenvolumen“ die Ladung konstant bleibt.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 12
Izu 2
Iab 1
Izu 1
Iab 2
Iab 3
Abbildung 4 Hüllfläche mit mehreren Zu- und Abflüssen
Dann gilt für die einzelnen Ströme:
𝑛𝑛
π‘šπ‘š
π‘˜π‘˜=1
π‘˜π‘˜=1
οΏ½ 𝐼𝐼𝑧𝑧𝑧𝑧 π‘˜π‘˜ = οΏ½ πΌπΌπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž π‘˜π‘˜
Die Summe der zufließenden Ströme ist gleich der Summe der abfließenden Ströme.
Legt man eine Richtung fest, z.B. die Zuflussrichtung, und versieht die andere Richtung mit einem
negativen Vorzeichen, im Beispiel also die Abflussrichtung, so erhält man die Form:
𝑒𝑒
Formel 7 1. Kirchhoffsches Gesetz, Knotensatz
οΏ½ πΌπΌπ‘˜π‘˜ = 0
π‘˜π‘˜=1
Durch eine geschlossene Hüllfläche ist die Summe aller vorzeichenbehafteten Ströme gleich null.
Zu beachten ist, dass dies nur für den statischen Fall gilt, also bei konstanten Strömen. Sonst kann es
zu Aufladungseffekten kommen, so dass die Ladung im Volumen nicht mehr konstant ist.
Im Besonderen lässt sich das 1. Kirchhoffsche Gesetz für Verbindungsstellen von Leitungen
anwenden, sogenannte Knoten. Daher rührt die Bezeichnung Knotensatz.
Der Satz gilt aber auch, wenn die geschlossene Hüllfläche ganze Schaltungsteile umfasst.
Das 1. Kirchhoffsche Gesetz ist fundamental zur Analyse von Netzwerken.
3.5. Elektrisches Feld, elektrisches Potenzial und elektrische Spannung
In Abschnitt 3.2 ist ausgeführt, dass zwei Ladungen Kräfte aufeinander ausüben. Die Beschreibung
erfolgt über die Formel 2 Coulombsches Gesetz. Man kann dies nun auch so sehen, dass die Ladung
Q1 den Raum so verändert, dass auf eine Ladung Q2 eine Kraft wirkt.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 13
E
Raum erfüllt mit
elektrischem Feld
FQ2(r12)
Q2
Abbildung 7 Elektrisches Feld als Eigenschaft des Raumes
Die Eigenschaft, die der Raum annimmt, heißt elektrisches Feld. Es wird mit dem Formelzeichen E
gekennzeichnet. Offensichtlich kann man nicht unmittelbar die Kraft 𝑭𝑭𝑄𝑄2als Größe des elektrischen
Feldes nehmen, denn auf eine andere Ladung würde ja eine andere Kraft an derselben Stelle wirken,
z.B. auf –Q2. Es ist sinnvoll, den Quotienten aus der Kraft und der Ladung (im Beispiel Q2) als Größe
des elektrischen Feldes zu definieren.
𝑬𝑬 =
Formel 8 Definition des elektrischen Felds
𝑭𝑭
𝑄𝑄
Grafisch lässt sich ein elektrisches Feld durch Feldlinien kennzeichnen. Feldlinien sind Linien, bei
denen in jedem Punkt die Feldstärke die Richtung der Tangente an die Linie hat. Die Dichte der
Feldlinien ist ein Maß für die Stärke des elektrischen Felds. Die Feldlinien einer Punktladung sind
Geraden, die durch die Ladung verlaufen. Die Dichte nimmt nach außen hin ab. Zur Punktladung hin
nimmt die Dichte über alle Maßen zu, wie es nach Formel 9 Elektrisches Feld einer Punktladung auch
zu erwarten ist.
Die obige Definition des elektrischen Felds gilt unabhängig von der Ursache des elektrischen Feldes,
also nicht nur für Punktladungen, sondern z.B. auch im Feld eines Plattenkondensators. Das
elektrische Feld ist ein Vektorfeld, das jedem Punkt des Raumes einen Vektor zuordnet, also 𝑬𝑬(𝒓𝒓).
Für eine Punktladung lässt sich das elektrische Feld aus Formel 2 Coulombsches Gesetz leicht
berechnen:
Formel 9 Elektrisches Feld einer Punktladung
𝑬𝑬(π’“π’“πŸπŸπŸπŸ ) =
𝑭𝑭
1 π‘„π‘„πŸπŸ π’“π’“πŸπŸπŸπŸ
=
2 π‘Ÿπ‘Ÿ
𝑄𝑄2 4πœ‹πœ‹πœ‹πœ‹ π‘Ÿπ‘Ÿ12
12
Dabei ist r12 der Ortsvektor, der von der erzeugenden Ladung Q1 zur Ladung Q2 zeigt. Besonders
einfach wird es, wenn die erzeugende Ladung im Ursprung des Koordinatensystems liegt. Dann wird
r12 = r.
Für die Einheit des elektrischen Feldes ergibt sich:
[𝐸𝐸] =
𝑁𝑁
𝑁𝑁𝑁𝑁
𝐽𝐽
𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉
𝑉𝑉
=
=
=
=
𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 π‘šπ‘š
Dabei ist verwendet, dass 𝑁𝑁𝑁𝑁 = 𝐽𝐽 = 𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉. Es ist eine (hoffentlich verzeihliche) Schwäche dieses
Kurses, dass zur Herleitung Zusammenhänge verwendet werden, die noch nicht behandelt wurden.
Ebenso ist es didaktisch unbefriedigend, dass die Einheit der elektrischen Feldstärke das Volt als
Einheit des elektrischen Potenzials enthält, obwohl dieses noch nicht eingeführt ist. Andererseits ist
das Volt aus dem täglichen Leben durchaus bekannt.
Typische elektrische Feldstärken bewegen sich zwischen 1πœ‡πœ‡
Kondensatoren.
𝑉𝑉
π‘šπ‘š
𝑉𝑉
bei Funkwellen und 107 π‘šπ‘š bei
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 14
Da auf eine Ladung in einem elektrischen Feld eine Kraft wirkt, wird der Körper mit dieser Ladung
beschleunigt (wenn er nicht durch andere Kräfte daran gehindert wird). Das Feld verrichtet also
Arbeit. Andererseits wird man Arbeit leisten müssen, um den Körper gegen die vom Feld
hervorgerufene Kraft zu bewegen. Nehmen wir an, das Feld sei konstant, d.h., auf die Ladung wirkt
überall die gleiche Kraft F = E Q. Wenn der Körper zunächst in Ruhe war, wird er sich durch das
elektrische Feld in Richtung des Feldvektors in Bewegung setzen, bzw. in der entgegengesetzten
Richtung, wenn die Ladung negativ ist. Wenn er dabei eine Strecke Δs zurückgelegt hat, beträgt die
Arbeit, die das Feld an ihm verrichtet hat ΔW = F Δs = EQ Δs. Bewegt sich der Körper nicht in Richtung
der Feldstärke, z.B. weil er bereits eine Geschwindigkeit hatte, die nicht parallel zu E ist, oder
Führungskräfte auf ihn wirken, so beträgt die Arbeit π›₯π›₯π›₯π›₯ = 𝑭𝑭 βˆ™ βˆ†π’”π’” = 𝑬𝑬𝑄𝑄 βˆ™ βˆ†π’”π’”, also das
Skalarprodukt aus Feldstärke und Verschiebungsvektor mal der Ladung. Anders gesagt: Es wirkt nur
der Kraftanteil in Richtung der Verschiebung.
Leider gilt der einfache Zusammenhang Arbeit = Kraft x Weg nur dann, wenn die Kraft entlang des
Wegs konstant ist und sich der Winkel zwischen Kraft und Weg nicht ändert. Das ist im Allgemeinen
nicht der Fall. Daher muss man den Weg aufteilen in lauter kleine Abschnitte, bei denen die
Bedingung näherungsweise erfüllt ist. Somit erhält man:
𝑛𝑛
Formel 10 Arbeit im elektrischen Feld
βˆ†π‘Šπ‘Š ≈ οΏ½ 𝑬𝑬𝑖𝑖 𝑄𝑄 βˆ™ βˆ†π’”π’”π’Šπ’Š
𝑖𝑖=1
Δs1 bis Δsn sind die Abschnitte, in die die (im Allgemeinen nicht gerade) Verschiebung aufgeteilt
wurde. Ei sind die näherungsweise konstanten Feldstärken in diesen Abschnitten.
Das „≈“-Zeichen verdeutlicht, dass Formel 10 nur näherungsweise gilt, weil sich ja auch auf dem
kleinen Abschnitt Δsi die Feldstärke ändern kann und ein Polygonzug den Weg nur annähert.
E(r)
r2
Δs4
r1
Abbildung 8 Zur Berechnung der Arbeit im elektrischen Feld
Die Bildung des Grenzwerts für immer kleinere Abschnitte führt zu dem allgemeinen Zusammenhang
zwischen der Arbeit und der Verschiebung einer elektrischen Ladung im Feld:
π’“π’“πŸπŸ
βˆ†π‘Šπ‘Š = οΏ½ 𝑬𝑬(𝒓𝒓)𝑄𝑄 βˆ™ 𝒅𝒅𝒅𝒅
Formel 11 Verschiebungsarbeit im elektrischen Feld
π’“π’“πŸπŸ
Diesen Zusammenhang möchte man nun ohne Abhängigkeit von der bewegten Ladung formulieren
und bildet daher den Quotienten aus der Arbeit und der Ladung:
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 15
π’“π’“πŸπŸ
βˆ†π‘Šπ‘Š
= οΏ½ 𝑬𝑬(𝒓𝒓) βˆ™ 𝒅𝒅𝒅𝒅 = π‘ˆπ‘ˆ12
𝑄𝑄
π’“π’“πŸπŸ
Formel 12 Definition der elektrischen Spannung
U12 nennt man die elektrische Spannung zwischen den Punkten r1 und r2. Die Einheit der Spannung
ergibt sich als:
W
VAs
[U] = οΏ½ οΏ½ =
=V
Q
As
Die Einheit der elektrischen Spannung ist das Volt. Messbare Spannungen reichen von 10-12 Volt (an
Nervenzellen) bis 10 8 V (in Blitzen). Am menschlichen Körper können nach allgemeiner Ansicht
Spannungen ab 42 V lebensgefährlich sein.
Als Charakterisierung der Wirkung eines elektrischen Feldes taugt die Spannung natürlich nur, wenn
das Integral gemäß Formel 12 unabhängig vom gewählten Weg ist. Sonst ergäben sich zwischen zwei
Punkten ja unterschiedliche Spannungen, je nach dem, über welchen (gedachten) Weg man
integriert. Die elektrische Spannung ist nur für solche Felder definiert, die diese Bedingung erfüllen.
Man nennt sie Potenzialfelder.
Hält man nun einen Punkt im Raum fest, z.B. r3, so kann man für jeden Punkt r die Spannung
zwischen r und r3 ermitteln. Somit lässt sich jedem Raumpunkt ein Wert zuordnen, nämlich die
Spannung zwischen diesem Raumpunkt und dem Punkt r3. Das nennt man das elektrische Potenzial
im Punkt r. Das elektrische Potenzial ist auch ein Feld, aber im Gegensatz zum elektrischen Feld kein
Vektorfeld, sondern ein skalares Feld. Das Potenzial wird meist mit dem griechischen Buchstaben Phi
(πœ‘πœ‘) bezeichnet. In unserem Beispiel ist also:
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ = π‘ˆπ‘ˆπ‘Ÿπ‘Ÿπ‘Ÿπ‘Ÿ3
Das Potenzial ist nicht eindeutig, sondern hängt von der Wahl des Punktes r3 ab!
Man kann nun drei Punkte r1, r2 und r3 betrachten und die Verschiebungen, die zu den Spannungen
führen:
π‘ˆπ‘ˆπ’“π’“1 π’“π’“πŸ‘πŸ‘
r1
r3
π‘ˆπ‘ˆπ’“π’“πŸπŸπ’“π’“πŸ‘πŸ‘
π‘ˆπ‘ˆπ’“π’“πŸπŸπ’“π’“2
r2
Abbildung 9 Zum Verhältnis von Potenzial und Spannung
Verwendet man die Definition des Potenzials, erhält man:
πœ‘πœ‘π’“π’“πŸπŸ − πœ‘πœ‘π’“π’“πŸπŸ = π‘ˆπ‘ˆπ’“π’“1 π’“π’“πŸ‘πŸ‘ + π‘ˆπ‘ˆπ’“π’“πŸ‘πŸ‘π’“π’“πŸπŸ = π‘ˆπ‘ˆπ’“π’“πŸπŸπ’“π’“πŸπŸ
Formel 13 Zusammenhang zwischen Potenzial und Spannung
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 16
Die Spannung zwischen den Punkten r1 und r2 ist gleich der Differenz der Potenziale an den Punkten
r1 und r2. Dies gilt offensichtlich unabhängig von der Wahl des Punktes r3. Das Potenzialfeld eines
elektrischen Feldes ist also nicht eindeutig, wohl aber die Spannung zwischen zwei Punkten als
Potenzialdifferenz zwischen diesen Punkten.
Ein elektrisches Feld lässt sich sowohl über das Vektorfeld der elektrischen Feldstärke als auch über
das skalare Potenzialfeld beschreiben. Wenn es um die Bewegung von Ladungsträgern geht, ist meist
die Feldbeschreibung sinnvoll, geht es um Energien, die Potenzialdarstellung.
3.6.
2. Kirchhoffsches Gesetz
Aus der Unabhängigkeit der Arbeit vom Weg gemäß Formel 12 folgt unmittelbar, dass die Summe
aller Spannungen entlang eines geschlossenen Wegs null ist. Betrachtet man z.B. fünf Punkte r1 bis
r5, so muss die Arbeit von r1 über r2 nach r3 gleich der Arbeit von r1 über r5 und r4 nach r3 sein.
r2
r3
r1
r4
r5
Also ist π‘Šπ‘Š12 + π‘Šπ‘Š23 = π‘Šπ‘Š15 + π‘Šπ‘Š54 + π‘Šπ‘Š43 .
Verwendet man anstatt der Arbeit die Spannungen, ergibt sich analog:
π‘ˆπ‘ˆ12 + π‘ˆπ‘ˆ23 = π‘ˆπ‘ˆ15 + π‘ˆπ‘ˆ54 + π‘ˆπ‘ˆ43 ,
oder anders gesagt:
π‘ˆπ‘ˆ12 + π‘ˆπ‘ˆ23 − π‘ˆπ‘ˆ15 − π‘ˆπ‘ˆ54 − π‘ˆπ‘ˆ43 = 0 .
Berücksichtigt man, dass π‘ˆπ‘ˆπ‘₯π‘₯π‘₯π‘₯ = −π‘ˆπ‘ˆπ‘₯π‘₯π‘₯π‘₯ , ergibt sich:
π‘ˆπ‘ˆ12 + π‘ˆπ‘ˆ23 + π‘ˆπ‘ˆ34 + π‘ˆπ‘ˆ45 + π‘ˆπ‘ˆ51 = 0.
Verallgemeinert man diesen Zusammenhang auf n Punkte ("Knoten"), so erhält man:
𝑛𝑛
Formel 14
οΏ½ π‘ˆπ‘ˆπ‘–π‘– = 0
𝑖𝑖=1
2. Kirchhoffsches Gesetz oder Maschensatz
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 17
Dabei sind die Ui die Spannungen zwischen zwei benachbarten Knoten.
Der geschlossene Umlauf wird als Masche bezeichnet. Da es auf das Vorzeichen der Spannungen
ankommt, muss in der Masche ein Umlaufsinn festgelegt werden. Spannungen in Richtung des
Umlaufsinns sind positiv zu zählen, in Gegenrichtung negativ. Die Wahl des Umlaufsinns hingegen ist
für die Anwendung des 2. Kirchhoffschen Gesetzes unerheblich.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 18
3.7. Ohmsches Gesetz
In technischen Anwendungen fließt der Strom meist durch Festkörper. Dabei gibt es eine
Wechselwirkung zwischen den Ladungsträgern, meist Elektronen, und dem Festkörper. (Auch durch
Flüssigkeiten und Gase kann ein Strom fließen, dies wird aber hier nicht betrachtet und dort können
sich noch andere Effekte einstellen.)
Applet: Modell der Stromleitung in Metallen http://harfesoft.de/aixphysik/electro/Strom/index.html
Man stellt nun in vielen Fällen einen einfachen Zusammenhang zwischen Strom und Spannung fest.
Befindet sich im Stromfluss zwischen zwei Knoten ein Körper, so ist der Quotient aus Spannung und
Strom immer gleich. D.h. z.B., bei doppelter Spannung ist der Strom auch doppelt so groß. Dieser
Quotient wird Ohmscher Widerstand, oft auch einfach nur Widerstand, genannt und ist eine
Eigenschaft des Körpers.
Formel 15 Ohmsches Gesetz
𝑅𝑅 =
π‘ˆπ‘ˆ
𝐼𝐼
Die Einheit des ohmschen Widerstands ist V/A und wird mit Ohm und dem griechischen Buchstaben
Omega (Ω) bezeichnet.
Ohmsche Widerstände haben einen linearen Strom-Spannungsverlauf und werden daher auch
lineare Widerstände genannt. Beim Durchfluss des Stroms durch einen ohmschen Widerstand wird
Energie auf den Festkörper übertragen. Dieser erwärmt sich dabei. Das ist das Prinzip der
elektrischen Heizung, begrenzt aber z.B. auch die Packungsdichte in elektronischen Schaltkreisen.
Abbildung 10 LTSpice Simulation eines ohmschen Widerstands
3.8. Spezifischer Widerstand, Leitungstypen
Ein Sonderfall des ohmschen Widerstands sind Körper mit konstantem Querschnitt A und einer Länge
l, z.B. Drähte oder Leiterbahnen auf einem Substrat.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 19
A
A
l
l
Abbildung 11 Körper mit konstantem Querschnitt
Bei solchen Körpern steigt der Widerstand proportional mi der Länge l und sinkt mit der
Querschnittfläche A.
𝑅𝑅~
𝑙𝑙
𝐴𝐴
Die Proportionalitätskonstante bezeichnet man als spezifischen Widerstand mit dem griechischen
Buchstaben Rho (𝜌𝜌). Der Kehrwert des spezifischen Widerstands ist die spezifische Leitfähigkeit,
bezeichnet mit Kappa (πœ…πœ…). Damit ergibt sich also:
𝑅𝑅 = 𝜌𝜌
𝑙𝑙 1 𝑙𝑙
=
𝐴𝐴 πœ…πœ… 𝐴𝐴
Formel 16 Spezifischer Widerstand und spezifische Leitfähigkeit
Für die Einheit des spezifischen Widerstands ergibt sich:
bzw.
[𝜌𝜌] = �
𝑅𝑅𝑅𝑅
Ωπ‘šπ‘š2
= Ωπ‘šπ‘š
οΏ½=
𝑙𝑙
π‘šπ‘š
[πœ…πœ…] =
1
Ωπ‘šπ‘š
Materialien mit spezifischem Widerstand kleiner als 10-6 Ωm bezeichnet man als Leiter. Das sind
meistens Metalle. Mit Werten zwischen 10-4 und 10 6 Ωm bezeichnet man Materialien als Halbleiter,
etwa Silizium oder Germanium. Mit spezifischen Widerständen von 10 8 Ωm nennt man Materialien
Nichtleiter oder Isolatoren, z.B. Keramik. Dazwischen gibt es jeweils Mischformen.
Spezifischer Widerstand bzw. Leitfähigkeit sind (temperaturabhängige) Materialkonstanten. Bei
Leitern sinkt i.d.R. der Widerstand mit der Temperatur, weil der Stromfluss weniger durch die
Temperaturbewegung des Gitters und der Elektronen gestört wird. Bei Halbleitern hingegen werden
erst durch die Temperaturbewegung Elektronen für die elektrische Leitung freigesetzt. Daher steigt
der Widerstand mit sinkender Temperatur. Diese Effekte lassen sich auch zur Temperaturmessung
verwenden.
Bei sehr tiefen Temperaturen verschwindet bei manchen Festkörpern der elektrische Widerstand
fast vollständig. Dies nennt man Supraleitung und ist ein quantenmechanischer Effekt.
Der Widerstand des menschlichen Körpers liegt meist im unteren π‘˜π‘˜Ω-Bereich. Nimmt man ihn mit
1 π‘˜π‘˜Ω an und verwendet den lebensbedrohlichen Strom von 20 mA, so ergibt sich für die Spannung
20 V.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 20
Von technischer Bedeutung ist auch der Kehrwert des Widerstands, der Leitwert, oft mit dem
Formelzeichen G bezeichnet. Die Einheit ist 1/Ω und wird als Siemens (S) bezeichnet.
3.9. Energie, Leistung und Wirkungsgrad
In Absatz 3.5 ist der Zusammenhang zwischen Arbeit, Ladung und Spannung gezeigt:
Δπ‘Šπ‘Š = π‘ˆπ‘ˆ12 βˆ™ 𝑄𝑄
Man kann dies natürlich auch auf eine bestimmte Ladungsmenge βˆ†Q beziehen und durch ein
Zeitintervall βˆ†π‘‘π‘‘ teilen. Damit erhält man:
βˆ†π‘Šπ‘Š
βˆ†π‘„π‘„
= π‘ˆπ‘ˆ12
βˆ†π‘‘π‘‘
βˆ†π‘‘π‘‘
Bildet man den Grenzwert für βˆ†π‘‘π‘‘ gegen null, erhält man:
Formel 17 Elektrische Leistung
βˆ†π‘Šπ‘Š
βˆ†π‘„π‘„
= 𝑃𝑃 = π‘ˆπ‘ˆ12 lim
= π‘ˆπ‘ˆ12 𝐼𝐼
βˆ†π‘‘π‘‘→0 βˆ†π‘‘π‘‘
βˆ†π‘‘π‘‘→0 βˆ†π‘‘π‘‘
lim
Die elektrische Leistung ist gleich dem Produkt aus Spannung und Strom.
Für die Einheit der Leistung ergibt sich:
[𝑃𝑃] = [π‘ˆπ‘ˆπ‘ˆπ‘ˆ] = VA = W
Einheit der Leistung ist das Watt. Lediglich die Automobilindustrie verwendet in Deutschland noch
(zusätzlich) die veraltete Einheit Pferdestärke PS für die Leistung.
In aller Regel ist die Leistung eine zeitveränderliche Größe. Man betrachte etwa den Motor eines
Elektrofahrzeugs. Das aber erschwert leider die Berechnung der Arbeit aus der Leistung und der Zeit.
Der einfache Zusammenhang βˆ†π‘Šπ‘Š = π‘ƒπ‘ƒβˆ†π‘‘π‘‘ gilt eben nur, wenn die Leistung über die Zeit Δt konstant
ist. Im allgemeinen Fall ergibt sich die Arbeit zu:
𝑑𝑑2
𝑑𝑑2
π‘Šπ‘Š = οΏ½ 𝑃𝑃(𝑑𝑑)𝑑𝑑𝑑𝑑 = οΏ½ π‘ˆπ‘ˆ(𝑑𝑑)𝐼𝐼(𝑑𝑑)𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑1
Formel 18 Zusammenhang zwischen Arbeit, Leistung und Zeit
𝑑𝑑1
Die Einheit der Arbeit ergibt sich zu:
[π‘Šπ‘Š] = [𝑃𝑃 βˆ™ 𝑑𝑑] = Ws = VAs
Einheit der Arbeit und der Energie ist das Joule. In der Elektrotechnik gebräuchlich, wenn auch nicht
SI-konform, ist die Kilowattstunde. Es gilt:
1 π‘˜π‘˜π‘˜π‘˜β„Ž = 103 βˆ™ 602 J = 3,6 βˆ™ 106 J = 3,6 MJ
In Joule bzw. kWh werden heute auch die Gaslieferungen der Stadtwerke an die Verbraucher
abgerechnet, was sinnvoll ist, weil es sich um einen Energieträger handelt. Lediglich der Kraftstoff für
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 21
Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor wird in Liter, einer Volumeneinheit (!), abgerechnet, ein
groteskes Relikt aus Zeiten ohne Energiebewusstsein. Hier gilt der folgende Zusammenhang:
1 l Superbenzin entspricht 8,8 kWh
(1 kg Superbenzin entspricht 12,0 kWh)
1 l Dieselkraftstoff entspricht 9,8 kWh (1 kg Dieselkraftstoff entspricht 11,8 kWh)
Man erkennt daraus, dass der günstigere Verbrauch von Dieselfahrzeugen überwiegend ein Effekt
der höheren Dichte ist. Würde Kraftstoff nach Energieinhalt verkauft, müsste Dieselkraftstoff 11
Prozent teurer sein als Superbenzin.
Eine weitere archaische Einheit wird gelegentlich für den Energiegehalt von Nahrung verwendet: die
Kilokalorie, hergeleitet aus der Energie, die zur Erwärmung von 1 kg Wasser um 1 Grad Celsius
erforderlich ist. Es gilt:
1kcal = 4,1868 kJ
Der menschliche Körper hat im Durchschnitt eine Leistung von 80 W, die er überwiegend in Wärme
umsetzt. Kurzfristig kann die Leistung sehr viel größer sein. Rechnet man das auf den Tag hoch, erhält
man einen Energiebedarf von 1,9 kWh oder (veraltet) 1650 kcal.
Der Ausgangspunkt der Überlegungen in Abschnitt 3.5 war, dass eine Ladung Q in einem elektrischen
Feld von einem Punkt r1 an einen Punkt r2 bewegt wird und dabei die Arbeit βˆ†π‘Šπ‘Š geleistet wird. In
dem System hat also das Vermögen gesteckt, Arbeit zu verrichten. Das nennt man elektrische
Energie. Diese elektrische Energie wurde in Arbeit umgewandelt und z.B. dafür verwendet, den
Ladungsträger zu beschleunigen (im Vakuum) oder durch ständige Stöße mit dem Festkörper diesen
zu erwärmen (im Widerstand).
Umgekehrt muss Arbeit geleistet werden, um die Ladung gegen die elektrische Kraft von r2 nach r1 zu
verschieben. Die geleistete Arbeit steckt dann wiederum als elektrische Energie im System.
Es gilt auch hier der Energieerhaltungssatz: In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aller
Energien konstant. Es kann nur zu einer Umwandlung zwischen den Energiearten kommen (z.B.
elektrischer Energie, kinetischer Energie, Wärme, chemischer Energie).
𝑛𝑛
οΏ½ π‘Šπ‘Šπ‘–π‘– = 𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐
𝑖𝑖=1
bzw.
Formel 19 Leistungsbilanzgleichung
𝑛𝑛
𝑛𝑛
𝑛𝑛
𝑖𝑖=1
𝑖𝑖=1
𝑖𝑖=1
𝑑𝑑
π‘‘π‘‘π‘Šπ‘Šπ‘–π‘–
(οΏ½ π‘Šπ‘Šπ‘–π‘– ) = οΏ½
= οΏ½ 𝑃𝑃𝑖𝑖 = 0
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑𝑑𝑑
Die Summe aller Leistungen ist null. Dabei wird die von Quellen erbrachte Leistung negativ, die in
Verbrauchern umgewandelte Leistung positiv betrachtet.
Bei Energietransport- oder Umwandlungsprozessen interessiert man sich oft dafür, wie „effektiv“ der
Transport bzw. die Umwandlung ist. Dafür führt man den Begriff des Wirkungsgrads ein.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 22
π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘‘π‘‘ =
𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛 𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸
𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴
=
𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖 π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žβ„Žπ‘‘π‘‘π‘‘π‘‘ 𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸 𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸
Formel 20 Definition des Wirkungsgrads
Der Wirkungsgrad ist eine dimensionslose Zahl und kann auch in Prozent angegeben werden
(1 = 100%). Er wird mit Eta (πœ‚πœ‚) bezeichnet. Betrachtet man auch die Verlustleistung, ergibt sich:
πœ‚πœ‚ =
π‘ƒπ‘ƒπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž 𝑃𝑃𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 − 𝑃𝑃𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣
𝑃𝑃𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣𝑣
=
=1−
𝑃𝑃𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒
𝑃𝑃𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒
𝑃𝑃𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒
Otto- (Viertakt-)Verbrennungsmotoren erreichen Wirkungsgrade zwischen 30 und 40 Prozent,
Dieselmotoren zwischen 35 und 45 Prozent. Elektromotoren dürfen unterhalb eines Wirkungsgrads
von 94 Prozent nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Möglich sind bis zu 97 Prozent.
Elektrische Generatoren können Wirkungsgrade von über 90 Prozent haben.
Je nach dem, was man als „insgesamt aufgebrachte Energie“ bezeichnet, sind auch Wirkungsgrade
von über 100 Prozent möglich, etwa bei Wärmepumpen, wenn man die thermische Energie aus Luft,
Wasser oder Erdreich „als umsonst“ vernachlässigt und nur die zum Betrieb der Wärmepumpe
notwendige Energie betrachtet (meist elektrische oder fossile Energie).
Werden mehrere Energietransport- oder Umwandlungsprozesse hintereinandergeschaltet, so
multiplizieren sich die Wirkungsgrade:
𝑛𝑛
Formel 21 Gesamtwirkungsgrad
πœ‚πœ‚π‘”π‘”π‘”π‘”π‘”π‘” = οΏ½ πœ‚πœ‚π‘–π‘–
𝑖𝑖=1
Das große Pi steht dabei für das Produkt aller πœ‚πœ‚π‘–π‘– .
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4. Quellen und Schaltung von Widerständen
4.1. Schaltungen
Aufgaben von Energieübertragung oder Steuerung von Geräten werden durch eine Verknüpfung von
elektrischen bzw. elektronischen Bauelementen realisiert. Dies können passive Bauelemente wie
Widerstände, Schalter, Kondensatoren oder Spulen sein oder aktive Bauelemente wie Transistoren,
Thyristoren oder Solarzellen. Ganz überwiegend werden heute außerordentlich komplexe
Bauelemente wie Integrierte Schaltkreise oder Operationsverstärker verwendet, die ihrerseits
tausende von Elementen enthalten können.
Die Verknüpfung der Bauelemente wird mit einem Schaltplan beschrieben. Jedes Bauelement wird
dort durch ein Schaltzeichen dargestellt. Will man eine Schaltung auslegen oder analysieren, muss
das komplexe Verhalten der realen Bauelemente durch einfache Modelle angenähert werden, die die
wichtigsten Eigenschaften enthalten. Aus der Schaltung wird damit ein Netzwerk mit
Netzwerkelementen, das einer Analyse mit mathematischen Methoden zugänglich ist oder von
einem Computerprogramm berechnet werden kann.
Ohmsche Widerstände werden in einem solchen Modell etwa beschrieben durch den
Widerstandswert, die Toleranz und die maximale Leistung, ohne z.B. zu berücksichtigen, dass sich der
Widerstand bei höherer Temperatur ändert. Leitungen zwischen den Bauelementen werden als ideal
angesehen, d.h., mit dem Widerstand null.
Abbildung 12 Beispielschaltung
Die obige Schaltung bewirkt, dass die Leuchtdiode D2 nach Ausschalten der Spannungsquelle V1
noch etwa eine halbe Sekunde lang weiter brennt. Kondensator und Spule dienen dabei zur
Energiespeicherung.
Wichtige Hilfsmittel für die analyse von Netzwerken sind das 1. und 2. Kirchhoffsche Gesetz.
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4.2. Ideale Spannungs- und Stromquellen
Ein Netzwerk, das zwischen zwei Knoten liegt, wird als Zweipol bezeichnet. Es kann aus einem oder
aus mehreren Netzwerkelementen bestehen. Von besonderer Bedeutung sind die sogenannten
aktiven Zweipole, die elektrische Energie in das Netzwerk abgeben. Dies können Batterien, Akkus
oder eine Brennstoffzelle sein (chemische Energie), aber auch Generatoren (mechanische Energie),
Thermoelemente (Wärmeenergie), Solarzellen (Strahlungsenergie) oder Netzgeräte, die eine Form
elektrischer Energie (aus Netzspannung) in eine andere Form überführen (Gleichspannung).
Charakterisieren lassen sich aktive Zweipole durch ihr Verhalten an einem veränderlichen
Widerstand. Man kann Spannung und Strom messen und in einem U-I-Diagramm darstellen.
U
I
In diesem Diagramm ist angenommen, dass die Spannung mit zunehmendem Strom abnimmt, bis sie
schließlich null ist. Das wird so sein, wenn man etwa Batterien immer stärker belastet. Bei anderen
Quellen wird das schwerer fallen, etwa dem öffentlichen Wechselstromnetz, das zahlreiche
Sicherungen dafür eingebaut hat, dass es nicht passiert.
Zwei Punkte sind im Diagramm ausgezeichnet und haben Bedeutung zur Charakterisierung von
Quellen:
Die Spannung für I = 0 wird als Leerlaufspannung oder Quellenspannung Uq bezeichnet.
Der Strom für U = 0 wird als Kurzschlussstrom oder Quellenstrom Iq bezeichnet.
Es ergeben sich zwei idealisierte Sonderfälle:
Ein Zweipol heißt ideale Spannungsquelle, wenn die Spannung unabhängig vom Strom ist.
Ein Zweipol heißt ideale Stromquelle, wenn der Strom unabhängig von der Spannung ist.
U
Ideale Stromquelle
U
I
Ideale Spannungsquelle
I
Abbildung 13 Ideale Strom- und Spannungsquellen
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Das Schaltzeichen für eine ideale Spannungsquelle ist:
Das Schaltzeichen für eine ideale Stromquelle ist:
Der Grund für diese Symbole ist, dass eine ideale Spannungsquelle den Innenwiderstand null hat
(sonst würde sich bei Stromfluss ja die Spannung ändern) und eine ideale Stromquelle „quasi“ den
Innenwiderstand unendlich.
Eine ideale Spannungsquelle darf niemals kurzgeschlossen werden (U = 0 gibt es nicht im Diagramm)
und eine ideale Stromquelle darf niemals mit offenen Klemmen betrieben werden (I = 0 gibt es nicht
im Diagramm).
U1
U2
Nur bei
U = U1 = U2 = U3
U3
U
Abbildung 14 Parallelschaltung idealer Spannungsquellen
Ideale Spannungsquellen dürfen nur dann parallel geschaltet werden, wenn sie die gleiche Spannung
haben. (Welche Spannung sollte sonst auch an den Klemmen anliegen?) Eine Reihenschaltung
hingegen ist unproblematisch. Die Einzelspannungen addieren sich zur Gesamtspannung.
U1
U2
U3
U = U1 + U2 + U3
U
Abbildung 15 Reihenschaltung idealer Spannungsquellen
Ideale Stromquellen dürfen nur dann in Reihe geschaltet werden, wenn sie den gleichen Strom
haben. (Welcher Strom sollte sonst auch fließen?) Eine Parallelschaltung ist hingegen unkritisch. Der
Gesamtstrom ist gleich der Summe aller Ströme.
I
I1
I2
Nur bei I = I1 = I2 = I3
I3
Abbildung 16 Reihenschaltung idealer Stromquellen
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 26
I1
I2
I = I1 + I2 + I3
I
I3
Abbildung 17 Parallelschaltung idealer Stromquellen
Technisch sind weder ideale Spannungs- noch ideale Stromquellen herstellbar. Sie sind für die
Netzwerkanalyse aber nützliche Hilfsmittel. Sehr wohl aber lassen sich Quellen herstellen, die in
bestimmten Bereichen den idealen Quellen sehr nahekommen. Das Verhalten realer Quellen lässt
sich durch die Kombination idealer Quellen mit weiteren Netzwerkelementen nachbilden.
Technische Strom- und Spannungsquellen lassen sich natürlich in der für ideale Quellen verbotenen
Weise zusammenschalten. (Wer wollte einen hindern, dies zu tun?) Es kommt dann u.U. zu
Ausgleichsströmem. (Im Experiment gehen schlimmstenfalls die Quellen kaputt und das Gebäude
brennt ab.)
4.3. Reale Spannungs- und Stromquellen
Bei realen Spannungsquellen hängt die Ausgangsspannung vom Strom ab. Dies lässt sich für einen
einfachen Sonderfall so darstellen, dass eine ideale Spannungsquelle und ein Widerstand Ri in Reihe
geschaltet sind.
I
Uq
Ri
U
RV
RV: Verbraucherwiderstand
Abbildung 18 Ersatzschaltbild einer realen Spannungsquelle mit ohmschen Innenwiderstand
Für die Ausgangsspannung ergibt sich nach dem 2. Kirchhoffschen Gesetz:
π‘ˆπ‘ˆ = π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž − 𝐼𝐼 βˆ™ 𝑅𝑅𝑖𝑖
Formel 22 Strom-Spannungsverhalten einer realen Spannungsquelle
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U
Uq
Uq: Quellenspannung
ideale Spannungsquelle
Ik : Kurzschlussstrom
reale Spannungsquelle
Abbildung 19 Strom-Spannungsdiagramm einer realen Spannungsquelle
Ik
I
Uq ist die Quellenspannung bzw. Leerlaufspannung, Ik der Kurzschlussstrom. Man erkennt, dass die
reale Spannungsquelle sich umso mehr wie eine ideale Quelle verhält, je flacher die Kurve verläuft,
also je kleiner der Innenwiderstand ist. Bei technisch realisierten Spannungsquellen ist der
Ausgangsstrom begrenzt.
Bei realen Stromquellen hängt der Strom von der Spannung ab. Dies lässt sich für einen einfachen
Sonderfall so darstellen, dass eine ideale Stromquelle und ein ohmscher Widerstand parallel
geschaltet werden.
I
Iq
𝐺𝐺𝑖𝑖 =
1
𝑅𝑅𝑖𝑖
RV
Abbildung 20 Ersatzschaltbild einer realen Stromquelle mit ohmschen Widerstand
Für die Ströme gilt dann nach dem 1. Kirchhoffschen Gesetz: Iq - Ir = I, wobei Ir der Strom durch den
Innenwiderstand ist. Mit dem ohmschen Gesetz U = Ri Ir folgt dann:
𝐼𝐼 = πΌπΌπ‘žπ‘ž − πΌπΌπ‘Ÿπ‘Ÿ = πΌπΌπ‘žπ‘ž −
Formel 23 Strom-Spannungsverhalten einer realen Stromquelle
π‘ˆπ‘ˆ
= πΌπΌπ‘žπ‘ž − π‘ˆπ‘ˆ βˆ™ 𝐺𝐺𝑖𝑖
𝑅𝑅𝑖𝑖
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 28
U
ideale Stromquelle
Ul: Leerlaufspannung
Ul
Iq: Quellensstrom
Reale
Stromquelle
I
Iq
Abbildung 21 Strom-Spannungsdiagramm einer realen Stromquelle
Iq ist der Quellenstrom. Bei der Leerlaufspannung Ul fließt der gesamte Strom durch den
Innenwiderstand Ri. Man erkennt, dass das U-I-Diagramm der realen Stromquelle dem der idealen
Stromquelle umso ähnlicher wird, je steiler die Kurve ist, also je größer der Innenwiderstand ist. Bei
technisch realisierbaren Stromquellen ist die erreichbare Spannung begrenzt.
Reale Spannungs- bzw. Stromquellen mit idealen Quellen und ohmschen Widerständen nähern das
Verhalten tatsächlicher Quellen natürlich nur an. Sie lassen sich aber für viele Zwecke zur
Modellierung, Berechnung und Simulation verwenden. So lässt sich etwa das Verhalten einer Batterie
als reale Spannungsquelle beschreiben, das einer Solarzelle mit niederohmiger Last als Stromquelle.
4.4. Äquivalenz von Spannungs- und Stromquellen
Reale Spannungs- und Stromquellen sind hinsichtlich ihres Verhaltens im Netzwerk vollständig
charakterisiert durch ihre Strom-Spannungskennlinien. Diese sind in beiden Fällen fallende Geraden,
die die Achsen in Uq bzw. Ul und Ik bzw. Iq schneiden. Es ist nun manchmal sinnvoll, einen bestimmten
Quellentyp im Netzwerk zu verwenden, obwohl gerade der andere vorliegt. Dies gelingt tatsächlich
unter den Bedingungen:
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž = πΌπΌπ‘žπ‘ž βˆ™ 𝑅𝑅𝑖𝑖,𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 , πΌπΌπ‘žπ‘ž = 𝑅𝑅
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
𝑖𝑖,𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆
, 𝐼𝐼𝑄𝑄 = πΌπΌπ‘˜π‘˜ und 𝑅𝑅𝑖𝑖,π‘†π‘†π‘†π‘†π‘Ÿπ‘Ÿπ‘œπ‘œπ‘œπ‘œ = 𝑅𝑅𝑖𝑖,𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆
Formel 24 Äquivalenzbedingungen für reale (lineare) Strom- und Spannungsquellen
Reale Strom- und Spannungsquellen aus idealen Quellen und ohmschen Widerständen lassen sich
also ineinander überführen.
Allgemein gilt: Jede Verknüpfung idealer Strom- und Spannungsquellen mit ohmschen Widerständen
lässt sich als reale Strom- oder Spannungsquelle mit idealen Quellen und jeweils einem
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 29
Innenwiderstand darstellen (siehe Kapitel 5.7). Dies kann sehr nützlich bei der Vereinfachung von
Netzwerken sein.
Die Tatsache, dass man Netzwerke durch Ersatzschaltbilder vereinfachen oder Spannungs- und
Stromquellen ineinander überführen kann, bedeutet nur, dass sich diese Teilnetzwerke gegenüber
dem Rest des Netzwerks hinsichtlich der Strom- Spannungskennlinie gleich verhalten. Im Innern
können ganz unterschiedliche Dinge passieren. So stellt z.B. eine Batterie zunächst eine reale
Spannungsquelle dar. Diese kann man im Netzwerk auch als ideale Stromquelle mit einem parallel
geschalteten Widerstand darstellen.
1,5 V
im Netzwerk
äquivalent
1,5 V
Ri
Abbildung 22 Äquivalenz von Batterie und realer Stromquelle
Man sieht, dass in der Darstellung als Stromquelle ständig ein Strom fließt, auch wenn der Ausgang
der Quelle nicht belastet ist. Hinsichtlich des Energieverbrauchs und der Wärmebelastung stellen sich
die beiden Netzwerkelemente also völlig unterschiedlich dar.
4.5. Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen, Spannungs- und Stromteiler
In Abschnitt 3.7 wurde der ohmsche Widerstand eingeführt, dessen Strom-Spannungskennlinie eine
Gerade mit der Steigung R durch den Nullpunkt ist.
U
𝑅𝑅 = ∞
Leerlauf
𝑅𝑅 =
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑𝑑𝑑
I
Abbildung 23 Strom-Spannungskennlinie des ohmschen Widerstands
𝑅𝑅 = 0
Kurzschluss
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 30
Grenzfälle ergeben sich für unendlich großen Widerstand und für den Widerstand null. Für die
Leistung ergibt sich gemäß Formel 17:
Formel 25 Leistung des ohmschen Widerstands
𝑃𝑃 = π‘ˆπ‘ˆ βˆ™ 𝐼𝐼 = 𝐼𝐼 2 βˆ™ 𝑅𝑅 =
π‘ˆπ‘ˆ 2
𝑅𝑅
Die (in Wärme verwandelte) Leistung am ohmschen Widerstand ist also stets positiv.
Werden mehrere ohmsche Widerstände zusammengeschaltet, können diese durch einen einzigen
Widerstand ersetzt werden. Ein Beispiel ist die Reihenschaltung:
R1
R2
R3
R4
I
Abbildung 24 Reihenschaltung ohmscher Widerstände
Durch alle Widerstände fließt der gleiche Strom I. Aufgrund der Definition der Spannung in Formel 12
addieren sich die Spannungen, so dass gilt:
π‘ˆπ‘ˆ = π‘ˆπ‘ˆ1 + π‘ˆπ‘ˆ2 + π‘ˆπ‘ˆ3 + π‘ˆπ‘ˆ4 = 𝑅𝑅1 𝐼𝐼 + 𝑅𝑅2 𝐼𝐼 + 𝑅𝑅3 𝐼𝐼 + 𝑅𝑅4 𝐼𝐼 = (𝑅𝑅1 + 𝑅𝑅2 + 𝑅𝑅3 + 𝑅𝑅4 ) βˆ™ 𝐼𝐼
Verallgemeinert man dies auf n Widerstände, so können diese durch einen einzigen Widerstand
ersetzt werden.
𝑛𝑛
𝑅𝑅 = οΏ½ 𝑅𝑅𝑖𝑖
𝑖𝑖=1
Formel 26 Ersatzwiderstand bei Reihenschaltung von Widerständen
Ein weiteres wichtiges Beispiel ist die Parallelschaltung:
R1
R2
R3
R4
U
Abbildung 25 Parallelschaltung ohmscher Widerstände
An allen Widerständen liegt die selbe Spannung U. Aufgrund Formel 7 summieren sich die Teilströme
zu einem Gesamtstrom. Also gilt:
𝐼𝐼 = 𝐼𝐼1 + 𝐼𝐼2 + 𝐼𝐼3 + 𝐼𝐼4 =
π‘ˆπ‘ˆ
π‘ˆπ‘ˆ
π‘ˆπ‘ˆ
π‘ˆπ‘ˆ
1
1
1
1
+
+
+
=( +
+
+ ) βˆ™ π‘ˆπ‘ˆ
𝑅𝑅1 𝑅𝑅2 𝑅𝑅3 𝑅𝑅4
𝑅𝑅1 𝑅𝑅2 𝑅𝑅3 𝑅𝑅4
Verallgemeinert man dies wiederum auf n Widerstände, so erhält man:
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 31
𝑛𝑛
1
1
=οΏ½
𝑅𝑅𝑖𝑖
𝑅𝑅
𝑖𝑖=1
Formel 27 Ersatzwiderstand bei Parallelschaltung von Widerständen
Verwendet man anstatt der Widerstände die Leitwerte, so gilt für die Parallelschaltung:
𝑛𝑛
1
= 𝐺𝐺 = οΏ½ 𝐺𝐺𝑖𝑖
𝑅𝑅
𝑖𝑖=1
Bei der Reihenschaltung von Widerständen addieren sich die Widerstände, bei der Parallelschaltung
addieren sich die Leitwerte.
Formel 26 und Formel 27 können verwendet werden, um schrittweise Netzwerke von Widerständen
zu vereinfachen. Es muss nur darauf geachtet werden, dass jeweils die Bedingungen für Reihen- bzw.
Parallelschaltung vorliegen.
Betrachtet man die Summe, die zu Formel 26 geführt hat, so erhält man für das Verhältnis der
Teilspannung U1 und der Gesamtspannung U:
π‘ˆπ‘ˆ1
𝑅𝑅1 βˆ™ 𝐼𝐼
𝑅𝑅1
=
=
π‘ˆπ‘ˆ (𝑅𝑅1 + 𝑅𝑅2 + 𝑅𝑅3 + 𝑅𝑅4 ) βˆ™ 𝐼𝐼 𝑅𝑅1 + 𝑅𝑅2 + 𝑅𝑅3 + 𝑅𝑅4
oder allgemein die Spannungsteilerregel:
π‘ˆπ‘ˆπ‘‡π‘‡
𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇
𝑅𝑅𝑇𝑇
𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇
=
=
=
π‘ˆπ‘ˆ
𝑅𝑅
𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺
𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺
Formel 28 Spannungsteilerregel
Dies wird etwa beim Potentiometer verwendet, einem einstellbaren Widerstand:
UT
R-RT
RT
l
L
U
Abbildung 26 Potentiometer
Für die Spannung UT gilt:
π‘ˆπ‘ˆπ‘‡π‘‡
π‘ˆπ‘ˆ
=
𝑅𝑅𝑇𝑇
.
𝑅𝑅
Handelt es sich bei dem Potentiometer um einen Körper mit
konstantem Querschnitt und konstantem spezifischen Widerstand, so gilt:
π‘ˆπ‘ˆπ‘‡π‘‡
π‘ˆπ‘ˆ
𝑙𝑙
𝐿𝐿
= .
Formel 28 gilt nur, wenn tatsächlich eine Reihenschaltung vorliegt. Das ist aber nicht mehr der Fall,
wenn zufolge der Spannung UT ein Strom fließt. Dann muss auch die Regel für die Parallelschaltung
von Widerständen hinzugezogen werden. Ist dieser Strom aber klein im Verhältnis zu dem Strom, der
durch R fließt, kann die Formel näherungsweise verwendet werden.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 32
Für die Parallelschaltung von Widerständen lässt sich die Stromteilerregel aufstellen. Aus der zu
Formel 27 führenden Gleichung lässt sich entnehmen:
Formel 29 Stromteilerregel
1
𝐼𝐼𝑇𝑇 𝑅𝑅𝑇𝑇 𝐺𝐺𝑇𝑇
𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇
𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇𝑇
= =
=
=
1
𝐼𝐼
𝐺𝐺
𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺
𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺
𝑅𝑅
Die Formulierung über die Leitwerte ist in diesem Fall einfacher als über die Widerstände.
4.6. Stern-Dreieck-Umwandlung
Es gibt Fälle, bei denen die Vereinfachung von Reihen- und Parallelschaltungen nicht ohne Weiteres
anwendbar ist, z.B. in der folgenden Schaltung:
In diesen Fällen hilft die Stern-Dreieck-Umwandlung. Bei einem Stern sind drei Widerstände in einem
Knoten zusammengeschaltet, bei einem Dreieck besteht eine Masche aus drei Widerständen.
2
0
3
R20
R30
G20
R20
R30
G30
0
1
2
R10
G10
3
R10
1
Abbildung 27 Stern- oder T-Schaltung
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 33
2
R12
2
R23
G12
3
G23
R23
R12
1
R13
3
R13
G13
1
1
Abbildung 28 Dreieck- oder π-Schaltung
Die beiden Schaltungsarten können ineinander überführt werden. Für die Stern-Dreieckumwandlung
gilt:
𝐺𝐺12 =
𝐺𝐺10 𝐺𝐺20
∑ 𝐺𝐺
𝐺𝐺23 =
Formel 30 Stern-Dreieck-Umwandlung
𝐺𝐺20 𝐺𝐺30
∑ 𝐺𝐺
𝐺𝐺13 =
𝐺𝐺10 𝐺𝐺30
∑ 𝐺𝐺
π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š οΏ½ 𝐺𝐺 = 𝐺𝐺10 + 𝐺𝐺20 + 𝐺𝐺30
Dies kann auch so ausgedrückt werden:
(𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿 π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§β„Žπ‘’π‘’π‘’π‘’ 𝐴𝐴 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 𝐡𝐡)𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷 =
𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃 𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 (𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿 π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§π‘§β„Žπ‘’π‘’π‘’π‘’ 𝐴𝐴 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 𝐡𝐡)𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆
𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž 𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝐿𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆
In ähnlicher Weise ergibt sich für die Dreieck-Sternumwandlung:
𝑅𝑅10 =
𝑅𝑅12 𝑅𝑅13
∑ 𝑅𝑅
𝑅𝑅20 =
Formel 31 Dreieck-Stern-Umwandlung
𝑅𝑅12 𝑅𝑅23
∑ 𝑅𝑅
𝑅𝑅30 =
𝑅𝑅23 𝑅𝑅13
∑ 𝑅𝑅
π‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š οΏ½ 𝑅𝑅 = 𝑅𝑅12 + 𝑅𝑅23 + 𝑅𝑅13
Oder anders ausgedrückt:
(π‘Šπ‘Šπ‘–π‘–π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘π‘‘ 𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏 𝐴𝐴)𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 =
Zum Beweis dieser Zusammenhänge:
𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃𝑃 𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑𝑑 (π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šä𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛 π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž 𝐴𝐴)𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷
𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šä𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝑛𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷
In der Dreieckschaltung gemäß Abbildung 28 wird der Gesamtwiderstand zwischen den Klemmen 1
und 3 berechnet, der sich aus der Parallelschaltung von R13 und der Summe aus R12 und R23 ergibt:
1
𝑅𝑅𝑔𝑔𝑔𝑔𝑔𝑔,13
=
1
1
𝑅𝑅12 + 𝑅𝑅23 + 𝑅𝑅13
𝑅𝑅13 𝑅𝑅12 + 𝑅𝑅13 𝑅𝑅23
+
=
, π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž 𝑅𝑅𝑔𝑔𝑔𝑔𝑔𝑔,13 =
= 𝑅𝑅10 + 𝑅𝑅30
𝑅𝑅13 (𝑅𝑅12 + 𝑅𝑅23)
𝑅𝑅12 + 𝑅𝑅23 + 𝑅𝑅13
𝑅𝑅13 𝑅𝑅12 + 𝑅𝑅23
Die rechte Seite der letzten Gleichung (R10 + R30) ergibt sich aus dem Vergleich mit der
Sternschaltung, denn es muss sich ja der gleiche Widerstand zwischen den jeweiligen Klemmen
ergeben, damit die eine Schaltung durch die andere ersetzt werden kann.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 34
Führt man diese Betrachtung auch für die beiden anderen Klemmenpaare aus, so erhält man
insgesamt drei Gleichungen mit den sechs Parametern der Stern- bzw. Dreieckschaltung. Diese lassen
sich zu den gewünschten Beziehungen auflösen.
Mit den Regeln für Reihenschaltung, Parallelschaltung und der Stern-Dreieck- bzw. DreieckSternumwandlung lassen sich Schaltungen zur Analyse vereinfachen.
4.7. Nichtlineare passive Zweipole
Ohmsche Widerstände mit linearer Strom-Spannungskennlinie sind ein wichtiger Sonderfall passiver
Zweipole. Passiv heißen sie, weil sie keine Strom- oder Spannungsquelle enthalten. Zweipol sagt aus,
dass sie zwei Anschlüsse haben. Daneben gibt es aber noch eine Vielzahl weiterer passiver Zweipole,
die keine lineare Kennlinie haben. Beispiele dafür sind Dioden, aber auch Glühlampen oder
Glimmlampen. Im Allgemeinen sind die Kennlinien Kurven, die sich nur näherungsweise durch
mathematische Terme beschreiben lassen.
I
Diode
I
Glimmlampe
U
U
Abbildung 29 Spannungs-Stromkennlinien von Diode und Glimmlampe
Der leichteren Beschreibung wegen ist hier die gegenüber der Spannungs-Stromkennlinie gedrehte
Darstellungsweise gewählt. Die Diode hat einen Sperrbereich, d.h., bei negativer Spannung fließt
überhaupt kein Strom (außer bei sehr großen negativen Spannungen). Ab einer gewissen (positiven)
Schwellspannung steigt der Strom stark an; die Diode wird niederohmig. Eine solche Diode kann zur
Gleichrichtung verwendet werden.
Bei der Glimmlampe (zwei getrennte von Gas umgebene Elektroden) fließt mit steigender Spannung
zunächst fast kein Strom. Bei einer bestimmten Zündspannung bildet sich ein Lichtbogen, der Strom
steigt an und die Spannung bricht zusammen. Bei weiter steigender Spannung steigt der Strom dann
weiter an. Zu einem Spannungswert können also bis zu drei Stromwerte gehören. Zu jedem Stromwert
gehört aber immer genau ein Spannungswert. U(I) ist also eindeutig, I(U) mehrdeutig. Es gibt auch
Bauelemente, deren Kennlinie das genau umgekehrte Verhalten zeigt.
Diode und Glimmlampe sind nur zwei Beispiele für Zweipole mit nichtlinearer Kennlinie. Im
Netzwerk müssen dann anstatt des Ohmschen Gesetzes diese Kennlinien verwendet werden. Bei
Mehrdeutigkeit ergibt sich der Arbeitspunkt aus der verwendeten Spannungsquelle (mit
Strombegrenzung) bzw. der Stromquelle (mit Spannungsbegrenzung).
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 35
4.8. Temperaturabhängigkeit passiver Zweipole
Wie in Abschnitt 3.8 bereits erwähnt, hängt bei ohmschen Widerständen der spezifische Widerstand
von der Temperatur ab. Ebenso verändert sich bei passiven nicht linearen Zweipolen die StromSpannungskennlinie mit der Temperatur.
ρ
ρ(T)
ρ(T0 + ΔT)
ρ(T0) + ΔρT0ΔT)
γ
Tangente an ρ(T0)
ρ(T0)
T0
T0 + ΔT
T
Abbildung 30 Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands
Abbildung 30 zeigt einen mit der Temperatur steigenden spezifischen Widerstand ρ. Der spezifische
Widerstand bei der Temperatur T0 + ΔT, also ρ(T0 + ΔT), lässt sich nun näherungsweise beschreiben
als Summe aus dem spezifischen Widerstand bei der Temperatur T0 und einem ΔρT0ΔT, das sich aus
der Tangente an ρ(T0) und dem Temperaturunterschied ΔT ergibt.
Wenn α der Steigungswinkel der Tangente ist, ergibt sich:
tan(𝛾𝛾) =
βˆ†πœŒπœŒπ‘‡π‘‡0βˆ†π‘‡π‘‡
, π‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Žπ‘Ž βˆ†πœŒπœŒπ‘‡π‘‡0βˆ†π‘‡π‘‡ = tan(𝛾𝛾) βˆ™ βˆ†π‘‡π‘‡
βˆ†π‘‡π‘‡
Nun ist aber tan(γ) gleich der Ableitung von ρ(T) an der Stelle T0, so dass sich ergibt:
𝜌𝜌(𝑇𝑇 + βˆ†π‘‡π‘‡) ≈ 𝜌𝜌(𝑇𝑇0 ) + βˆ†πœŒπœŒπ‘‡π‘‡0βˆ†π‘‡π‘‡ = 𝜌𝜌(𝑇𝑇0 ) + tan(𝛾𝛾) βˆ™ βˆ†π‘‡π‘‡ = 𝜌𝜌(𝑇𝑇0 ) +
Formel 32 Näherungsformel für die Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands
𝑑𝑑𝑑𝑑(𝑇𝑇)
οΏ½ βˆ™ βˆ†π‘‡π‘‡
𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑇𝑇0
Dies ist die erste Stufe der Taylor-Entwicklung, mit der man Funktionen in der Nähe einer gegebenen
Stelle durch den Funktionswert an dieser Stelle und die (höheren) Ableitungen an dieser Stelle
näherungsweise berechnen kann. Die nullte Stufe sagt, dass der Wert in der Umgebung genauso ist
wie an der gegebenen Stelle (z.B. ist die Außentemperatur von jetzt an in einer Minute etwa so groß
wie jetzt gerade, in einer Stunde aber wahrscheinlich nicht mehr). Die erste Stufe berücksichtigt die
Änderung, also die Ableitung (wenn ich weiß, dass sich die Temperatur pro Minute um 0,1o C ändert,
wird sie in 10 Minuten etwa 1o C höher sein). Die zweite Stufe würde auch berücksichtigen, wie sich
die Temperaturänderung ändert (also die zweite Ableitung).
Man führt nun einen materialabhängigen Temperaturkoeffizienten α ein mit
𝛼𝛼 𝑇𝑇0 =
1
𝑑𝑑𝑑𝑑(𝑇𝑇)
βˆ™
οΏ½
𝜌𝜌(𝑇𝑇0 ) 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑇𝑇0
Und erhält für die Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands:
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 36
𝜌𝜌(𝑇𝑇0 + βˆ†π‘‡π‘‡) ≈ 𝜌𝜌(𝑇𝑇0 ) βˆ™ (1 + 𝛼𝛼 𝑇𝑇0 βˆ†π‘‡π‘‡)
Formel 33 Spezifischer Widerstand und Temperaturkoeffizient
Die Temperaturkoeffizienten kann man der Literatur entnehmen. Wichtig ist, dass die richtige
Referenztemperatur berücksichtigt wird. Diese kann z.B. 0o C oder auch 20o C betragen. Der
Temperaturkoeffizient hat die Einheit 1/K bzw. 1/oC (da es um Temperaturdifferenzen geht ist es
egal, ob Kelvin oder Grad Celsius verwendet werden) oder auch in %/K.
Typischerweise beträgt der Temperaturkoeffizient bei Metallen 0,4 bis 0,6 %/K. Bestimmte
Materialien, insbesondere Halbleiter, haben negative Temperaturkoeffizienten, da der Widerstand
mit steigender Temperatur abnimmt. In Schaltungen ergeben sich oft schon dadurch
Widerstandsänderungen, dass sich die Bauelemente durch den Stromdurchfluss erwärmen.
Es gibt auch Legierungen, die einen besonders niedrigen Temperaturkoeffizienten haben. Ein Beispiel
ist Konstantan, das aus 55% Kupfer, 44% Nickel und 1% Mangan besteht. Der Temperaturkoeffizient
beträgt 10-5 1/K bzw. 0,001 %/K (Referenztemperatur 20o C). Solche Materialien werden eingesetzt,
wenn es auf große Temperaturstabilität ankommt, z.B. in Messgeräten.
Bei großen Temperaturabweichungen muss auch das zweite Glied der Taylor-Entwicklung
berücksichtigt werden. Dies erfolgt über den quadratischen Temperaturkoeffizienten β.
Bei Bauelementen mit nicht linearer Kennlinie, wird die Strom-Spannungskennlinie ebenso wie die
Spannungs-Stromkennlinie zu einer Funktion der Temperatur, also I(U, T) bzw. U(I, T). Hier kann man
analog zu Formel 32 schreiben:
π‘ˆπ‘ˆ(𝐼𝐼0 + βˆ†πΌπΌ, 𝑇𝑇0 + βˆ†π‘‡π‘‡) ≈ π‘ˆπ‘ˆ(𝐼𝐼0 , 𝑇𝑇0 ) +
πœ•πœ•πœ•πœ•(𝐼𝐼0 , 𝑇𝑇)
πœ•πœ•πœ•πœ•(𝐼𝐼, 𝑇𝑇0 )
βˆ™ βˆ†πΌπΌ +
βˆ™ βˆ†π‘‡π‘‡
πœ•πœ•πœ•πœ•
πœ•πœ•πœ•πœ•
Formel 34 Temperaturabhängigkeit der nicht linearen U/I-Kennlinie
Die Ableitungen mit dem runden πœ•πœ• sind partielle Ableitungen, bei denen jeweils ein Parameter
konstant gelassen wir. Der erste Term stellt die Spannung bei dem Strom I0 und der Temperatur T0
dar. Der zweite Term ergibt vor dem ΔI so etwas wie den „lokalen ohmschen Widerstand“, den
Kleinsignalwiderstand r, der dritte Term vor dem ΔT die Temperaturabhängigkeit, den
Temperaturkoeffizienten DU der Spannung. Im Ersatzschaltbild lässt sich dies durch einen ohmschen
Widerstand und eine temperaturgesteuerte Spannungsquelle darstellen.
r
DU.ΔT
Abbildung 31 Ersatzschaltbild für einen nicht linearen temperaturabhängigen Zweipol im Arbeitspunkt I0, T0
Aus Formel 34 ergibt sich noch eine weitere Möglichkeit. Auch bei nicht linearer Kennlinie verhält
sich das Netzwerk bei kleinen Signaländerungen linear. Man kann also ein solches Netzwerk unter
besonderen Bedingungen so betrachten, als würden sich ein großes Gleichspannungssignal und ein
kleines Signal überlagern. Für Letzteres lassen sich dann die Verfahren des linearen Netzwerkes
anwenden.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 37
4.9. Zeitabhängigkeit passiver Zweipole
Ein nicht seltener Fall in der Elektronik ist, dass der Widerstand eines Elements von der Zeit abhängt.
Dies kann z.B. durch Temperaturänderung oder andere Einflüsse, etwa ein magnetisches Feld
erfolgen. Im einfachsten Fall wird mit einem Schalter ein Widerstand ein- oder ausgeschaltet.
Bei linearen zeitabhängigen Zweipolen gilt das Ohmsche Gesetz, aber der Widerstand bzw. die
Steigung der Strom-Spannungskennlinie ändern sich. Es ist also U = R(t).I. Beispielsweise könnte ein
Widerstand periodisch zwischen den Werten R1 und R2 schwanken.
I
R(t) = R0 + ΔR.cos(ωmt)
R2 = R0 - ΔR
R1 = R0 + ΔR
U
R1
R2
Abbildung 32 periodisch veränderter ohmscher Widerstand
Wird ein solcher zeitveränderlicher Widerstand von einem periodischen Strom I = I0.cos(ωTt)
durchflossen, so ergibt sich für die Spannung nach dem Ohmschen Gesetz:
π‘ˆπ‘ˆ(𝑑𝑑) = (𝑅𝑅0 + βˆ†π‘…π‘… βˆ™ cos(πœ”πœ”π‘šπ‘š 𝑑𝑑))(𝐼𝐼0 βˆ™ cos(πœ”πœ” 𝑇𝑇 𝑑𝑑))
Diesen Ausdruck kann man mit Hilfe eines Satzes für trigonometrische Funktionen umformen:
und erhält:
1
cos(π‘₯π‘₯) βˆ™ cos(𝑦𝑦) = [cos(π‘₯π‘₯ − 𝑦𝑦) + cos(π‘₯π‘₯ + 𝑦𝑦)]
2
π‘ˆπ‘ˆ(𝑑𝑑) = 𝑅𝑅0 𝐼𝐼0 βˆ™ cos(πœ”πœ” 𝑇𝑇 𝑑𝑑) +
βˆ†π‘…π‘… βˆ™ 𝐼𝐼0
οΏ½cosοΏ½(πœ”πœ” 𝑇𝑇 − πœ”πœ”π‘šπ‘š )𝑑𝑑� + cos((πœ”πœ” 𝑇𝑇 + πœ”πœ”π‘šπ‘š )𝑑𝑑)οΏ½
2
Formel 35 Spannung bei periodischem Strom und periodisch verändertem Widerstand
Durch den mit einer Cosinusfunktion zeitlich veränderten Widerstand wird aus dem Strom mit der
Kreisfrequenz ωT eine Spannung, die drei Frequenzen enthält: die „Trägerkreisfrequenz“ ωT sowie die
beiden „Seitenkreisfrequenzen“ ωT – ωm und ωT + ωm. Dies ist das Prinzip der Amplitudenmodulation
(daher das m als Index).
Das obige Beispiel steht für eine Vielfalt möglicher Effekte bei zeitabhängigen Widerständen, führt
aber bereits in den Bereich der Wechselspannung bzw. des Wechselstroms hinein.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 38
5. Einfache Stromkreise
5.1. Elektrischer Grundkreis
Die einfachste Form eines Stromkreises besteht aus einer Spannungs- oder Stromquelle als aktivem
Zweipol und einem ohmschen Widerstand als passivem Zweipol.
Ri
I
I
Ra
Uq
Iq
U
Quelle
Ga
Gi
U
Verbraucher
Quelle
Verbraucher
Abbildung 33 Elektrischer Grundstromkreis mit Spannungs- und Stromquellenersatzschaltung
Die Erzeugerseite kann z.B. als öffentliches Versorgungsnetz aufgefasst werden, der Verbraucher als
Gemeinde oder Haushalt. Die Quelle könnte aber auch der Informationsübermittlung dienen, etwa
durch Modulation, und der Verbraucher einen Empfänger von Informationen darstellen.
Sowohl Erzeuger als auch Verbraucher sind durch ihre Strom-Spannungskennlinien gekennzeichnet.
Die Spannung besteht zwischen den beiden verbindenden Leitungen und der Strom fließt durch diese
Leitungen. Der Arbeitspunkt der Schaltung ist nun dort, wo die Strom-Spannungsbedingungen für
beide Seiten erfüllt sind. Im Diagramm ist das der Schnittpunkt der beiden Kennlinien.
U
Uq
Ra, Verbraucherkennlinie
UA
Ri, Erzeugerkennlinie
IA
Iq
I
Abbildung 34 Grafische Ermittlung des Arbeitspunkts (UA, IA)
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 39
Durch Anwendung der Kirchhoffschen Gesetze erhält man für die Spannungsersatzschaltung:
π‘ˆπ‘ˆ − π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž + 𝑅𝑅𝑖𝑖 βˆ™ 𝐼𝐼 = 0 sowie π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž βˆ™ 𝐼𝐼 − π‘ˆπ‘ˆ = 0 und für die Stromersatzschaltung:
πΌπΌπ‘žπ‘ž − 𝐼𝐼 − π‘ˆπ‘ˆ βˆ™ 𝐺𝐺𝑖𝑖 = 0 sowie 𝐼𝐼 = π‘ˆπ‘ˆπΊπΊπ‘Žπ‘Ž .
Damit ergibt sich der Arbeitspunkt der Schaltung zu:
𝐼𝐼𝐴𝐴 =
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
𝑅𝑅𝑖𝑖 + π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
π‘ˆπ‘ˆπ΄π΄ =
πΌπΌπ‘žπ‘ž
𝐺𝐺𝑖𝑖 + πΊπΊπ‘Žπ‘Ž
π‘ˆπ‘ˆπ΄π΄ = π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
𝐼𝐼𝐴𝐴 = πΌπΌπ‘žπ‘ž
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
1
= π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
𝑅𝑅
𝑅𝑅𝑖𝑖 + π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
1 + 𝑖𝑖
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
πΊπΊπ‘Žπ‘Ž
1
= πΌπΌπ‘žπ‘ž
𝐺𝐺
𝐺𝐺𝑖𝑖 + πΊπΊπ‘Žπ‘Ž
1 + 𝑖𝑖
πΊπΊπ‘Žπ‘Ž
Spannungsersatzschaltung
Stromersatzschaltung
Formel 36 Berechnung des Arbeitspunkts nach Spannungs- und Stromersatzschaltung
Man erkennt, dass die Spannung mit zunehmendem Verbraucherwiderstand steigt und der Strom
sinkt:
IA
UA
Ra
Ra
Abbildung 35 Abhängigkeit des Arbeitspunkts vom Verbraucherwiderstand
Eine heute typische Erzeuger-Verbraucher-Situation sieht so aus, dass dem aktiven Erzeuger in Form
eines Ladegeräts ein ebenfalls aktiver Verbraucher in Form eines zu ladenden Akkus gegenübersteht.
Dieser aktive Verbraucher lässt sich durch Reihenschaltung einer Spannungsquelle mit einem
Verbrauchswiderstand modellieren, so dass sich das folgende Bild ergibt:
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 40
Ra
Ri
Uq1
Uq2
Abbildung 36 Erzeuger mit aktivem Verbraucher
Aus dem Maschensatz ergibt sich dann:
und damit:
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž1 − π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž2 − 𝐼𝐼 βˆ™ π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž − 𝐼𝐼𝑅𝑅𝑖𝑖 = 0
𝐼𝐼 =
Formel 37 Strom bei aktivem Zweipol als Verbraucher
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž1 − π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž2
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž + 𝑅𝑅𝑖𝑖
Der Strom ist also proportional zur Differenz zwischen Erzeuger- und Verbraucherspannung. Daher
sollte die Spannung eines Ladegeräts größer sein als die Nennspannung des Akkus. Ein typischer
Litium-Ionenakku für Kleingeräte hat eine Nennspannung von 3,85 V und sollte mit einer Spannung
von 4,4 V geladen werden. Meist wird dabei ein USB-Ladegerät oder eine USB-Buchse verwendet, die
Spannungen um 5 V haben. Bei zu hohen Spannungen wird der Strom zu groß, so dass die Zellen
zerstört werden können.
5.2. Wirkungsgrad und Leistungsanpassung
Bei einem Erzeuger mit Innenwiderstand Ri und einem passiven Verbraucher mit Widerstand Ra
ergibt der Maschensatz:
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž − 𝐼𝐼 βˆ™ π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž − 𝐼𝐼 βˆ™ 𝑅𝑅𝑖𝑖 = 0,
bzw. nach Umstellung und Multiplikation mit I:
π‘ˆπ‘ˆπ‘„π‘„ βˆ™ 𝐼𝐼 = 𝐼𝐼 2 βˆ™ π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž + 𝐼𝐼 2 βˆ™ 𝑅𝑅𝑖𝑖
Dies ist aber eine Leistungsgleichung und besagt:
Die Leistung der Quelle Pq (Quellenleistung) ist gleich der Leistung am Innenwiderstand Pi
(Verlustleistung) plus der Leistung am Verbraucherwiderstand Pa (Verbraucherleistung).
In vielen Fällen interessiert der Wirkungsgrad, also das Verhältnis aus Verbraucherleistung und
Quellenleistung:
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 41
πœ‚πœ‚ =
π‘ƒπ‘ƒπ‘Žπ‘Ž
𝐼𝐼 βˆ™ π‘ˆπ‘ˆ
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
1
=
=
=
π‘ƒπ‘ƒπ‘žπ‘ž 𝐼𝐼 βˆ™ π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž 𝑅𝑅𝑖𝑖 + π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž 1 + 𝑅𝑅𝑖𝑖
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
Formel 38 Wirkungsgrad der Übertragung von Erzeuger zu Verbraucher (η: Eta)
Man sieht, dass der Wirkungsgrad dann groß ist, wenn der Verbraucherwiderstand groß gegenüber
dem Innenwiderstand ist. Der Wirkungsgrad kann im Grenzfall 1 werden.
Interessant ist oft, wie bei einer gegebenen Quellenspannung (bei Stromquellen sind die Verhältnisse
analog) eine möglichst große Leistung von der Quelle zum Verbraucher transferiert werden kann.
Die Verbraucherleistung beträgt nach Formel 36:
𝑃𝑃 = π‘ˆπ‘ˆ βˆ™ 𝐼𝐼 = π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
1
βˆ™ π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
= π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž 2 βˆ™
𝑅𝑅𝑖𝑖 + π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
(𝑅𝑅𝑖𝑖 + π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž )2
𝑅𝑅𝑖𝑖 + π‘…π‘…π‘Žπ‘Ž
Formel 39 Leistung bei gegebener Quellenspannung
P
Ra
Formel 40 Übertragene Leistung in Abhängigkeit vom Verbraucherwiderstand
Diese Leistungskurve hat ein Maximum:
Das Leistungsmaximum ergibt sich durch Nullsetzen der Ableitung von Formel 39 bei Ra = Ri. Dies
nennt man Leistungsanpassung.
π‘ˆπ‘ˆ
1
2
Für die Spannung ergibt sich dann π‘ˆπ‘ˆ = π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž und für den Strom 𝐼𝐼 = 2π‘…π‘…π‘žπ‘ž . Also beträgt die Leistung:
oder, bezogen auf die Quellenleistung:
π‘ƒπ‘ƒπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š = 𝐼𝐼 βˆ™ π‘ˆπ‘ˆ =
1 π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž 2
4 𝑅𝑅𝑖𝑖
π‘ˆπ‘ˆ 2
𝑖𝑖
π‘žπ‘ž
π‘ƒπ‘ƒπ‘žπ‘ž = 𝐼𝐼 βˆ™ π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž = 𝑅𝑅 +𝑅𝑅
=
𝑖𝑖
π‘Žπ‘Ž
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž 2
2𝑅𝑅𝑖𝑖
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 42
π‘ƒπ‘ƒπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘šπ‘š 1
=
π‘ƒπ‘ƒπ‘žπ‘ž
2
Formel 41 Verhältnis von Verbraucherleistung und Quellenleistung bei maximalem Leistungsübertrag
Keinesfalls immer kommt es bei Übertragungen darauf an, die maximale Leistung zu übertragen. In
der Informationstechnik ist es oft wichtiger, ein störungsfreies Signal zu haben, also etwa eine
Spannung, die sich gut von Störspannungen abhebt.
5.3. Spannungs-, Strom- und Widerstandsmessung
Ströme und Spannungen wurden früher überwiegend mit Drehspul-Messinstrumenten gemessen.
Dabei erzeugt der Strom ein Magnetfeld, das einen Zeiger bewegt. Spannungen kann man so
messen, indem der Strom durch einen bekannten (großen) Widerstand bestimmt wird.
Heute verwendet man zur Spannungsmessung überwiegend hochohmige Analog-Digitalwandler, die
ein digitales Ausgangssignal liefern. Sie haben typischerweise einen Innenwiderstand von 10 MΩ.
Durch den Stromfluss durch das Messgerät können sich die Verhältnisse in der Schaltung ändern,
denn der Strom teilt sich auf in einen Anteil durch den zu messenden Schaltungsteil und einen
zweiten Anteil durch das Messgerät. Im Ersatzschaltbild beschreibt man das durch einen zum idealen
Spannungsmesser (mit unendlich großem Innenwiderstand) parallel geschalteten Innenwiderstand
RU.
U
RU
Abbildung 37 Ersatzschaltbild des realen Spannungsmessgeräts
Zur Messbereichserweiterung verwendet man bei digitalen Spannungsmessgeräten meist
Spannungsteiler, im Bild mit RE1 bis RE4 bezeichnet:
RU
RE1
RE3
RE2
U
RE4
U
Abbildung 38 Messbereichserweiterung eines digitalen Spannungsmessgeräts durch Spannungsteiler
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 43
Der Skalierungsfaktor für die Spannung ergibt sich dabei aus dem Verhältnis des Widerstands, über
dem gemessen wird, zum Gesamtwiderstand ∑ 𝑅𝑅𝐸𝐸𝐸𝐸 .
Zur Strommessung muss der zu messende Strom durch das Messgerät fließen. Es muss also in Reihe
geschaltet werden. Damit es nicht durch einen Spannungsabfall am Messgerät zu einer Rückwirkung
auf die Schaltung kommt, muss der Widerstand unendlich klein sein. Das ist natürlich nicht zu
realisieren. Daher beschreibt man im Ersatzschaltbild das reale Strommessgerät als Reihenschaltung
des idealen Strommessers (mit Innenwiderstand null) mit einem Innenwiderstand RI.
RI
A
Abbildung 39 Ersatzschaltbild des realen Strommessgeräts
Technisch realisiert wird die Strommessung heute oft durch Spannungsmessung über einem kleinen
Eingangswiderstand (RI). Eine Messbereichsumschaltung kann dann durch eine entsprechende
Umschaltung des Messbereichs des Spannungsmessgeräts erfolgen. Möglich ist auch die
Parallelschaltung von Widerständen, wodurch nur noch ein Teil des Stroms durch das Messgerät
fließt.
RI
A
RE1
RE2
RE3
I
Abbildung 40 Messbereichserweiterung eines Strommessgeräts durch Parallelschaltung von Widerständen
Der Strom teilt sich dann umgekehrt zum Verhältnis RI/REi auf und muss in der Anzeige entsprechend
skaliert werden.
Die Messung eines unbekannten Widerstands Rx kann natürlich auf eine Strom- und
Spannungsmessung zurückgeführt werden, wodurch sich der Widerstand aus dem Ohmschen Gesetz
berechnen lässt. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. Exemplarisch sei hier die Wheatstonsche
Brückenschaltung angeführt:
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 44
Rx
Uq
A
R3
R2
B
U
R4
Abbildung 41 Wheatstonsche Messbrücke
Nach Formel 28 ergibt sich für die Spannungen bei A bzw. B:
π‘ˆπ‘ˆπ΄π΄
𝑅𝑅3
=
𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏.
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž 𝑅𝑅3 + 𝑅𝑅π‘₯π‘₯
π‘ˆπ‘ˆπ΅π΅
𝑅𝑅4
=
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž 𝑅𝑅2 + 𝑅𝑅4
Wählt man die Widerstände so, dass die Spannung UA – UB null ergibt, ergibt sich als Bedingung:
𝑅𝑅π‘₯π‘₯ 𝑅𝑅2
=
𝑅𝑅3 𝑅𝑅4
Formel 42 Abgleichsbedingung für die Wheatstonsche Brücke
Dies ist recht praktisch, da die Quellenspannung Uq gar nicht bekannt sein muss und es nur auf R3
und das Verhältnis von R2 und R4 ankommt. Bildet man R2 und R4 aus einem Körper mit konstantem
Querschnitt A und spezifischem Widerstand ρ (Potentiometer), so erhält man nach Formel 16 für das
Verhältnis der Widerstände (vergleiche Abbildung 26):
𝑙𝑙
𝜌𝜌
𝑙𝑙
𝑅𝑅2
𝐴𝐴
=
=
𝑅𝑅4 𝜌𝜌 𝐿𝐿 − 𝑙𝑙 𝐿𝐿 − 𝑙𝑙
𝐴𝐴
Dabei wird l stufenlos von 0 (R2 = 0; R4 maximal) bis l = L (R2 maximal; R4 = 0) verstellt, bis die
Brückenabgleichbedingung gemäß Formel 42 erfüllt ist, d.h., die Spannung zwischen A und B null ist.
Dann ergibt sich der unbekannte Widerstand Rx zu:
𝑅𝑅π‘₯π‘₯ = 𝑅𝑅3 βˆ™
𝑙𝑙
𝐿𝐿 − 𝑙𝑙
Formel 43 Bestimmung eines Widerstands mit Brückenschaltung und Potentiometer
Die Brückenschaltung lässt sich auch einsetzen, wenn die Spannung zwischen A und B nicht null ist.
Der unbekannte Widerstand hängt dann auch von dieser Spannung ab.
5.4. Komplexe Netzwerke
Im Allgemeinen besteht eine elektronische Schaltung aus sehr vielen Bauelementen bzw. ein
Netzwerk aus sehr vielen Netzwerkelementen. Es enthält mindestens zwei Knoten. Den Teil zwischen
zwei Knoten bezeichnet man als Zweig. Ein Zweig kann aus einem Netzwerkelement bestehen oder
auch aus mehreren, z.B. aus der Reihenschaltung einer Spannungsquelle und eines Widerstands.
Durchläuft man mehrere Knoten so, dass man keinen doppelt berührt und am Ende wieder am
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 45
Anfangsknoten ankommt (den man in diesem Sinn natürlich schon einmal berührt hat, erhält man
eine Masche.
I5
K1
I1
I2
R2
R5
K2
M3
R3
I3
I4
M 1 R4
R1
M2
K3
R6
I6
Uq
K4
Abbildung 42 Netzwerk aus vier Knoten
Das Netzwerk in Abbildung 42 hat vier Knoten, K1 bis K4, und sechs Zweige, von denen alle bis auf
einen nur aus einem Widerstand bestehen. Bei einer Analyse des Netzwerks sind alle Ströme I1 bis I6
zu berechnen. Dazu hat man die beiden Kirchhoffschen Gleichungen zur Verfügung sowie die StromSpannungsbeziehungen (visualisiert durch die Kennlinien) aller Zweige. Bei den Widerständen sind
diese durch das Ohmsche Gesetz gegeben.
Aus dem 1. Kirchhoffschen Gesetz (Knotensatz) erhält man für die vier Knoten vier Gleichungen, von
denen aber nur drei unabhängig sind (die vierte ergibt sich durch Addition und Subtraktion der
anderen drei, „K1“+ „K2“+ „K2“= -„K4“):
𝐾𝐾1 : 𝐼𝐼1 − 𝐼𝐼2 − 𝐼𝐼5 = 0
𝐾𝐾2 : 𝐼𝐼2 + 𝐼𝐼3 − 𝐼𝐼4 = 0
𝐾𝐾3 : 𝐼𝐼5 + 𝐼𝐼6 − 𝐼𝐼3 = 0
𝐾𝐾4 : 𝐼𝐼4 − 𝐼𝐼1 − 𝐼𝐼6 = 0
Weiterhin kann man drei unabhängige Maschen identifizieren, M1, M2 und M3. Daraus ergibt sich
nach dem 2. Kirchhoffschen Gesetz (Maschengleichung) unter Berücksichtigung des Ohmschen
Gesetzes:
𝑀𝑀1 : − π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž + 𝑅𝑅1 𝐼𝐼1 + 𝑅𝑅2 𝐼𝐼2 + 𝑅𝑅4 𝐼𝐼4 𝑀𝑀2 : 𝑅𝑅4 𝐼𝐼4 + 𝑅𝑅6 𝐼𝐼6 + 𝑅𝑅3 𝐼𝐼3 = 0 𝑀𝑀3 : 𝐼𝐼5 𝑅𝑅5 + 𝑅𝑅3 𝐼𝐼3 − 𝑅𝑅2 𝐼𝐼2 = 0
Formel 44 (gemeinsam mit oben) Gleichungssystem mit sechs Gleichungen für sechs unbekannte Ströme
So hat man insgesamt sechs lineare Gleichungen für die sechs Unbekannten I1 bis I6. Das lässt sich
lösen, z.B. mit der Determinantenmethode oder dem Gauß’schen Eliminationsverfahren.
Allgemein ergibt ein Netzwerk mit k Knoten und z Zweigen k-1 unabhängige Gleichungen aus dem
Knotensatz und z - (k-1) unabhängige Gleichungen aus dem Maschensatz. Hinzu kommen z
Gleichungen für die Beziehung zwischen Strom und Spannung in den Zweigen. Insgesamt ergibt dies
2z Gleichungen für 2z Unbekannte (jeweils die Ströme und Spannungen in den Zweigen).
Da die Strom-Spannungsbeziehungen nicht immer linear sind, handelt es sich i.d.R. um ein
nichtlineares Gleichungssystem. Bei Wechselströmen und Netzwerkelementen, die Energie in einem
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 46
elektromagnetischen Feld speichern (Spulen, Kondensatoren), treten neben den gesuchten Größen
auch deren Ableitungen auf. Das ergibt dann ein System nichtlinearer Differentialgleichungen. Auch
solche Gleichungssysteme sind lösbar, allerdings bis auf besonders einfach Fälle nicht analytisch.
Heute setzt man dafür häufig Computerprogramme ein, z.B. SPICE.
5.5. Maschenstrom-Verfahren
Eine vereinfachte Analyse von Netzwerken gelingt, wenn man Maschenströme als Hilfsvariablen
einführt.
R
I5
I2
K1
R
5
Im3
2
K
1
I3
3
2
I1
R
R
K
3
I4
Im1
R
Im2
4
R
6
I6
Uq
K
4
Abbildung 43 Netzwerk mit Maschenströmen
Abbildung 43 zeigt dasselbe Netzwerk wie Abbildung 42. Eingezeichnet sind die (gedachten) Ströme,
die in den drei Maschen M1, M2 und M3 fließen. Sie sind nur dort messbar, wo sie in einem Zweig
alleine den Strom bilden. Für die Zweigströme I1 bis I6 gilt:
𝐼𝐼1 = πΌπΌπ‘šπ‘š1
𝐼𝐼2 = πΌπΌπ‘šπ‘š1 − πΌπΌπ‘šπ‘š3
𝐼𝐼3 = πΌπΌπ‘šπ‘š2 + πΌπΌπ‘šπ‘š3
Formel 45 Zusammenhang zwischen Zweig- und Maschenströmen
𝐼𝐼4 = πΌπΌπ‘šπ‘š1 + πΌπΌπ‘šπ‘š2
𝐼𝐼5 = πΌπΌπ‘šπ‘š3
𝐼𝐼6 = πΌπΌπ‘šπ‘š2
In den Maschen M1 bis M3 kann man nun das 2. Kirchhoffsche Gesetz anwenden, wobei man für den
Spannungsabfall an einem Widerstand natürlich alle Maschenströme berücksichtigen muss, die ihn
durchfließen. Es ergibt sich im obigen Beispiel:
(R1 + R2 + R4) Im1
R4 Im1
-R2 Im1
+
R4 Im2
-
R2 Im3
= Uq
+ (R3 + R4 + R6) Im2
+
R3 Im3
=0
+
+ (R5 + R3 + R2) Im3
=0
R3 Im2
Formel 46 Gleichungssystem mit drei Gleichungen für drei unbekannte Maschenströme
Das ist ein lineares Gleichungssystem mit drei Gleichungen für die drei Unbekannten Im1 bis Im3. Die
Komplexität dieses Gleichungssystems ist halb so groß wie das von Formel 44 mit sechs Gleichungen.
Es lässt sich wiederum mit der Determinantenmethode oder dem Gauß’schen Eliminationsverfahren
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 47
lösen. Aus den Maschenströmen müssen dann noch die Zweigströme gemäß Formel 45 berechnet
werden.
Man erkennt in Formel 46, dass vor den Maschenströmen die jeweils durchflossenen Widerstände
stehen unter Berücksichtigung der Stromrichtung. Auf der rechten Seite der Gleichung steht die
Spannung der Spannungsquelle, falls in der Masche eine vorhanden ist. Ist in der Masche eine ideale
Stromquelle vorhanden, lässt sich das Maschenstromverfahren nicht anwenden, da eine ideale
Stromquelle keine eindeutige Zuordnung von Strom zu Spannung hat (vergleiche Abbildung 13). In
diesem Fall kann es gelingen, ein Teilnetzwerk mit der idealen Stromquelle in eine reale
Spannungsquelle umzuwandeln (siehe Kapitel 5.7).
Das Maschenstromverfahren stellt ein effektives Werkzeug zur Analyse von Netzwerken dar. Es
gliedert sich in die Verfahrensschritte:
-
-
Ermittlung aller unabhängigen Maschen (Maschen sind unabhängig, wenn sich die Gleichung
einer Masche nicht durch Addition oder Subtraktion der Gleichung der anderen Maschen
darstellen lässt. In Abbildung 43 wären die Maschen M1, M2 und die Masche, die über K1, K2,
K3 und K4 läuft, nicht unabhängig.)
Definition eines Maschenstroms für jede Masche.
Anwendung des 2. Kirchhoffschen Gesetzes für jede Masche und Ausdrücken der
Spannungen durch die Maschenströme.
Lösung des Gleichungssystems für die Maschenströme.
Ermittlung der Zweigströme aus den Maschenströmen.
Das Verfahren kann auch für nichtlineare Netzwerke verwendet werden, wenn die StromSpannungsbeziehungen bekannt sind.
5.6. Überlagerungssatz
Das Netzwerk von Abbildung 43 ließe sich erweitern um eine Stromquelle.
R5
I5
I2
K1
R2
I1
R1
R3
K2
I3
K3
I4
R4
Uq
Iq
R6
I6
Abbildung 44 Netzwerk mit Spannungs- und Stromquelle
In einem solchen linearen Netzwerk mit mehreren Quellen lässt sich die Analyse vereinfachen, indem
jeweils nur eine Quelle berücksichtigt wird und die anderen Quellen zu null gesetzt werden. Das
Gesamtergebnis erhält man dann, indem man die Teilergebnisse für die einzelnen Quellen addiert.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 48
Das ist der Inhalt des Überlagerungssatzes:
In einem linearen Netzwerk mit mehreren unabhängigen Quellen (Spannungs- oder Stromquellen)
können die Ströme und Spannungen in den Zweigen berechnet werden als Summe der Ströme und
Spannungen für jeweils nur eine Quelle bei Nullsetzung aller anderen Quellen. Nullsetzen heißt bei
idealen Spannungsquellen, dass Spannung und Widerstand null sind (Kurzschluss), bei idealen
Stromquellen, dass Strom und Leitwert null sind (Auftrennung). Bei realen Spannungs- und
Stromquellen bleiben die Innenwiderstände bzw. –Leitwerte in der Schaltung erhalten.
I2
K1
R5
R2
K2
I1
R1
R3
I3
K3
I4
R4
I2
K1
R5
R2
I1
R6
R1
Teilschaltung nur mit Quelle 1
(Spannungsquelle)
I3
K3
I4
R4
I6
Uq
R3
K2
Iq
R6
I6
Teilschaltung nur mit Quelle 2
(Stromquelle)
Abbildung 45 Teilschaltungen mit Quelle 1 und Quelle 2 (zum Überlagerungssatz)
Abbildung 45 zeigt die Schaltung aus Abbildung 44, wenn jeweils eine der Quellen zu null gesetzt ist.
Der Überlagerungssatz gilt nur für lineare Netzwerke, da hier Strom und Spannung proportional sind.
Als Beispiel für ein nicht lineares Netzwerk sei ein Netzwerk mit einer Diode betrachtet, die oberhalb
von 0,5 V Strom durchlässt und unterhalb sperrt. Erhält man nun für die Analyse mit der ersten
Quelle eine Spannung von 0,4 V an der Diode, wird kein Strom fließen. Die Analyse mit einer zweiten
Quelle möge 0,3 V erbringen, also auch keinen Strom. Bildet man nun die Summe, erhält man für die
Spannung 0,7 V und für den Strom 0 A. Bei 0,7 V ist die Diode aber durchlässig, es fließt also Strom.
Für dieses nicht lineare Netzwerk gilt der Überlagerungssatz eben nicht.
Auch bei linearen Netzwerken gilt der Überlagerungssatz nicht für Leistungen. Es sei ein Widerstand
R betrachtet, für den mit Quelle 1 die Spannung U1 und der Strom I1 berechnet wurde. Dies ergibt die
Leistung P1 = U1.I1. Für die Quelle 2 ergeben sich (zufällig) dieselben Werte, also P2 = U1.I1. Nach dem
Überlagerungssatz ist nun U = 2.U1 und I = 2.I1. Daraus ergibt sich eine Leistung von P = 4U1.I1.
Andererseits ergibt die Summe der Leistungen nur 2U1.I1.
5.7. Ersatzquellen
Bei komplexen Netzwerken ist es oft hilfreich, wenn man einzelne Teilnetze vereinfacht und
zusammenfasst. Das ist immer dann sinnvoll, wenn es nur auf das Spannungs-Stromverhalten an den
Anschlussklemmen ankommt und nicht darauf, was im Einzelnen im Innern der Schaltung passiert.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 49
An dieser Stelle werden lineare aktive Zweipole behandelt, die aus einer oder mehreren Spannungsund Stromquellen und linearen passiven Netzwerkelementen (Widerständen) bestehen. Es gilt nun
der Satz von Thevenin bzw. Helmholtz:
Jeder lineare aktive Zweipol ist durch eine Spannungsquellen-Ersatzschaltung darstellbar.
Beliebiger aktiver
linearer Zweipol
Uq
Ri
Abbildung 46 Umwandlung eines aktiven linearen Zweipols in eine Spannungsquelle
Zur Ermittlung der charakterisierenden Größen Quellenspannung Uq, Innenwiderstand Ri und
Kurzschlussstrom πΌπΌπ‘˜π‘˜ =
-
-
-
π‘ˆπ‘ˆπ‘žπ‘ž
𝑅𝑅𝑖𝑖
kann man so vorgehen:
Alle idealen Spannungsquellen werden kurzgeschlossen und alle idealen Stromquellen
werden aufgetrennt (Spannungs- und Stromquellen werden zu null gesetzt). Der dann
berechnete Widerstand/Leitwert ist gleich dem Innenwiderstand Ri /Leitwert Gi der
Ersatzschaltung.
Der Zweipol wird kurzgeschlossen. Der dann berechnete Strom ist gleich dem
Kurzschlussstrom Ik. Aus Innenwiderstand und Kurzschlussstrom kann die Quellenspannung
Uq berechnet werden, oder
an den Klemmen wird die Leerlaufspannung Ul berechnet. Aus dem Leitwert bzw. dem
Widerstand wird dann der Quellenstrom Iq berechnet.
Ein Sonderfall wurde schon in 4.4 mit der Äquivalenz von Strom- und Spannungsquellen behandelt.
Gleichermaßen gilt umgekehrt das Mayer-Norton-Theorem:
Jeder lineare aktive Zweipol ist durch eine Stromquellen-Ersatzschaltung darstellbar.
Beliebiger aktiver
linearer Zweipol
Iq
Ri
Abbildung 47 Umwandlung eines aktiven linearen Zweipols in eine Stromquelle
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 50
Die charakteristischen Größen werden wie oben ermittelt.
Auch hier wurde bereits der Sonderfall der Umwandlung einer Spannungs- in eine Stromquelle
behandelt.
Ersatzquellen lassen sich nicht finden für den Fall, dass das Netzwerk lediglich aus einer idealen
Spannungsquelle oder einer idealen Stromquelle besteht. Eine ideale Stromquelle würde eine
Spannungs-Ersatzquelle mit unendlich großem Widerstand erfordern, eine ideale Spannungsquelle
eine Stromquelle mit Innenwiderstand null.
5.8. Netzumwandlungen, Zweipoltheorie
Ziel der vorangegangenen Abschnitte war es, verschiedene Möglichkeiten für die Umwandlung und
Berechnung von Netzwerken aufzuzeigen. Je nachdem, wie das Netzwerk aufgebaut ist und welche
Werte man berechnen möchte, können verschiedene Instrumente genutzt werden:
-
Zusammenfassung von Widerständen nach den Regeln der Reihen- und Parallelschaltung
Stern-Dreieck- und Dreieck-Stern-Umwandlung
Umwandlung von Spannungs- in Stromquellen und umgekehrt
Netzwerkumwandlung nach dem Satz von Thevenin bzw. Helmholtz oder dem MayerNorton-Theorem
Wenn es beispielsweise in der Schaltung von Abbildung 42 nur auf den Quellenstrom ankommt, lässt
sich das Netzwerk mit der Dreieck-Stern-Umwandlung so beschreiben:
R5
R2
R1
R5
R3
R4
R2
R6
Uq
R1
RS3
RS4
RS6
Uq
Abbildung 48 Schaltung mit Dreieck-Stern-Umwandlung
Man erkennt, dass sich das Netzwerk auf der rechten Seite von Abbildung 48 als Spannungsquelle mit
einem einzigen Widerstand darstellen lässt. Das allerdings fordert ja auch der Satz von Thevenin.
Damit weiß ich dann allerding nicht, welche Ströme und Spannungen im Innern vorliegen. Die könnte
man aber durch Rückwärtsumformung Schritt für Schritt ermitteln.
Zur Berechnung von Netzwerken lässt sich aus den Knoten und Maschen unter Anwendung der
Kirchhoffschen Gesetze und der Spannungs-Strombeziehungen ein Gleichungssystem für die
unbekannten Ströme und Spannungen ermitteln, das sich im linearen Fall mit dem
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 51
Determinantenverfahren oder dem Gauß’schen Eliminationsverfahren lösen lässt. Vereinfachen lässt
sich die Berechnung mit dem Maschenstromverfahren. Sind mehrere Quellen beteiligt, kann der
Überlagerungssatz angewendet werden.
Die vorgestellten Methoden der Vereinfachung bzw. Umwandlung von Widerstandsschaltungen, der
Umwandlung von Spannungs- in Stromquellen (und umgekehrt) sowie der Anwendung der
Ersatzquellensätze einschließlich der Methoden zur Berechnung der Kenngrößen bilden die
Zweipoltheorie. Sie lassen sich anwenden, wenn es gelingt, Zweige eines Netzwerks mit zwei
Anschlüssen zu identifizieren. Damit können größere Netzwerke vereinfacht werden.
Neben den rechnerischen Methoden lassen sich die Größen auch experimentell bestimmen. Dazu
muss das Netzwerk aufgetrennt werden. Bei der Ermittlung des Kurzschlussstroms kann es allerdings
zu einer Überlastung der Quellen kommen.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 52
6. Elektromagnetisches Feld
6.1. Feldtheorien
In Abschnitt 3.5 wurde der Begriff des elektrischen Feldes eingeführt als Eigenschaft des Raumes, die
durch eine elektrische Ladung hervorgerufen wird und durch eine Kraftwirkung auf eine zweite
Ladung gemessen werden kann.
𝑬𝑬 =
𝑭𝑭
𝑄𝑄
Das Feldkonzept kann erweitert werden auf beliebige Ladungsverteilungen und auch auf
magnetische Kräfte. Im 19. Jahrhundert wurde aus Experimenten durch Hans Christian Oersted,
André Marie Ampère, Michael Faraday, James Clerk Maxwell und andere die Theorie des
elektromagnetischen Feldes aufgestellt, die in wenigen Gleichungen beschrieben werden kann.
Damit lässt sich im Prinzip alles berechnen, was auf der elektromagnetischen Wechselwirkung
beruht.
Mit Ausnahme der Vorgänge in Atomkernen und Elementarteilchen sowie der Gravitation beruht fast
alles, was unser Leben bestimmt, auf dem elektromagnetischen Feld: Chemische Bindung, Aufbau
der Materie, Mechanik, Licht, Optik, Elektronik, Funkwellen. Wenn man etwa eine Kerze anzündet,
benutzt man ein Streichholz (zusammengehalten durch elektromagnetische Kräfte), verwendet die
Reibung an einer Reibefläche (ein elektromagnetischer Vorgang) um einen chemischen
(elektromagnetischen) Prozess in Gang zu setzen, der Licht (elektromagnetische Strahlung) und
Wärme (elektromagnetische Strahlung) erzeugt.
Erstaunlicherweise erwies sich die Theorie der Elektrodynamik sogar noch als gültig bei Einführung
der speziellen Relativitätstheorie Anfang des 20. Jahrhunderts durch Albert Einstein. Einstein griff auf
Gleichungen von Hendrik Antoon Lorentz zurück, die dieser unter der Annahme aufgestellt hatte,
dass sich das Licht in einem „Äther“ mit konstanter Geschwindigkeit ausbreitet. Es war die Leistung
von Einstein, zu erkennen, dass es diesen Äther als materiellen Stoff nicht gibt. Elektromagnetische
Strahlung breitet sich in jedem geradlinig gleichförmig bewegten Bezugssystem mit der gleichen
Geschwindigkeit aus. Daraus ergibt sich zwingend die Längenkontraktion und die Zeitdilatation, d.h.
die Längen von Objekten in relativ zueinander bewegten Bezugssystemen sind unterschiedlich und
die Zeit verläuft unterschiedlich.
VBall
vWagen
Abbildung 49 Zur speziellen Relativitätstheorie
Das Erstaunliche an der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit wird deutlich, wenn man Abbildung 49
betrachtet, bei der sich ein Wagen mit dem bewegten Beobachter mit der Geschwindigkeit vWagen
relativ zum ruhenden Beobachter bewege. Beide Beobachter betrachten einen Ball, der sich mit der
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 53
Geschwindigkeit vBall im ruhenden System bewege. Der bewegte Beobachter wird natürlich eine
andere Geschwindigkeit des Balls messen. Insbesondere wird er die Geschwindigkeit null messen,
wenn er sich mit dem Wagen genauso schnell bewegt wie der Ball. Das wird beschrieben durch die
Galilei-Transformation. Wenn 𝒓𝒓𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡 die Koordinaten des Balls im ruhenden Bezugssystem sind, 𝒓𝒓′𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡
die Koordinaten in dem System, das sich gegenüber dem ruhenden System mit der Geschwindigkeit
π’—π’—π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Š bewegt, dann ergibt die Transformation:
Formel 47 Galilei-Transformation (Sonderfall)
𝒓𝒓𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡 = 𝒓𝒓′𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡 + π’—π’—π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Š βˆ™ 𝑑𝑑
Dies setzt voraus, dass zum Zeitpunkt t = 0 die Ursprünge der beiden Koordinatensysteme am
gleichen Ort waren. Die Zeit wird bei der Galilei-Transformation nicht transformiert, es gilt also: t‘ = t.
Bildet man nun die Ableitung nach der Zeit, ergibt sich:
d𝒓𝒓𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡
d𝑑𝑑
= 𝒗𝒗𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡 =
d𝒓𝒓′𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡
d𝑑𝑑
+ π’—π’—π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Š bzw.
d𝒓𝒓′𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡
d𝑑𝑑
= 𝒗𝒗′𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡 = 𝒗𝒗𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡𝐡 − π’—π’—π‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Šπ‘Š .
Das entspricht der Anschauung. Wenn sich der Ball mit 5 m/s bewegt und man fährt daneben mit
einer Geschwindigkeit von 4 m/s, dann bewegt sich der Ball relativ dazu nur noch mit 1 m/s.
Anders ist es nun, wenn statt des Balls eine elektromagnetische Welle beobachtet wird. Beide
Beobachter messen exakt die gleiche Geschwindigkeit, selbst wenn sich der Beobachter mit 99,9%
der Lichtgeschwindigkeit bewegen würde. Angewandt auf das Bild oben hieße das: Der Ball bewegt
sich mit 5 m/s im ruhenden System. Man bewegt sich nun mit 4,9 m/s in die gleiche Richtung und
misst immer noch die Geschwindigkeit 5 m/s.
Dieses scheinbar paradoxe Verhalten erklärt sich, wenn man anstatt der Galilei-Transformation die
Lorentztransformation verwendet. Verläuft die Geschwindigkeit v des bewegten Bezugssystems
entlang der x-Achse und fallen die beiden Bezugssystem zum Zeitpunkt t = t‘ zusammen, so gilt:
π‘₯π‘₯ ′ =
π‘₯π‘₯−π‘£π‘£βˆ™π‘‘π‘‘
2
οΏ½1−𝑣𝑣2
𝑐𝑐
𝑦𝑦 ′ = 𝑦𝑦
Formel 48 Lorentz-Transformation
𝑧𝑧 ′ = 𝑧𝑧
und 𝑑𝑑 ′ =
𝑣𝑣
𝑑𝑑− 2 π‘₯π‘₯
𝑐𝑐
2
οΏ½1−𝑣𝑣2
𝑐𝑐
Beobachtet man im bewegten Bezugssystem eine Geschwindigkeit u‘ parallel zur x-Achse, so misst
man im ruhenden System:
𝑒𝑒 =
𝑒𝑒′ + 𝑣𝑣
𝑒𝑒′ βˆ™ 𝑣𝑣
1+ 2
𝑐𝑐
Formel 49 relativistische Addition von Geschwindigkeiten
𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏. 𝑒𝑒′ =
𝑒𝑒 − 𝑣𝑣
𝑒𝑒 βˆ™ 𝑣𝑣
1− 2
𝑐𝑐
Es muss das Ziel einer Theorie sein, dass die Gesetze auch bei Transformation in ein anderes
Bezugssystem gelten. Dies ist für die Theorie des Elektromagnetismus mit der Galilei-Transformation
nicht gegeben, wohl aber mit der Lorentz-Transformation.
Die Gleichungen der Elektrodynamik gelten also auch bei Anwendung der relativistischen
Transformationen.
Im Rahmen der Quantenphysik wurde die Theorie des Elektromagnetismus durch Richard Feynman
und andere in der Mitte des 20. Jahrhunderts zur Quantenelektrodynamik weiterentwickelt, bei der
die Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen mittels Photonen beschrieben wird. Diese Theorie
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 54
konnte in den 1970-er Jahren von Steven Weinberg und anderen mit der Theorie für die schwache
Wechselwirkung (verantwortlich z.B. für den Zerfall des Neutrons) zur Elektroschwachen Theorie
vereinheitlicht werden. Es gibt Ansätze, diese mit der Theorie der starken Wechselwirkung zu
vereinen, die die Wechselwirkung von Quarks beschreibt.
Als besonders sperrig erweist sich die Einbindung der Gravitation in eine allgemeine Theorie der
Wechselwirkungen. Die Einsteinsche Allgemeine Relativitätstheorie hat sich bisher in allen
Experimenten als erfolgreich erwiesen. Sie hat aber einen ganz anderen Ansatz als alle oben
genannten Theorien und beschreibt Gravitation als Krümmung der Raumzeit, hervorgerufen durch
Materie. Sie beruht u.a. auf der Annahme, dass es prinzipiell unmöglich ist zu unterscheiden, ob man
sich in einem Gravitationsfeld befindet oder in einem beschleunigten System. Ebenso lässt es sich
nicht unterscheiden, ob ein System in der Schwerelosigkeit (ohne Gravutationskraft) oder im freien
Fall ist.
Lichtstrahl
Beschleunigung a
Gravitationskraft Fg
Abbildung 50 Äquivalenz von träger und schwerer Masse
Da in einem beschleunigten System ein Lichtstrahl abgelenkt wird, muss dies auch in einem
Gravitationsfeld so sein.
Dem menschlichen Geist wird es sicher noch gelingen, zu einer einheitlichen Theorie aller bekannten
Wechselwirkungen zu kommen, wenn er seine Spezie nicht vorher selbst eliminiert.
6.2. Elektrisches Feld im Vakuum
Das elektrische Feld einer Punktladung wird durch Formel 9 beschrieben. Wie man sieht, nimmt die
Feldstärke quadratisch mit dem Abstand von der Ladung ab. Die Richtung der Feldstärke ist immer
auf die Ladung hin gerichtet (bei negativer Ladung) oder genau entgegengesetzt (bei positiver
Ladung).
Abbildung 51 Elektrisches Feld einer Punktladung
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 55
Die Linien werden als Feldlinien bezeichnet und dienen der Visualisierung eines Felds. Die Tangente
an die Feldlinie ergibt die Richtung des elektrischen Feldes in einem Punkt (bei der Punktladung
fallen die Tangenten mit den Feldlinien zusammen). Die Dichte der Feldlinien gibt die Stärke des
Feldes an. Im obigen Beispiel erkennt man, dass die Dichte mit dem Abstand von der Ladung
abnimmt.
Nach Formel 13 ergibt sich für das Potenzial der Punktladung:
𝒓𝒓
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ1 − πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ2 = π‘ˆπ‘ˆπ‘Ÿπ‘Ÿ1 π‘Ÿπ‘Ÿ2 = ∫𝒓𝒓 𝟐𝟐 𝑬𝑬(𝒓𝒓) βˆ™ 𝒅𝒅𝒅𝒅.
𝟏𝟏
Beschränkt man sich auf die Betrachtung eines Wegs entlang einer Feldlinie, so sind das Feld und die
Richtung der Bewegung parallel. Dann kann man für den Fall schreiben, dass die felderzeugende
Ladung bei r = 0 ist:
π‘Ÿπ‘Ÿ2
π‘Ÿπ‘Ÿ2
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ1 − πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ2 = οΏ½ 𝐸𝐸(π‘Ÿπ‘Ÿ)𝑑𝑑𝑑𝑑 = οΏ½
π‘Ÿπ‘Ÿ1
π‘Ÿπ‘Ÿ1
𝑄𝑄 1
𝑄𝑄 1 1
𝑄𝑄 1 1
𝑑𝑑𝑑𝑑 = −
οΏ½ − οΏ½=
οΏ½ − οΏ½.
2
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 π‘Ÿπ‘Ÿ
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 π‘Ÿπ‘Ÿ2 π‘Ÿπ‘Ÿ1
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 π‘Ÿπ‘Ÿ1 π‘Ÿπ‘Ÿ2
Wählt man nun r2 im Unendlichen und setzt dort das Potenzial gleich null, erhält man:
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ =
𝑄𝑄 1
bzw. wenn die Ladung bei π’“π’“π’Šπ’Š ist:
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 π‘Ÿπ‘Ÿ
Formel 50 Elektrisches Potenzial einer Punktladung im Vakuum
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ =
𝑄𝑄
1
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 |𝒓𝒓 − π’“π’“π’Šπ’Š |
Das Potenzial einer Punktladung nimmt also mit 1/r ab.
Wenn es mehrere Ladungen gibt, überlagern sich die von ihnen hervorgerufenen Kräfte durch
Addition (Superpositionsprinzip). Somit gilt für das elektrische Feld:
𝑛𝑛
𝑛𝑛
𝑖𝑖=1
𝑖𝑖=1
𝑭𝑭𝑖𝑖
1
𝑄𝑄𝑖𝑖
𝒓𝒓 − π’“π’“π’Šπ’Š
𝑬𝑬(𝒓𝒓) = οΏ½ =
οΏ½
𝑄𝑄𝑖𝑖 4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0
(𝒓𝒓 − 𝒓𝒓𝑖𝑖 )2 |𝒓𝒓 − 𝒓𝒓𝑖𝑖 |
Formel 51 Elektrisches Feld mehrerer Punktladungen im Vakuum
Die Potenziale der einzelnen Ladungen addieren sich ebenfalls:
𝑛𝑛
1
𝑄𝑄𝑖𝑖
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ =
οΏ½
|𝒓𝒓
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0
− 𝒓𝒓𝑖𝑖 |
Formel 52 Potenzial mehrerer Punktladungen im Vakuum
𝑖𝑖=1
Ein interessanter Sonderfall liegt vor, wenn zwei gleich große Ladungen Q mit entgegengesetztem
Vorzeichen in einem Abstand d angeordnet sind. Man nennt dies einen elektrischen Dipol.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 56
d
Abbildung 52 Elektrisches Feld eines Dipols
Nimmt man an, dass die positive Ladung am Ort r = d und die negative Ladung bei r = 0 ist, ergibt sich
für das Potenzial des Dipols:
πœ‘πœ‘π‘Ÿπ‘Ÿ =
1
𝑄𝑄
𝑄𝑄
𝑄𝑄 |𝒓𝒓| − |𝒓𝒓 − 𝒅𝒅|
οΏ½
− οΏ½=
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 |𝒓𝒓 − 𝒅𝒅| |𝒓𝒓|
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 |𝒓𝒓| βˆ™ |𝒓𝒓 − 𝒅𝒅|
Einem solchen elektrischen Dipol lässt sich ein elektrisches Dipolmoment zuordnen mit 𝒑𝒑 =Qd.
Besonders einfach lässt sich das elektrische Potenzial in großem Abstand schreiben:
πœ‘πœ‘π’“π’“ =
1 𝒑𝒑 βˆ™ 𝒓𝒓
4πœ‹πœ‹πœ€πœ€0 π‘Ÿπ‘Ÿ 3
Formel 53 Elektrisches Potenzial eines Dipols im Vakuum im großen Abstand
Das elektrische Potenzial des Dipols nimmt also mit 1/r2 ab (man beachte das r im Zähler). Somit
nimmt es schneller ab als das Potenzial einer Punktladung, das gemäß Formel 50 mit 1/r abnimmt.
Punktladungen (Monopole) sowie Dipole sind Beispiele für Multipole, mit denen sich eine räumlich
begrenzte Ladungsanordnung in großem Abstand näherungsweise beschreiben lässt. Der nächste
Multipol wäre der Quadrupol. Dies ist eine Anordnung aus zwei Dipolen:
-
+
+
-
Abbildung 53 Elektrischer Quadrupol
In sehr großem Abstand dominiert immer der Term des Monopols: Von weitem betrachtet sieht jede
begrenzte Ladungsverteilung, die eine von null verschiedene Gesamtladung hat, wie eine
Punktladung aus. Wenn die Gesamtladung null ist, kann in großem Abstand der Term des Dipols oder
des Quadrupols dominieren. Nach dem Quadrupol käme der Oktupol.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 57
Ein weiterer interessanter Sonderfall stellt eine Anordnung aus zwei leitenden Körpern dar, die
voneinander isoliert sind (Kondensator). Legt man eine Spannung an, werden Ladungen von einem
Körper zum anderen verschoben, so dass zwischen den Körpern ein elektrisches Feld entsteht.
U
Abbildung 54 Elektrisches Feld eines Kondensators
Die Ladung Q, die von einem Körper zum anderen verschoben wird, ist proportional zur Spannung U.
Die Proportionalitätskonstante heißt Kapazität und wird mit dem Buchstaben C gekennzeichnet:
𝑄𝑄 = 𝐢𝐢 βˆ™ π‘ˆπ‘ˆ
Formel 54 Definition der Kapazität
𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏𝑏. 𝐢𝐢 =
𝑄𝑄
π‘ˆπ‘ˆ
π΄π΄βˆ™π‘ π‘ 
𝑉𝑉
Die Einheit der Kapazität ergibt sich aus der Definition zu [𝐢𝐢] =
bezeichnet.
=F
und wird als Farad
Bei der Berechnung der Arbeit zum Aufbau des Kondensatorfelds muss man berücksichtigen, dass
zunächst ja noch kein Feld im Innern besteht. Dann wird die erste Ladung von einer zur anderen
Platte transportiert. Dadurch entsteht ein Feld. Die nächste Ladung muss nun bereits gegen dieses
Feld zur anderen Platte transportiert werden und so fort. Für jeden Ladungsanteil gilt: βˆ†π‘Šπ‘Š = π‘ˆπ‘ˆ βˆ™ βˆ†π‘žπ‘ž.
Dabei ändert sich aber die Spannung so lange, bis die Spannung der Spannungsquelle erreicht ist. Aus
der Summe über alle Arbeitsanteile lässt sich dann die Gesamtarbeit berechnen:
𝑛𝑛
𝑄𝑄
𝑄𝑄
π‘Šπ‘Š = lim οΏ½ π‘ˆπ‘ˆπ‘–π‘– βˆ†π‘žπ‘ž = οΏ½ π‘ˆπ‘ˆ(π‘žπ‘ž)𝑑𝑑𝑑𝑑 = οΏ½
Mit Formel 54 wird daraus:
βˆ†π‘žπ‘ž→0
Formel 55 Energie des Kondensatorfelds
𝑖𝑖=1
0
0
π‘žπ‘ž
1 𝑄𝑄 2
𝑑𝑑𝑑𝑑 =
𝐢𝐢
2 𝐢𝐢
1
π‘Šπ‘Š = πΆπΆπ‘ˆπ‘ˆ 2
2
Die Arbeit ist in Form elektrischer Energie im Kondensatorfeld gespeichert und kann auch wieder als
elektrischer Strom abgegeben werden. Daher werden Kondensatoren auch zur Speicherung von
Energie verwendet, etwa zum Ausgleich von Spannungsschwankungen in elektrischen Schaltungen,
aber auch zur kurzfristigen Freisetzung großer Energiemengen in elektrischen Antrieben
(Superkondensatoren bzw. Supercaps).
Die Kapazitäten von Kondensatoren reichen von kleiner 1 μF bis zu 105 F.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 58
6.3. Elektrisches Feld in Nichtleitern
Nichtleiter, Isolatoren oder Dielektrika sind Materialien, in denen Ladungsträger nicht frei beweglich
sind. Sie sind an Atome oder Moleküle gebunden, die elektrisch neutral sind. Bringt man ein solches
Material in ein elektrisches Feld, wirken Kräfte auf die gebundenen Ladungsträger.
-
+
+
(monopolare Atome/Moleküle)
Ohne elektrisches Feld
Ea (äußeres elektrisches Feld)
+
-
-
+
(bipolareMoleküle)
ED (elektrisches Feld der Dipole)
Abbildung 55 Polarisation von Dielektrika
Atome bzw. Moleküle ohne Dipolmoment erhalten ein Dipolmoment und Moleküle mit
Dipolmoment richten sich im elektrischen Feld aus. Dies passiert bei sehr vielen Atomen bzw.
Molekülen und man nennt das die Polarisation des Dielektrikums. Aus einem Material ohne
elektrische Vorzugsrichtung wird eine Anordnung von in Richtung des externen elektrischen Felds
ausgerichteter Dipole. Diese ausgerichteten Dipole erzeugen ihrerseits ein elektrisches Feld, das dem
äußeren elektrischen Feld entgegengesetzt ist, wie Abbildung 55 zeigt. Das Gesamtfeld ergibt sich
aus der Addition des äußeren Felds mit dem Feld der Dipole und ist somit immer kleiner als das
äußere Feld.
Beschrieben wird der Effekt des polarisierten Dielektrikums durch die Polarisation P, die ein Maß für
die erzeugten bzw. ausgerichteten Dipolmomente pro Volumen ist. Die Einheit der Polarisation ergibt
sich somit zu [𝑷𝑷] =
πΆπΆβˆ™π‘šπ‘š
π‘šπ‘š3
=
𝐢𝐢
π‘šπ‘š2
.
In einem homogenen, isotropen linearen Medium ist die Polarisation proportional zum elektrischen
Feld:
𝑷𝑷 = πœ€πœ€0 πœ’πœ’π‘¬π‘¬
Formel 56 Elektrische Polarisation im homogenen linearen isotropen Medium
Dabei ist ε0 die elektrische Feldkonstante und χ die elektrische Suszeptibilität, eine dimensionslose
materialabhängige Zahl. Im allgemeinen Fall gibt es keinen linearen Zusammenhang zwischen
Polarisation und elektrischer Feldstärke. Sie können sogar unterschiedliche Richtungen haben.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 59
Ein Dielektrikum schwächt also das äußere Feld. Im Coulombgesetz (Formel 2) ist die relative
Permittivität Τ‘r diejenige Zahl, die die feldschwächende Wirkung des Dielektrikums beschreibt. Auch
in vielen anderen Gleichungen erhält man die Verhältnisse in einem Dielektrikum, wenn man
πœ€πœ€ = πœ€πœ€0 βˆ™ πœ–πœ–π‘Ÿπ‘Ÿ schreibt und für die relative Permittivität den Wert des Mediums wählt. So verhalten sich
die elektrischen Felder im Vakuum und im Dielektrikum (bei gleichen erzeugenden Ladungen) wie:
𝐸𝐸𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉𝑉
𝐸𝐸𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷
= πœ€πœ€π‘Ÿπ‘Ÿ
Formel 57 Verhältnis des elektrischen Felds im Vakuum und im Dielektrikum
Im Vakuum und in Luft bei nicht zu hohem Druck ist εr = 1, für Glas zwischen 5 und 7, für Äthylalkohol
21 und für Wasser 81. (Das ist auch ein Grund dafür, dass Wasser ein gutes Lösungsmittel ist, denn es
schwächt das kristallbildende Feld.)
Um eine Größe zu erhalten, die unabhängig vom Dielektrikum ist, führt man die elektrische
Flussdichte ein, auch dielektrische Verschiebung genannt.
Formel 58 Elektrische Flussdichte
𝑫𝑫 = ε𝑬𝑬
Die Einheit der elektrischen Flussdichte ist C/m2. Wie man etwa an Formel 2 (Coulomb-Gesetz) sieht,
hängt diese Größe nur noch von den felderzeugenden elektrischen Ladungen ab. Die elektrische
Feldstärke beschreibt also die Wirkung des elektrischen Felds und die elektrische Flussdichte die
Ursache des Felds. Im Vakuum unterscheiden sich beide Größen nur durch die Konstante ε0. Im
Medium gilt:
𝑫𝑫 = πœ€πœ€0 𝑬𝑬 + 𝑷𝑷
Formel 59 Zusammenhang zwischen elektrischer Flussdichte, Feld und Polarisation
Für die Polarisation gilt im homogenen, linearen isotropen Fall Formel 56, so dass gilt: πœ€πœ€π‘Ÿπ‘Ÿ = 1 + πœ’πœ’ .
Führt man nun ein Dielektrikum zwischen die Platten eines Kondensators gemäß Abbildung 54 ein, so
wird das elektrische Feld um den Faktor εr geschwächt. Damit sinkt auch die Spannung um diesen
Faktor. Da sich die Ladungsmenge auf den Kondensatorplatten nicht verändert hat, muss also die
Kapazität um den Faktor εr zugenommen haben. Die Kapazität eines Kondensators kann also durch
Einbringen eines Dielektrikums stark vergrößert werden.
6.4. Elektrisches Feld in Leitern, Strömungsfeld
So wie man ein Dielektrikum in ein elektrisches Feld bringen kann, lässt es sich auch mit einem
Körper aus leitendem Material machen, z.B. einem metallischen Körper. Dort sind Ladungsträger
(Elektronen) frei beweglich. Wir betrachten zunächst den stationären Fall, also ohne bewegte
Ladungen bzw. ohne Stromfluss. Diese Situation wird sich i.d.R. in kurzer Zeit einstellen, wenn man
nicht dafür sorgt, dass der Stromfluss andauert (z.B. durch eine Spannungsquelle).
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 60
Das elektrische Feld bewirkt zunächst, dass die Ladungsträger der Coulombkraft (Formel 2) in
Richtung des Feldes oder entgegengesetzt dazu folgen und sich an der Oberfläche anreichern
(Influenz). Dadurch entsteht aber wiederum ein elektrisches Feld, das dem ursprünglichen
entgegengesetzt ist. Das geht so lange, bis keine Kraft mehr auf die Ladungsträger im Körper wirkt,
also das elektrische Feld im Innern des Körpers als Summe aus dem äußeren Feld und dem Feld der
verschobenen Ladungen null ist.
+ E elektrisches Feld der verschobenen
+ Q
+ Ladungen
+
- Eges = 0
Ea äußeres elektrisches Feld
Abbildung 56 Elektrisches Feld in einem Leiter (stationärer Fall)
Das Innere des Leiters ist also feldfrei! Da sich die verschobenen Ladungen lediglich an den
Oberflächen befinden, gilt dies auch dann, wenn der Körper hohl ist, d.h., lediglich eine leitende Hülle
hat. Das ist das Prinzip des Faraday’schen Käfigs. So lassen sich z.B. elektronische Geräte gegen
äußere statische Felder abschirmen.
Die Hülle kann sogar unterbrochen sein und z.B. aus einem Drahtgeflecht bestehen. Daher ist man
auch in einem Auto verhältnismäßig sicher vor elektrischen Feldern.
Für hochfrequente elektromagnetische Felder funktioniert diese Form der Abschirmung nicht mehr.
Daher kann man aus dem Auto mit dem Handy telefonieren.
Ganz anders sind die Verhältnisse, wenn an den Enden des leitenden Körpers, z.B. eines Drahts, eine
Spannungsquelle angeschlossen ist. Dann stellt sich der oben beschriebene stationäre Zustand nicht
ein, sondern es bewegen sich ständig Ladungsträger: Es fließt ein Strom. Das Innere des leitenden
Körpers ist nicht mehr feldfrei. Auf die Ladungsträger wirkt die Coulombkraft (Formel 2). Sie werden
beschleunigt, stoßen allerdings ständig mit anderen Teilchen bzw. dem Festkörpergitter zusammen
und werden abgebremst. Der Bewegung durch das elektrische Feld überlagert sich noch die
Temperaturbewegung. Im Mittel stellt sich damit eine konstante Driftgeschwindigkeit vD ein. Diese
mittlere Driftgeschwindigkeit ist sehr viel kleiner als die thermische Geschwindigkeit. Die Gesamtheit
aller bewegten Ladungsträger wird als Strömungsfeld bezeichnet.
Beschrieben wird das Strömungsfeld durch die Stromdichte J. Sie ist definiert als die Ladungsmenge
ΔQ, die pro Zeiteinheit Δt durch eine senkrecht zur Strömung angeordnete Fläche ΔA tritt:
Formel 60 Definition der elektrischen Stromdichte
𝐽𝐽 =
βˆ†π‘„π‘„
βˆ†π‘‘π‘‘ βˆ™ βˆ†π΄π΄
Die Einheit der elektrischen Stromdichte ergibt sich zu [𝐽𝐽] =
𝐴𝐴
π‘šπ‘š2
. Als Vektor ordnet man der
Stromdichte die Richtung der Driftgeschwindigkeit zu. Da sich die Stromdichte von Punkt zu Punkt
ändern kann und auch zeitlich nicht immer konstant ist, muss eigentlich der Grenzwertprozess für ΔA
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 61
und Δt gegen null durchgeführt werden. Wir betrachten allerdings den Fall einer zeitlich konstanten
Stromdichte. Weiterhin betrachten wir einen linienförmigen homogenen Leiter mit konstantem
Querschnitt A.
Der Zusammenhang zwischen der Stromdichte J und dem Strom I ist dann: 𝐼𝐼 = 𝐽𝐽 βˆ™ 𝐴𝐴. Allgemein gilt:
𝐼𝐼 = οΏ½ 𝑱𝑱 βˆ™ 𝑑𝑑𝑨𝑨
Formel 61 Zusammenhang zwischen Strom und Stromdichte
𝐴𝐴
Berechnet man den Zusammenhang zwischen der Feldstärke und der Driftgeschwindigkeit, so erhält
man: 𝑣𝑣𝐷𝐷 ~𝐸𝐸. Andererseits ist auch die Stromdichte proportional zur Driftgeschwindigkeit. (Wenn die
Driftgeschwindigkeit doppelt so groß ist, gehen auch doppelt so viele Ladungsträger pro Zeiteinheit
durch eine Fläche hindurch.) Damit ergibt sich:
𝐽𝐽~𝑣𝑣𝐷𝐷 also 𝐽𝐽~𝐸𝐸 also 𝐽𝐽 = πœ…πœ… βˆ™ 𝐸𝐸
Formel 62 Zusammenhang zwischen Stromdichte und elektrischem Feld
Dies entspricht dem Ohmschen Gesetz. Die Konstante Kappa (κ) ist die in Formel 16 eingeführte
spezifische Leitfähigkeit, eine Materialkonstante, denn es gilt:
𝐼𝐼 = 𝐽𝐽 βˆ™ 𝐴𝐴 = πœ…πœ… βˆ™ 𝐸𝐸 βˆ™ 𝐴𝐴 =
1 𝑙𝑙
1
π‘ˆπ‘ˆ
𝐸𝐸 βˆ™ 𝐴𝐴 = 𝑙𝑙 βˆ™ 𝐸𝐸 =
𝑅𝑅 𝐴𝐴
𝑅𝑅
𝑅𝑅
Formel 63 Herleitung des Ohmschen Gesetzes aus Stromdichte und elektrischem Feld
Dabei wurde verwendet, dass im konstanten elektrischen Feld gilt: π‘ˆπ‘ˆ = 𝐸𝐸 βˆ™ 𝑙𝑙 .
6.5. Entstehung magnetischer Felder
Magnetische Erscheinungen sind seit der Antike bekannt. An Eisenerz, das in der Nähe der Stadt
Magnesia in der heutigen Westtürkei gefunden wurde, soll als erstes beobachtet worden sein, dass
Eisenspäne daran haften blieben. Später hat man beobachtet, dass ein von solchem Magnetit oder
„Magneteisenstein“ (Fe3O4) bestrichener Stahlstab ebenfalls diese Eigenschaft erhält.
Es lässt sich feststellen, dass ein solcher Permanentmagnet offensichtlich zwei Pole hat. Nimmt man
zwei Magnete, so stoßen sich je zwei Pole ab und zwei Pole ziehen sich an. Man könnte also auf die
Idee kommen, dass es analog zur elektrischen Ladung zwei Sorten „magnetischer Ladung“ gibt. Dies
ist aber nicht so. Bricht man einen permanentmagnetischen Stab in der Mitte durch, erhält man zwei
Magnete mit jeweils zwei unterschiedlichen Polen.
Es gibt keine magnetischen Monopole analog zu elektrischen Ladungen! Die magnetische Wirkung
lässt sich veranschaulichen, wenn man in die Nähe eines Magneten ein Stück Papier bringt, auf dem
Eisenfeilspäne liegen. Durch die Wirkung des Magneten werden die Eisenspäne selbst zu Magneten
und richten sich nach der wirkenden magnetischen Kraft aus. Es liegt nahe, die Wirkung von
Magneten durch ein magnetisches Feld zu beschreiben. Die länglichen Eisenfeilspäne richten sich
entlang der Feldlinien aus.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 62
Stabmagnet
Gleiche Pole
Hufeisenmagnet
(Quelle: Bergmann-Schaefer: Lehrbuch der Experimentalphysik, Band II, 1971)
Abbildung 57 Magnetische Feldlinien von Permanentmagneten
Lagert man einen magnetischen Stab so, dass er sich frei um eine Achse senkrecht zur Erdoberfläche
drehen kann, so wird sich dieser Stab in einer bestimmten Raumrichtung ausrichten. Eines der Enden
wird nach Norden zeigen. Diesen Pol nennte man den magnetischen Nordpol. Das nach Süden
zeigende Ende ist der magnetische Südpol. Dies liegt daran, dass die Erde selbst ein Magnet ist
(Geodynamo). In der Nähe des geographischen Nordpols ist also ein magnetischer Südpol, in der
Nähe des geographischen Südpols ein magnetischer Nordpol.
Als man im 19. Jahrhundert die Möglichkeit erhielt, mit elektrischen Strömen zu experimentieren,
stellte man fest, dass auch ein stromdurchflossener Leiter eine magnetische Wirkung hat. Diese
Beobachtung machte als erster 1820 Christian Oersted.
.
. .
Links: Sicht von oben
I
Rechts: Sicht von der
Seite
Abbildung 58 Magnetische Feldlinien eines stromdurchflossenen Drahts (Quelle: Bergmann-Schaefer, s.o.)
Die Feldlinien bilden geschlossene Kreise um den Draht herum. Allgemein gilt, dass die durch Ströme
verursachten magnetischen Feldlinien stets geschlossene Kurven sind. Die Richtung der Feldlinien
ergibt sich aus der „rechte-Hand-Regel“: Zeigt der Daumen in Richtung des Stromes (von + nach -), so
verlaufen die magnetischen Feldlinien in Richtung der Finger (siehe Abbildung 58).
Experimentell findet man, dass die Kraftwirkung, und damit das magnetische Feld, zukünftig mit H
bezeichnet, proportional zum Strom I und umgekehrt proportional zum kürzesten Abstand zum Draht
r ist. Es gilt:
𝐻𝐻 =
𝐼𝐼
2πœ‹πœ‹πœ‹πœ‹
Formel 64 Magnetisches Feld eines stromdurchflossenen Leiters
Die Einheit des magnetischen Feldes ist demnach [𝐻𝐻] =
𝐴𝐴
π‘šπ‘š
.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 63
Wickelt man den Draht zu einer im Verhältnis zum Durchmesser langen Spule der Länge l mit N
Windungen, so erhält man, dass im Innern der Spule ein homogenes Feld in Richtung der
Spulenachse wirkt mit der Stärke:
Formel 65 Magnetisches Feld einer langen Spule
𝐻𝐻 =
𝑁𝑁 βˆ™ 𝐼𝐼
𝑙𝑙
Da die magnetische Feldstärke auch eine Richtung im Raum hat, wird sie durch ein Vektorfeld
beschrieben, genau wie die elektrische Feldstärke. Formel 64 und Formel 65 geben den Betrag der
magnetischen Feldstärke wieder.
Ein weiterer Mechanismus führt zur Entstehung magnetischer Felder: Die Änderung eines
elektrischen Felds. Es ist dann 𝐻𝐻~
Wellen.
𝑑𝑑𝑑𝑑
𝑑𝑑𝑑𝑑
. Dies ist eine der Voraussetzungen für elektromagnetische
6.6. Kräfte im magnetischen Feld
In Kapitel 6.5 wurden Kräfte auf magnetische Dipole betrachtet bzw. auf Eisenfeilspäne, die im
magnetischen Feld zu Dipolen werden. Diese führen dazu, dass sich ein länglicher Magnet im
Magnetfeld durch das Drehmoment zunächst in Richtung der Feldlinien ausrichtet.
+
H
-
+
-
Abbildung 59 Kräfte und Drehmomente auf einen Dipol im Magnetfeld
In einem homogenen Magnetfeld würden dann keine Kräfte mehr auf den Dipol wirken.
Neben den Kräften auf magnetische Dipole wirken im Magnetfeld auch Kräfte auf elektrische
Ladungen. Leider ist der Zusammenhang zwischen Feldstärke, Ladung und Kraft hier nicht so einfach
wie im Fall des elektrischen Felds. Die Kraft hängt ab:
•
•
•
•
von der Stärke und Richtung des magnetischen Felds,
von dem Medium, in dem sich das Feld befindet,
von der Größe und dem Vorzeichen der elektrischen Ladung und
von der Geschwindigkeit der Ladung.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 64
Der Einfluss des Mediums wird berücksichtigt über die Einführung der magnetischen Flussdichte B,
die mit der magnetischen Feldstärke H zusammenhängt:
𝑩𝑩 = πœ‡πœ‡π‘Ÿπ‘Ÿ πœ‡πœ‡0 𝑯𝑯
Formel 66 Zusammenhang zwischen magnetischer Flussdichte und Feldstärke
Dabei ist πœ‡πœ‡0 = 4πœ‹πœ‹ βˆ™ 10−7
π‘‰π‘‰βˆ™π‘ π‘ 
π΄π΄βˆ™π‘šπ‘š
= 1,257 βˆ™ 10−6
𝑁𝑁
𝐴𝐴2
die magnetische Feldkonstante. πœ‡πœ‡π‘Ÿπ‘Ÿ ist eine
Materialgröße, die relative Permeabilität oder Permeabilitätszahl mit der Einheit 1.
Die Einheit der magnetischen Flussdichte ist damit
Buchstaben T abgekürzt.
π‘‰π‘‰βˆ™π‘ π‘ 
π‘šπ‘š2
= 𝑇𝑇 , wird als Tesla bezeichnet und mit dem
Für das Vakuum ist auch der Zahlenwert von πœ‡πœ‡π‘Ÿπ‘Ÿ gleich 1. Andere Stoffe kann man hinsichtlich ihrer
Permeabilitätszahl einteilen in:
•
•
•
Diamagnetika mit 0 ≤ πœ‡πœ‡π‘Ÿπ‘Ÿ < 1. Das magnetische Feld wird geschwächt. Beispiel ist Wasser.
Paramagnetika mit πœ‡πœ‡π‘Ÿπ‘Ÿ > 1. Das magnetische Feld wird verstärkt. Beispiele sind Luft oder
Aluminium.
Ferromagnetika mit πœ‡πœ‡π‘Ÿπ‘Ÿ ≫ 1. Das magnetische Feld wird stark verstärkt. Beispiel ist Eisen.
Für die Kraft auf eine elektrische Ladung im Magnetfeld gilt:
𝑭𝑭𝑳𝑳 = 𝑄𝑄 βˆ™ 𝒗𝒗 × π‘©π‘©
Formel 67 Kraft auf eine Ladung im magnetischen Feld
Dies wird als Lorentzkraft bezeichnet nach Hendrik Antoon Lorentz, der auch die Grundlagen für
Einsteins spezielle Relativitätstheorie gelegt hat. Der Index L deutet an, dass es daneben auch noch
die Coulombkraft auf die Ladung gibt als Folge eines elektrischen Felds.
Hinsichtlich des Vektorprodukts von v und B sei an Kapitel 1.2 erinnert. Die Lorentzkraft steht also
senkrecht auf B (und damit auf H) und auf der Geschwindigkeit v. Der Betrag der Kraft ergibt sich zu:
𝐹𝐹𝐿𝐿 = |𝑄𝑄| βˆ™ 𝑣𝑣 βˆ™ 𝐡𝐡 βˆ™ sin 𝛼𝛼,
wobei α der Winkel zwischen v und B ist. Die Vektoren v, B und FL bilden ein Rechtssystem.
B zeigt in die Papierebene hinein
-
v
FL
Abbildung 60 Lorentzkraft auf eine bewegte Ladung
In Abbildung 60 ist zu berücksichtigen, dass die Ladung Q negativ ist. In diesem Beispiel stehen auch v
und B aufeinander senkrecht, was nicht immer so sein muss.
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 65
Fließt in einem Draht der Länge l, der sich in einem homogenen Magnetfeld befindet, ein Strom I, so
bewegen sich ja sehr viele Ladungsträger. Ordnet man dem Draht einen Vektor l zu, der die Länge
des Drahts und die Richtung des Stroms hat, so beträgt die Kraft auf diesen Draht:
𝑭𝑭 = 𝐼𝐼 βˆ™ 𝒍𝒍 × π‘©π‘©
Formel 68 Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld
Dies ist das Prinzip des Elektromotors.
6.7. Ferromagnetika
Eine besondere Bedeutung in der Elektrotechnik (z.B. für Elektromotoren und –generatoren) und in
der Informationstechnik (z.B. für Datenspeicher) haben ferromagnetische Materialien. Sie sind
benannt nach dem Element Eisen, einem Vertreter der Ferromagnetika. Diese Stoffe können
Permeabilitätszahlen von weit über 100 bis hin zu 500000 haben. Grund hierfür ist, dass sich die
elementaren Magnete, überwiegend die Elektronen mit ihren magnetischen Momenten, über
größere Reichweiten ausrichten. Im Kern ist das ein quantenmechanischer Effekt. Die Ausrichtung
erfolgt auch deshalb, weil die Atome damit eine energetisch günstigere Lage einnehmen.
Unterbricht man einen Körper aus ferromagnetischem Material durch einen schmalen Luftspalt, so
herrscht in diesem Luftspalt fast die gleiche Flussdichte wie in dem Material. Auf diese Weise lassen
sich sehr hohe Flussdichten in einem Spalt erzeugen.
I
B
Abbildung 61 Elektromagnet mit Luftspalt
Wegen der weiträumigen Kopplung der elementaren Magnete in Ferromagnetika und der
günstigeren energetischen Lage bleibt die Orientierung teilweise sogar dann erhalten, wenn das
äußere Magnetfeld wegfällt. Materialien, bei denen dieser Effekt besonders ausgeprägt ist, werden
als hartmagnetisch bezeichnet. Daraus werden Dauermagnete hergestellt.
Abbildung 62 stellt den Zusammenhang zwischen magnetischer Flussdichte und magnetischem Feld
dar. Bringt man den zunächst unmagnetisierten Körper in ein magnetisches Feld, richten sich die
atomaren Dipole zunehmend aus: die Flussdichte steigt stark an (Neukurve N). Wenn alle Dipole
ausgerichtet sind, steigt die Flussdichte nur noch schwach an. Wird das Feld kleiner und
verschwindet schließlich ganz, bleibt eine gewisse Ausrichtung der Dipole erhalten, so dass bei H = 0
immer noch eine Flussdichte Br vorhanden ist, die als Remanenzflussdichte bezeichnet wird. Die
Flussdichte wird erst bei der Koerzitivfeldstärke –Hc null u.s.w. Dieses Verhalten wird als Hysterese
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 66
bezeichnet. Man sieht, dass Formel 66 nur dann gilt, wenn die Permeabilitätszahl von der Feldstärke
und der Vorgeschichte abhängt.
B
Br
N
-Hc
Hc
H
-Br
Abbildung 62 Hysteresschleife eines ferromagnetischen Materials
Das Durchlaufen der in Abbildung 62 gezeigten Magnetisierungskurve ist mit Verlusten verbunden.
Daher sind solche hartmagnetischen Werkstoffe dort schlecht geeignet, wo sie wechselnden
Magnetfeldern ausgesetzt sind, also z.B. in Transformatoren. Dort verwendet man Werkstoffe, bei
denen Remanenzflussdichte und Koerzitivfeldstärke sehr klein sind. Man bezeichnet sie als
weichmagnetisch.
6.8. Zusammenhang zwischen elektrischen und magnetischen Feldern
Der Oersted’sche Versuch (Kapitel 6.5) hat erstmalig einen Zusammenhang zwischen elektrischem
Strom und einem magnetischen Feld gezeigt. Später fand man, dass ein sich veränderndes
magnetisches Feld ein elektrisches Feld hervorruft (Induktion) und dass ebenso ein sich
veränderndes elektrisches Feld ein Magnetfeld hervorrufen kann. All das deutet darauf hin, dass
magnetische und elektrische Effekte unterschiedliche Erscheinungsformen einer einzigen
elektromagnetischen Wechselwirkung sind. Es hängt davon ab, mit welcher Geschwindigkeit ein
Beobachter sich relativ zu vorhandenen Ladungen bewegt, ob sich elektrische oder/und magnetische
Erscheinungen ergeben. Das wird schon deutlich, wenn man eine einzige elektrische Ladung
betrachtet. Befindet sich der Beobachter dazu in Ruhe, wird er lediglich ein elektrisches Feld messen.
Bewegt sich der Beobachter relativ zu der Ladung, stellt diese für ihn einen elektrischen Strom dar
und er wird auch ein magnetisches Feld messen.
Alle elektromagnetischen Erscheinungen lassen sich durch fünf Gleichungen beschreiben, vier
sogenannte Maxwell’sche Gleichungen und die verallgemeinerte Lorentzkraft:
Formel 69 Verallgemeinerte Lorentzkraft
𝑭𝑭 = 𝑄𝑄𝑬𝑬 + 𝑄𝑄𝒗𝒗 × π‘©π‘©
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 67
Die Maxwell’schen Gleichungen sind in ihrer differentiellen Form ein System linearer partieller
gekoppelter Differentialgleichungen erster Ordnung (nur 1. Ableitungen kommen vor, nach dem Ort
und nach der Zeit) und verknüpfen das elektrische Feld, die elektrische Flussdichte, das magnetische
Feld, die magnetische Flussdichte, die elektrische Ladungsdichte und die elektrische Stromdichte.
Feld und Flussdichte sind jeweils über Materialgleichungen analog zu Formel 66 verbunden. In der
integralen Form sind es Flächen- bzw. Volumenintegrale über D, B, E und H sowie über
πœ•πœ•πœ•πœ•
πœ•πœ•πœ•πœ•
und
πœ•πœ•πœ•πœ•
πœ•πœ•πœ•πœ•
.
Im Fall einer einzelnen ruhenden Ladung ergibt sich als Lösung das Coulomb-Gesetz (Formel 2).
Wenn es keine Ladung gibt und kein Strom fließt, also fernab aller Quellen, gibt es als Lösung
𝐸𝐸 = 𝐷𝐷 = 𝐻𝐻 = 𝐡𝐡 = 0. Aber nicht nur die! Lösungen sind in diesem Fall auch elektromagnetische
Wellen. Heinrich Hertz konnte diese erstmalig 1886 gezielt erzeugen und nachweisen. Später gelang
der Nachweis, dass auch Licht eine elektromagnetische Welle ist. Damit wurde die Optik ein Teil der
Elektrodynamik.
Mit diesen Bemerkungen schließt die Vorlesung „Grundlagen der Elektrotechnik/Elektronik“.
Literaturverzeichnis
Bergmann-Schaefer (1971): Lehrbuch der Experimentalphysik. Band II Elektrizität und Magnetismus.
Unter Mitarbeit von H. Gobrecht. 1 Band. Berlin u.a.: Walter de Gruyter.
Czichos, Horst (Hg.) (2004): Das Ingenieurwissen. Mit 337 Tabellen. 32., aktualisierte Aufl. Berlin u.a.:
Springer.
Hering, Ekbert (Hg.) (2002): Grundwissen des Ingenieurs. 13., völlig neu erarb. Aufl. München:
Fachbuchverl. Leipzig im Carl-Hanser-Verl.
Paul, Steffen; Paul, Reinhold (2014): Grundlagen der Elektrotechnik und Elektronik 1 //
Gleichstromnetzwerke und ihre Anwendungen. 5., aktualisierte Aufl. 1 Band. Berlin Heidelberg:
Springer Vieweg (Springer-Lehrbuch, / Steffen Paul; Reinhold Paul ; 1). (Bergmann-Schaefer 1971;
Czichos 2004; Hering 2002)
Skript Einführung in die Elektronik/Elektrotechnik Sternberg WS 2016/17 Seite 68
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