Fachtag Sucht im Alter Sucht im Alter, ein neuzeitliches Phänomen? Dr. Josef Scherer Garmisch-Partenkirchen [email protected] Ebersberg 11.11.2015 Gemeinsame Lebenszeit des ersten Enkelkindes mit Großeltern Folge des Älterwerdens ► Neue ► lange nachelterliche Gefährtenschaft ► lange ► Herausforderungen: gemeinsame nachberufliche Phase Anstieg Ehescheidungen allgemein; überdurchschnittlicher Anstieg bei der Auflösung langjähriger Ehen (9 % aller Scheidungen betreffen Ehen von > 25 Jahren Dauer) Abhängigkeit Sucht Schwindsucht, Wassersucht, Magersucht Geltungssucht, Spielsucht, Streitsucht ►Schädlicher Gebrauch ►Mißbrauch ►Abhängigkeit, Sucht ►Stoffgebundene ►Nicht Sucht stoffgebundene Sucht Endorphin-System wird aktiviert ►Psychische Abhängigkeit ►Toleranzentwicklung ►Körperliche Abhängigkeit Psychologischer Regelkreis: Motivation – Verlangen – Toleranz – Sensitivierung – Abhängigkeit – Entzug Suchtgedächtnis: Auch Tiere können süchtig werden Alkoholabhängigkeit Psychologische Rückkopplung: Saint Exupery, der kleine Prinz: Ich schäme mich, weil ich trinke. Ich trinke, weil ich vergessen will, daß ich mich schäme. Alkohol aktiviert das Dopaminsystem Glücks- und Wohlgefühl Das Dopaminsystem wird heruntergefahren Die Zahl der Dopaminrezeptoren sinkt Folge: Sensitivierung Toleranzentwicklung • Riskanter Konsum ab 60 ca. 13-15 % d. Männer (> 24 g / Tag) ca. 8-12 % d. Frauen (> 12 g / Tag) • Gefährlicher und Hochrisikokonsum ab 60: 7-9 % der Männer 2-3 % der Frauen ab 60 Jahre. Nach Schäufele 2009 Abnehmende Alkoholtoleranz im Alter ► Abnehmender Körperwasseranteil ► abnehmenden Aktivität der Abbauenzyme ► Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit ► mehr Medikamente, Risiko von Wechselwirkungen ► Bewirken eine verstärkte Alkoholwirkung Alkoholmißbrauch? ► Verletzungen/Blutergüsse, Rückzug, ► Notarztbesuche/Notaufnahme, ►Antrieb und Interesse weniger ► Magen-Darm-Probleme/Durchfall, ►Depressivität, ► Inkontinenz, ►Schlafstörungen, ► Mangelernährung/Gewichtsverlust, ►Geistige Leistungskraft weniger► Bluthochdruck, ►Abnehmende Körper-Hygiene ► Hyperurikämie und ► instabiler Diabetes mellitus. ►Gangunsicherheit/Stürze, ►sozialer Alkoholmißbrauch: Früher und Später Beginn Der CAGE-Test: Beurteilung von Alkoholkonsum ► 1) Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass Sie Ihren Alkoholkonsum reduzieren sollten? ► 2) Haben Sie sich schon darüber aufgeregt, wenn andere Leute Ihr Trinkverhalten kritisierten? ► 3) Hatten Sie wegen Ihres Alkoholkonsums schon Gewissensbisse? ► 4) Haben Sie am Morgen nach dem Erwachen schon als erstes Alkohol getrunken, um Ihre Nerven zu beruhigen oder den Kater loszuwerden? Der CAGE-Test: Beurteilung von Alkoholkonsum ► Zwei bejahende Antworten: Es könnten Probleme existieren mit übermässigem Alkoholkonsum. ► 1 x JA: Die Wahrscheinlichkeit eines Alkoholmissbrauchs liegt bei 62 % ► 2 x JA: Wahrscheinlichkeit liegt bei 89 % ► 3 x JA: Wahrscheinlichkeit liegt bei 99 %. Kurzinterventionen bei nicht abhängigen Personen mit riskantem Alkoholkonsum ► nichtkonfrontative, motivierende Gesprächsführung, sachliche Aufklärung, ► Bearbeitung der folgenden Themen: persönliche Ziele für die Zukunft, individuelle Erörterung der Screeningfragen (CAGE/AUDIT), Erörterung von typischen und kulturell angemessenen Trinkmustern, Trinken „pro und kontra“, Folgen von erheblichem Alkoholkonsum, Gründe für eine Beschränkung des Alkoholkonsums, bewusste Konsumgrenzen und Strategien zur Konsumreduktion schriftliche Vereinbarung zur Trinkmenge, Umgang mit kritischen Situationen. Fazit für die Praxis ► Der riskante Alkoholkonsum älterer Menschen nimmt zu ► Interventionen sind möglich: ► Motivationsförderung und nichtkonfrontatives Vorgehen ► Ältere Menschen, die maßvoll Alkohol trinken, müssen nicht aufhören ► Es gilt Obergrenzen zu beachten und z.B. 2 alkoholfreie Tage in der Woche einzuhalten. ► Es gibt keinen Grund, zur Förderung der Gesundheit Alkohol zu trinken. ► Bei Abhängigkeit: Entwöhnungsbehandlung Medikamentenabhängigkeit 5% der Medikamente besitzen Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential ►Beruhigungsmittel ►Schlafmittel ►Schmerzmittel ►Hustenmittel, ►Psychostimulantien, Clomethiazol, Barbiturate ►Gewöhnung bei Laxantien, Nasenspray, Hormonen, Alkohol in Arzneimitteln Medikamentenabhängigkeit Fakten 1,5 Mill. Medikamentenabhängige in Deutschland Heimbewohner häufiger und länger ►Mit dem Alter ansteigend ►Frauen sind doppelt so häufig betroffen ►Hochdosisabhängigkeit ist im Alter sehr selten ►Hauptsächlich Benzodiazepine (80 %) ► Benzodiazepine Zielsymptome ►Angst ►Stupor ►Innere ►Mutismus Unruhe ►Muskuläre Spannung ►Hypervigilanz ►Schlafstörungen ►Akathisie ►Tardive Dyskinesien ►Epileptische Anfälle Benzodiazepine Nebenwirkungen Wahrnehmungsfähigkeit Reaktionsfähigkeit Gedächtnisausfälle Sturzgefahr Morgendliche Müdigkeit und Abgeschlagenheit Gefühlsverflachung Schwindel Verwirrtheit Paradoxe Wirkungen bei Älteren ► Unruhe ► Euphorie ► Erregungszustände ► Schlaflosigkeit ► Aggressivität Schädlicher Gebrauch Unerwünschte Arzneimittel stehen im Vordergrund • • • • Interessensverlust, Gleichgültigkeit Sexuelle Bedürfnisse Gedächtnisausfälle Stürze Gewöhnung, Toleranz, Dosissteigerung • Toleranzentwicklung selten bei • Angst und Depression • Toleranzentwicklung häufig • Beruhigungsmittel im Alltag • Schlafmittel • Muskelentspannung • Antiepileptikum Absetzerscheinungen ►Schlafstörungen ►Erregung ►Innere Unruhe ►Angst und Spannung ►Epileptischer Anfall ►Suizidalität Benzodiazepine: Abhängigkeit WHO: Mittleres Abhängigkeitspotential wie Alkohol Amphetamine Bupronorphin Ketamin Cannabis Benzodiazepine: Abhängigkeit ► Psychische ► Akute Störungen vor der Abhängigkeit und chronische Angst (31% - 43%) ► Depression (20% – 33 %) ► Schlafstörung (35%) ► Alkoholmißbrauch (16% – 53%) Benzodiazepine: Abhängigkeit ► Psychische Abhängigkeit Suchen der erwünschten Wirkung Suchen des Wohlgefühl ► Körperliche Abhängigkeit Entzugserscheinungen Vermeidung von Beschwerden Niedrig-Dosis-Abhängigkeit ►Verordnung per Rezept ►Langzeiteinnahme von niedrigen ►Keine Dosen Dosissteigerung ►Keine Nebenwirkungen ►Fehlen der euphorisierenden Wirkung ►Absetzphänomene, Entzugserscheinungen Hoch-Dosis-Abhängigkeit • • • • • Einnahme von hohen Dosen Nebenwirkungen Sozial auffällig Extreme Dosissteigerungen Entzugserscheinungen Benzodiazepine: Entzugsbehandlung der Grundkrankheit der Dosis ► 50% der Dosis können schnell ► Antidepressiva reduziert werden ► Phytopharmaka z.B.: Lavendelöl ► Wöchentliche Reduktion ► Melatonin ► Reduktionspausen bei Beschwerden ► Beta - Rezeptorenblocker ► Buspironartige Medikamente ► Psychoedukation ► Antipsychotika ► Psychotherapie ► Soziale Maßnahmen (Einsamkeit) ► Stufenweise Reduktion ► Behandlung