Inhalt - transfer Zeitschrift

Werbung
Inhalt
Arnd Florack
Franz-Rudolf Esch,
Jörn Redler,
Cover mit Anzeige
im Kleinformat
2
Beurteilung von Markenallianzen am Beispiel
von Verpackungsentwürfen
10
Erfolgsfaktoren für Belegungsentscheidungen in
Privatkrankenanstalten
22
Vom klassischen Sportsponsoring zur
integrierten Kommunikation
26
Stabilität und Kontinuität von Länderimages
dargestellt anhand einer Studie aus Indonesien
28
Integrierte Kommunikationsstrategie:
Vom Briefing zum Erfolg
34
50 Jahre Werbung - Ein Rückblick aus der Sicht
eines Wegbereiters!
36
2006 - Change Management im Pharma Marketing
40
Die Qualität von Ausbildungsinstitutionen in
Werbung und Marketing
42
Personalia
46
Interio - Positionierung eines Einrichtungshauses
48
Forschung aus aller Welt:
50
Andrea Honal
Bernd Fehrenbach
Leodegar Pruschak
Anje Reindl,
Günter Schweiger
Alice Nilsson
Hans Schmid,
Alexander Lonyay
Robin Rumler
Christina Urferer,
Helmut Kurz
Janet Kath
Drum prüfe, wer die Kunden bindet
Wolfgang Mayerhofer
Florian Keusch
Andrea Gröppel-Klein
transfer - Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
MAFO-Splitter: Skalenkonstruktion
52
einBLICK: Überprüfung von Einflüssen
57
Literaturservice
60
Impressum
62
Buch des Quartals: Emotionen im Marketing
64
Service
Andreas Strebinger
Praxis
Günter Schweiger,
Der Fall „Adele“ Österreich musste das
Gemälde von Gustav
Klimt der rechtmäßigen
Erbin zurückerstatten wurde von der Gewista
zum Anlass genommen,
mittels einer TeaserKampagne zu beweisen,
wie stark das City Light
wirkt und welche
Awareness man mit diesem Medium erreichen
kann.
Vom 15. Februar bis
zum 1. März 2006
wurde das Sujet „Ciao
Adele“ an 300 City
Light-Standorten in
Wien affichiert.
Bewusst war kein
Absender angegeben.
In der Nacht vom 1.
auf den 2. März 2006
erfolgte die Auflösung:
"Adele geht. Was
bleibt: Werbung, die
wirkt! Auf den City
Lights der Gewista!“
Die Kampagne löste ein
beachtliches Echo in
den Medien und der
breiten Öffentlichkeit
aus: 30% Impact - 40%
Gesamt-Recall - 64%
Recognition.
Strategische Werbekreativität und
systematisches Kreativitätsmanagement
Forschung
Martin Scarabis,
Werbekreativität
Martin Scarabis, Arnd Florack
Strategische Werbekreativität und
systematisches Kreativitätsmanagement
Nur wenn Einhelligkeit darüber besteht, was Kreativität im Kontext von
Werbung bedeutet, kann die Qualität einer kreativen Lösung beurteilt
werden, und nur dann können kreative Prozesse effizient gesteuert werden. In dem vorliegenden Beitrag wird ein wissenschaftlich fundierter
Ansatz von Werbekreativität als zielorientierte Divergenz vorgestellt. Als
Instrument zur Steuerung kreativer Prozesse wird die Anwendung einer
Divergenz-Ziel-Matrix vorgeschlagen.
genturen im Kommunikationsbereich
verkaufen kreative Ideen. Doch welche
Lösungen sind wirklich kreativ und zugleich werbewirksam? Um diese Frage zu
beantworten, ist ein elaboriertes Kreativitätsverständnis Voraussetzung, das erstaunlicherweise in der Kommunikationspraxis nur in Ausnahmefällen die Grundlage von Entscheidungsprozessen ist. In dem
vorliegenden Beitrag wird ein wissenschaftlich fundierter Ansatz von Werbekreativität
als zielorientierte Divergenz vorgestellt. Dabei wird zur Präzisierung der Kreativitätskomponente Divergenz auf den Ansatz von
Gaede (2002a, b) zurückgegriffen, der
Kreativität als Herstellung von gezielten
Normabweichungen auffasst. Die Orientierung an Zielen einer Werbemaßnahme,
zum Beispiel im Hinblick auf die Werbewirkung, bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Vielzahl möglicher Divergenzoptionen auf solche zu beschränken, die die
gewünschte Werbewirkung unterstützen.
A
1. Forschungsfrage
Es gehört zum Kerngeschäft von Werbe- und Kommunikationsagenturen, kreative Ideen zu entwickeln und umzusetzen.
Doch welche Werbemaßnahmen sind wirklich kreativ? Wie können kreative Prozesse
gesteuert werden? Diese Fragen sind weniger leicht zu beantworten, als es zunächst
scheint. In der alltäglichen Praxis der Agenturen werden die Kreativität und die zu erwartende Effektivität von Werbemaßnahmen meist eher intuitiv und auf der Basis
der subjektiven Erfahrung eingeschätzt. Ein
Bewertungsschema und ein systematisches
Management von Kreativität finden nur sel-
2
ten Anwendung (Turner, 2004). In dem
vorliegenden Beitrag stellen wir ein Konzept von Kreativität als „zielorientierte Divergenz“ vor, das sowohl die Abweichung
vom Gewohnten und Bekannten (Divergenz) als auch die Zielorientierung im Hinblick auf die Ziele einer Kampagne berücksichtigt. Darüber hinaus erläutern wir, wie
das Konzept der zielorientierten Divergenz
als Grundlage eines effektiven Kreativitätsmanagements dienen kann.
2. Kreativität als zielorientierte
Divergenz
In der Forschung werden zur Beurteilung der Kreativität eines Produkts meist
kriteriumsorientierte Maße verwendet
(Plucker/Renzulli, 1999; Mumford/Gustafson, 1988). So wird zum Beispiel berücksichtigt, wie häufig ein Produkt oder eine
Lösung von anderen als wertvoll und qualitativ hochwertig angesehen wird, wie viele Auszeichnungen und Preise es erhält und
wie es von einer Jury von Experten beurteilt
wird. Der „Art Directors Club“ (ADC), der
als ein solches externes Kriterium zur Beurteilung von Werbekreativität gesehen werden kann, fordert von kreativer Werbung:
Originalität (Neuartigkeit), Klarheit, Überzeugungskraft, Freude und Machart (Turner, 2004; ähnlich auch White/Smith,
2001). Trommsdorff und Becker (2001) erwähnen zusätzlich die Kriterien Risikobereitschaft, Ideenreichtum, Phantasie, Offenheit und Unabhängigkeit. Die Kriterien
von ADC und Trommsdorff und Becker
haben mit vielen anderen Ansätzen aus der
Kreativitätsforschung gemeinsam, dass sie
Neuartigkeit, Ungewöhnlichkeit und Un-
vertrautheit als Kernmerkmal einer kreativen Leistung betrachten. Dieser Aspekt der
Werbekreativität wird auch als „Divergenz“
bezeichnet (Smith/Yang, 2004).
Die Abweichung von den Erwartungen
und dem Wissen der Konsumenten ist aber
nur eine Komponente von Kreativität. Eine zweite Kategorie von Kriterien betrifft
die Relevanz oder Effektivität des kreativen
Produkts (Smith/Yang, 2004). Der Gedanke, dass nicht jede ungewöhnliche Idee
gleichzeitig kreativ ist, sondern sie angemessen, relevant und zielführend sein muss,
ist Bestandteil vieler wissenschaftlicher
Beiträge zum Kreativitätsthema (ElMurad/West, 2004). Während der kreativ
Schaffende in der Kunst seine Ziele weitestgehend selbst bestimmen kann (z.B. Publikum erfreuen, irritieren, sich selbst ausdrücken), haben wir es bei Werbekreativität
mit dem Sonderfall zu tun, dass sie von
außen gesetzte Kommunikationsziele erreichen muss (El-Murad/West, 2004).
In diesem Artikel verwenden wir daher
ein Konzept von kreativer Werbung, dass
Dr. Martin Scarabis, Wissenschaftlicher Assistent am
Institut Sozialpsychologie,
Persönlichkeitspsychologie,
Organisationspsychologie
Westfälische WilhelmsUniversität Münster.
[email protected]
Dr. Arnd Florack, Oberassistent am Lehrstuhl für Sozialund Wirtschaftspsychologie,
Universität Basel.
[email protected]
transfer
Divergenz als Kreativitätskomponente
Zur Verwendung von Divergenz als
Kreativitätskomponente im Alltag von
Kommunikationsagenturen ist es wichtig,
die Bedeutung von Divergenz stärker einzugrenzen. Ein hilfreicher Ansatz zur
Klärung dieser Frage, stammt von Smith
und Yang (2004). Sie erarbeiteten auf der
Grundlage einer konzeptuellen Analyse 14
unterschiedliche Divergenzfaktoren (vgl.
auch Torrance, 1987). Dazu gehören beispielsweise Originalität („Ideas that are
rare, surprising, or move away from the obvious and commonplace“, S. 28), Synthese
(„... bring together items by combining,
connecting, or blending normally unrelated
objects or ideas“, S. 38) oder Fantasie („...
generate non-real ideas, worlds, or creations, often marked by highly fanciful or supernatural elements“, S. 38).
Ein weiterer Ansatz wurde von Gaede
(2002a, 2002b) vorgelegt. Er klassifiziert
werberelevante Normen in verschiedene
Kategorien (Kommunikationsnormen, Gesellschaftsnormen, Wissensnormen, Erfahrungsnormen) und fasst gezielte Verstöße
gegen diese Normen unter dem Kreativitätsprinzip ABWeichung zusammen.
Dieses Prinzip ist nach Gaede (2002a)
grundsätzlich dazu geeignet, unter den gegeben Bedingungen der Informationsüberlastung des Konsumenten (vgl. KroeberRiel/Esch, 2000) eine erhöhte Aufmerksamkeitswirkung, Verarbeitungstiefe und
Gedächtniswirkung zu erzielen. Gaede orientiert sich bei seiner Argumentation damit
im Wesentlichen am bekannten AIDAPrinzip1, bei dem davon ausgegangen wird,
dass zur Entfaltung einer Werbewirkung,
zunächst die Aufmerksamkeit (Attention)
und das Interesse (Interest) von Konsumenten geweckt werden müssen, bevor die
Konsumenten den Wunsch (Desire) entwickeln können, das Produkt zu besitzen
und es schließlich kaufen (Action).
Gaede (2002a; 2002b) und Smith und
Yang (2004) haben insgesamt eine beeindruckende Systematisierung theoretisch
möglicher Divergenzprinzipien für die
Werbung zusammengestellt und dokumentiert. Allerdings wird in beiden Arbei-
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
ten der strategische Aspekt von Werbung
nur oberflächlich berührt, indem divergenter Werbung pauschal eine positive Wirksamkeit attestiert wird. Tatsächlich allerdings dürften nicht alle der von Gaede dargestellten Abweichungsmöglichkeiten für
eine zielgerichtet werbliche Kommunikation gleichermaßen geeignet sein, wie die folgende Diskussion beispielhaft aufzeigt.
Zielorientierung als Kreativitätskomponente
Es sind viele Werbungen vorstellbar, die
ihre Wirkung verfehlen, obwohl sie neu und
unbekannt sind und einem oder mehr der
von Gaede (2002a; 2002b) und Smith und
Yang (2004) genannten Divergenzkriterien
entsprechen. Unsystematische Divergenz
kann schädlich sein für die Wahrnehmung
und Verarbeitung der Produktinformationen, für die Abspeicherung dieser Informationen im Gedächtnis, für das Produktimage und schließlich auch für das Image
des Auftraggebers und seiner Produkte. Bei
der Gestaltung von kreativer Werbung sind
daher die Ziele der Werbung zu berücksichtigen. Dies betrifft zum einen kampagnenspezifische Ziele. Das heißt, es ist abzuwägen, in welchem Ausmaß die Ziele einer
Kampagne, z.B. die Herausbildung eines
spezifischen Produktimages, durch kreative
Werbung erfolgreich umgesetzt werden.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, in
welchem Maße eine kreative Werbung in
allgemeiner Weise psychologische Wir kungsprozesse unterstützt oder behindert.
Das heißt, es muss geprüft werden, ob die
Werbung vom Konsumenten aufgenommen und verarbeitet wird und ob die Inhalte im Gedächtnis verankert werden.
Kampagnenspezifische und unternehmensrelevante Werbeziele
Kampagnenspezifische und unternehmensrelevante Werbeziele sollten idealerweise in der Briefingphase an Kreativ- und
Strategieteam weitergegeben werden. Zu
diesen Zielen gehören allgemeine Vorgaben
(z.B. Erlangung einer bestimmten Position
am Markt) und Vorgaben konkreter Art
(z.B. Herausbildung eines bestimmten Produktimages). Zusätzlich sollten auch Werbekonstanten (Corporate Design, Claim)
und Zielgruppenspezifizierungen angegeben werden (Schnettler/Wendt, 2003).
Corporate Design-Vorgaben stellen ein
wesentliches Mittel zur formalen Integrati-
on von Maßnahmen im Rahmen einer integrierten Kommunikationsstrategie dar
(Esch, 2003). Abweichungen vom Vertrauten sollten sich im Rahmen dieser Konstanten bewegen. Die Abstimmung von
Corporate Design und konkreter Werbung
betrifft einen formalen Aspekt der Anpassung kreativer Werbung an Produkt- und
Unternehmensmarke (Brand-Fit), die zusätzlich natürlich auch bezüglich der Inhalte zu prüfen ist.
Besondere Aufmerksamkeit bei der Gestaltung kreativer Werbung muss immer
der Zielgruppe gewidmet werden. Im Bereich der Werbung ist dies insbesondere bei
der gezielten Verletzung von sozialen, moralischen oder religiösen Normen relevant.
Bestimmte Normverletzungen können in
einer Zielgruppe als witzig und intressant
empfunden werden, von einer anderen aber
als unakzeptabel. Die Produktmarke, aber
auch die Unternehmensmarke kann Schaden nehmen, wenn gruppenspezifische
Normen nicht berücksichtigt werden.
Ziele der allgemeinen Werbewirkung
Die zielgruppenspezifischen Anforderungen an eine kreative Werbung sind aber
nicht nur in Bezug auf die Inhalte, sondern
auch in Bezug auf die Gestaltung relevant.
Nehmen wir das Beispiel älterer Konsumenten ab 50 Jahren. Aus wahrnehmungsund kognitionspsychologischen Untersuchungen ist bekannt, dass im höheren Alter
die Fähigkeit zum Umgang mit Komplexität abnimmt. Es würde sich daher bei dieser Zielgruppe verbieten, solche Divergenztechniken einzusetzen, die die Komplexität
des Werbemittels erhöhen (ausführlich dazu Bieri, Florack/Scarabis, 2006). So könnte beispielsweise der Verstoß gegen typographische Normen, wie rückwärts geschriebener Text (vgl. Gaede, 2002b, S.
513), bei einer jüngeren Zielgruppe, nicht
aber bei einer älteren Zielgruppe ein geeignetes Mittel sein, Divergenz zu schaffen,
ohne die Werbewirkung zu behindern.
Kreative Werbung muss also nicht nur
von den inhaltlichen Kriterien eine Abstimmung auf die Ziele der Kampagn
aufweisen, auch die Gestaltung sollte den
Prozess der Verarbeitung der Werbung fördern. In vielen Fällen wird dabei eine Wirkung kreativer Werbung über eine tiefe Verarbeitung der Inhalte und eine starke, distinkte und positive Repräsentation des beworbenen Produkts im Konsumenten-
3
Forschung
sowohl die Divergenz der Werbung als auch
die Zielorientierung einschließt, und sprechen somit von zielorientierter Divergenz:
Kreative Werbung = Divergenz + Zielori entierung = zielorientierte Divergenz
Werbekreativität
gedächtnis angestrebt. Das heißt, die Werbung muss vom Konsumenten wahrgenommen werden, die Botschaft muss verstanden werden und die Inhalte müssen im
Gedächtnis verankert werden.
Aufmerksamkeit und Wahrnehmung
Das Divergenzprinzip der Werbung basiert auf der Annahme, dass durch eine kreative Gestaltung der Werbung die Bereitschaft gesteigert wird, sich dem Werbemittel zuzuwenden. Die erste Stufe in diesem
Prozess ist die fokussierte Aufmerksamkeit
auf das Werbemittel. Da kreative Werbung
nach dem Prinzip ABWeichung ja durch
Divergenz vom Vertrauten gekennzeichnet
ist, stehen die Chancen nicht schlecht,
tatsächlich die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erhaschen. Es ist schon lange bekannt, dass neuartige Informationen aus der
Umwelt eine so genannte Orientierungsreaktion erzeugen, also vom Menschen etwas genauer betrachtet werden, um zu prüfen, ob sie für eine tiefer gehende Beschäftigung relevant sind (z.B. Berlyne, 1974).
Letztendlich geht es aber nicht nur darum, dass das Werbemittel überhaupt vom
Konsumenten betrachtet und als Werbung
erkannt wird (Aufmerksamkeit), vielmehr
ist wichtig, dass die zentralen Inhalte zur
Kenntnis genommen werden. Die Wahrnehmung des Inhalts der Anzeige kann
durch bestimmte Divergenztechniken gefährdet sein. Ein Beispiel ist die Abweichung von der erwarteten Bildlage (z.B.
kopfüber, quer, schräg), die Gaede (2002b,
S. 499) als Divergenzoption nennt. Lachmann (2003, S. 163) berichtet, dass „ 80
Prozent(!) der Testpersonen bei gedrehten Anzeigen weder den Kopf noch das
Heft drehten.“ Eine gedrehte Anzeige mag
zwar hervorstechen, kommuniziert aber
inhaltlich möglicherweise nichts. In diesem
Fall wäre die erzeugte Divergenz nicht vereinbar mit Zielen, die sich auf die kommunikative Wirkung der Werbung beziehen.
Verstehen und Sinnhaftigkeit
Werden die Inhalte einer Kampagne
wahrgenommen, dann muss der Konsument durch das Zusammenfügen einzelner
Elemente eine sinnvolle und eindeutige Bedeutung der Werbebotschaft erschließen.
Im Sinne der Werbeeffektivität sollte dabei
aber nicht nur irgendeine Botschaft aufgenommen werden, sondern der Rezipient
muss eine Bedeutung erkennen, die mög-
4
lichst genau mit dem übereinstimmen sollte, was der Absender (Unternehmen, Marke) kommunizieren möchte (Jacoby/
Hoyer, 1989). Beispiele, bei denen diese
grundlegende Voraussetzung erfolgreicher
Kommunikation nicht erfüllt ist, finden
sich in der viel beachteten Studie zum Verständnis von englischsprachigen Slogans
(Endmark Trendstudie, 2003). Nur 8 Prozent der befragten Personen konnten z.B.
den Slogan „One Group. Multi Utilities“
(RWE) halbwegs richtig übersetzen. Die
Divergenzoption, von der Landessprache
abzuweichen (Gaede, 2002b, S. 312), ist daher zumindest für kommunikationszentrale Inhalte nicht angezeigt (vgl. auch Gerritsen/Korzilius/van Meurs, 2000).
Liking und Akzeptanz
Gerade unter der Bedingung, dass es gelungen ist, den Betrachter tatsächlich zu einer weitergehenden Beschäftigung mit dem
Werbemittel zu motivieren, ist es oft gewollt, dass die Werbung auch spontan gefällt (vgl. auch das ADC-Kriterium „Freude“, Turner, 2004). Gefallen kann dabei
verschiedene Aspekte einschließen. Du
Plessis (1994; 2005) hat die Beurteilung
von mehr als 10.000 TV-Spots durch Konsumenten analysiert und festgestellt, dass eine positive Beurteilung von Werbung vor
allem durch die drei Faktoren „Relevant
news“ (neue, wichtige Informationen),
„Empathy“ (Einfühlung, Realitätsnähe)
und „Entertainment“ (Unterhaltsamkeit)
erzeugt wird. Ablehnung der Werbung hingegen wird wahrscheinlicher bei „Familiarity“ (Vertrautheit), „Confusion“ (Verwirrung) und „Alienation“ (Entfremdung).
Divergente Werbung, wird mit einer geringen „Familiarity“ einhergehen, sie birgt
aber Gefahren in Bezug auf die Dimensionen „Empathy“ und „Confusion“. Wenn
Kreativität im Wesentlichen in der Abweichung von Normen, also dem Üblichen, besteht, kann dadurch die Nachvollziehbarkeit und Identifikationskraft herabgesetzt
sein. Der Konsument sieht zwar etwas ganz
Neues, kann es aber nicht in sein Leben
übertragen oder empfindet es als unglaubwürdig. Der größte Gefahrenpunkt besteht
nach Du Plessis (2005) in der Verwirrung
durch zu hohe Komplexität.
Gedächtnis und Branding
Kaufentscheidungen werden normalerweise nicht in der Situation des Werbekon-
takts getroffen. Klassische Werbung muss
daher in irgendeiner Weise den Weg in das
Gedächtnis des Konsumenten finden und
die wesentlichen kommunikationsrelevanten Inhalte müssen dort gespeichert werden. Zudem muss in der Situation der Kaufentscheidung die Marke aktiviert werden
und in das „Consideration Set“ gelangen.
Damit ein Kunde die Informationen aus
der Werbung in seinem Gedächtnis „an die
richtige Stelle packt“ ist es von zentraler Bedeutung, dass der Absender einer Kommunikationsmaßnahme (das Unternehmen,
die Marke) erkannt wird. Wie wichtig dies
ist, zeigen verschiedene Studien (Baker,
Honea/Russell, 2004; Stewart/Furse, 2000;
Stanton/Burke, 1998; Walker/von Gonten,
1989), die belegen, dass solche TV-Spots eine bessere Wirkung entfalten, in denen die
Marke früh und häufig auftaucht. Strebinger (2002) umschreibt dies mit dem anschaulichen Satz, „wer zu spät markiert, den
bestraft das Leben“. Die Werbewirkungsziele und empirische Evidenz engen auch
hier die von Gaede (2002a; 2002b) genannten Divergenzoptionen ein. Die Abweichung von der werbebezogenen Norm
"Werbung zeigt den Markennamen" (Gaede, 2002b, S. 140) mag für Marken interessant sein, die über die Zeit hinweg ein starkes eigentypisches Bild im Kopf der Konsumenten verankert haben (z.B. Marlboro).
Dies ist aber keine Option für Marken, denen eine derartig starke Verankerung fehlt.
Die im Folgenden dargestellte Divergenz-Ziel-Matrix kann als Steuerungselement des kreativen Prozesses in der Praxis
dienen, um zu erfassen, ob die geplante Divergenz mit den psychologischen und kampagnenspezifischen Zielen kongruent ist.
Nicht strategierkonforme Ideen werden
nicht nach diesen Kriterien überprüft, da sie
unabhängig von ihrer potentiellen Wirksamkeit nicht realisiert werden sollten.
3. Die Divergenz-Ziel-Matrix als
Tool zum Kreativitätsmanagement
Ziel-M
Matrix werden
In der Divergenz-Z
wesentliche Komponenten kreativer Werbung zusammengeführt (Abbildung 1), um
eine konkrete Werbeidee hinsichtlich ihres
Kreativitätspotentials zu beurteilen. Dazu
wird das Ausmaß der Divergenz eingeschätzt. Hierbei kann als Leitfaden die Systematisierung von Gaede (2002a; 2002b)
genutzt werden, um den Beurteilern in Vorinformationen zu verdeutlichen, was Divergenz bedeutet, d.h. in welchen Erschei-
transfer
Inserat
„Die Presse“
1/1, 4c
Werbekreativität
Abb. 1
Divergenz-Ziel-Matrix
nungsformen sie auftritt und beobachtbar
wird. Die befragte Person wird so eher eine
kriteriengeleitete Einschätzung vornehmen
und weniger „impressionistisch“ urteilen.
Haberland und Dacin (1992) zeigen, dass
eine differenzierte Kreativitätsmessung anhand verschiedener Kriterien dem einfachen Eindrucksurteil überlegen ist.
Die Einschätzung des Ausmaßes der Divergenz (Divergenz-Check) dient dazu, sich
ein begründetes Gesamturteil zu bilden.
Die Beurteilung kann dabei mittels, in der
Forschung häufig verwendeter, Skalen zur
Kreativitätsmessung vorgenommen werden (Haberland/Dacin, 1992; White/
Smith, 2001), z.B. „Diese Werbeidee ist
einzigartig - gewöhnlich, abgenutzt - frisch,
üblich - unüblich, vorhersagbar - überraschend, originell - konventionell“.
Die Zielorientierung wird in Bezug auf
die allgemeinen psychologischen Werbewirkungsziele und die kampagnenspezifischen Ziele in ähnlicher Art und Weise eingeschätzt. Hier Beispiele zu den Zielen Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Liking:
· Personen aus der Zielgruppe werden
beim Kontakt mit dem Werbemittel
sehr schnell die kommunikationsrelevanten Komponenten (Marke, Produkt, main point) wahrnehmen (sehr
unwahrscheinlich - sehr wahrscheinlich).
· Die Werbeidee vermittelt dem
Konsumenten neue und relevante
Informationen in Bezug auf den
Funktions-, Ausdrucks- oder
Erfahrungsnutzen (kaum - sehr stark).
6
· Die Werbeidee berücksichtigt die
begrenzte Aufnahmekapazität der
Konsumenten. Sie ist nicht zu komplex oder unverständlich (stimmt
genau - stimmt gar nicht).
4. Anwendungspotential für die
Praxis
Die Divergenz-Ziel-Matrix kann bereits
in der Phase der Werbekonzeption genutzt
werden, wenn es darum geht, geeignete von
ungeeigneten Ideen zu unterscheiden und
dann die erfolgversprechendsten Konzepte
weiter zu verfolgen. Weiterhin kann das Beurteilungssystem genutzt werden, um den
Output von Teams und ganzen Agenturen
systematisch zu beurteilen, z.B. um agenturinterne Kreativitätsbenchmarks aufzubauen. Es geht dabei vorrangig um eine fundierte und möglichst genaue Beurteilung
des kreativen Produkts.
Zudem sind positive Aspekte bei der internen Kommunikation zu erwarten. Wenn
sich die Agentur auf den hier vorgeschlagenen Kreativitätsbegriff verständigt, wird
deutlich, dass die Abteilungen "Strategie"
und "Kreation" gleichermaßen zur Entwicklung eines kreativen Produkts auf hohem Niveau beitragen. Hierdurch werden
Reibungsverluste und Kommunikationshemmnisse unwahrscheinlicher, die aus unterschiedlichen Kreativitätsauffassungen
(vgl. Koslow, Sasser/Riordan, 2003), unterschiedlichen Gruppennormen (AdarvesYorno, Postmes/Haslam, in Druck) und
unterschiedlichen Rollen (Hirschman,
1989) resultieren können. Dies bedeutet eine Optimierung des kreativen Prozesses.
Ein weiterer Einsatzbereich ist die Steuerung der Personalentwicklung, zum Beispiel die Schulung der Mitarbeiter. Um
kreative Werbung im Sinne des oben definierten Begriffs erzeugen und erkennen zu
können, müssen Personen profundes Wissen und profunde Fähigkeiten aus dem Bereich von Kreativitätstechniken haben. Diese können durch entsprechende Trainings
vermittelt werden (vgl. zur Wirksamkeit
von Kreativitätstrainings: Birdi, 2004;
Scott/Leritz/Mumford, 2004a; 2004b).
Hinzu kommt die Notwendigkeit des Wissens um die psychologische Wirkung von
Werbung, die die Mitarbeiter im Selbststudium (geeignet dazu Felser, 2001; Lachmann, 2003) oder durch entsprechende
Schulungsmaßnahmen erwerben können.
Der Ansatzpunkt sind hier die kreativen
Personen.
Die mit der Divergenz-Ziel-Matrix definierten Qualitätskriterien dürften auch
bei der Kommunikation nach außen (z.B.
zwischen Agentur und Auftraggeber) auf
Akzeptanz stoßen, da sie auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt wurden. Zudem sind gleichzeitig die nach Trommsdorff und Becker (2001) wesentlichen Kreativitätskriterien aus der Praxis integriert,
was auch der intuitiven Nachvollziehbarkeit dient. Das Vorhandensein begründeter
und nachvollziehbarer Standards dient der
Imagebildung (Professionalität) der Agentur und kann als Argumentationshilfe dienen, den Kunden für ungewöhnliche Ideen
zu gewinnen. Darüber hinaus werden Kriterien der Werbewirkung, wie sie in der
Divergenz-Ziel-Matrix aufgenommen
sind, auch in üblichen Werbepretests getestet (z.B. Rennert/Beisswenger, 2002). Eine frühzeitige Beschäftigung mit der Frage,
ob ein Werbemittel auch diese Kriterien erfüllt, dürfte im Sinne aller Beteiligten sein.
Ein Nachteil der Arbeit mit der Divergenz-Ziel-Matrix ist der damit verbundene
Aufwand. Es kostet Zeit, sich mit den
Aspekten Divergenz und Werbewirkung
auseinanderzusetzen, den Kreativitätsbegriff in der Agentur zu verankern und das
System der eigenen Situation anzupassen.
5. Elemente eines ganzheitlichen
Kreativitätsmanagements: Bereiche
und Maßnahmen
Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass sich ein elaboriertes Kreativitäts-
transfer
verständnis nicht nur auf das kreative Produkt - die Werbemaßnahme - alleine bezieht, sondern auch Implikationen für den
Prozess der Produktentwicklung, für die beteiligten Personen und die Umgebung hat.
Die Berücksichtigung dieser vier Ebenen
Perspektive, wobei
bezeichnen wir als 3PU-P
die drei „P“ für Personen, Prozesse und Produkt stehen und das „U“ für die Umwelt
(Abbildung 2). Alle vier Ebenen sind relevant für die Entstehung eines kreativen Produkts (Klebba/Tierney, 1995; Rhodes,
1961). Personen haben unterschiedliche Persönlichkeiten und ein unterschiedliches kreatives Potential (Feist, 1998; Martindale, 1999). Es gibt Prozessabläufe, die
mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem
kreativen Produkt führen als andere (Mumford/Gustafson, 1988; Wallas, 1926).
Ebenso kann ein Umfeld, wie das Organisationsklima oder die Zusammenarbeit mit
dem Auftraggeber, kreative Prozesse fördern oder hemmen (Amabile, 1990; Csikszentmihaly, 1990). Das Produkt selbst kann
schließlich, wie beschrieben, auf seine zielorientierte Divergenz eingeschätzt werden.
Abb. 2
che Merkmale die organisationale Umgebung haben sollte, um Kreativitäts- und Innovationsprozesse zu fördern (z.B. Andriopoulos, 2001). Zudem stehen diesbezügliche Instrumente zur Organisationsdiagnose bereit (vgl. Mathisen/Einarsen, 2004)
sowie konkrete Maßnahmen, das Kreativitätspotential zu fördern (Bullinger/Herrmann, 2000). Ähnlich praxisnahe Befunde
gibt es auch zu den anderen Teilbereichen
aus der 3PU-Systematik. Um die Fruchtbarkeit dieser Überlegungen zu verdeutlichen, werden nun abschließend noch einige Beispiele genannt.
Die Schaffung von zielorientierter Divergenz setzt voraus, dass die zu erreichenden Ziele den relevanten Personen bekannt
sind, keine Zielkonflikte vorliegen und
auch die wichtigen Rahmenbedingungen
geklärt sind. Um dies zu gewährleisten, sind
zum Beispiel die externen (Agentur-Kunde)
und internen (Kontakter-Kreativteam)
Kommunikationsprozesse zu optimieren.
Zunächst ist natürlich im Rahmen der
Agentur-Kunden-Beziehung ein Briefing
wichtig, welches die wichtigen Informatio-
3PU-Perspektive
muliert sein. Allgemeine Absichtserklärungen, Globalziele oder unklare Formulierungen sollten vermieden werden (Steffenhagen/Siemer, 1996). Die Kommunikation der Zielvorstellungen innerhalb der
Agentur sollte ebenfalls so weit wie möglich
standardisiert und optimiert werden
(Sutherland/Duke/Abernethy, 2004). Auf
diese Art und Weise werden kreative Prozesse erfolgsorientiert durch ein systematisches Kommunikations- und Wissensmanagement gesteuert.
Werden ein elaborierter Qualitätsbegriff
und Qualitätsstandards innerhalb der
Agentur etabliert, kann dies dazu dienen,
die Leistung von Teams und Individuen anhand nachvollziehbarer Kriterien zu bewerten, was eine positive Feedbackwirkung
entfalten dürfte. Zudem können Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern abgeleitet
werden. Feedback und Zielvereinbarungen
sind geeignet, um die Kreativität zu steigern
(Carson/Carson, 1993).
Auf der Ebene der Personen als Mitglieder von kreativen Teams, kann durch ein
entsprechendes Personalmarketing, eine
fundierte Personalauswahl und eine zielorientierte Personalentwicklung dazu beigetragen werden, Mitarbeiter mit einem hohen Kreativitätspotential anzusprechen,
auszuwählen und zielbezogen zu fördern.
Auch die Zusammensetzung von Projektteams kann kreativitätsfördernd gestaltet
werden. Die Teammitglieder sollten aus
Personen bestehen, die aufgabenrelevante
Fähigkeiten und Fachwissen haben. Gleichzeitig sollte das Team insgesamt über einen
breiten, heterogenen Hintergrund verfügen, z.B. bezüglich Alter, Geschlecht, Ausbildung und Länge der Zugehörigkeit zur
Organisation (West/Hirst/Richter/Shipton, 2004).
6. Resümee
Die 3PU-Perspektive bietet einen interessanten Ansatzpunkt zu einem ganzheitlichen Kreativitätsmanagement, das alle angesprochenen Aspekte integriert. Aus der
Forschung zur Organisationspsychologie,
aus der Managementforschung und der Innovationsforschung sind mittlerweile Erkenntnisse darüber hervorgegangen, wel-
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
nen und Zielvorstellungen enthält. Zudem
ist bereits an dieser Schnittstelle dafür zu
sorgen, dass es nicht zu einer Zielüberfrachtung kommt, da eine solche „Zielinflation“ die Wahrscheinlichkeit des Erzeugens kreativer Lösungen behindert
(Trommsdorff, 2003). Außerdem müssen
die vereinbarten Ziele spezifisch genug for-
Zu Beginn dieses Beitrags wurde festgestellt, dass für Agenturen aus dem Kommunikationsbereich die Kreativität der produzierten Lösungen ein zentrales Leistungsmerkmal darstellt und es sich daher
lohnen sollte, systematisch auf eine exzellente Performance hinzuarbeiten, die von
Mitarbeitern und Kunden nachvollzogen
werden kann. Ein ganzheitliches Kreativitätsmanagement hilft den Agenturen dies
zu erreichen. Darüber hinaus sind weitere
positive Effekte zu erwarten. Innovationen
beziehen sich nämlich nicht immer nur auf
das Kernprodukt, sondern betreffen häufig
7
Werbekreativität
auch Arbeitsabläufe oder auch die Entwicklung neuer Produkte. Auch diese Prozesse vollziehen sich am ehesten, wenn alle
Komponenten (3PU) für ein hohes Kreativitätspotential sorgen.
Literatur
Adarves-Yorno, I./Postmes, T./Haslam, S.A. (in progress): Social identity and the recognition of creativity
in groups. British Journal of Social Psychology.
Amabile, T.M. (1990): Within you, without you: The
social psychology of creativity, and beyond. In M.A.
Runco & R.S. Albert (Eds.), Theories of creativity (pp.
61-91), Sage, Newbury Park.
Andriopoulos, C. (2001): Determinants of organisational creativity: A literature review. Management
Decision, 834-840.
Baker, W.E./Honea, H./Russell, C.A. (2004): Do not
wait to reveal the brand name. Journal of Advertising,
33, 77-85.
Berlyne, D.E. (1974): Konflikt, Erregung, Neugier. Zur
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Fußnote
1
Es kann hier nur am Rande darauf hingewiesen werden, dass die Prozesse, die das AIDA-Prinzip und ähnliche Modelle annehmen, nur dann ablaufen können,
wenn in der Situation des Werbekontakts neben der
Motivation, auch die Fähigkeit und Gelegenheit zur
Informationsverarbeitung gegeben sind.
transfer
Inserat
„ULG - Hr. Mayer“
1/1, 4c
Markenallianzen
Franz-Rudolf Esch, Jörn Redler, Anrea Honal
Beurteilung von Markenallianzen am Beispiel
von Verpackungsentwürfen
Da die veränderten Rahmenbedingungen neue Herausforderungen an
das Markenmanagement stellen, setzen immer mehr Unternehmen auf
die Markendehnungsstrategie und die Bildung von Markenallianzen, um
vorhandene starke Marken besser zu kapitalisieren. Im Rahmen der dargestellten Kommunikationsstudie wird nachgewiesen, dass die Beurteilung der Markenallianz in Richtung derjenigen Marke verzerrt ist, die im
Hinblick auf die Verpackungsgestaltung dominant kommuniziert wird.
1. Relevanz von Markenallianzen
für das Markenmanagement
Durch die wachsende Informationsflut,
den hohen Kommunikationsdruck sowie
den zunehmenden Wettbewerbsdruck der
Marken wird es immer schwieriger, neue
Marken in den Köpfen von meist wenig involvierten Konsumenten zu platzieren. Angesichts der hohen Floprisiken bei Produktneueinführungen und der hohen finanziellen Aufwendungen bei der Einführung neuer Marken (Tauber, 1988;
Aaker, 1990, S. 47) setzen immer mehr Unternehmen auf die Markendehnungsstrategie anstelle der Neumarkenstrategie zur
Einführung neuer Produkte. Man erwartet
sich dadurch eine schnellere Durchdringung des Produktes als bei Einführung einer neuen Marke, da man von der Bekanntheit und dem Image der vorhandenen
Marke profitiert. Im Zuge des positiven
Imagetransfers der Partnermarken auf die
Allianz und des entsprechenden Rücktransfers können zudem Synergieeffekte
und Kosteneinsparungen erzielt werden.
Eine weitere Strategie zur Markenkapitalisierung ist, neben der Markendehnung,
die Bildung von Markenallianzen1. Unter
Markenallianzen wird die gemeinsame Darbietung mehrerer Marken bei der Markierung eines Angebots verstanden, wie bspw.
eine Schokolade von Milka und Kellogg's,
ein Computer von Fujitsu und Siemens
oder eine Kreditkarte von Mastercard und
Lufthansa (Simonin/Ruth, 1998; Esch/
Redler, 2005). Dabei sind Markenallianzen
nicht nur stark im Lebensmittelmarkt ver-
10
treten (Bengtsson, 2002, S. 2), sondern
auch im Gebrauchsgüter- oder Dienstleistungsbereich.
Durch die Bildung einer Markenallianz
wird die Kraft von mindestens zwei Marken gebündelt, so dass sich entsprechende
Vorteile gegenüber der Nutzung einer einzigen Marke ergeben (Esch, 2005). So nutzen die Marken Samsung und Bang & Olufsen ihre individuellen Kompetenzen und
die sich ergänzenden Markenimages gemeinsam bei der Vermarktung des Mobiltelefons „Serene“. In diese Markenallianz
bringt Samsung die technische Kompetenz
und Bang & Olufsen die Designkompetenz
ein, obgleich beide Marken auch weiterhin
eigenständig am Markt auftreten. Die positiven Effekte einer Markenallianz belegen
Ergebnisse einer Untersuchung der American Marketing Association deutlich. In dieser Studie wurden Konsumenten hinsichtlich ihrer Kaufbereitschaft für ein digitales
Bildbearbeitungsprodukt befragt. 80% gaben an, dass sie ein gleichzeitig unter den
Namen Kodak und Sony angebotenes Produkt kaufen würden. Hingegen äußerten
nur 20% der Befragten eine Kaufabsicht,
wenn das Produkt ausschließlich unter
Sony oder nur unter Kodak am Markt angeboten werden würde (Blackett/Russell,
1999, S. 19). Hierbei ergänzen sich die verschiedenen Vorstellungen zu den Marken
in den Köpfen ideal und wirken sich positiv auf das Konsumentenverhalten aus (Abbildung 1).
Obwohl Markenallianzen von hoher
praktischer Relevanz sind, werden diese erst
seit einigen Jahren auch aus wissenschaftli-
cher Perspektive genauer untersucht. Nach
ersten empirischen Erkenntnissen spielen
für Markenallianzen folgende Erfolgskrite rien eine entscheidende Rolle:
1. Die Marken, die miteinander kombiniert werden, sollten im weitesten Sinne zueinander passen. So wäre bspw. die Kombination einer Luxusmarke mit einer Billigmarke wenig zweckmäßig. Dieser Markenfit ist grundlegend für eine erfolgreiche
Kooperationsstrategie. Studienergebnisse
bestätigen eine positive Beziehung zwischen
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch,
Universitätsprofessor für
Betriebswirtschaftslehre mit
dem Schwerpunkt Marketing
an der Justus-Liebig-Universität Gießen (www.imkgiessen.de), Direktor des
Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung
Gießen und Gründer von ESCH. The Brand
Consultants, Saarlouis (www.esch-associates.de).
Dr. Jörn Redler, ehem. wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Institut für Marken- und
Kommunikationsforschung
Gießen, derzeit Teamleiter
Marketing bei Madeleine
Mode GmbH, Zirndorf.
Dipl-Kffr. Andrea Honal,
Projektmitarbeiterin und
externe Doktorandin am
Institut für Marken- und
Kommunikationsforschung
Gießen. andrea.k.honal@
imk-giessen.de
transfer
Sich ergänzende und verstärkende Markenvorstellungen von Sony und Kodak
traler Bedeutung. Vor diesem Hintergrund
wird im Folgenden ein Ansatz erläutert, der
die Urteilsbildung bei Markenallianzen als
Anchoringphänomen modelliert.
2. Ankerheuristiken zur Erklärung
der Urteilsbildung gegenüber
Markenallianzen
dem Markenfit und der Beurteilung der
Markenallianz (Park/Jun/Shocker, 1996, S.
456 ff.; Simonin/Ruth, 1998, S. 33 ff;
Baumgarth, 2003).
2. Zudem müssen sich die beteiligten
Marken hinsichtlich der vorhandenen
Gedächtnisstrukturen bei den Konsumenten so ergänzen, dass sich mit ihnen verbundene Vorstellungen mit Relevanz für
die neue Produktkategorie gegenseitig vervollständigen. Dies wird als Komplementa rität der Marken bezeichnet (Park/Jun/
Shocker, 1999). Markenallianzen, die sich
hinsichtlich relevanter Produkteigenschaften ergänzen, werden positiver beurteilt als
solche mit weitestgehend identischen Eigenschaften.
3. Der wahrgenommene Produktfit im
Rahmen einer Markenallianz stellt einen
wichtigen Einflussfaktor dar (Simonin/
Ruth, 1998). Der Produktfit wird als die
Ähnlichkeit zu den bisherigen Produkten
der an der Markenallianz beteiligten Marken definiert. Ferner spielt die Vertrautheit
der Konsumenten mit den involvierten
Marken eine wichtige moderierende Rolle
für die Beurteilung der Markenallianz (Simonin/Ruth, 1998).
4. Darüber hinaus übt die Anordnung
der beteiligten Marken einen wesentlichen
Einfluss auf die Wirkungsweise der Markenallianz aus (Park/Jun/Shocker, 1999),
wie bspw. Fit for Fun-Kölln oder Kölln-Fit
for Fun zwischen der Zeitschrift Fit for Fun
und der Müslimarke Kölln.
5. Zudem sollten die Marken eine gewisse Markenstärke aufweisen, die sich in
einem entsprechendem Markenwissen
äußert (Simonin/Ruth, 1998, S. 33 ff;
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Rao/Qu/Ruekert, 1999, S. 261 ff; Washburn/Till/Priluck, 2000).
6. Durch die "Anchoring-and-Adjustment"-Theorie (Tversky/Kahneman,
1974) kann die Rollenverteilung innerhalb
der Markenallianz, d.h. welche Marke die
Führungs- und welche die Ergänzungsrolle
übernimmt, erklärt werden. Dies belegen
Untersuchungsergebnisse (Redler, 2003).
Die Ankerbildung wird wesentlich durch
die Bekanntheit, die Markenschemastärke,
den Markenfit, den Produktkategoriefit sowie die kommunikative Gestaltung, die im
Folgenden näher betrachtet wird, beeinflusst. Je stärker die relative Ausprägung dieser Faktoren bei einer Marke ist, desto eher
ist zu erwarten, dass diese die Rolle der Ankermarke einnimmt und das Urteil zur
Markenallianz in Richtung dieser Marke
verzerrt wird (Redler, 2003; Esch/Redler,
2005).
Um die angestrebten Wirkungen, wie
z.B. eine positive Beurteilung der Markenallianz und einer damit verbundenen
Kaufbereitschaft, zu erzielen, müssen die
Kunden die Markenallianz zuerst akzeptieren. Für die Akzeptanz einer Markenallianz
sind die Urteilsprozesse bei der Informationsverarbeitung wichtig. Diese bestimmen bei der Wahrnehmung einer Markenallianz, ob diese als "sympathisch" oder "ansprechend" von den Konsumenten empfunden wird und welche weiteren Inhalte in
der Vorstellung der Kunden hervorgerufen
werden. Dies beeinflusst die tendenziell positive oder negative Einstellung gegenüber
der Markenallianz. Deshalb ist die Untersuchung der konsumentenbezogenen Urteilsprozesse bei Markenallianzen von zen-
Die Urteilsbildungsprozesse sind ein
zentrales Element der menschlichen
Informationsverarbeitungsprozesse (Plous,
1993; Fiedler, 1996). Sie sind sowohl Resultat als auch Zwischenergebnis und Input
bei Verarbeitungsprozessen. Dies hat weit
reichende Folgen für die Wirkungen von
Markenallianzen auf die Konsumenten.
Inwieweit ein Urteilsprozess mehr oder
weniger kognitiv kontrolliert wird, hängt
von dem Involvement der Konsumenten
ab, also von ihrem Engagement bzw. der
Ich-Beteiligung, sich einer Markenallianz
zu widmen (Esch, 2005). Bei gering involvierten Konsumenten laufen die Prozesse
weniger aktiv (Assael, 1995, S. 237) und mit
geringerer Verarbeitungstiefe ab (Craik/
Lockhart, 1972; Olson, 1980). Zudem werden vereinfachende Strategien, wie die Nutzung von Schlüsselinformationen, bevorzugt herangezogen (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 298 ff). Diese vereinfachenden Strategien werden als Heuristiken
bezeichnet, also Faustregeln, welche ein
hinreichend genaues Urteil bei einem geringen Verarbeitungsaufwand ermöglichen
(Brandner/Kompa/Peltzer, 1989, S. 124 f;
Plous, 1993, S. 109; Bösel, 2001, S. 302;
Brehm/Kassin/Fein, 2002, S. 104 f). Wegen des nicht perfekten Zusammenhangs
zwischen dem heuristischen Hinweisreiz
und der tatsächlichen Ausprägung der Urteilsdimension ergeben sich jedoch systematische Verzerrungen (Fiedler, 1996, S.
148), die sich für das Individuum nur unter bestimmten Bedingungen negativ auswirken können. Da gerade im Konsumgüterbereich viele Markenallianzen mit geringem Involvement beurteilt werden, ist mit
einer flüchtigen Einschätzung unter Rückgriff auf einfache Faustregeln zu rechnen.
Bei hohem Konsumenteninvolvement
laufen verstärkt extensive Beurteilungsprozesse ab. Diese erfolgen mit relativ hoher
Verarbeitungstiefe (Craik/Lockhart, 1972;
Olson, 1980), wobei viele Eigenschaften
des Objektes bewertet und diese Bewertungen dann integriert werden. Studien belegen, dass selbst unter solchen Bedingungen
Urteilsbildung stets Verzerrungen unter-
11
Forschung
Abb. 1
Markenallianzen
liegt und Heuristiken verwendet werden
(Tversky/Kahneman 1974; Switzer/
Sniezek, 1991; Plous, 1993; Wilson/Houston/Etling/Brekke, 1996; Kroeber-Riel/
Weinberg 2003, S. 368 ff). Somit sind die
Urteilsheuristiken bei geringem und hohem
Involvement elementarer Bestandteil konsumentenbezogener Urteilsbildung.
Ein besonders relevanter Zugang für die
Erklärung der Urteilsbildung gegenüber
Markenallianzen ist die Anchoringheuristik
(Redler, 2003; Esch/Redler, 2005). Nach
den Aussagen der Anchoringheuristik werden Urteile unter Unsicherheit gebildet, indem ein Hinweisreiz als Ausgangsbasis für
das Urteil herangezogen (Anker) und dieses
dann nach oben oder unten adjustiert wird
(Tversky/Kahneman, 1974, S. 1128). Es
handelt sich um die Assimilation von Schätzungen an einen Vergleichsstandard (Mussweiler/Strack, 1999, S. 137). Diese Konzeption ist für Markenallianzen deshalb von
großem Interesse, weil in ihr explizit zwei
Werte zu einem Urteil integriert werden.
Im Hinblick auf das Modell der Anchoringand-Adjustment-Theorie lässt sich das Urteil zur Markenallianz aus dem bereits bestehenden Urteilswissen zu den beteiligten
Marken erklären.
Danach kann der Prozess der Urteilsbildung wie folgt beschrieben werden: Zuerst
wird das Urteil zu einer Marke abgerufen
und als vorläufiger Ankerwert übernommen. Anschließend wird das Urteil zur
zweiten Marke berücksichtigt und das temporäre Urteil in dessen Richtung verändert,
bis ein akzeptabler Wert erreicht wird. Das
finale Urteil entsteht als ein Integrationsresultat aus den Urteilen zu den beteiligten
Marken. Die Bewertung der Markenallianz
ergibt sich folglich als ein gewichteter
Durchschnitt aus den Bewertungen zu den
einzelnen Marken, wobei dieses Urteil in
die Richtung der Ankermarke verzerrt ist
(Redler, 2003). Hierbei übernimmt eine
Marke die Führungsrolle und wird zur Ankermarke. Durch die zweite Marke, welche
die Ergänzungsrolle übernimmt, erfolgt eine Adjustierung (Esch, 2005).
3. Einfluss der kommunikativen
Gestaltung auf die Urteilsbildung
bei Markenallianzen
Studienmethodik und Hypothesenableitung
Zur Überprüfung der Anchoringeffekte
bei Markenallianzen wurde am Institut für
12
Marken- und Kommunikationsforschung
an der Justus-Liebig-Universität in Gießen
eine Reihe von Studien durchgeführt (vgl.
ausführlich hierzu Redler, 2003), wobei im
Folgenden die Kommunikationsstudie vorgestellt wird. Der Studie lag die Überlegung
zugrunde, dass sich Anchoringeffekte als
Urteilsverzerrungen in Richtung eines Ankerwertes äußern (z.B. auch Plous 1993;
Mussweiler/Strack/Pfeiffer, 2000). Für
Markenallianzen bedeutet dies, dass das Urteil zu einer der beteiligten Marken einen
Anker für das Urteil zur Markenallianz darstellen kann. Messtheoretisch lassen sich
Urteilsverzerrungen durch den Vergleich
der Abstände zwischen den Urteilen zur
Markenallianz und zu den einzelnen Marken erfassen. Sind die Abstände zwischen
dem Urteil zur Markenallianz und dem Urteil zu einer der beteiligten Marken, d.h. in
eine Richtung, konsistent geringer, ist ein
Ankereffekt zu Gunsten dieser Marke anzunehmen. Verteilen sich diese Verzerrungen jedoch eher zufällig auf beide Richtungen, kann keine der beiden Marken als Anker für das Urteil zur Allianz betrachtet werden. Zur Erfassung der relevanten Abstände
zwischen den Urteilswerten wurden sowohl
die Urteile zur Markenallianz als auch zu
den einzelnen Marken durch betragsmäßige Subtraktion ermittelt. Dies setzt die Erhebung der Urteile der gleichen Person zu
verschiedenen Objekten voraus.
Die Ermittlung der Abstände zwischen
den Urteilen erfolgte in der Kommunikationsstudie anhand von elf markenspezifischen Items, die aus einer Skalenentwicklung hervorgingen. Über alle Items2 des
Messinstruments wurden die Abwei chungsquadratsummen zwischen den Urteilen zur fiktiven Allianz und denen zu den
beiden Marken berechnet. Durch die Quadratur der Abweichungen erfolgt eine
Gleichrichtung und eine stärkere Gewichtung der Abweichungen. Damit verwandt
ist das Distanzmaß D, die so genannte
Globaldistanz (Cronbach/Gleser, 1953;
Osgood/Suci/Tannenbaum, 1957). Es
drückt die lineare Distanz zwischen zwei
Bewertungen aus und berücksichtigt einerseits die Profilvariationen und andererseits
die Mittelwertdifferenzen der Profile. Mathematisch gesehen, handelt es sich bei D
um die Wurzel aus der Abweichungsquadratsumme. Ferner wurde zur Beurteilung
der Ähnlichkeit der relevanten Itemprofile
Korrelation nach Hofstätter (1966,
die Q-K
S. 258 ff.) herangezogen. Diese beschreibt
anhand eines Koeffizienten Q, der zwischen
den Grenzen +1,00 (maximale Ähnlichkeit)
und -1,00 (Gegensätzlichkeit) liegt, wie
ähnlich sich zwei Profile verhalten.
In der Kommunikationsstudie wurden
alle Urteile schriftlich erhoben, wobei die
Fragebögen in drei Blöcke aufgeteilt waren.
Ein Block enthielt die Urteilsabfragen zu
der relevanten Markenallianz, die beiden
anderen Blöcke die Fragen zu den beteiligten Marken. Zwischen den Urteilsabfragen
sind unterschiedliche Ablenkungsaufgaben
eingesetzt worden, die inhaltlich auf den
vorgetäuschten Untersuchungsgegenstand
zur Vermeidung der Sensibilisierung der
Probanden für den eigentlichen Studienzweck abgestimmt waren. Im Rahmen der
Untersuchung wurden fiktive Markenallianzen aus real existierenden Marken als Stimuli eingesetzt (Redler, 2003).
Neben intern abrufbaren Reizen wie
dem Markenwissen der Probanden spielen
auch extern abrufbare Reize eine wichtige
Rolle. Demnach sollte es möglich sein, das
Urteil zu einer Markenallianz kommunikativ zu beeinflussen. Im Hinblick auf die Verpackungsgestaltung der Markenallianz sollte das Urteil in Richtung derjenigen Marke
verzerrt sein, deren Markenelemente bei der
kommunikativen Gestaltung dominant
vertreten sind, wie bspw. eine lila Verpackung bei der Markenallianz von Milka
und Uncle Ben's. Das Urteil wäre demnach
in Richtung der Marke Milka verzerrt.
Darstellung der Kommunikationsstudie
Zur Überprüfung der Forschungshypothese wurden zwei kommunikative Umsetzungen einer identischen Markenallianz
miteinander verglichen. Hierbei lag der
Fokus auf der Verpackungsgestaltung der
Markenallianz. Die Umsetzungen unterschieden sich dadurch, dass eine Variante
durch typische Markenelemente der ersten
Partnermarke geprägt war, hingegen die
zweite Variante dominant markentypische
Elemente der zweiten Marke enthielt.
Dadurch sollte die Kommunikation, also
die Verpackungsgestaltung, manipuliert
werden. In der Studie wurde zu beiden Stimuli als abhängige Variable die Beurteilung
zur Markenallianz gemessen und hinsichtlich ihrer Urteilsverzerrung analysiert.
Basierend auf den Annahmen müsste die
Urteilsverzerrung in den Untersuchungsbedingungen jeweils in Richtung der dominant kommunizierten Marke verzerrt
sein.
transfer
Inserat
„Manstein Verlag“
1/1, 4c
Markenallianzen
Auswahl der fiktiven Markenallianz und der Stimuli
Zur Hypothesenprüfung wurde für die
Produktkategorie Frühstücksflocken eine
fiktive Markenallianz aus den Marken Milka und Uncle Ben's ausgewählt. Zur Manipulation der Kommunikation dieser Markenallianz (= unabhängige Variable) konzipierte man zwei Verpackungsvarianten.
Zum einen wurde eine Milka-typische Verpackung entwickelt, die durch die Farbe Lila und den charakteristischen MilkaSchriftzug geprägt war, der wesentlich
größer dargestellt wurde als der Uncle
Ben's-Schriftzug (Abbildung 2 rechts).
Zum anderen wurde eine Uncle Ben'stypische Verpackung entworfen, die durch
die typische Farbe Orange und den Uncle
Ben's Schriftzug gekennzeichnet war, der
deutlich größer dargestellt wurde als der
Schriftzug von Milka (Abbildung 2 links).
In einem Pretest mit 40 Probanden wurde sichergestellt, dass die eingesetzten Stimuli die angestrebten Wirkungen erzielten.
Die Befragten waren im Durchschnitt 26
Jahre alt. Davon waren 52% männlich und
48% weiblich. Die Vorstudienresultate
zeigten, dass bei der Milka-typischen Verpackung 83% der Probanden zuerst an Milka und bei der Uncle Ben's-typischen Verpackung 78% als erstes an Uncle Ben's
dachten.
Diese Marken wurden deshalb ausgewählt, weil es sich in beiden Fällen um star-
ke Marken handelt. Die bisherigen Ergebnisse der Studienreihe zum Anchoring hatten gezeigt, dass in solchen Fällen beide
Marken gleichermaßen als Anker bei der
Beurteilung einer Markenallianz dienen
und mit den ihnen eigenen Eigenschaften
die Markenallianz beeinflussen. Somit
müssten auch hier beide Marken gleichgewichtig in das Urteil zur Markenallianz einfließen, sofern keine kommunikative Einflussnahme stattfindet. Umgekehrt müsste
eine entsprechende Ausgestaltung der Kommunikation, die stärker das eine oder das
andere Markenbild der beteiligten Marken
reflektiert, sich entsprechend dominant bei
der Beurteilung der Markenallianz zeigen.
Hauptstudie
An ihr nahmen 80 Probanden teil, die
zufällig auf die zwei Untersuchungsgruppen (Gruppe I: Uncle Ben's ist dominant,
Gruppe II: Milka ist dominant) verteilt
wurden. Die Gruppen waren durch folgende deskriptiven Statistiken gekennzeichnet:
Das Durchschnittsalter betrug jeweils 24
Jahre. Der Anteil der männlichen Studienteilnehmer lag bei 45% (I) bzw. 40% (II).
Messung der abhängigen
Variablen
Die Beurteilung der Markenallianz wurde mit Hilfe von elf markenspezifischen
Items (fünf Items für Uncle Ben's und sechs
Abb. 2
Eingesetze Stimuli der Kommunikationsstudie
Quelle: (in Anlehnung an) Redler, 2003, S. 187
14
Items für Milka) erhoben, die aus einer Skalenentwicklung hervorgingen (Basis: typische Assoziationen zu den Marken). Die
Reliabilität der Skala in der Hauptstudie
betrug Cronbachs’ alpha = 0,63. Hierbei gaben die Probanden auf jeweils siebenstufigen, bipolaren Items (1= stimme nicht zu,
7= stimme voll zu) an, inwieweit sie der Aussage „Milka Uncle Ben's Frühstücksflocken
sind...“ zustimmen. Dadurch sollte ermittelt werden, wie sich die Urteilsbildung insbesondere bei den markenprägenden Eigenschaften ausbildet (Redler, 2003).
Ergebnisse
Basierend auf der obigen Hypothese
sollte sich in Versuchsbedingung I, in der
die Gestaltung der Markenallianz stark an
Uncle Ben's ausgerichtet war, auch die Beurteilung der Markenallianz stärker an Uncle Ben's als an Milka ausrichten. Hingegen
war in Versuchsbedingung II der umgekehrte Fall zu erwarten. Ein Blick auf die
gemessenen Urteilswerte in Tabelle 1 und
Abbildung 3 untermauert die Annahmen.
Die absoluten Differenzen zwischen den
Urteilswerten zur Markenallianz und denen
zu der Einzelmarke Uncle Ben's waren in
der Versuchsbedingung I bei acht der elf
Items geringer als die absoluten Differenzen zwischen den Urteilswerten zu der Markenallianz und denen zur Marke Milka (Tabelle 1). In der Versuchsbedingung II zeigte sich ein genau entgegengesetztes Ergebnis. Hier fielen die Differenzen bei neun der
elf Items in Richtung der Marke Milka geringer aus (Tabelle 2). Anhand der Profile
in Abbildung 3 ist deutlich zu erkennen,
dass sich in der Versuchsbedingung I die Beurteilung der Markenallianz stark an der Beurteilung von Uncle Ben's anlehnte. So korrelierte das Profil der Markenallianz stark
mit dem von Uncle Ben's (q = 0,84), hingegen fiel die Korrelation zu Milka negativ
aus (q = -0,70). Beide Korrelationen waren
auf dem Niveau von 99% (zweiseitig) signifikant. Die Abweichungsquadratsumme
zwischen den Profilen der Markenallianz
und Milka war mit X = 80,05 deutlich höher
als die zwischen der Markenallianz und Uncle Ben's mit X = 13,79. Entsprechend fiel
die Globaldistanz für den Vergleich der Profile von Milka und der Markenallianz höher
aus (D = 8,95) als die für den Vergleich der
Markenallianz zu Uncle Ben's (D = 3,71).
Beide Korrelationen waren auf dem 95%Niveau (zweiseitig) statistisch signifikant
(Tabelle 1 und Abbildung 3).
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Inserat
„Siemens“
1/1, 4c
Markenallianzen
Tab. 1
Wichtige Ergebnisse aus der Untersuchungsbedingung I
Mittelwerte
absolute Differenzen
I
II
III
I-II
I-III
Verpackung Uncle
Ben’s-typisch
Milka
Uncle Ben’s
D1
D2
natürlich
3,45
4,20
4,41
0,75
orange
5,63
1,68
6,53
3,95
feinkörnig und locker
4,05
1,85
5,63
die Welt der Alpen
2,88
5,95
lila
3,10
6,38
eine zarte Versuchung
2,68
cremig
amerikanisch
Abweichungsquadrate
I-II
I-III
0,96
0,56
0,92
0,90
15,60
0,81
2,20
1,58
4,84
2,48
1,68
3,08
1,20
9,46
1,44
1,55
3,28
1,55
10,73
2,40
5,83
1,88
3,15
0,80
9,92
0,64
3,00
4,93
2,15
1,93
0,85
3,71
0,72
5,15
1,83
5,88
3,33
0,73
11,06
0,53
aus Reis
5,40
1,65
6,20
3,75
0,80
14,06
0,64
pikant
2,78
1,95
4,20
0,83
1,43
0,68
2,03
warm
3,08
3,03
4,53
0,05
1,45
0,00
2,10
-0,70
0,84
Abweichungsquadratsumme
80,05
13,79
Globaldistanz D
8,95
3,71
Item
Q-Korrelation
Quelle: (modifiziert und erweitert in Anlehnung an) Redler, 2003, S. 189
Anhand von Tabelle 2 und Abbildung 4
erkennt man, dass in der Versuchsbedingung II die Beurteilung der Markenallianz
stark der Beurteilung von Milka folgte.
So korrelierte das Itemprofil der Markenallianz stark positiv mit dem von Milka
(q = 0,81), während die Korrelation zu Uncle Ben's negativ ausfiel (q = -0,44). Die beiden Korrelationen waren auf dem Niveau
von 99% (zweiseitig) signifikant. Die Abweichungsquadratsumme zwischen den
Profilen der Markenallianz und Milka war
mit X = 6,62 deutlich geringer als die zwischen der Markenallianz und Uncle Ben's
mit X = 61,94. Dabei fiel auch die Globaldistanz für den Vergleich der Profile von
Milka und der Markenallianz mit D = 2,57
geringer aus als die Globaldistanz für den
Vergleich der Markenallianz zu Uncle Ben's
mit einem Wert von D = 7,87. Beide Korrelationen waren auf dem 99%-Niveau
(zweiseitig) signifikant (Abbildung 4 und
Tabelle 2).
Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen
die Forschungshypothese, dass das Urteil
gegenüber der Markenallianz in Richtung
derjenigen Marke verzerrt ist, deren Markenelemente bei der kommunikativen Verpackungsgestaltung dominant vertreten
sind. Somit kann durch die kommunikative Gestaltung der Markenallianz die Urteilsbildung beeinflusst werden.
16
4. Besonderheiten, Problembereiche
und Implikationen im Hinblick auf
das Management von Markenallianzen
Damit Markenallianzen zum Aufbau
und Erhalt der eigenen Marke beitragen
können, sind im Vergleich zur Führung einzelner Marken einige Besonderheiten zu be-
Abb. 3
achten. Entscheidungen über Markenallianzen haben strategischen Charakter und
bedürfen einer sorgfältigen Vorbereitung,
bei der insbesondere die Chancen und Risiken bewertet und abgewogen werden
müssen (Redler, 2003, S. 53).
Folgende Problembereiche sind bei
Markenallianzen zu beachten (Hill/Lederer, 2001, S. 108; Redler, 2003, S. 17):
Urteilsbildung bei dominanter Uncle Ben's-Verpackung in Bezug
auf die Verpackungsgestaltung der Markenallianz
Quelle: Redler, 2003, S. 190
transfer
Tab. 2
Wichtige Ergebnisse aus der Untersuchungsbedingung II
Mittelwerte
absolute Differenzen
I
II
III
Verpackung Uncle
Ben’s-typisch
Milka
Uncle Ben’s
D1
D2
natürlich
3,43
4,65
4,41
1,23
1,14
1,50
1,30
orange
2,08
1,62
5,78
0,46
3,70
0,21
13,69
feinkörnig und locker
3,70
4,58
5,73
0,88
2,03
0,77
4,10
die Welt der Alpen
4,68
5,33
1,73
0,65
2,95
0,42
8,70
lila
6,05
5,80
1,60
0,25
4,45
0,06
19,80
eine zarte Versuchung
4,20
5,05
1,73
0,85
2,48
0,72
6,13
cremig
3,50
4,28
2,62
0,78
1,24
0,60
1,55
amerikanisch
3,13
2,53
5,46
0,60
2,34
0,36
5,46
aus Reis
4,58
2,73
5,60
1,85
1,03
3,42
1,05
pikant
2,03
2,10
3,23
0,08
1,20
0,01
1,44
warm
2,95
3,18
3,10
0,23
0,15
0,05
0,02
0,81
-0,44
Abweichungsquadratsumme
6,62
61,94
Globaldistanz D
2,57
7,87
Item
Q-Korrelation
I-II
I-III
Abweichungsquadrate
I-II
I-III
Quelle: (modifiziert und erweitert in Anlehnung an) Redler, 2003, S. 190
· Ein Ausbleiben der erhofften Imageoder Bekanntheitseffekte.
· Das Auftreten unerwünschter Wirkungen für die beteiligten Marken, wie
z.B. ein Transfer nicht erwünschter
Assoziationen auf die eigene Marke.
· Der fehlende Fit zwischen den
Marken, der zu Dissonanzen bei den
Konsumenten führt, die auf die Beur-
Abb. 4
teilung der Markenallianz und der
beteiligten Marken durchschlagen.
· Eine mögliche Umpositionierung bei
der Partnermarke, welche die Markenallianz und die andere beteiligte Marke
beeinträchtigen kann.
· Änderungen beim rechtlichen Besitz
einer beteiligten Marke.
· Kurzfristdenken, das Abstellen auf
Urteilsbildung bei dominanter Milka-Verpackung in Bezug
auf die Verpackungsgestaltung der Markenallianz
Quelle: Redler, 2003, S. 190
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
schnelle Erträge sowie die Dominanz
taktischer Kalküle.
· Erhöhter Koordinationsaufwand und
eingeschränkte Handlungsflexibilität
infolge der Teilnahme an der Markenallianz.
Für die Entscheidung zur Bildung einer
Markenallianz ist daher ein komplexer Analyse- und Gestaltungsprozess zu durchlaufen, um Risiken zu minimieren und die gewünschten Effekte sicherzustellen.
Zu den elementaren Bestandteilen des
Analyse- und Gestaltungsprozesses beim
Management von Markenallianzen zählen
die Analyse des eigenen Markensystems, in
das die angestrebte Markenallianz eingebettet werden soll, die Definition der Ziele
der Markenallianz, die Identifikation und
Bewertung möglicher Partnermarken, deren Bindung, die Ausgestaltung der angebotenen Leistung, die Umsetzung der Markenallianz in der Kommunikation sowie die
Sicherung von Steuerung und Kontrolle der
Markenallianz. Hierbei sind Aspekte der
Markt-, Unternehmens- und Kundensicht
zu berücksichtigen (vgl. hierzu ausführlich
Redler, 2002, S. 17 ff).
Im Bezug auf die kommunikative Aus gestaltung der Markenallianz ist die Sicherstellung der Wahrnehmbarkeit der beiden
Marken von zentraler Bedeutung. Partner-
17
Markenallianzen
marken können bei der Kommunikation
der Allianz, bspw. durch die Verpackungsgestaltung, mit unterschiedlicher Dominanz vermittelt werden. Die Markenallianz
kann so gestaltet werden, dass der Konsument die Partnermarke als dominant,
gleich- oder untergeordnet im Vergleich zur
Kooperationsmarke wahrnimmt. Auf diese
Weise kann gemäß den Studienerkenntnissen die Urteilsbildung (als Folgeprozess der
Produktwahrnehmung) gegenüber der
Markenallianz in Richtung einer bestimmten Partnermarke durch die kommunikative Gestaltung beeinflusst werden.
So ist bei der Ausgestaltung der Markenallianz festzulegen, welche der beteiligten Marken im Rahmen der Markenallianz
eine Führungsrolle und welche eine Ergänzungsrolle übernimmt und dies entsprechend wahrnehmbar umzusetzen. In Bezug
auf die Ergebnisse der Kommunikationsstudie könnte man bspw. bei einer Markenallianz zwischen Milka und Kölln, die
zusammen einen Schokoladenmüsliriegel
am Markt anbieten, die Verpackung so gestalten, dass die Marke Milka dominant
kommuniziert wird und man eine lila Verpackung mit dem Milka-typischen Schriftzug wählt. Zusätzlich muss das Kölln-Logo
gut sichtbar auf der Müsliverpackung platziert werden, damit die beiden Partnermar-
Abb. 5
ken auch entsprechend von den Kunden
wahrgenommen werden. Folglich würde
sich die Beurteilung der Markenallianz an
der Einzelmarke Milka orientieren und so
die positiven Assoziationen zu der Marke
Milka auf das Markenallianzprodukt übertragen werden. Dadurch kann eine schnellere Akzeptanz des neuen Produktes erreicht
werden. Oft ist der Einsatz von Schlüsselbildern (Kroeber-Riel/Esch, 2004), die den
visuellen Kern der Positionierungsbotschaft
darstellen, wie bspw. das Bild der lila Kuh
auf der Müsliverpackung, hilfreich. Darüber hinaus ist im Rahmen der Ausgestaltung
der Markenallianz auf die Art der Ver knüpfung des Markennamens zu achten. So
könnte es bei der Einführung des neuen
Schokoladenmüsliriegels von Milka und
Kölln je nach (dominanter) Anordnung der
Markennamen, wie z.B. Milka-Müsliriegel
von Kölln oder Kölln-Müsliriegel von Milka, in der Wahrnehmung der Konsumenten zu unterschiedlichen Einschätzungen
des neuen Produktes kommen (Esch,
2005). Durch die verschiedenen Umsetzungsparameter können die Wahrnehmung, Verarbeitung und Beurteilung der
Markenallianz bei den Konsumenten in hohem Maße gesteuert werden. Zudem sollte
mittels Ex-ante Tests die vorgesehene Umsetzung der Markenallianz in der Kommu-
nikation im Hinblick auf die angestrebten
Allianzziele frühzeitig überprüft werden
(Esch/Redler, 2004, S. 192 f).
5. Fazit
Markenallianzen stellen eine attraktive
Möglichkeit zur Markenkapitalisierung
dar. Als wichtige Erkenntnis für das Management von Markenallianzen ist festzuhalten, dass strategische Entscheidungen darüber, welche Marken wie miteinander verbunden werden, starke Auswirkungen auf
die Urteile der Kunden gegenüber der Markenallianz haben. So kann bspw. durch die
kommunikative Ausgestaltung der Markenallianz in hohem Maße das Urteil der
Konsumenten beeinflusst werden. Die
Kommunikation der Markenallianz wurde
im Rahmen des Beitrags als ein zentraler
Einflussfaktor auf die Richtung des Anchorings bei Markenallianzen untersucht.
Hierbei erfolgte jedoch nur eine eher globale Manipulation der Dominanz der beteiligten Marken in der Kommunikation
der Markenallianz. Für nachfolgende Untersuchungen bietet es sich an, die Bedeutung weiterer sowie stärker differenzierter
Gestaltungsfaktoren zu betrachten. Dazu
gehören insbesondere die Nutzung und das
Zusammenspiel markentypischer Elemen-
Analyse- und Gestaltungsprozess bei der Bildung von Markenallianzen
Quelle: Esch/Redler/Winter, 2005, S. 497
18
transfer
Inserat
„BA-CA“
1/1, 4c
te bei der Gestaltung der Kommunikationspolitik für die Markenallianz, wie
bspw. Produktdesign, Verpackungsgestaltung und Werbung. Im Hinblick auf
die konsumentenbezogenen Wirkungseffekte der verschiedenen Gestaltungsaspekte besteht insgesamt noch erheblicher
Forschungsbedarf (Redler, 2003, S. 207).
Mit Hilfe eines erfolgreichen Managements
von Markenallianzen kann ungenutztes
Markenpotenzial ausgeschöpft werden, da
auch unternehmensfremde Marken für
eigene Zwecke kapitalisiert werden können.
Insbesondere sind für ein erfolgreiches
Management von Markenallianzen eine
Reihe von Besonderheiten und fundierte
Kenntnisse über die Wirkungen von Markenallianzen zu berücksichtigen.
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Fußnoten
1
Begriffe wie u.a. Ingredient Branding, Co-Promotions,
Joint-Ventures oder Mega-Brands werden häufig im
Zusammenhang mit Markenallianzen genannt, sind
jedoch gegen den Markenallianzbegriff abzugrenzen.
Lediglich das Co-Branding wird als Synonym für
Markenallianzen verwendet. Anzumerken ist, dass es
sich beim Ingredient Branding um den vertikalen
Zusammenschluss zweier Marken, wie bspw. Intel
Inside bei IBM-Rechnern, handelt. Ingredrient Brands
werden jedoch im Rahmen des Beitrags nicht näher
betrachtet. Zur ausführlichen Begriffsabgrenzung vgl.
Redler, 2003, S. 11 ff.; Esch, 2005, S. 360 ff.
2
Im Rahmen der Kommunikationsstudie wurden u.a.
Items, wie bspw. orange, lila oder die Welt der Alpen,
eingesetzt, die sich auf die korrekte optische
Wahrnehmung der Verpackungsgestaltung bezogen.
transfer
Inserat
„Wirz“
1/1, 4c
Image von Krankenanstalten
Günter Schweiger, Bernd Fehrenbach
Erfolgsfaktoren für die Belegungsentscheidung in Privatkrankenanstalten
Im Rahmen einer empirischen Studie wurden bei Fachärzten mit bis
zu zehn Jahren Belegungserfahrung die Erfolgsfaktoren von sechs
Privatkrankenanstalten erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass das
Image, die eigenen Erfahrungen und die Empfehlungen der Kollegen
nicht aber die Verdienstmöglichkeiten einen messbaren Einfluss auf
die Belegungsabsicht haben.
n der aktuellen Situation des österreichischen Spitalwesens ergänzt das Leistungsspektrum der Privatkrankenanstalten
(PKA) das öffentliche Gesundheitssystem
immer besser. Ein so genannter Belegarzt
ist dabei ein niedergelassener oder anderer
nicht an der Privatkrankenanstalt angestellter Arzt, dem von einem Krankenhausträger auf vertraglicher Basis Krankenhausbetten (Belegbetten) zur Verfügung gestellt
werden, um Patienten (Belegpatienten) der
eigenen Fachrichtung stationär oder teilstationär zu behandeln (vgl. http://www.
gbebund.de).
Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde
überprüft, welche Faktoren Ärzte dazu
bewegen, die folgenden Privatkrankenanstalten aus dem Raum Wien zu belegen:
I
Abb. 1
22
·
·
·
·
·
·
Wiener Privatklinik
Confraternität
Evangelisches Krankenhaus
Goldenes Kreuz
Privatklinik Döbling
Rudolfinerhaus
In einer Vorstudie wurden fünf Experteninterviews mit langjährigen Ärzten des
Allgemeinen Krankenhauses Wien (AKH)
geführt. Aus den Angaben der Experten
wurde ein Modell für das Belegungsverhalten von Ärzten entwickelt, das folgende Erfolgsfaktoren umfasst (Abbildung 1):
· Eigene Erfahrungen
· Medizinisch-apparative Ausstattung
· Flexibilität der Planung
· Qualität des Pflegepersonals
· Patientenkomfort
· Vertretung bei postoperativen
Komplikationen
· Qualität der Stationsärzte
· Zeitaufwand für die Strecke vom AKH
zur Privatkrankenanstal
· Verdienstmöglichkeiten
· Zeitaufwand für Administration
· Empfehlungen der Kollegen
· Mund-zu-Mund Propaganda
Anschließend wurden 36 Ärzte des Allgemeinen Krankenhauses Wien (AKH), die
ihre Facharztausbildung zwischen 1994
und 2004 abgeschlossen hatten, anhand eines standardisierten Fragebogens befragt.
Die Stichprobe bestand aus 30 Männern
und sechs Frauen mit einem Durchschnitts-
Erfolgsfaktoren für die Belegungsentscheidung in Privatkrankenanstalten
transfer
Abb. 2
Das Image von Privatkrankenanstalten hat den größten Einfluss auf die
Belegungsabsicht
Wichtigkeit der Erfolgsfaktoren
alter von 38 Jahren. Die durchschnittliche
Arbeitszeit am AKH betrug nach eigener
Einschätzung 72 Stunden pro Woche, nur
vier Stunden werden für Privatpatienten in
Privatkrankenanstalten aufgewandt.
Bei der Wichtigkeitsmessung der einzelnen Erfolgsfaktoren konnte festgestellt werden, dass die Ärzte die eigenen Erfahrungen, die medizinisch-apparative Ausstattung und die Flexibilität der Planung am
wichtigsten einschätzen. Die Empfehlungen der Kollegen, das Image der Privatkrankenanstalt und die Mund-zu-Mund
Propaganda wurden als durchschnittlich
wichtig eingeschätzt (Abbildung 2).
Die sechs Privatkrankenanstalten wurden nach diesen Erfolgfaktoren beurteilt
und allen ein generell gutes Zeugnis ausgestellt (Abbildung 3). Die größten Unterschiede in der Beurteilung der einzelnen
Privatkrankenanstalten wurden von den befragten Ärzten im Bereich des Zeitaufwandes für die Strecke vom Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH) zur Privatkrankenanstalt wahrgenommen. Die geringsten
Unterschiede nahmen die Ärzte beim Zeitaufwand für Administration und bei der
Qualität des Pflegepersonals wahr.
Abb. 3
Beurteilung der sechs Privatkliniken
o. Univ. Prof. Dr. Günter
Schweiger, Professor für
Werbewissenschaft und
Marktforschung, Wirtschaftsuniversität Wien.
[email protected]
Mag. Bernd Fehrenbach,
Marketing, Starmühler
Agentur & Verlag, Wien.
bernd.fehrenbach@
starmuehler.at
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Erhebungszeitraum 3/2004 bis 6/2004
Befragung von Fachärzten
n=36
23
Praxis
Erhebungszeitraum 3/2004 bis 6/2004
Befragung von Fachärzten
n=36
Nach Trommsdorff (2003, S. 158) wird
das Image eines Gegenstandes definiert als
„mehrdimensionale und ganzheitliche
Grundlage der Einstellungen einer Zielgruppe zum Gegenstand“. Es besteht aus
mehr oder weniger wertenden Eindrücken
von der Marke, in diesem Fall den Privatkrankenanstalten, die zu einem ganzheitlichen „Bild“ verbunden sind. Images sind
ein zentraler Faktor für das Entscheidungsverhalten, vor allem dort, wo funktional
und technologisch weitgehend homogene
Dienstleistungen angeboten werden. Das
bedeutet, dass Images dann die Grundlage
für subjektive Unterscheidungen und Präferenzbildungen sind, wenn die tatsächlichen Unterschiede der verschiedenen Angebote durch den Kunden bzw. den dazwischen geschalteten Arzt (Belegarzt) nicht
vollständig erfasst werden können (vgl.
Tscheulin/Häberlein 1996, S. 6). Images
sind daher subjektiv, nicht voll bewusst,
nicht nur kognitiv, sondern auch gefühlsmäßig, erlebnisbezogen und wertend (vgl.
Trommsdorff 2003, S. 158f). Sie sind ein
intuitives Vorstellungsbild, das auf Assoziationen und gefühlshaften Anmutungen, sogenannten Konnotationen, beruht (vgl.
Schweiger/Schrattenecker 2001, S. 25).
Image von Krankenanstalten
Tab. 1
Überprüfte Hypothesen
Goldenes Rudolfiner- Wiener
Evang.
Privatklinik
Kreuz
haus
Privatklinik Krankenhaus Döbling
H1: Je positiver die Einstellungen des Arztes zur bzw. die
Erfahrungen mit der Privatkrankenanstalt sind, desto höher
ist die Belegungsabsicht in diese Privatkrankenanstalt.
H2: Je positiver die Empfehlungen der Kollegen für eine
Privatkrankenanstalt, desto höher ist die Belegungsabsicht
in diese Privatkrankenanstalt.
H3: Je geringer die Verdienstmöglichkeit des Arztes in der
Privatkrankenanstalt, desto geringer wird die
Zuweisungsabsicht in diese Privatkrankenanstalt.
H4: Je höher das Image der Privatkrankenanstalt beim
Arzt, desto höher ist die Belegungsabsicht.
X
X
Confraternität
X
X
X
X
X
X
X
X
Privatkrankenanstalten, bei denen sich sowohl durch ordinale Regression, als auch durch
Mann-Whitney-U Test ein signifikanter Einfluss gezeigt hat, sind mit einem x gekennzeichnet
Ein Krankenhaus, das eine Imageveränderung anstrebt, muss laut Kotler und
Bliemel (2001, S. 891) viel Geduld haben.
Ein bereits bestehendes Image ist nicht so
leicht zu verändern, auch wenn sich das
Krankenhaus längst verändert hat. So könnte sich in einer berühmten Privatkrankenanstalt die medizinische Versorgung verschlechtert haben, während sie im Vorstellungsbild der Öffentlichkeit noch immer
Resishohes Ansehen genießt. Diese Image-R
tenz lässt sich damit erklären, dass man dazu neigt, weitere Informationen, die man
über ein Objekt erhält, nur noch dann zu
beachten, wenn sie zum bereits bestehenden Image passen. Es sind sehr starke Gegenreize nötig, ein bereits vorhandenes Image zu verändern.
In der vorliegenden Studie wurde für das
Gesamtimage ein Mittelwert der 12 Beurteilungen für die einzelnen Privatkrankenanstalten ermittelt. Mit Hilfe der ordinalen
Regression wurde der Einfluss des Gesamtimages auf die Belegungspräferenz ermittelt. Die empirischen Daten zeigen, dass das
Gesamtimage für alle Privatkrankenanstalten einen signifikanten Einfluss auf die Belegungspräferenz hat. Für das Rudolfinerhaus, die Wiener Privatklinik und das Evangelische Krankenhaus ist dieser Einfluss
hoch signifikant. Bei der Privatklinik Döbling und die Confraternität gibt es einen signifikanten Einfluss des Gesamtimages und
für das Goldene Kreuz ist er zumindest tendenziell vorhanden.
nen Einstellung bzw. Erfahrungen, der
Empfehlungen der Kollegen, der Verdienstmöglichkeiten und des Gesamtimages auf die Belegungsabsicht untersuchen,
eingegangen (vgl. Behrens/Fehrenbach,
2005 und Tabelle 1).
Hypothese 1 konnte für das Rudolfinerhaus, die Wiener Privatklinik und die Confraternität angenommen werden. Damit
haben in diesen Privatkrankenanstalten die
eigenen Erfahrungen einen signifikanten
positiven Einfluss auf das Belegungsverhalten der Ärzte. Hypothese 2, die den Einfluss von Empfehlungen der Kollegen überprüft, wurde nur für das Rudolfinerhaus bestätigt. Ein Zusammenhang zwischen Verdienstmöglichkeiten und Belegungverhalten konnte in keinem Fall belegt werden
(Hypothese 3). Für Hypothese 4 konnte bei
allen Kliniken ein signifikanter Einfluss des
Gesamtimages auf die Belegungsentscheidung festgestellt werden.
Es ist davon auszugehen, dass bei einer
umfassenderen Studie mit mehr als sechs
Privatkrankenanstalten und einer größeren
Stichprobe die Erfolgsfaktoren noch besser
bestätigt und Unterschiede zwischen den
einzelnen Fachrichtungen der Privatkrankenanstalten noch deutlicher herausgearbeitet werden könnten. Daher wird für
künftige Forschungsarbeiten eine Überprüfung der durch die vorliegende Studie erzielten Ergebnisse anhand einer größeren
Stichprobe vorgeschlagen.
Fazit
Hypothesen
Im Folgenden wird auf vier ausgewählte Hypothesen, die den Einfluss der eige-
24
Es bietet sich für Privatkrankenanstalten
an, ein Profil der eigenen Stärken und
Schwächen, aus Sicht der Belegärzte, zu er-
heben und diese Wahrnehmungen einer
Beurteilung der Erfolgsfaktoren durch das
eigene Management gegenüber zu stellen.
Dabei sollten besonders auf die nach Wichtigkeit gereihten, individuellen Erfolgsfaktoren einer Privatkrankenanstalt in der
Kommunikation durch Homepages, Prospekte, Anzeigen und Journale verstärkt
hingewiesen werden. Die Information der
Belegärzte durch einen Chefarztbrief bietet
sich wegen des relativ wichtigen Erfolgsfaktors „Empfehlungen der Kollegen“ besonders an. Die eigenen Erfahrungen wurden von den Befragten am wichtigsten eingestuft. Deshalb sind Maßnahmen, die es
Ärzten ermöglichen, möglichst früh eigene
Erfahrungen mit der Privatkrankenanstalt
zu sammeln, besonders zu empfehlen.
Literatur
Behrens, K./Fehrenbach, B. (2005): Erfolgsfaktoren
für die Belegungsentscheidung in Privatkrankenhäusern. Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.
http://www.gbebund.de, besucht am 8.3.2006.
Kotler, P./Bliemel, F. (2001): Marketing-Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.
Schweiger, G./Schrattenecker, G. (2001): Werbung.
5. Auflage, Stuttgart: Lucius & Lucius.
Tscheulin D./Häberlein U. (1996): Krankenhausimage
als multivariates Konstrukt - Eine Regressionsanalytische Betrachtung. Freiburger Betriebswirtschaftliche
Diskussionsbeiträge.
Trommsdorff, V. (2003): Konsumentenverhalten. 5.
Auflage, Stuttgart: Kohlhammer.
transfer
Inserat
„Kurier“
1/1, 4c
Sportsponsoring
Leodegar Pruschak
Vom klassischen Sportsponsoring zur
integrierten Kommunikation
Die österreichische Raiffeisen Bankengruppe ist seit mehr als 30 Jahren
erfolgreich im Sportsponsoring tätig. Der Schritt vom klassischen
Sportsponsoring zur integrierten Kommunikation in den vergangenen
sechs Jahren mit Hermann Maier wird in diesem Beitrag dargestellt.
portsponsoring ist die von Unternehmen am häufigsten gewählte Sponsoringform. Es kann Bekanntheit steigern/festigen, ein bestehendes Bild aktualisieren und das Markenimage beeinflussen.
Weiters kann dadurch eine emotionale
Identifikation geschaffen werden, die eine
Plattform der Begegnung bietet. Sportsponsoring kann aber auch Wissen über
Unternehmen/Produkte vermitteln und
verkaufen.
S
Die Sportsponsoring-Philosophie
von Raiffeisen Österreich
Das Raiffeisen Sportsponsoring begann
1970 mit einem kurzzeitigen Sponsoring
der Fußballmannschaft Rapid Wien, gefolgt von einem Sponsoring des späteren
Formel 1-Weltmeisters Niki Lauda. Seit damals bildet Sportsponsoring eine wichtige
Säule im Raiffeisen Kommunikationsmix.
Da die besten Sportler Österreichs auch die
höchste Aufmerksamkeit genießen, wurde
Philosophie
sehr bald auf die Nr. 1-SSportler-P
gesetzt. Diese bedeutet zwar ein höheres Risiko, bietet aber mit Abstand die größten
Erfolgschancen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Niki Lauda, Gerhard Berger, Thomas Muster und Hermann Maier,
die alle in ihrer Vertragszeit mit Raiffeisen
nicht nur große Erfolge feierten, sondern
auch schwere Unfälle hatten, und ihre Ausnahmestellung durch unglaubliche Comebacks noch verstärkten.
Raiffeisen konzentriert sich auf einige
wenige Sportarten mit Quoten- und Wirkungsgarantie. Es werden Synergieeffekte
auf Bundes-, Landes- und Ortsebene genutzt, die der dreistufige Aufbau der Raiffeisen Bankengruppe mit sich bringt. Auf
26
die Stimmigkeit zur Marke „Raiffeisen“ mit
den Werten Glaubwürdigkeit, positives
Imageprofil und Vorbildwirkung wird bei
der Auswahl der Sportarten geachtet. Besonderer Wert wird auf Kontinuität und
Partnerschaft im Sinne eines Aufbaus persönlicher Beziehungen zwischen den Sponsoringpartnern, die über eine formale
Zweckgemeinschaft hinausgeht, gelegt.
Im Bereich Sportsponsoring konzentriert sich Raiffeisen bundesweit auf den
Spitzensport und die populärsten Sportarten, auf regionaler und lokaler Ebene werden darüber hinaus verschiedenste Sportarten unterstützt. Dabei wird vor allem dem
Breiten- und Jugendsport Raum eingeräumt. Damit können junge Talente vom
Beginn ihrer Karriere an von Raiffeisen auf
ihrem Weg zur Spitze begleitet werden.
Die Sponsoringentscheidung für
Hermann Maier
Die Auswahl potentieller Sponsoringpartner basiert auf einer laufenden Beobachtung von Sportarten und SportlerInnen und der Einschätzung von Potenzialen
(regelmäßige Untersuchungen zeigen das
Interesse der österreichischen Bevölkerung
an gewissen Sportarten: Skifahren, Fußball,
Formel 1 und Schwimmen auf den Rängen1 bis 4). Talent, Persönlichkeit, Charisma und Medientauglichkeit können so
frühzeitig erkannt und genutzt werden.
Weitere wichtige Punkte bei der Auswahl
sind die Markenstimmigkeit (natürlich, regional verankert, zielstrebig, glaubwürdig)
und das Nr. 1-Potenzial.
Nach seinem Jahrhundertsturz bei den
Olympischen Winterspielen in Nagano von
1998 und dem Gewinn von zwei Gold-
medaillen einige Tage später, kristallisierte
sich heraus, dass Hermann Maier auch die
Jahrzehnte lange Durststrecke des österreichischen Herren Skiteams durch den Gewinn des Gesamtweltcups beenden könnte.
Noch nie zuvor konnte sich ein Sportler so
schnell in den Köpfen und Herzen der
Österreicher und Österreicherinnen verankern. Hermann Maier war in kürzester Zeit
der Sportler mit den höchsten Werten bei
Bekanntheit, Sympathie und Medienpräsenz, sowie der größten Vorbildwirkung für
die Jugend.
Von Einzelmaßnahmen zum integrierten Gesamtkonzept
In den ersten beiden Jahren der Zusammenarbeit zwischen Raiffeisen und Hermann Maier wurde klassisches Sportsponsoring betrieben. Dabei wurden die im Rahmen des Vertrags eingeräumten Möglichkeiten ausgeschöpft. Es gab Logowerbung
auf Helm und Kappe, den Helm im Raiffeisen-CD (der „gelbe Helm“ wurde zum Erfolgssymbol), Events für Top-Kunden,
Mitarbeiter und Medien, klassische Werbung mit Hermann Maier als Skifahrer
(Plakate/Inserate), Promotions, sowie Gewinnspiele und Merchandising.
Die nach zwei Jahren der Zusammenarbeit gezogene Bilanz übertraf alle Erwartungen. Zu den beiden Goldmedaillen bei
Dr. Leodegar Pruschak,
Marketingdirektor und Geschäftsführer der Zentralen
Raiffeisenwerbung, Wien.
Zusammenfassung seines
Vortrags an der WU Wien.
[email protected]
transfer
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Abb. 1
Fortführung der integrierten Kommunikation
Praxis
den Olympischen Winterspielen waren
zwei Weltmeistertitel sowie zwei Weltcupgesamtsiege mit Punkterekord gekommen.
Die Medienbilanz des Skiwinters 1999/
2000 ergab 78 Stunden TV-Präsenz, 150
Millionen TV-Kontakte sowie knapp 500
Printberichte mit Foto. Hermann Maier
war der gefragteste Interview-Partner und
der mit Abstand populärste Österreicher.
Der Medienhype um Hermann Maier
und seine Popularität, Ausstrahlung und
Medientalent veranlassten Raiffeisen neue
Wege zu beschreiten. Gemeinsam mit der
Werbeagentur Ogilvy wurde ein völlig
neuartiges, eigenständiges Werbekonzept
entwickelt. Hermann Maier wird nicht als
Ski-Rennläufer, sondern als Privatperson in
verschiedenen Lebenssituationen (z.B. als
Taxi-Fahrgast, Pensionist, Barbesucher)
dargestellt. Dabei wirbt er nicht vordergründig für Bankprodukte. Die Werbespots zeigen Raiffeisen als lebensbegleitenden Bankpartner für Wohnen, Vorsorge,
Zahlungsverkehr etc. Die Kampagnen
überzeugten durch Witz, Charme und einen Schuss Selbstironie und erzielten auf
Anhieb große Aufmerksamkeit und hohen
Markenimpact. Bereits die ersten Posttestergebnisse zeigten, dass sich die Marken
Hermann Maier und Raiffeisen gegenseitig
stärkten. Die Kommunikationsmaßnahmen standen nun nicht mehr alleine für
sich, sondern bildeten ein geschlossenes
Ganzes, vom TV-Spot über Großflächenund Schaufensterplakaten bis zum Inserat,
Direct Mail und Internetauftritt.
Integrierte Kommunikation bedeutet
gesamthafte, vernetzte Kommunikation,
wobei ein Thema über alle Kommunikationsinstrumente transportiert wird. Dabei
soll eine inhaltliche, zeitliche und visuell
einheitliche Form gewahrt bleiben. Je breiter das Medium, z.B. TV, umso mehr steht
die Emotion im Mittelpunkt. Je näher das
Medium am Kunden ist, desto mehr dominiert die Information/Ratio. Das synergetische Zusammenspiel von Medien und
einheitlicher Botschaft verstärkt die Erinnerungsleistung und führt zu einem effizienteren Budgetmitteleinsatz.
Der schwere Mororradunfall von Hermann Maier im August 2001 war eine echte Bewährungsprobe für die Raiffeisen Philosophie der Partnerschaft in guten und
schlechten Zeiten. Eine bereits fertig gestellte Kampagne für den Herbst wurde
kurzfristig abgesetzt und einige Wochen
später ein sehr emotionaler „GenesungsTV-Spot“ ausgestrahlt. Trotz unsicherer
sportlicher Zukunft wurde der Vertrag mit
Hermann Maier im Herbst 2002 um weitere zwei Jahre verlängert.
Das fulminante Comeback im Jänner
2003 (Sieg in Kitzbühel) sowie der Gesamtweltcupsieg 2003/2004 bestätigte einmal mehr die Richtigkeit von partnerschaftlichem Verhalten im Sponsoring. Das
Konzept der integrierten Kommunikation
wurde mit neuen, unverwechselbaren,
durchgängigen Kampagnen fortgesetzt (Abbildung 1) und erzielt bis heute exzellente
Image- und Werbewirkungsergebnisse.
Erfolgsbilanz
Neben der einzigartigen und unvergleichlichen sportlichen Bilanz (Doppelolympiasieger, dreifacher Weltmeister, vierfacher
Gesamtweltcupsieger, 10-facher Disziplinen-Weltcupsieger, Siege in über 50 Weltcuprennen, viermal österreichischer Sportler des Jahres, Welt-Wintersportler und
Welt-Comebacksportler) fällt auch die
kommunikative Bilanz sensationell aus.
Raiffeisen hat heute die besten Image- und
Werbewerte aller Zeiten, die Werbeerinnerung konnte von 1998 bis 2005 um 37%,
die Sympathiewerte um 22% gesteigert
werden.
Raiffeisen hat laut einer Untersuchung von
Fessel-GfK den höchsten Markenwert aller
österreichischen Banken. Die TV-Spots
und Plakate bringen bei allen Posttests immer höchste Wiedererkennungswerte. Laut
dem jährlich durchgeführten OGMKommunikationsbarometer liegt Raiffeisen bei der Werbeerinnerung in allen klas-
sischen Medien klar vor den Mitbewerbern. Mit 43 % befindet sich der Sportwerbeerinnerungswert von Raiffeisen auf einem bis dato unerreichten Höchststand.
Die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung
in den vergangenen zehn Jahren zeigt, dass
das Beibehalten des Nr. 1-Sportlerprinzips
(seit 2004 ist auch Markus Rogan dabei)
und die Umsetzung in Form der integrierten Kommunikation echte Erfolgsrezepte
sind. Eine aktuelle Studie über Werbung
mit Prominenten der Interconnection
Group weist Hermann Maier nicht nur als
prominentesten Österreicher aus, sondern
auch als Prominenten mit der größten Werbekraft.
Das wahr gewordene Märchen vom Maurer, der zum Ski-Superstar und Top-Werbestar wurde, hat Hermann Maier natürlich in erster Linie seinen sportlichen Leistungen und seiner enormen Willenskraft
bei der Überwindung von Schicksalsschlägen zu verdanken, aber auch seinem Partner Raiffeisen, der in allen diesen Jahren zu
ihm stand und mit ihm ein maßgeschneidertes und glaubwürdiges Kommunikationskonzept entwickelt und umgesetzt hat.
Das Erfolgsmodell Raiffeisen - Hermann
Maier lässt sich natürlich nicht 1:1 übertragen oder einfach kopieren. Es gibt aber
bestimmte Prinzipien, mit denen sich der
Erfolg in der Kommunikation leichter erarbeiten lässt: Eine eigenständige Kommunikationsstrategie mit integriertem Ansatz
und eine konsequente, glaubwürdige und
kontinuierliche Umsetzung.
27
Länderimages
Anje Reindl, Günter Schweiger
Stabilität und Kontinuität von Länderimages dargestellt anhand einer
Studie aus Indonesien
Trotz der großen geografischen Distanz Indonesiens zu Österreich und
des sehr unterschiedlichen Kulturkreises ist Österreichs Image in
Indonesien gleich dem Image in vielen anderen Ländern der Welt. Die
multimodale Imagemessung bestätigt erneut das stabile österreichische
„Weltimage“ als Land der klassischen Musik, der Kunst und Kultur
sowie des Brauchtums und der Tradition. Auf diesen Imagestärken können Marketingstrategien im Tourismusbereich sowie in der Exportwerbung aufgebaut werden.
änderimagestudien des Instituts für
Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien zum Fremdbild Österreich erstrecken
sich über einen Zeitraum von 20 Jahren.
Die meisten Studien wurden in den Jahren
1984 bis 1991 durchgeführt. Im Jahr 2002
folgte eine Länderimagestudie in Australien und 2004 in Indonesien. Es wurde somit in insgesamt 33 Ländern der Welt das
Image Österreichs untersucht. Die Ergebnisse aus den 80er Jahren wurden im Buch
„Österreichs Image in der Welt“ (Schweiger, 1992) zusammengefasst.
Kühn (1993, S. 119) bezeichnet ein Länderimage als „das subjektive, mehrdimensionale Bild einer Person von den wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Eigenheiten eines geographischen Gebietes, seiner Menschen und Organisationen“.
Dieser Beitrag unterstreicht die Stabilität und Kontinuität von Länderimages anhand der Ergebnisse der neuesten Länderimagestudie aus Indonesien und präsentiert
die Verwendungsmöglichkeiten der Kenntnisse über das Österreich Image im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz für
L
28
die Export- und Tourismuswerbung Österreichs.
Erhebungsanlage
Im Zuge der Forschungsreihe „Österreichs Image in der Welt“ wurde 2004 das
Image Österreichs im Vergleich mit
Deutschland und der Schweiz in Indonesien untersucht. Im Frühjahr 2004 wurden
113 IndonesierInnen aus der mittleren und
oberen Berufs- und Bildungselite in Kooperation mit der University of Gadjah Mada Yogyakarta, an der die Autorin ein Auslandssemester verbrachte, zum Image
Österreichs befragt. Die nicht repräsentative Stichprobe aus indonesischen StaatsbürgerInnen bestand aus 48% Frauen und 52%
Männern. Die Befragten waren im Alter
zwischen 20 und 69 Jahren und gehörten
unter anderem den Berufssegmenten Wirtschaft (45%), Ausbildung und Erziehungswesen (20%), Politik/öffentlicher Dienst
(12%) und Medien (6%) an. Die ca. 20
minütigen „face-to-face“-Interviews wurden von indonesischen InterviewerInnen in
der Hauptstadt Jakarta und in der Kulturund Studentenstadt Yogyakarta durchge-
führt. 17% der befragten IndonesierInnen
haben Österreich oder Europa schon einmal besucht und 83% waren noch nie in
Europa.
Indonesien besteht aus über 13.000 Inseln, die sich auf einer Länger von ungefähr
5.100 Kilometern beidseits des Äquators erstrecken. Die 215 Millionen Einwohner des
Landes sind zum Großteil Moslems (87%),
wobei es schätzungsweise 350 eigenständige ethnische Gruppen, jede mit eigener
Sprache und Kultur, gibt. Die indonesische
Wirtschaft zeichnet sich durch ein steigenMag. Anje Reindl,
Absolventin des Instituts für
Werbewissenschaft und
Marktforschung, Wirtschaftsuniverstität Wien.
[email protected]
o. Univ. Prof. Dr. Günter
Schweiger, Professor für
Werbewissenschaft und
Marktforschung, Wirtschaftsuniversität Wien.
[email protected]
transfer
Abb. 1
Imagebilder zugeordnet auf die drei Vergleichsländer Österreich,
Deutschland und die Schweiz
Österreich
Brauchtum und Tradition (Trachtenmusiker 59%, Ötztaler Trachten 56%) stehen,
überdurchschnittlich stark Österreich zugeordnet. Welche dieser und ähnlicher Bilder für bestimmte österreichische Unternehmen in der Exportwerbung geignet
sind, wird bei Schweiger et al. (1995, S.
125ff) ausführlich erläutert.
Soziale Repräsentationen
des Wirtschaftswachstum in den letzen Jahren aus (2003: +4,1%, 2004: +5,1%). 2004
betrug das BIP pro Kopf US Dollar 1.015,-.
Österreich hat 2004 mit Indonesien ein
Außenhandelsdefizit (Importe: 151,6 Mio.
Euro, Exporte: 108,0 Mio. Euro). Die
wichtigsten österreichischen Exportwaren
sind elektrische Ausrüstung, organische
Chemikalien und Pharmazeutika, Waren
aus Papier, Maschinen und Messgeräte
(AWO-Wirtschaftsprofil Indonesien,
2005).
Ergebnisse der verbalen und nonverbalen Imagemessung
Mittels verbaler und nonverbaler Imamultimodale Imagemessung)
gemessung (m
wurde in Anlehnung an die vorangegangenen Länderstudien das Image Österreichs
in Indonesien ermittelt. Die Art der Befragung war vergleichbar mit den Erhebungen
der 80er Jahre und jener in Australien 2004.
Die verwendeten Wort- und Bildreize waren jeweils mit mindestens einer der vorangegangen Imagestudien vergleichbar. Den
Befragten wurden Bildreize einzeln vorgelegt, beziehungsweise Wortreize von den
InterviewerInnen vorgelesen. Anschließend
sollten die Interviewten diese auf eines der
drei Vergleichsländer Österreich, Deutschland oder Schweiz zuordnen.
In Indonesien, sowie in allen anderen
Ländern der Welt, steht Österreich für
großartige Kompositionen und Aufführungen klassischer Musik. Es gilt als Land der
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Schweiz
Kunst und hochkarätigen Kultur. ÖsterreicherInnen gelten als musikalisch begabte
Menschen, die ihr Brauchtum pflegen. Das
Bild von Österreich als Land der Tradition
und Kleidertrachten ist tief verankert und
prägt Österreichs Weltimage auch in Indonesien. Gleich den vorhergegangenen Studien in anderen Ländern gilt Deutschland
in Indonesien als modernes Land mit Wirtschaftskompetenz und intelligenten Einwohnern. Die Schweiz ist in Indonesien das
Land des Winterports mit verschneiten
Berggipfeln und alpinen Landschaften. So
manchem Österreicher mag dieses Ergebnis
überraschen, ist doch im Selbstbild der
Österreicher unser eigenes Heimatland das
Land des Wintersports, der Berge und des
Schnees schlechthin.
In Abbildung 1 sind einige Bildreize dargestellt, mit deren Hilfe das Image der drei
Vergleichsländer Österreich, Deutschland
und der Schweiz erhoben wurde. Obwohl
es sich bei all diesen Bildern, um Fotos aus
Österreich handelt, wurden diese von den
Auskunftspersonen in Indonesien unterschiedlich stark auf die drei Länder zugeordnet. So ordneten die indonesischen Auskunftspersonen beispielsweise die Bilder
Blauwal (Grazer Kunsthaus) zu 71% und
das Museumsquartier zu 66% auf Deutschland zu. Der Großglockner wurde zu 76%
der Schweiz zugeschrieben, das Bild der
Schifahrer auf der Buckelpiste sogar zu
83%. Dafür wurden Fotos, die für Musik
(Ballnacht 62%, Musikverein 61%), Kunst
und Kultur (Theaterloge 67%) sowie
29
Praxis
Deutschland
Soziale Repräsentationen sind konventionelle Begriffe oder Bilder, die Menschen
mit bestimmten Tatsachen oder Situationen assoziieren, um ihnen eine Bedeutung
zu geben. Jede soziale Repräsentation entspricht einer Übereinkunft und ordnet einer Bedeutung ein Bild zu (Moscovici,
1984). Wie bei der Studie in Australien
2002 (Puaschunder, 2003) wurden in der
Studie in Indonesien die Befragten mit dem
Stimuluswort „Österreich“ konfrontiert
und gebeten, dazu frei zu assoziieren. Die
genannten freien Assoziationen wurden von
den InterviewerInnen aufgeschrieben. Bei
der darauf aufbauend durchgeführten so gePeripherie-A
Analyse spiegeln
nannten Kern-P
sich die Imagestärken Österreichs, wie Musik, Kunst, Kultur, Tradition und Brauchtum bei den sozialen Repräsentationen
deutlich wider.1
Die Kern-Peripherie-Analyse (siehe Tabelle 1) stellt eine ergänzende Methode zur
Darstellung von sozialen Repräsentationen
dar.2 Sie ermöglicht die Lokalisierung der
freien Assoziationen in einem Kern oder an
der Peripherie. Die freien Assoziationen
werden nach der Reihenfolge der Nennungen im Wortfluss aufgeschrieben. Es wird
zuerst die Anzahl der Gesamtnennungen einer freien Assoziation mittels so genannter
Pivot Tabelle ermittelt. Aufgrund der
Rangfolge und Häufigkeit der jeweiligen
Assoziation wird der totale Rang berechnet.
Die Stelle im Fluss der Nennungen der Befragten legt den Rang fest. Ein niedriger
Rang bedeutet, dass die Assoziation sehr
früh im Wortfluss genannt wurde. Die ausgewählte Assoziation wird anhand des
durchschnittlichen Ranges und der durchschnittlichen Häufigkeit entweder dem
Kern oder der Peripherie zugeteilt. Die im
Kern befindlichen Assoziationen erweisen
sich als zeitlich stabil, jene, die sich in der
Peripherie befinden, verändern sich im Laufe der Zeit oder verschwinden ganz (Penz
1996, S. 45).
Die Methode der sozialen Repräsentationen ist wissenschaftlich jedoch kritisch
Länderimages
Tab. 1
Kern-Peripherie der sozialen Repräsentationen zu Österreich
(122 Assoziationen) aus der Sicht von IndonesierInnen 2004
Hohe Häufigkeit (> 5,29)
Niedriger
Rang
(< 1,46)
Niedrige Häufigkeit (< 5,29)
KERN
PERIPHERIE 1.1
Sound of Music (n=11, mittlerer
Rang=1,27)
kalt (9/1,22)
kenne Österreich nicht (7/1,00)
Kultur (6/1,00)
kleines Land (5/1,00)
Int. Atomic Energy Agency (3/1,33)
sicheres Land (3/1,00)
Käse (2/1,00)
historisch (2/1,00)
PERIPHERIE 1.2
Mozart (5/2,40)
schön (6/1,50)
Schnee (4/2,25)
Wien (3/1,67)
entwickeltes Land (2/1,00)
PERIPHERIE 2
Hoher
Rang
(> 1,46)
schöne Aussicht (6/2,50)
Klassische Musik (9/1,67)
Musik (9/1,67)
Kern: Assoziationen, die am häufigsten und sehr früh genannt wurden
Peripherie 1.1: Assoziationen, die früh und selten genannt wurden
Peripherie 1.2: Assoziationen, die spät, jedoch häufig genannt wurden
Peripherie 2: Assoziationen, die spät und selten genannt wurden
Quelle: Reindl, 2005, S. 57
zu betrachten (Moscivici, 1995 und Meier,
2000 zitiert nach Puaschunder, 2003, S.
115), weil soziale Repräsentationen aufgrund ihres zeitlichen Charakters Momentaufnahmen darstellen und als zeitlich
beschränkt gelten, da sich die Meinung von
Personen über andere Personen und Objekte durch neue Informationen über diese
ändern kann. „Nach Beendigung der Datensammlung entwickeln sich soziale Repräsentationen durch Kommunikation
weiter, wobei Unklarheit über deren Bedeutung entsteht“ (Puaschunder, 2003, S.
116).
Trotz aller Kritik an der Methode der sozialen Repräsentationen bezüglich ihrer
zeitlichen Begrenztheit, wurden in der aktuellsten Studie aus Indonesien die von
Schweiger (1988, S. 20) ermittelten zentralen Dimensionen des Österreichimages den
Ergebnissen der Kern-Peripherie-Analyse
gegenübergestellt (siehe Tabelle 2). Es ist
bemerkenswert, dass nicht nur jene freien
Assoziationen der Kern-Peripherie-Analyse, welche sich im Kern, sondern auch jene,
welche sich in der Peripherie befinden, mit
den in früheren Studien verwendeten Imagedimensionen konform gehen. Das schon
von Schweiger (1988) beschriebene Weltimage Österreichs als Land der Komposition und Aufführung klassischer Musik, unverwechselbarer Kunst und Kultur sowie
der Tradition und des Brauchtums konnte
somit einmal mehr bestätigt werden.
Die psychologische Auseinandersetzung
30
mit dem Länderimage mittels sozialen Repräsentationen bei weiteren Länderimagestudien in Kombination mit der herkömmlichen Methode der Länderimageforschung ist zu befürworten. Gleichzeitig
ist jedoch die Forderung von Kirchler und
DeRosa (2001) nach einer Weiterentwicklung der Technik und Datenverarbeitung
bei sozialen Repräsentatiostechniken zu
berücksichtigen.
Wirtschaftliche Relevanz für
Österreich
Bei den Tourismuseinnahmen liegt
Österreich international im Spitzenfeld, bei
den Pro-Kopf-Einnahmen ist man mit Euro 1.533,- pro Einwohner 2004 „Weltmeister“ (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung WIFO). Sie stellen somit
eine volkswirtschaftliche Haupteinnahmequelle dar. Die Erkenntnisse dieser Studie
können dazu beitragen, das Urlaubsland
Österreich auf dem indonesischen Markt
mit Hilfe österreichischer Imagestärken zu
positionieren. Dies gilt auch für andere asiatische Hoffnungsmärkte Österreichs.
Reisen, Urlaub machen und mobil sein
haben in der stetig und schnell ansteigenden indonesischen Mittelschicht einen hohen Stellenwert. Das geringe durchschnittliche BIP pro Kopf könnte aufgrund der
ständig sinkenden Inflationsrate und der im
Aufwärtstrend befindlichen Wirtschaftsla-
Tab. 2 Gegenüberstellung der sozialen Repräsentationen der Kern-Peripherie-
Analyse und der Imagedimensionen (vgl. Schweiger 1988, S. 20)
IMAGEDIMENSIONEN
nach Schweiger
SOZIALE REPRÄSENTATION
Österreichs in Indonesien 2004
Musik
Sound of Music
klassische Musik
Musik
Mozart
Kultur und Tradition
Kultur
Geschichte und Bauwerke
historisch
Wien
kalt
Land und Leute
kleines Land
schön
Tourismus
Schnee
schöne Aussicht
Wirtschaft/Produktkompetenz
Käse
entwickeltes Land
Politik
Inter. Atomic Energy Agency (IAEA)
sicheres Land
kenne Österreich nicht
Kern
Peripherie 1.1
Peripherie 1.2
Peripherie 2
transfer
„Gewista“
1/1, 4c
Länderimages
Abb. 2
Vergleich des spontanen Bekanntheitsgrades berühmter Österreicher
bei den Studien in Indonesien, Australien und China
Schwankungsbreite: +/- 10%
ge bald deutlich steigen. Es erhöht sich somit für IndonesierInnen die Möglichkeit
für Auslandsaufenthalte und der/die indonesische DurchschnittsbürgerIn könnte
sich somit folglich in Zukunft auch eine
Reise in ein weiter entferntes Land leisten.
Europäische Länder, die diesen Hoffnungsmarkt zuerst entdecken, haben
größere Chancen.
Bei der Studie in Indonesien wurde bei
den freien Assoziationen der Film „Sound
of Music“ mit Abstand am häufigsten genannt. Ein ähnliches Ergebnis gab es bei der
Studie 2002 in Australien (vgl. Puaschunder, 2003). Die Trapp-Familie wäre als Ausgangspunkt für Werbe- und Marketingzwecke für das Urlaubsland Österreich
denkbar, da die singende Familie sehr bekannt und vor allem sehr positiv besetzt ist.
Eine weitere Persönlichkeit, die sich für
den Einsatz in der Tourismus- sowie in der
Exportwerbung anbietet, ist Wolfgang
Amadeus Mozart. Er ist in der Berufs- und
Bildungselite Indonesiens, Australiens und
auch Chinas sehr bekannt und wurde sowohl spontan in den Studien in Indonesien und Australien innerhalb der freien Assoziationen zum Stimuluswort „Österreich“, sowie bei der Frage nach berühmten
österreichischen Persönlichkeiten mit einer
Häufigkeit zwischen 20 und 50% spontan
genannt. Abbildung 2 zeigt, wie oft einige
Persönlichkeiten in den drei Länderimagestudien in Indonesien, Australien und
China (vgl. Piplics, 1991, S. 64) genannt
32
wurden. Die Auswahl dieser Vergleichsländer ergab sich einerseits aus der Aktualität
der Studien und andererseits der geografischen Nähe. Beim Vergleich dieser drei Studien wird deutlich, dass sich der spontane
Bekanntheitsgrad berühmter Österreicher
im Ausland gleichzeitig mit der aktuellen
Situation in Österreich oder besonderen
Ereignissen im Ausland verändert. Arnold
Schwarzenegger wurde in der China-Studie
1991 noch überhaupt nicht mit Österreich
in Verbindung gebracht, 2002 in Australien rangierte er schon an zweiter Stelle der
Nennungen (knapp 24%) und in Indonesien 2004, wahrscheinlich aufgrund seiner
Vereidigung zum Gouverneur Kaliforniens
am 17.11.2003, steht er mit fast 25% an erster Stelle bei den spontanen Nennungen
berühmter Österreicher.
Bei berühmten Persönlichkeiten als
Werbeträger für Österreich ist folglich auf
zeitliche Begebenheiten und andere Restriktionen, Arnold Schwarzenegger hat
sich verbeten, als Werbeträger für Österreich zu fungieren, zu achten. Für andere
berühmte österreichische Persönlichkeiten
wie z.B. unser Musikgenie Wolfgang Amadeus Mozart, gibt es keine zeitlich begrenzte Vorgabe.
Exportwerbung
Unternehmen können versuchen, ihre
Produkte über das Landesimage gegenüber
ihren Konkurrenzprodukten zu differenzie-
ren. Das Image eines Landes ist „Kapital für
seine Exportwirtschaft und kann im Rahmen von Imagetransferstrategien für die
Vermarktung von Produkten, insbesondere im Ausland, genutzt werden“ (Schweiger/Schrattenecker, 2005, S. 98). Kenntnisse der Imagestärken eines Landes ermöglichen Marketingexperten einen
Transfer auf nationale Erzeugnisse. Besitzt
das Herstellerland ein positives Images,
überträgt sich dieses auf das Produktimage,
die Produkt- und Qualitätswahrnehmung
sowie die Einstellung zum Produkt und
Country-oof-O
Origin Effekt).
umgekehrt (C
Aus Sicht des Konsumenten beinhaltet
ein Landesimage sowohl eine subjektbezogene wie auch eine objekt- oder umweltbezogene Funktion. Die subjektbezogene
Funktion hilft dem Konsumenten, seine
Umwelt zu strukturieren. Er führt somit eine bestimmte „Vorselektion“ durch. Der
Konsument findet sich aufgrund der Informationsüberlastung in der heutigen Mediengesellschaft damit besser zurecht und
verwendet ein bestimmtes Landesimage zur
Generalisierung und Vereinfachung seiner
Entscheidungs- und Bewertungsprozesse.
Er verallgemeinert seine Vorstellungen über
typische Eigenschaften der Produkte eines
bestimmten Herkunftslandes. Der Konsument überträgt also in seinem Kopf die generelle Vorstellung von einem Land auf bestimmte Produkte aus diesem Land.
Ein Landesimage hat für den Konsumenten eine zweite wichtige Bedeutung.
Mit Hilfe der objekt- oder umweltbezogenen Funktion demonstriert der Konsument
eine bestimmte Werthaltung. Durch den
Kauf oder Besitz eines Produktes mit einem
bestimmten Landesimage, stellt er sich
selbst dar oder vermittelt ein Bild gegenüber seiner Umwelt. Eine weitere objektive
Funktion des Länderimages für den Konsumenten stellt die emotionale Bedürfnisbefriedigung dar. Besitzt ein Konsument
die ausgeprägte Neigung zu symbolischem
Konsum aufgrund seiner Rollenunsicherheit innerhalb der Gesellschaft, kann er einerseits eine Marke wählen, die auch viele
andere verwenden, er kann aber beispielsweise auch versuchen, durch den Kauf von
Produkten aus bestimmten Herkunftsländern seine Unsicherheit zu verringern und
somit sein Selbstimage positiv zu unterstützen.
Durch die Bezugnahme auf ein positives
Landesimage in der Werbung versucht der
Unternehmer, das Vertrauen der Konsumenten zu seinem Produkt zu stärken. Ge-
transfer
lingt es dem Unternehmer, die Bekanntheit
seines Produktes zu steigern, und ein positives Produktimage mit Hilfe eines positiven Landesimages zu kreieren, stellt dies eine weitere positive Funktion von Länderimage aus Sicht des Unternehmers dar. Vermarktet ein Unternehmer ein Produkt
mittels Länderimages schafft er dadurch eine psychologische Markttransparenz. Der
Konsument glaubt, den Markt des Produktes zu kennen, weil er anhand des Landesimages seine Umwelt strukturiert, um
seine Entscheidungs- und Bewertungsprozesse zu vereinfachen (Möller, 1997, S.
34ff).
Die Lage für österreichische Exporte
nach Indonesien ist aufgrund der großen
Konkurrenz aus China, Taiwan und Korea
schwierig. Den Preiskampf gegenüber den
Billiganbietern können österreichische Produzenten niemals gewinnen. Ein großer
Vorteil ihrer Produkte ist jedoch deren
österreichische Herkunft. Das positive
Österreich-Image bietet vor allem Kleinund Mittelbetrieben, die auf die Vermarktung von Qualitätsprodukten Wert legen,
einen Startvorteil für den Erfolg am indonesischen Markt. Durch österreichtypische
Exportwerbung, qualitativ hochwertige Exportprodukte und exzellentes Auslandsmarketing kann ein positiver Country-ofOrigin Effekt für österreichische Produkte,
Marken und Dienstleistungen aufgebaut
werden.
Die Form des symbolischen Beweises
von Klassen- und Gruppenzugehörigkeit
scheint in der indonesischen Mittelschicht
durch die Entmonopolisierung symbolischer Hierarchien und Interpretationsmuster von Status und Prestige notwendig geworden zu sein. Traditionelle Werte und
Hierarchien, sowie kulturelle Elemente verlieren langsam an Bedeutung und werden
zum Großteil durch moderne, westliche
Symbole ersetzt. Die Mittelschicht Indonesiens wächst außerdem sehr schnell und stetig an (Busch/Stankovsky, 1992, S. 85). In
Indonesien kann man Menschen beobachten, wie sie z.B. bei Mc Donalds oder Pizza
Hut an allgemein sichtbaren Plätzen sitzen,
während sie ein Cola oder einen Hamburger konsumieren. Verlassen sie anschließend das Fast Food Lokal tun sie dies mit
der leeren Hamburgerschachtel in der
Hand, so dass jeder sehen kann, wo sie zu
Mittag oder Abend gegessen haben. Außerdem wird in Wohnzimmern deutlich sichtbar gemacht, dass man es sich leisten kann,
zu reisen, Urlaub zu machen, mobil zu sein
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
- Werte, die mit Mittelschichtaktivitäten assoziiert werden. Hierzu werden z.B.
Kuckucksuhren aus Deutschland aufgehängt, selbst von denjenigen, die Indonesien nie verlassen haben (Evers/Solvay, 1999,
S. 13ff).
Fazit
Die Frage, ob Österreich ein "Weltimage" besitzt wird durch die Ergebnisse der
Studie in Indonesien aufs Neue positiv beantwortet. Obwohl über zehn Jahre zwischen den vorangegangenen Studien aus
den 80er Jahren und den aktuellsten Studien aus 2002 und 2004 liegen, lässt sich eine hohe Stabilität und Kontiuität der Ergebnisse aller Länderstudien feststellen. Die
Tatsache, dass die derzeitigen Hauptexportprodukte Österreichs nach Indonesien
elektronische Maschinen, organische Chemikalien, Sondermaschinen und Messgeräte sind, stimmt positiv, wenn man bedenkt,
dass man „einem Land, das für Spitzenleistungen der klassischen Musik und der Kultur bekannt ist, […] auch Spitzenleistungen auf anderen Gebieten, so z.B. auf dem
Gebiet der Technik und im Dienstleistungsbereich“ (Schweiger, 1992, S. 299)
zutraut. Die Brücke von Hochkultur zu
High-Tech ist eine viel versprechende Möglichkeit, die österreichischen Exporte zu erhöhen. Dabei sind natürlich die von Kurz
(1994, S. 324ff) angeführten Bedingungen
für Exportwerbung wie Produktinvolvement, Zielgruppe, Dosierung der Werbung
und Affinität zwischen dem Österreichimage und dem Produkt zu beachten.
Literatur
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Bush, G./Stankovsky, J. (1992): Indonesia - An
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the Austrian Institute of Economic Research (WIFO),
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Währungsumstellung - Bedrohung der österreichischen
Identität? unveröffentlichte Dissertation an der
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Möller, T. (1997): Landesimage und Kaufentscheidung. Wiesbaden: DUV.
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Wien: Norka Verlag.
Schweiger G./Schrattenecker G. (2005): Werbung.
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Fußnoten
1
Der Einsatz von sozialen Repräsentationstechniken in
der Länderimageforschung steckt noch in den Kinderschuhen und wurde erstmals 2002 in der Studie in
Australien eingesetzt. Trotz aller Kritik gilt der Ansatz
als interessant und viel versprechend (vgl. Kirchler/
Schweiger/Puaschunder, 2004).
2
Die Kern-Peripherie-Analyse bietet jedoch keine statistischen Tests zur Signifikanzprüfung.
33
Komunikationsstrategie
Alice Nilsson
Integrierte Kommunikationsstrategie:
Vom Briefing zum Erfolg
FCB Kobza, eine der Top 3 Werbeagenturen in Österreich, verwendet
ein sechsstufiges Strategiemodell zur erfolgreichen Planung und
Durchführung von Werbekampagnen. Dabei wird nicht nur der Klient
selbst, sondern besonders auch seine Kunden und Mitbewerber unter
die Lupe genommen, um einen Ausgangspunkt für die kreative
Umsetzung der kommunikativen Strategie zu finden. Die Anwendung
dieser Methodik wird anhand des Fallbeispiels Allianz praktisch
dargestellt.
n der österreichischen Werbeagentur
FCB Kobza werden sechs Schritte gegangen, um für die Kunden eine maßgeschneiderte Kommunikationslösung zu
präsentieren. Nicht alle dieser Punkte müssen in der Realität immer starr eingehalten
werden, sondern das Konzept dient lediglich als Leitlinie zur Erstellung eines erfolgreichen Werbekonzepts (Abbildung 1).
I
Abb. 1
Step 1: Immersion
Zuerst wird versucht, Einflussfaktoren
und Rahmenkriterien für eine Kampagne
abzuklären. Dabei werden Vergangenheit
der Marke („Was ist bisher mit der Marke
passiert?“), Gegenwart („Was wird derzeit
gemacht?“) und Zukunft („Wo soll es hingehen?“) beleuchtet. Die Wissensgenerie-
rung basiert auf einem breiten Lernen
durch Analysen von Einflussfaktoren auf
Markenarchitektur und Markenwert, bisherige Marktforschungsergebnisse und
Imageanalysen, Beleuchtung der Konsument-Marke-Beziehung mit Hilfe von
Brand Equity Studies, Konkurrenzanalysen, Store-Checks oder Trendanalysen. Dabei können durchaus schon erste hypothetische Lösungsansätze gewonnen werden.
Step 2: Insight
Sechs strategische Schritte zur erfolgreichen Markenführung
Schritt zwei des Modells beschäftigt sich
mit der Aufdeckung von Imagedefiziten
und Potenzialen zur Produkt-, Markt- und
Unternehmensentwicklung. Es soll festgestellt werden, in welchen Bereichen die
Konkurrenz innovativer ist und wo es
Trendsetter in der Branche gibt. Dies ist
Ausgangspunkt für die Markenstrategie. Im
Unterschied zu Schritt eins, wird hier kein
Rückblick versucht, sondern In-sights liefern einen Blick voraus. Einsicht wird auf
Modell) erlangt: beim
drei Ebenen (33 C-M
Mag. Alice Nilsson,
Strategic Planning, FCB
Kobza, Wien. Zusammenfassung ihres Vortrags an
der WU Wien.
[email protected]
34
transfer
Step 3: Relational Branding
Danach wird versucht, den Markenkern
zu erarbeiten, Markenarchitektur und -strategie festzulegen und mittels einer Markenwelt eine Kommunikationsplattform aufzubauen. Um die Essenzen der Marke fassbar zu machen, werden Markenkernfaktoren ermittelt. Diese können auf rationaler
(messbare Produkt- oder Serviceeigenschaften), emotionaler (Image, Persönlichkeit)
und relationaler Ebene, die die Verbindung
vom Konsumenten zur Marke bestimmt,
gesammelt werden. Um die Marke von der
Konkurrenz abzuheben, wird die Positionierung der Marke festgelegt. Daraus wird
ein Brand Manifesto erarbeitet, das die Seele der Marke widerspiegelt.
sentiell für die effiziente Nutzung des Werbebudgets, da nur durch ein gutes Briefing
die nachfolgende Arbeit auf ein stabiles
Fundament gestellt wird. Konkret werden
die grundlegenden Aussagen des Briefings
in einem kurzen Formular, dem Brief, festgehalten. Schlüsselpunkte dafür sind eine
klare Problem-, Ziel- und Zielgruppendefinition. Es wird die Proposition vorgegeben,
der Reason why definiert und die Tonalität
abgeklärt. Das Briefing ist somit das
Sprungbrett für die Kreation. Dazu gehören
mit Kunde und Agentur immer zwei aktive Partner, so muss dem Kundenbriefing
immer auch ein Rebriefing der Agentur folgen. Anschließend findet auf Basis eines
Creative-Brief Formulars ein CreativeBriefing statt, an dem ein ausgewählter
Personenkreis (meist die Heads of Creation) teilnimmt.
Ansatzpunkte für ein gutes Briefing sind
vor allem Klarheit und Fokus auf die Kernprobleme und relevanten Informationen.
Daher sollte auf eine einfache Sprache ohne Fachtermini geachtet werden. Ein effizientes Briefing zeichnet sich aber auch durch
Stimulation und eine gewisse Portion Mut,
im Sinne der Bereitschaft zum Opfern, aus.
Step 5: The Creative Idea:
Execution & Integration
Im nächsten Arbeitsschritt geht es um
die Durchführung und Integration der im
Briefing festgelegten Richtlinien. Dabei
werden interne und externe Maßnahmen
(Werbung, Direktmarketing, Onlinepräsenz etc.) strategiekonform umgesetzt.
Step 6: Model of One
Der abschließende Schritt des Konzepts
hat den optimalen Einsatz der unterschiedlichen Kommunikationsformen zum Ziel.
Je nach Werbeziel und Kampagnengestaltung kann dies im Fall der Werbeagentur
FCB Kobza durch die inhabergeführte FullService Kreativ-Agentur oder eine der Spezialagenturen für Direct und Interactive
Marketing (FCBi), Veranstaltungsmarketing und PR (FCB Events & PR) und Handelsmarketing (FCB Retail) erfolgen.
Client Insight konnte festgestellt werden,
dass die Allianz eine Top drei Marktposition, verbunden mit einer sehr hohen Markenbekanntheit aufweist. Man vertraut der
Marke Allianz, sie bietet mit Vorsorge- und
Vermögensdienstleistungen aber mehr als
nur eine einfache Versicherung. Ein Blick
auf die Konkurrenz zeigte, dass es sich hierbei um eine sehr komplexe Branche mit vielen Mitbewerbern handelt. In ihrer Kommunikation zeigen die Mitbewerber besonders die Ängste und Sorgen der Konsumenten auf. Einen weißen Fleck auf der
Landkarte stellen daher die Träume und Visionen der Konsumenten dar. Aus diesem
Grund sollte sich die Allianz in der Kommunikation auf die Bedürfnisse ihrer Kunden fokussieren. Aus Sicht der Zielgruppe
wird klar, dass den Konsumenten zwar vor
allem die zukünftige wirtschaftliche und finanzielle Lage ein wenig Kopfzerbrechen
bereitet, sie aber genauso viele Pläne für die
Zukunft haben. Sie suchen also einen Partner, der ihnen hilft, ihre Wünsche zu realisieren. Aus dem Schnittpunkt dieser drei Insights ergibt sich der strategische Ansatz:
„Mach’ deine Träume wahr“. Die Allianz
soll also von der Trust zur Love Brand transformiert werden. Sie soll der Partner sein,
der dem Konsumenten all seine Wünsche
und Träume ermöglicht. Kreativ wurde dieses Konzept mit Betonung auf die Dinge
umgesetzt, die man im Leben gerne noch
realisieren würde: Träume, Wünsche,
Hoffnungen, Pläne, Chancen. Die Tonalität der Kampagne sollte dabei emotionalisierend aber auch kompetent sein. Der
Slogan "Weil ich noch viel vorhab" wird seit
2001 bis in die aktuelle "All in One" Kampagne verwendet (Abbildung 2).
Abb. 2
„All in One“ Kampagne Allianz
Fallbeispiel: Allianz Versicherung
Step 4: Briefs & Briefing
Ziel des vierten Schrittes ist die Auswahl
und Ausarbeitung der Markenstrategie und
ein effektives Briefing. Dieser Punkt ist es-
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Die Allianz trat mit der Aufgabenstellung einer Erweiterung vom reinen Versicherungs- zum modernen Finanzdienstleister an die FCB Kobza heran. Mit Hilfe der
35
Praxis
Kunden (client), der Konkurrenz (competitor) und den Konsumenten (customer).
Ausgesprochen wichtig für den Erfolg einer Werbekampagne ist das Wissen über
das Selbstbild des Kunden und seine Ziele.
Es ist relevant, wo der Kunde derzeit steht
und wo er mit Hilfe der Kampagne hin will,
also die Visionen des Kunden.
Weiters muss auch die Branche des Kunden durchleuchtet werden, um eventuelle
Trends vorhersagen und der Konkurrenz so
zuvorkommen zu können. Es soll festgestellt werden, was den Kunden von seinen
Mitbewerbern unterscheidet. Hier soll also
herausgefunden werden, ob es weiße
Flecken auf der Landkarte gibt, die der Kunde besetzen kann oder ob sich ein Trend abzeichnet, der genutzt werden soll.
Das Customer Insight ist der Schlüssel,
um Motivation und Verhalten der Ziel gruppe in Bezug auf die Marke zu erkennen
und zu erklären. Es geht hier also nicht um
das Produkt selbst, sondern um den Menschen, der es verwendet und seine Beweggründe dafür. Es wird die Beziehung des
Konsumenten zur Marke beleuchtet, um
ein Gefühl für die Personen, die angesprochen werden sollen, zu erhalten und zu erfahren, was für sie relevant ist.
Der Schnittpunkt dieser drei Insights ist
Ausgangspunkt für die Marken- und Kommunikationsstrategie. Er wird als strategischer Satz an die Kreativen weitergeleitet,
die diesen in eine Kampagne umwandeln.
50 Jahre Werbung
Hans Schmid, Alexander Lonyay
50 Jahre Werbung - ein Rückblick aus der
Sicht eines Wegbereiters!
Ausschnitte aus einem Interview mit Dkfm. Hans Schmid und Alexander
Lonyay. Das Interview für transfer - Werbeforschung & Praxis führte
ao.Univ.Prof.Dr. Wolfgang Mayerhofer vom Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung der Wirtschaftsuniversität Wien.
transfer: In den letzten Jahren beherrschen
die Schlagwörter Globalisierung und Inter nationalisierung auch die Kommunikationslandschaft. Wie sehr hat sich die Agenturlandschaft in den 50 Jahren verändert?
Hat sich durch internationale Netzwerke
auch die Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Kunden gewandelt?
Schmid: Die Internationalisierung hat sicher drastische Veränderungen mit sich gebracht. Früher gab es traditionelle lokale
Agenturen mit Persönlichkeiten an der
Spitze, wie z.B. die Kommerzialräte Strass,
Prosquill oder Weinberger: Das waren
Werbeherren, die vor allem in der Kammer
verankert waren. Auf der anderen Seite waren Freunde als Werbeleiter bei großen Firmen zentrale Personen, die für die gesamte
Kommunikation, und auch für PR, verantwortlich waren. Werbeleiter waren mächtige Herren und wurden auch entsprechend
von Agenturen und von Verlagen hofiert,
weil sie damals noch ziemlich frei und ohne Mediaplanung entscheiden konnten, wo
die Gelder hinkommen. Das war ein geschützter Markt. Nicht nur für die Werbung. Es gab entsprechend wenig Wettbewerb, und die Entscheidungsfindungen waren nicht immer professionell und sachbezogen. Viel geschah über Beziehungen. Das
waren Netzwerke, von gegenseitigem Nutzen dominiert. Es war schwer, ins Geschäft
zu kommen und starre Strukturen aufzubrechen. Mautner-Markhof z.B. war ein
großes Handelshaus. Fast alle Produkte dieses Unternehmens wurden von der hauseigenen Werbeagentur Hager betreut.
Lonyay: Ein anderes Beispiel war die Lintas.
Schmid: Richtig. Unilever war Eigentümer der Lintas. Aber Ende der 60er Jahre
kam es dann zu einer spürbaren Bewegung.
36
Agenturen wie Demner, Wirz, Sieber, Puttner und die GGK begannen die Landschaft
zu verändern, indem sie die Qualität der
Werbung veränderten. Es waren die lokalen Agenturen, die frischen Wind in die
österreichische Werbelandschaft der 60er
und 70er Jahre brachten. Österreich war
überhaupt lange Jahre ein Bollwerk gegen
die Internationalisierung. In Deutschland
war von den ersten zehn Agenturen eine einzige in deutschem Eigentum. Dabei hätten
die Deutschen ja eine große, exportfähige
Industrie und große Marken wie z.B. Mercedes, BMW, VW, Siemens gehabt. Es wäre ein Leichtes gewesen, durch die Exporte
auch die Agenturen international groß zu
machen. Wie es die Amerikaner, die Franzosen und die Engländer auch gezeigt haben. Wir Österreicher hatten da international kaum Chancen, weil es fast keine exportfähigen Etats gab.
Lonyay: … im Prinzip nur die Fremdenverkehrswerbung ...
Schmid: ... die Amerikaner gingen mit
ihren Kunden in die ganze Welt. Z.B. Coca Cola, Esso, Ford oder General Motors.
Transfer: Globalisierung der Agenturlandschaft ist die eine Seite, aber besteht
durch die Internationalisierung nicht auch
die Chance für kleine Agenturen, sich auf
Bereiche wie Events, Product Placement
oder Sponsoring zu spezialisieren? Und
birgt das für die Markenführung, also den
einheitlichen Auftritt von Marken, auch
Gefahren?
Schmid: Events, Product Placement und
Sponsoring sind jene kleinen Etats, die den
nationalen Gesellschaften als Spielwiese
rückgelassen waren. Der Rest wird international vergeben.
Lonyay: Ich habe eine sehr nüchterne
Meinung dazu. Ich glaube, dass sich diese
Nischenpositionierung im Dienstleistungsgeschäft und Beratungsgeschäft in Österreich außer in seltenen Ausnahmefällen und
durch Selbstausbeutung der Eigentümer
kaum wirklich tragen. Die Agenturen, die
sich spitz positioniert haben, und denen es
halbwegs gut geht, verwenden das als Marketinginstrument, um sich selbst zu positionieren, machen in Wirklichkeit aber
auch alles.
Schmid: Es ist jener Teil des Marketingetats in einem internationalen Unternehmen, der ein bisschen Spielraum lässt, Aufträge zu vergeben, ohne an bestimmte
Agenturen gebunden zu sein.
Lonyay: Das gilt nicht für PR. Es gibt
Agenturen, die sich auf PR spezialisiert haben und davon auch gut leben können. Aber
die anderen Spezialbereiche, die sie genannt
haben, von Event bis zu diesen ganzen Internetblasen, die mittlerweile geplatzt
sind…
Schmid: Event ist ein Problem. Auch wir
hatten eine eigene Eventagentur. Von Februar bis April könnte man 20 Mitarbeiter
beschäftigen und dann wieder September
und Oktober - dazwischen ist tote Hose.
Lonyay: Das war zu einem Zeitpunkt interessant, als es die vielen Börsengänge gab.
Mit dem Wegfall dieser Veranstaltungen
gibt es z.B. die Präsentation der Palmers
Frühjahrsmode und Herbstmode und das
ist es schon.
transfer: Hat diese Entwicklung von der
klassischen Werbung zu Below the line-Aktivitäten auch Konsequenzen für die Markenführung? Ich denke an die Forderung
nach Stilkonstanz im Erscheinungsbild von
Marken. Sie selbst haben ja mit Palmers und
Römerquelle erfolgreich auf Kontinuität
gesetzt. Heute habe ich den Eindruck, dass
immer mehr kurzfristige Aktivitäten gesetzt
transfer
mit dem Umstand, dass auch immer mehr
Unternehmer börsennotiert sind, kommt es
nicht mehr darauf an, was man heuer für
ein Ergebnis macht, sondern was man in
diesem Halbjahr, in diesem Quartal für ein
Ergebnis macht. Das ist nicht nur eine Veränderung des Charakters der handelnden
Personen. Die Leute haben teilweise auch
nicht mehr die Chance, längerfristige Strategien zu fahren, weil sie unter Umständen
nicht mehr dort sitzen, um das durchtragen
zu können. Und umgekehrt: jemand, der
etwas schnell hin- und herbewegt weiß,
selbst wenn das unter Umständen eine kurzsichtige Strategie ist, in zwei Jahren wird das
der Nachfolger seines Nachfolgers zu
spüren bekommen, aber er nicht mehr.
transfer: Ich kann mich an eine legendäre
Diskussion mit unseren StudentInnen in
einem Seminar an der Wirtschaftsuniversität erinnern, in der Direktor Wandl von
der Römerquelle und Sie selbst gesagt haben, dass Sie sich wechselseitig einbremsen,
wenn der eine sagt: „Jetzt machen wir endlich einmal etwas Neues …!“
Schmid: Da kommt ein neuer Kreativer
oder ein neuer Berater und die haben die logische Tendenz, alles neu machen zu wollen. Wir haben hier in der GGK immer eine klare Grundhaltung gehabt. Wenn wir
etwas schon 15 Jahre sehr erfolgreich machen, dann wollen wir den eingeschlagenen
Weg, solange sich der Markt nicht
grundsätzlich ändert, nicht verlassen. Wenn
der Kunde etwas anderes will, dann muss er
es mit einer anderen Agentur machen.
transfer: Im Moment heißt es in den Medien, dass sich Palmers mit dem Gedanken
Hans Schmid (mi.) und Alexander Lonyay (re.) im Gespräch mit Wolfgang Mayerhofer
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
trägt, von der Farbe grün wegzugehen. Wie
schwierig ist die Gratwanderung zwischen
Stilkonstanz im Erscheinungsbild und Aktualisierung der Marke?
Schmid: Ein gutes Beispiel ist für mich
Audi. Der Audi-Erfolg basiert darauf, dass
nicht nur ein perfektes Produkt gemacht
wird, es gibt auch eine ganz konsequente
Designpolitik. Die Audis haben eine ganz
klare optische Handschrift. Die Marke hat
sich profiliert: gute Qualität, gute Technik
und dazu gute Kampagnen! Mir ist in bleibender Erinnerung: Als wir Palmers gewonnen haben, haben wir das Logo immer
sehr klein präsentiert. Walter Palmers, ein
sehr kultivierter, lieber Herr, hat mit mir
gesprochen und wollte ein größeres Logo ich habe das kleine Logo verteidigt. Dann
ist er gegangen und mit zwei Poststücken zurückgekommen. Auf einem Brief
war als Anschrift nur das charakteristische Palmers P und „Österreich“ und auf
dem zweiten Kuvert das Palmers P und
„Europe“. Beide Poststücke sind angekommen und er hat nur gesagt: „Sehen Sie,
die Kraft des Logos!“ Ich habe es verstanden.
transfer: Sie haben mir jetzt das Stichwort
für das nächste Thema geliefert. Es gibt ja
immer wieder Diskussion, ob Marktforschung Kreativität killt oder einen Beitrag
zur effizienten Gestaltung der Werbung leisten kann. Welche Einstellung haben sie zur
Werbewirkungsforschung? Haben sie positive oder negative Erfahrungen in ihrer bisherigen Karriere gehabt?
Lonyay: Ich glaube, das ist eine Frage, wie
intelligent und professionell man sich derartiger Instrumente bedient. Der größte
Fehler besteht darin, zuwenig Geld dafür
auszugeben. D.h. man verwendet die einfachsten und ungenauesten Instrumente,
man stützt sich auf irgendwelche Focusgruppen, die willkürlich zusammengesetzt
werden und dann meistens auch verzerrte
Ergebnisse liefern. Wenn die Teilnehmer
nicht sehr gut ausgesucht und geführt werden, ist die Gefahr groß, dass sich einzelne
Leute durchsetzen und einfach die gesamte
Gruppe dominieren. Was oft zum schlechten Ruf der Marktforschung beigetragen
hat, ist der Missbrauch der Ergebnisse als
Rechtfertigung für eigene Entscheidungen.
Wenn jemand eine Studie hat machen lassen und das Product Management dann
entscheidet, kann ihm keiner mehr etwas
vorhalten. Hat er das nicht getan, und hat
er auf Grund seiner eigenen Beurteilung eine Entscheidung getroffen, dann hat er ein
37
Praxis
werden. Ist das eine Entwicklung, die von
der Agenturseite kommt oder von der Auftraggeberseite? Oder ist das eine Zeiterscheinung? Gibt es diese Stilkonstanz überhaupt noch?
Schmid: Ich glaube, das hat mit der Entwicklung der letzten Jahre zu tun, mit der
allgemeinen Unsicherheit der Leute. Es
wird erstens keine Verantwortung mehr
übernommen, und zweitens herrscht eine
unglaublich hohe Fluktuation sowohl auf
der Kundenseite als auch auf der Agenturseite. Es ist niemand mehr hier, der wirklich als Mensch für die Entscheidung geradesteht. Das waren früher starke Unternehmerpersönlichkeiten: Leute, die für die
Führung von Marken Verantwortung übernommen haben. Entweder auf der Kundenseite oder sehr oft auf der Agenturseite.
Heute sieht man überall Leute kommen
und gehen. So hat niemand eine wahre Verantwortung mehr, auch nicht für die Marke. Jeder sucht die Gunst der Stunde und
den Erfolg des Augenblicks. Solche Leute
sitzen auch im Topmanagement - jeder versucht nur, sich selbst zu schützen, nach dem
Motto: „Mir darf nichts passieren, der Marke schon eher!“ Keiner sagt es so deutlich,
aber das ist die Konsequenz: Ich schütze
mich selbst und nicht mehr die Marke.
Früher haben die Leute die Marke geschützt
und sie in die Auslage gestellt: Sie sind damit untergegangen oder berühmt worden.
Das ist sehr pointiert gesagt, aber es ist so.
Lonyay: Denken und Handeln sind kurzfristiger geworden, und das sickert von oben
nach unten durch. Mit dem verstärkten Reporting, mit der Veröffentlichungspflicht,
50 Jahre Werbung
Abb. 1
Römerquelle Anzeige
größeres Risiko. Ich glaube, dass die Leute
in der Regel mit diesen Instrumenten nicht
umgehen können. Wenn man Marktforschung professionell einsetzt und bereit ist,
mehr Geld dafür auszugeben, stellen die Resultate eine wichtige Entscheidungsgrundlage dar.
Schmid: Das ist auch eine Frage des Selbstbewusstseins. Wenn man ein Gefühl für
Werbung hat, wenn man glaubt zu wissen,
dorthin muss es gehen, wenn man überzeugt ist davon, so rede ich mit den Menschen (und ich sage bewusst: reden) und sie
verstehen mich, dann hab ich die Werbung
auch so eingesetzt. Wir haben nicht gesagt,
wir entwickeln zehn Schlagzeilen und werfen sie in einen Test und die beste wird es
dann. Wir haben gesagt, diesen Slogan wollen wir und wollen wissen, ob er richtig verstanden wird.
Lonyay: Das fällt genau in die Kategorie
professionelle Nutzung des Instruments.
Marktforschung ist in der Regel konservativ, d.h. Leute können neue Dinge nicht antizipieren. Auch der Effekt von Wiederholungen und dem sich Entwickeln einer
Kampagne ist sehr schwer simulierbar.
Wenn sie heute zehn Leuten auf einem
weißen Karton das Sätzchen „Servus die
Wadln!“ vorlegen und fragen, ob das eine
geniale Idee ist, werden natürlich die meisten sagen, ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Und wahrscheinlich wissen es die
Leute jetzt auch nicht, aber viele finden es
offensichtlich lustig. Wenn ich einen englischen Slogan habe und möchte wissen, wie
viel Prozent der österreichischen Bevölkerung werden diese Worte verstehen kön-
38
nen, kann ich das testen. Ich glaube, das ist
auch einer dieser Punkte, in denen Auftraggeber falsche Erwartungen an die
Marktforschung haben, oder es ihnen teilweise sogar egal ist, sie wollen einfach nur
testen.
Schmid: Der größte Auftraggeber der
Marktforschung ist die Firma Angst und
Bang. Es war auch bei einigen unseren Kunden üblich, dass Marktforschung zur eigenen Absicherung verwendet wurde. Bei internationalen Konzernen hat der eingeflogene Vicepresident als erstes gefragt: „Und
was sagt dazu die Marktforschung?“ Wenn
sie dann keine vorweisen konnten, waren
sie um einen Kopf kürzer. Ich habe den
Kunden gesagt: „Wenn Sie das wirklich testen wollen, dann müssen Sie mehr ausgeben. Billiger ist methodisch nicht in Ordnung, das Ergebnis unhaltbar und auch unbrauchbar. Und sind Sie auch bereit, die
Konsequenzen zu ziehen? Sind Sie z.B. bereit, auf Basis der Testergebnisse das Produkt einzustellen oder die Werbung zu ändern?“ Meist war die Antwort ein klares
„Nein“. Also wozu?
Lonyay: Wir haben dieses Prinzip aber
manchmal auch selbst benutzt, als die lokalen Entscheider noch mehr Spielraum
hatten. Wir haben gesagt, wir können euch
beweisen, dass die internationale Kampagne überall, auf allen Ländern dieser Erde
funktioniert, aber sicher nicht in Österreich.
Abb. 2
transfer: Der letzte Punkt betrifft die Gestaltung der Werbung. Gibt es so etwas wie
Meilensteine der Werbung, gib es Kampagnen in den letzten 50 Jahre, von denen Sie
sagen, das war damals wirklich bahnbrechend, das gehört auch heute noch in ein
Lehrbuch hinein, und wie wird sich die
Werbelandschaft in Zukunft verändern?
Schmid: Eine Vielzahl der erfolgreichen
Kampagnen von damals wäre heute nicht
mehr zu machen, weil auf beiden Seiten die
Menschen fehlen, sich diese Kampagne auszudenken und durchzustehen. Es fehlt heute vielfach die Courage. Zu den Meilensteinen zählen die schon erwähnten Kampagnen für Palmers und Römerquelle aber
z.B. auch die Werbung für die Austria Versicherung mit dem Slogan „Wir zahlen gerne!“. Oder die Kodak Ektra Kampagne mit
dem Slogan: „Die Kamera mit dem Griff,
der stützt wie ein Stativ, und der schützt wie
ein Etui!“ Mit dieser Kampagne hätte man
heute keine Chance, sie verstößt 1000%ig
gegen alle Guidelines: Sie macht das Produkt lächerlich, der Presenter macht sich
lächerlich, usw. Oder nehmen Sie Almdudler. Die Konkurrenten kommen und
gehen, Almdudler bleibt bei einem konsequent hohen Marktanteil. Die max mobil
Kampagne - der Name max hätte wahrscheinlich keinen Test überstanden, aber
Dipl.-Ing. Hansjörg Tengg hat das damals
Kraft seiner Persönlichkeit durchgesetzt dabei stand der Name Ö-Call schon fest.
Kodak Ektra Kampagne
Quelle: Sammlungen der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt Wien XIV
transfer
Oder Red Bull. Ohne die Konsequenz von
Didi Mateschitz undenkbar.
Lonyay: Letztlich ist die Werbung der
Schwanz, mit dem der Hund wedelt, d.h.
die Situation der Werbelandschaft ist eine
Konsequenz der Veränderungen im Wirtschaftsleben. Der klassische österreichische
Unternehmer existiert nicht mehr. Dazu
kommt, dass durch die große Macht des
Handels die Werbung für die großen Marken der Fast Moving Consumer Goods von
früher heute verkümmert. Colgate hatte eine tolle Kampagne oder Signal mit dem Slogan: „Die roten Streifen, die Sie sehen, enthalten Hexachlorophen!“ Auch Kodak ist
heute in Österreich fast nicht mehr präsent.
Nicht zu vergessen ist auch die Internationalisierung im Medienbereich. Österreich
ist ein kleiner Markt, der an einem zehn Mal
so großen gleichsprachigen Markt anhängt.
Unter Gerd Bacher hat es im ORF einen
Erlass geben, dass deutsche Spots synchronisiert werden müssen - heute völlig absurd.
Schmid: Dasselbe gilt auch für Filmproduktionen - auch hier gab es Verlagerungen
weg aus Österreich.
Lonyay: Signal Zahncreme war damals in
Deutschland ein Kosmetikprodukt und im
Vergleich zu Österreich preislich anders positioniert und auch in unterschiedlichen
Gebindegrößen am Markt - heute undenk-
bar. Diese großen Strukturveränderungen
in der Wirtschaft sind auch der Grund, weshalb es heute auch in der Werbung anders
zugeht und weniger psychologische Aspekte oder sonstige Gründe zählen.
transfer: Wagen wir einen abschließenden
Blick in die Zukunft. Die Zeit ist schnelllebiger geworden, die Produktlebenszyklen
werden kürzer, Produkte und Marken haben weniger Zeit, sich am Markt zu behaupten, die Anzahl der Medien steigt.
Welche Veränderungen kommen auf die
Werbung zu?
Schmid: Die Geschwindigkeit ist sicher
eine große Herausforderung für zahlreiche
Unternehmen. Marken in so kurzer Zeit in
den Markt zu setzen war - nicht zuletzt
durch die Inflexibilität der Medien - früher
nicht möglich.
Lonyay: Beim ORF mussten Kontingente früh gebucht werden und gebettelt werden, wenn man z.B. zwei zusätzliche Spots
brauchte.
Schmid: Von vielen Firmen wird dies auch
bewusst praktiziert - man nutzt eine Modewelle aus, springt auf und lässt dann die
Marke auslaufen.
Lonyay: Man darf aber nicht außer Acht
lassen, dass das ganze Umfeld in den letzten 20-30 Jahren doch deutlich professioneller geworden ist. Die Ausbildung ist bes-
ser geworden - im Marketing, in den Agenturen, die Techniken sind professioneller
geworden. Diese Gleichrichtung, die es bei
Produkten, in der Werbung und bei den
Medien gibt, ist natürlich wieder eine
Chance für Leute, die außerhalb des
Systems agierten, die individuell agieren.
Ein Newcomer hat natürlich bessere Chancen wahrgenommen zu werden, wenn er
außerhalb der Masse agiert.
Schmid: Ich bin auch ein großer Optimist.
Ich glaube, dass es zu einer Trendkorrektur
kommen wird. Dass man sich wieder besinnen wird, dass man manchmal den kleinen Markt Österreich anders als einen
großen Markt behandeln muss. Man wird
den lokalen Organisationen wieder mehr
Verantwortung übertragen, es werden sich
dadurch wieder mehr Persönlichkeiten entwickeln, die zu ihren Entscheidungen stehen und dadurch auch mehr Größe und Erfolg haben, da sie am besten über den lokalen Markt Bescheid wissen. Es werden
Agenturen entstehen mit lokalen und regionalen Kunden, die großartige Arbeit leisten und Erfolg haben. Diese Entwicklung
wird sich nicht nur auf Agenturen sondern
auf den ganzen Dienstleistungsbereich beziehen.
transfer: Meine Herren, ich danke Ihnen
recht herzlich für das Gespräch!
Inserat DUV
1/3, 4c
Pharma Marketing
Robin Rumler
2006 - Change Management im
Pharma Marketing
Österreich steht heute an hervorragender 12. Stelle im Ranking der
durchschnittlichen Lebenserwartung. Innovative Medikamente und somit
die Pharma-Industrie tragen zu diesem erfreulichen Faktum entscheidend bei. Das Werbeverbot für rezeptpflichtige Medikamente an den
Laien hat das Pharma Marketing lange Zeit vor allem auf den Arzt konzentriert. Heute rückt der Patient mehr und mehr in den Mittelpunkt.
Das Pharma Marketing trägt diesem Trend Rechnung.
ie durchschnittliche Lebenserwartung
steigt in unserem Land jährlich um etwa drei Monate (!) an. Ein heute in
Österreich Geborener, darf sich auf 76,4
Lebensjahre freuen, eine Österreicherin sogar auf 82,1. Die Statistik Austria zeigt aber
noch mehr Erfreuliches: Zählt man heute
60 Lenze, so liegen noch 21 Jahre vor „ihm“
und sogar 25 vor „ihr“ (Tabelle 1).
Im Durchschnitt liegt Österreich mit 79
Jahren außerhalb der Liste der Top Ten
Länder mit der höchsten Lebenserwartung,
die von Japan (82 Jahre), Island (81 Jahre)
und Schweden (81 Jahre) angeführt wird.
Damit liegt die Lebenserwartung in Österreich gleich auf mit jener in Deutschland
und noch vor den Vereinigten Staaten von
Amerika (78 Jahre), wo pro Kopf doppelt
D
Tab. 1
soviel für Medizin ausgegeben wird, wie in
Österreich. Schlusslichter sind afrikanische
Staaten, wie Botswana, Lesotho und Swasiland, wo große medizinische Unterversorgung vorherrscht, mit nur 35 Jahren durchschnittliche Lebenserwartung (World Population Data Sheet 2004).
Wir alle wünschen uns ein gesundes, langes Leben, die Voraussetzungen dazu sind
gegeben: Wir leben in einem hoch entwickelten Land, unsere medizinische Versorgung ist auf Top-Niveau und wir können auf modernste Medikation zugreifen.
Österreichs Krankenversicherungen haben
im Jahr 2004 insgesamt 11,5 Milliarden Euro ausgegeben, wobei der Großteil davon
auf Anstaltspflege (3,2 Mrd.), ärztliche Hilfe (2,9 Mrd.) und Medikamente (2,4 Mrd.)
Lebenserwartung in Österreich
1961 1971 1981 1991 2001 2002 2003 2004
Männer
im Alter von 0 Jahren (bei der Geburt) 66,5 66,6 69,3 72,3 75,6 75,8 76,0 76,4
im Alter von 15 Jahren
54,7 54,3 55,7 58,1 61,2 61,3 61,5 61,9
im Alter von 60 Jahren
15,5 15,2 16,4 17,9 20,2 20,2 20,2 20,7
Frauen
im Alter von 0 Jahren (bei der Geburt) 72,8 73,7 76,4 79,0 81,6 81,7 81,6 82,1
im Alter von 15 Jahren
60,5 60,8 62,5 64,7 67,1 67,1 67,1 67,6
im Alter von 60 Jahren
19,0 19,0 20,4 22,2 24,2 24,2 24,1 24,6
Quelle: Statistik Austria 2005
40
entfällt (Abbildung 1). Im Vergleich zu den
112 Milliarden Euro, die 2004 für den
Straßenbau ausgeben wurden, scheint hier
allerdings noch ein Steigerungspotential
möglich.
Und trotzdem - vieles könnte noch besser sein: Der Arzt hat immer weniger Zeit
für den Patienten und der Patient hat oft
(zu) viele Fragen zu seiner Behandlung, die
in der kurzen Konsultation meist unbeantwortet bleiben. Dafür gibt es verschiedene
Gründe:
· Die Medizin ist komplexer und viel
spezialisierter geworden.
· Der Arzt sitzt immer mehr am
Schreibtisch und vor dem Computer,
statt sich in dieser Zeit mit dem
Patienten zu beschäftigen.
· Medizinisches Infotainment boomt,
der interessierte Laie wird dadurch fordernder. Es können aber auch Missverständnisse entstehen.
· Die durchschnittliche Einnahme von
lebenslang-notwendigen Medikamenten (z.B nach Schlaganfall oder
Herzinfarkt) liegt oft nur bei knapp
über 6 Monaten.
Dr. Robin Rumler, Marketing
Director Pfizer Austria und
Präsident PMCA (Pharma
Marketing Club Austria).
Zusammenfassung seines
Vortrags an der WU Wien.
[email protected]
transfer
Abb. 1
Ausgaben der österreichischen Krankenversicherungen 2004
konferenz gestartet. Die nachfolgende PR
war groß: 39 Mio Medienkontakte. Die einzelnen Stopps wurden regional durch Inserate und Flugblätter beworben. In jedem
Ort kamen bis zu 300 Menschen und wollten mehr über Demenz, Alzheimer, Früherkennung und die Behandlungsmöglichkeiten wissen (Abbildung 2).
Aufgrund der enormen Nachfrage fand
auch 2004 und 2005 eine Tour statt; 2006
gibt es die vierte Auflage. 2004 wurde der
Memory Bus mit dem Österreichischen
Staatspreis für PR ausgezeichnet.
· Das Werbeverbot für rezeptpflichtige
Medikamente verstärkt diese Trends.
Die Pharmaindustrie passt sich den
Bedürfnissen des Marktes an
Galt bis vor kurzem die Devise: „Alles
für den Arzt“, so versucht man heute den
Patienten optimal zu informieren und ihn
über neue Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Rechtzeitig werden Patienten- und Laienprogramme installiert, um
über Krankheiten und mögliche Behandlungen aufzuklären. Das Ergebnis sind
mündigere Patienten, die den Arzt besser
verstehen und somit auch mehr Verständnis für die Therapie haben. Wohlgemerkt:
oft lebensrettende (bzw. alle rezeptpflichtigen) Medikamente dürfen dabei nicht erwähnt werden: Das verbietet das Arzneimittelgesetz!
triert, 100 pro Woche. Die HerzschutzWebsite erhielt das „Golden Skalpell“ für
die beste Pharma-Web-Aktion.
Fallbeispiel: Memory Bus
2003 wurde erstmals ein Kleinbus zu einem fahrenden Infocenter umgebaut, um
auf einer Tour durch 20 österreichische
Städte über Demenz-Erkrankungen aufzuklären. Mit an Bord waren ein Arzt, Assistenten und jede Menge Infomaterial zum
Thema. Die Tour wurde mit einer Presse-
Abb. 2
Waren bislang die ca. 37.000 Ärzte in
Österreich Hauptziel der Bewerbungs- und
Informationsaktivitäten der Pharmaindustrie, kamen nun auch die Patienten, deren
Angehörige und interessierte Laien hinzu.
Das Change-Management im Pharma
Marketing rund um seine hocheffektiven
Medikamente ist also voll im Gange und
das mit enormem Erfolg: unsere Lebenserwartung steigt, wie schon erwähnt, ständig
und die Wahrscheinlichkeit, 100 Jahre alt
zu werden, beträgt heute bereits 1,0% für
Frauen und 0,3% für Männer. Hat jemand
dieses hohe Alter erreicht, so stehen seine
Chancen gut, auch den 101. Geburtstag feiern zu dürfen: Die weitere Lebenserwartung
im Alter von genau 100 Jahren beträgt nämlich immerhin 1,6 Jahre für Männer und
1,7 Jahre für Frauen.
Memory Bus
Fallbeispiel: Kampagne Herzschutz
der „Intessensgemeinschaft Herz“
Über im Wartezimmer des Arztes aufliegende Postkarten, per Internet unter
www.herzschutz.at oder mittels einer kleinen Infobroschüre in der Verpackung des
Medikamentes Sortis (zur Behandlung erhöhter Fettparameter) kann sich der Patient oder Interessent kostenlos an der Kampagne anmelden und erhält anschließend
ein Jahr lang Broschüren in monatlichen
Abständen zum Thema Herzschutz. Die
Aktion wurde im März 2005 gestartet und
hat seither über 5000 Anmeldungen regis-
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
41
Praxis
Change
Ausbildung in der Werbung
Christina Urferer, Helmut Kurz
Die Qualität von Ausbildungsinstitutionen in
Werbung und Marketing
Die Zahl der Aus- und Weiterbildungsangebote im Fachbereich Werbung
und Marketing ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Vor allem die
Fachhochschulen konkurrieren mit den etablierten Anbietern. Diese
müssen sich daher bemühen, ihre Position am Bildungsmarkt zu verteidigen. Voraussetzung dafür ist eine regelmäßige Qualitätskontrolle.
Dieser Beitrag enthält Umfrageergebnisse aus dem Jahr 2005.
er Markt für wirtschaftliche Aus- und
Weiterbildung in Österreich hat sich
in den letzten zehn Jahren stark verändert. Aufgrund starker Änderungen im
Unternehmensumfeld wie z.B. die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft, die
Vergrößerung des europäischen Binnenmarktes durch den Beitritt neuer Länder in
die Europäische Union und durch neue
Technologien, vor allem durch das Internet, sind die Anforderungen der Arbeitgeber an die Qualifikationen ihrer Mitarbeiter gestiegen. Berufliche Qualifikationen
D
Abb. 1
und insbesondere das Fachwissen veraltern
ohne ständiges Lernen in immer kürzeren
Abständen (Markowitsch, 2005, S. 181).
Aus diesem Grund wird die ständige Weiterbildung immer wichtiger und wird von
immer mehr Arbeitnehmern in Anspruch
genommen. Dies führte in den letzten Jahren auch zu einer starken Zunahme des Ausund Weiterbildungsangebots am österreichischen Bildungsmarkt, vor allem durch
die Einführung der Fachhochschul-Studiengänge Mitte der 90er Jahre des letzten
Jahrhunderts (vergleiche Abbildung 1).
Entwicklung der Hörerzahlen an österreichischen Universitäten und
Fachhochschulen
Fachhochschulen sollen laut gesetzlichem Auftrag vor allem eine praxisorientierte Aus- und Weiterbildung anbieten, die
deutlich kürzer als an den Universitäten ist.
Mittlerweile gibt es mehr als 50 Wirtschafts- und ungefähr doppelt so viele Technikstudiengänge in Österreich.
Neben den Fachhochschulen gibt es weiterhin alle klassischen Formen der Weiterbildung wie z.B. ein- oder mehrtägige Seminare, Workshops und Konferenzen sowie firmeninterne Schulungen. Immer häufiger wird auch das Internet als rasche und
bequeme Möglichkeit zur Aneignung und
Vertiefung von Wissen genutzt: Die Suche
nach einem Thema über Suchmaschinen
wie z.B. Google oder das Nachschlagen von
Fachbegriffen in einem Internetlexikon wie
www.wikipedia.de sind für viele eine rasche
und bequeme Möglichkeit zum Schließen
von Wissenslücken. Dieses ständig steigende Angebot stellt die klassischen akademischen Aus- und Weiterbildungsangebote an
Mag. Christina Urferer,
Absolventin des Instituts für
Werbewissenschaft und
Marktforschung, Wirtschaftsuniverstität Wien.
[email protected]
Quelle: http://www.bmbwk.gv.at/universitaeten/stats/folder_stat_daten.xml
42
ao. Univ. Prof. Dr. Helmut
Kurz, Dozent am Institut für
Werbewissenschaft und
Marktforschung, Wirtschaftsuniversität Wien.
[email protected]
transfer
Abb. 2
Aktuelle Kampagne des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf
Der Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf
Dieser Universitätslehrgang an der
Wirtschaftsuniversität Wien ist der älteste
Weiterbildungsanbieter im Bereich Werbung und Marketing in Österreich. Seit
dem Jahr 1949, also seit mittlerweile 57 Jahren, bietet er vor allem einschlägig Berufstätigen die Möglichkeit, in einem 2-jjährigen Abendstudium das vorhandene Wissen
aufzufrischen, neue Erkenntnisse der Marketingforschung und Marketingpraxis kennen zulernen, um sich mit diesem Wissen
für höhere Managementpositionen zu qualifizieren. Die zunehmende Konkurrenz
zwingt allerdings den Lehrgang dazu, mit
intensiver Medienwerbung in den Köpfen
potentieller Teilnehmer und bei Arbeitgebern präsent zu bleiben (vergleiche die aktuelle Anzeigenkampagne "Weiterbildung
für Aufsteiger" mit erfolgreichen Lehrgangsabsolventinnen und Absolventen im
Frühjahr 2006 in Abbildung 2).
Vor allem soll die langjährige Führungsposition dieses Lehrgangs in Bezug auf eine
praxisnahe Weiterbildung gegenüber den
zahlreichen Konkurrenten, insbesondere
gegenüber den Fachhochschulen gehalten
werden. Zur Überprüfung der Ausbildungsqualität werden laufend Zufriedenheitsmessungen bei Studierenden und Absolventen durchgeführt (Appl 1998, Domagala 2001 und Jachimowicz 2005).
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Aus- und Weiterbildungsanbieter
im Marketing in Österreich
Die wichtigste Meßlatte ist wohl das Ur teil der Wirtschaftspraktiker über die Qualität von Aus- und Weiterbildungsanbietern. Daher wurden schon in den Jahren
1993 und 2002 im Auftrag des Lehrgangs
für Werbung und Verkauf zwei Studien
über die Bekanntheit und das Image der
damals wichtigsten Aus- und Weiterbildungsanbieter durchgeführt (Dissmann
1993, Körmendi 2002 bzw. Körmendi/
Kurz 2003).
Drei Jahre nach der letzten Studie
schien im Jahr 2005 eine Wiederholung
dieser Qualitätskontrolle angebracht, weil
sich Konkurrenten aus dem Fachhochschulsektor am Markt etabliert hatten und
diese in der journalistischen Berichterstattung als besonders praxisorientiert bezeichnet wurden. Die zentrale Frage lautete:
Konnte der Universitätslehrgang für Wer-
Tab. 1
Bekanntheitsgrad
Der Universitätslehrgang für Werbung
und Verkauf liegt mit einem sehr hohen ge stützten Bekanntheitsgrad von 95% an
erster Stelle und kann seine führende Prä-
Gestützter Bekanntheitsgrad wichtiger Aus- und Weiterbildungsanbieter im
Bereich Werbung und Marketing in der österreichischen Wirtschaftspraxis
2002 2005
Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf an der WU Wien
90% 95%
Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung an der WU Wien 83% 87%
FH Marketing und Sales in Wien
44% 33%
FH Kommunikationswirtschaft in Wien
68% 32%
FH für Wirtschaftsberatende Berufe in Wiener Neustadt
29% 29%
FH Marketing in Graz
17% 18%
Befragte: Werbe- und MarketingmanagerInnen
174
474
Quelle: Urferer 2006
43
Praxis
den Universitäten vor große Herausforderungen, um am Bildungsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.
bung und Verkauf seine Führungsposition
aus den früheren Jahren halten?
Im Sommer 2005 wurde eine postalische
Umfrage bei 1441 österreichischen Werbeund Marketingmanager/innen (meist Marketingleiter/innen in größeren Firmen, Geschäftsführer/innen von kleineren und
mittleren Firmen, Leiter/innen von Werbeagenturen usw.) durchgeführt. Die Rücklaufquote in Höhe von 34% vollständig ausgefüllter Fragebögen übertraf alle Erwartungen, da 2002 lediglich 15% der angeschriebenen Firmen geantwortet hatten.
Gründe für diesen überdurchschnittlichen
Rücklauf war offenbar die Kombination aus
interessantem Thema, der Appell, zum Gelingen einer Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien beitragen zu können, die Verkürzung des Fragebogens von
Körmendi (2002) von sechs auf vier Seiten,
eine verbesserte Optik des Fragebogens und
der den meisten Befragten vertraute Absender (Österreichische Werbewissenschaftliche Gesellschaft).
Die soziodemografischen Merkmale der
474 Antwortenden zeigen, dass es sich um
eine hochkarätige Stichprobe handelt: 58%
der Befragten haben einen Universitätsabschluss und insgesamt 73% gaben an, in einer führenden Position als Inhaber/in,
Geschäftsführer/in oder Abteilungsleiter/in
ihrer Firma tätig zu sein. Das berufliche
Einsatzgebiet war bei 39% die Geschäftsleitung, bei 46% das Marketing und bei
30% die Werbung. 20% der Befragten arbeiteten in Werbeagenturen.
Ausbildung in der Werbung
Tab. 2
Praxisnähe wichtiger Aus- und Weiterbildungsanbieter im Bereich Werbung
und Marketing aus Sicht der österreichischen Wirtschaftspraxis
Universitätslehrgang für Werbung
und Verkauf an der WU Wien
FH Marketing und Sales
in Wien
Institut für Werbewissenschaft und
Marktforschung an der WU Wien
FH Marketing
in Graz
FH für Wirtschaftsberatende
Berufe in Wiener Neustadt
FH Kommunikationswirtschaft in
Wien
Mittelwert
Basis:
nur jene, die die jeweilige
Institution kennen
4,8
357
4,6
95
4,5
271
4,4
56
4,4
80
4,4
99
6-stufige Skala von 1=“überhaupt nicht praxisnahe“ bis 6=“sehr praxisnahe“ he“Quelle: Urferer 2006
senz in den Köpfen der Marketingpraktiker
aus dem Jahr 2002 verteidigen (damals 90%
gestützte Bekanntheit, siehe Tabelle 1). Fast
genauso bekannt mit 87% ist das Institut
für Werbewissenschaft und Marktforschung an der WU Wien (2002: 83%), das
es mittlerweile auch schon seit 51 Jahren
gibt. Die einschlägigen Fachhochschulen
sind ähnlich wie schon im Jahr 2002 in der
österreichischen Werbe- und Marketingpraxis deutlich weniger bekannt, da sie erst
Mitte der 90er Jahre gegründet wurden und
der Bekanntheitsaufbau in den Köpfen von
viel beschäftigten Managern doch etwas
Zeit in Anspruch nimmt.
schulen hinsichtlich praxisnaher Ausbildung wird also durch die Umfragedaten
nicht bestätigt (vgl. Urferer 2006, S. 91).
Image
Kernpunkt der Umfrage war die Ermittlung des Images jener Aus- und Weiterbildungsinstitution, mit der jeder Befragte am besten vertraut war und, falls ein
Absolvent oder eine Absolventin in der Firma des Befragten arbeitete, dessen/deren Bewertung in wichtigen Kriterien. Abbildung
3 zeigt zunächst die Images der bekanntesten und damit auch am häufigsten bewerteten Aus- und Weiterbildungsanbieter.
Der Universitätslehrgang für Werbung
und Verkauf hat einen sehr guten Ruf in der
Praxis, anerkannte Lektoren und Professoren und gute Kontakte zur Branche. Ein
Vergleich mit den Ergebnissen der Studie
aus dem Jahr 2002 zeigt, dass der Lehrgang sein gutes Image in der Wirtschaftspraxis halten konnte. Das Institut für
Werbewissenschaft und Marktforschung
konnte, verglichen mit der Studie von Körmendi (2002), sein Image deutlich verbessern.
Die Beurteilung der Absolventinnen
und Absolventen der beiden Institutionen
als Mitarbeiter/innen in den Unternehmen
der Befragten kann Abbildung 4 entnommen werden.
Die Absolventinnen und Absolventen
des Universitätslehrgangs für Werbung und
Verkauf genießen nach wie vor einen guten Ruf in der Wirtschaftspraxis, gelten als
flexibel, können in den Augen der Befragten gut organisieren und ihr Wissen gut vernetzen. Sie sind stark belastbar, können gut
im Team arbeiten und haben daher gute
Karrierechancen. Im Vergleich zu den Umfragen von Dissmann (1993) und Körmendi (2002) konnten die Absolventinnen und
Absolventen des Universitätslehrgangs für
Werbung und Verkauf ihren guten Ruf in
der Praxis sogar verbessern. Die Werte in
den Abbildungen 3 und 4 zeigen aber auch,
dass das Institut für Werbewissenschaft und
Marktforschung sowie dessen Absolventinnen und Absolventen ein durchwegs gutes
Image in der Wirtschaftspraxis für sich in
Anspruch nehmen können.
Praxisnähe
In der gegenständlichen Umfrage mussten die Werbe- und Marketingmanager/innen weiters jenen Aus- oder Weiterbildungsanbieter, mit dem sie am besten
vertraut waren, hinsichtlich der Praxisnähe
der Ausbildung beurteilen (siehe dazu Tabelle 2).
An erster Stelle hinsichtlich Praxisnähe
liegt der Universitätslehrgang für Werbung
und Verkauf mit einem Mittelwert von 4,8,
gefolgt von der Fachhochschule für Marketing und Sales in Wien. Knapp dahinter
können sich das Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung an der WU
Wien und die anderen beurteilten Fachhochschulen platzieren, denen ebenfalls eine überdurchschnittliche Praxisnähe bescheinigt wird. Die in der öffentlichen
Wirtschaftsberichterstattung immer wieder
betonte Überlegenheit der Fachhoch-
44
Abb. 3
Image des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf und des Instituts
für Werbewissenschaft und Marktforschung
Quelle: Urferer 2006
transfer
„Darbo“
1/1, 4c
Ausbildung in der Werbung
Resümee
Abb. 4
Der Universitätslehrgang für Werbung
und Verkauf konnte seinen hohen Bekanntheitsgrad im Jahr 2005 noch weiter
ausbauen und auf 95% steigern. Seine Ausbildung und seine AbsolventInnen haben
einen sehr guten Ruf in der österreichischen
Werbe- und Marketingpraxis.
Image der Absolventinnen und Absolventen des Universitätslehrgangs für
Werbung und Verkauf und des Instituts für Werbewissenschaft und
Marktforschung
Literatur
Appl T. (1998): Die Evaluation der Ausbildungsqualität
des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf an
der Wirtschaftsuniversität Wien durch die Absolventen,
Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Dissmann C. (1993): Das Image des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf, Diplomarbeit an der
Wirtschaftsuniversität Wien.
Domagala D. (2001): Die Evaluation der Ausbildungsqualität des Universitätslehrgangs für Werbung und
Verkauf an der Wirtschaftsuniversität Wien durch die
Absolventen, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität
Wien.
http://www.bmbwk.gv.at/universitaeten/stats/
folder_stat_daten.xml, besucht am 25.7.2006.
Körmendi L. (2002): Der Universitätslehrgang für
Werbung und Verkauf und seine Konkurrenten aus der
Sicht der Wirtschaftspraxis, Diplomarbeit an der
Wirtschaftsuniversität Wien.
Quelle: Urferer 2006
Körmendi L./Kurz H. (2003): Der Universitätslehrgang
für Werbung und Verkauf und seine Konkurrenten aus
Sicht der österreichischen Wirtschaftspraxis, in: transfer - Werbeforschung und Praxis, 2/2003, S. 38-40.
Jachimowicz K. (2005): Die Ausbildung am
Universitätslehrgang für Werbung und Verkauf aus der
Sicht seiner AbsolventInnen der Jahre 2001 bis 2004,
Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Markowitsch J. (2005): Betriebliche Weiterbildung in
Österreich - Konzepte, Anbieter, Trends, 2005.
Urferer C. (2006): Bekanntheit und Image des
Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf und
seiner Konkurrenten aus der Sicht von Werbe- und
MarketingmanagerInnen in Österreich 2005, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Personalia
Mit 1.1.2006 hat es einen Wechsel in der österreichischen Redaktion von transfer Werbeforschung & Praxis gegeben. Frau Mag. Barbara Köcher-Schulz hat nach insgesamt neun Jahren die Zeitschrift verlassen und zur Kommunikationsagentur Dr.
Hansjörg Wachta Ges.m.b.H gewechselt.
Mit der Ausgabe 2+3/2006 hat Herr Mag. Florian Keusch die Redaktion und das
Anzeigenmarketing von transfer - Werbeforschung & Praxis für Österreich übernommen.
DIe Schriftleitung von transfer - Werbeforschung & Praxis bedankt sich für die hervorragende langjährige Zusammenarbeit und wünscht Frau Mag. Köcher-Schulz
weiterhin viel Erfolg auf ihrem beruflichen und privaten Weg!
Kontakt: Redaktion transfer - Werbeforschung & Praxis
Augasse 2-6, 1090 WIen
[email protected]
Tel.: +43/1/31336/4414
Mag. Barbara Köcher-Schulz
46
Mag. Florian Keusch
transfer
„IPA+“
1/1, 4c
Positionierung im Möbelhandel
Janet Kath
Interio - Positionierung eines
Einrichtungshauses
Interio ist zwar ein Unternehmen mit einem relativ kleinen Anteil am
österreichischen Möbelmarkt, hat sich aber durch sein innovatives
Produkt- und Ladenkonzept als Nischenanbieter für design-orientierte
Kunden, die eine günstige Alternative zu hochpreisigen Markenanbietern
suchen, etabliert. Der Unternehmenserfolg beruht dabei auf der partnerschaftlichen Organisation der Beziehungen, der klaren Positionierung
und der Seele des Unternehmens. Oberstes Ziel ist es, die Wünsche der
Kunden zu übertreffen.
nterio wurde 1974 in der Schweiz gegründet und eröffnete 1987 in Linz sein
erstes Möbelhaus in Österreich. Da das
Unternehmen von Anfang an große Positionierungsprobleme am österreichischen
Markt hatte, entschied sich der Globus
Konzern, in dessen Besitz sich Interio befindet, für einen Verkauf der österreichischen Geschäfte. 2000 übernahm die Magazin 07 Möbel und Einrichtungen Vertriebs GmbH als Franchisenehmer Interio
Österreich und hat die Kette mittlerweile
auf zehn Filialen mit 265 Mitarbeitern ausgebaut.
I
Abb. 1
Möbelmarkt in Österreich
Der Möbelmarkt in Österreich ist besonders in den letzten Jahren schwer umkämpft. Gab es bis zur Jahrtausendwende
teilweise starke Zuwächse, so war der Markt
ab 2002 leicht rückgängig, hat sich im letzten Jahr aber wieder erholt. 2005 wurden
im Möbeleinzelhandel in Österreich 3,8
Milliarden Euro umgesetzt. Der Großteil
der Umsätze verteilt sich dabei auf die Lutz(2004: 38%) und Kika/Leiner-Gruppen
(2004: 30%). Interio ist mit einem Umsatzanteil von 1% im Jahr 2004 klarerwei-
Marktanteile im österreichischen Möbeleinzelhandel
se nur ein Nischenanbieter (Abbildung 1).
Für Interio sind in erster Linie aber nicht
nur Mitbewerber am Markt die direkte
Konkurrenz, sondern Wohnen ist Kultur
und muss als solche von den Konsumenten
verstanden werden. Der Markt muss dafür
in vielen Fällen erst geschaffen werden.
Unternehmenserfolg
Strategisch entscheidend für den Unternehmenserfolg von Interio in den letzten
Jahren ist die Unternehmensphilosophie,
die sich an Stärke und nicht an Größe orientiert, da besonders große Unternehmen
oft mit Problemen in der Organisation zu
kämpfen haben und in vielen Fällen die Seele des Unternehmens verloren geht. Es wird
Wert auf Tempo gelegt und nicht auf Masse, damit schnell reagiert werden kann.
Weiters konzentriert man sich auf Flexibilität und nicht auf Volumen, somit sind
notwendige Änderungen jederzeit möglich.
Die Basis für den Erfolg des Unternehmens liefern drei Säulen:
· Organisation
· Positionierung
· Seele des Unternehmens
Janet Kath ist Geschäftsführerin der Magazin 07
Möbel und Einrichtungen
Vertriebs GmbH.
Zusammenfassung ihres
Vortrags an der WU Wien.
48
transfer
In weiterer Folge tragen natürlich auch
die Finanzen zum Unternehmenserfolg bei,
sind allerdings die drei oben genannten Säulen entsprechend stark ausgebildet, so wird
sich der finanzielle Erfolg auch einstellen.
Organisation
Positionierung
Grundlage einer klaren Markenpositionierung ist die Definition und Auswahl von
Marktsegmenten. 2003 wurden die Zielgruppen am Möbelmarkt in Form von vier
Wohntypen vom Ernest Dichter Institut
für Interio definiert (Abbildung 2).
Die Perfektionisten, ca. 30% der Bevölkerung, sind eher schon gesettelte Personen
über 45 Jahre, die keinen Wert auf Innovation legen, ihre Möbel haben aber eher repräsentativen Charakter. Ebenfalls auf Tradition bedacht sind die Minimalisten
(25%), für die Einrichtungsgegenstände
rein ihrer Zweckmäßigkeit dienen. Sie haben ein eher niedriges Einkommen und nur
wenig Gespür für Trends und Design. Beide Typen zählen nicht zur primären Zielgruppe von Interio. Anders hingegen die
Trendsetter und die Möchtegerne. Die
Trendsetter, mit 10% die kleinste Gruppe,
sind zwischen 35 und 60 Jahre alt, legen
sehr viel Wert auf Marken, sind trendy und
wollen repräsentieren. Die Möchtegerne
(33%) sind eine jüngerer Zielgruppe, zwischen 18 und 34 Jahre, und verfügen über
einen höhere Bildung, weisen aber eine geringe Kaufkraft auf. Für sie ist Design
besonders wichtig, auch wenn es von NoName-Marken kommt.
Je kleiner das Geschäft ist, desto wichtiger ist das angebotene Produktportfolio.
Vor der Übernahme von Interio Österreich
gab es zu viele verschiedene Produkte, die
nicht mit der Positionierung der Marke
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Abb. 2
fügbar sind. In den drei Wohngallerien, die
zwischen 1.500 und 2.500 Quadratmeter
groß sind, sind nur ausgewählte Möbel und
Accessoires verfügbar und in den fünf
Wohnboutiquen (450 - 800 Quadratmeter) findet der Kunde zu einem bestimmten
Thema (z.B. Essen) gemeinsam präsentierte Produkte.
Besonders großer Wert wird auf die Pflege der Beziehung zu den Stammkunden des
Unternehmens gelegt, die immerhin 40%
des Umsatzes ausmachen. Mehr als 150.000
Österreicher besitzen eine Stammkundenkarte und werden damit sehr aktiv betreut
und mit speziellen Aktionen für ihre, meist
langjährige, Treue belohnt.
Seele des Unternehmens
Unter der Seele des Unternehmens ist
das zu verstehen, was der Kunde spürt,
wenn er ein Geschäft betritt. Dazu zählen
in erster Linie natürlich die Mitarbeiter, die
besonders im Handel von großer Bedeutung sind. Bei Interio wird versucht, die
Mitarbeiter partnerschaftlich zu führen,
wobei eine flache Hierarchie vorherrscht.
Von elementarer Bedeutung für das Unternehmen ist die Beziehung zu den Liefe ranten. Durch den Globus-Konzern kann
man auf ein weltweites Netz an hochwertigen Produzenten zurückgreifen, wobei mit
vielen von ihnen eine langjährige Partnerschaft eingegangen wird. 80% der Produkte werden ausschließlich und speziell für Interio entworfen, was die Marke besonders
stark macht.
Wohntypologie
Quelle: Ernest Dichter Institut, 2003
49
Praxis
Damit der Kunde die Möbel und
Wohnaccessoires aus den Interio-Möbelhäusern jederzeit mitnehmen kann, müssen
16.000 verschiedene Artikel ständig auf Lager sein. Dies bedarf einer organisatorischen
und logistischen Meisterleistung. Der sehr
partnerschaftliche Franchisevertrag mit
dem Schweizer Globus-Konzern erlaubt Interio Österreich ausreichende Flexibilität
und Unabhängigkeit im Einkauf und der
Wahl der Lieferanten auf der einen Seite,
ermöglicht aber auch geballte Einkaufskraft
und ein weltweites Netz an hochwertigen
Lieferanten auf der anderen Seite.
stimmig waren. Erst durch eine Sortimentsbereinigung und Anpassung der Produktauswahl an die Wohntypologien wurde die Positionierung wieder klarer. Es ist
nicht so wichtig, dass unbedingt nur Produkte geführt werden, die einen schnellen
Umsatz liefern, sondern der Konsument
muss ganz genau wissen, was ihn im Geschäft erwartet. Der Sortiments-StrukturMix besteht bei Interio aus den Bereichen
Eating, Living, Sleeping, Office, Spa und
Light. Ein besonderer Bestandteil der Interio-Kultur ist dabei der Bereich Promotions, in dem aktuelle Angebote aus dem Bereich Möbel und Nichtmöbel zusammengefasst werden, wobei alles, von den Polsterüberzügen bis hin zu den Kerzen,
zusammenpasst. Diese Farb- und Designtrends werden schon zwei Jahre vor der jeweiligen Aktion definiert und versucht, passende Produzenten zu finden.
Die Preispositionierung greift ganz klar
auf die Wohntypologie zurück. Der Kunde
erhält bei Interio „Design zum besten
Preis“, wobei sich das Design der Möbel
manchmal an bekannten Marken orientiert, ohne aber zu kopieren. Der Preis der
Produkte liegt allerdings weit unter dem
von gängigen Markenmöbeln. Auf, bei anderen Möbelhäusern sehr beliebte, Räumungsverkäufe wird gänzlich verzichtet.
Ein weiterer Bestandteil der Säule Positionierung stellt das einzigartige Ladenkonzept dar. Es gibt dabei drei Arten von Outlets. Die zwei Möbelhäuser mit 6.000 Quadratmeter sind jeweils mit einem Großlager
ausgestattet, indem alle Artikel sofort ver-
Andreas Strebinger
Forschung
aus aller Welt
Dr. Andreas Strebinger, Universitätsassistent am Institut für Werbewissenschaft
und Marktforschung, Wirtschaftsuniversität Wien.
[email protected]
Drum prüfe, wer die Kunden bindet ...
achdem der Zenit der Einführungen immer neuer Kundenbindungsprogramme überschritten
ist, stellt sich vielen Unternehmen die
Frage: Wie erfolgreich ist unser Programm?
Immerhin haben BonusprogrammHypes eine lange Tradition: So waren
1958 zwei Drittel der US-amerikanischen
Haushalte Mitglied in einem Kundenbindungsprogramm (sog. „Trading
Stamps“), und sammelten etwa die damals
außerordentlich populären S&H Green
Stamps. Mit der nächsten größeren
Rezession verschwanden diese Programme
allerdings wieder aus dem Alltag. Der
Grund: Bonusprogramme erzeugen für das
Unternehmen zusätzliche Kosten für die
Entwicklung, Kommunikation und Administration des Programms und die Boni
selbst. Und die Kunden kostet das
Kennenlernen, das Anmelden, das Verwalten und das Einlösen der Boni Zeit und
Hirnschmalz.
In den 1970er Jahren zeigten USUmfragen eine große Konsumenten-
N
50
mehrheit, die direkte Preisnachlässe im
Vergleich zu Bonusprogrammen bevorzugte. Unternehmen mit Kundenbindungsprogrammen, welche nicht die Effizienz des Gesamtsystems für Unternehmen und Kunden erhöhen, laufen demnach Gefahr, von Konkurrenten ausgehebelt zu werden, die allen Kunden etwas
günstigere Preise bieten.
Mehr Kunden oder bessere
Kunden?
Ähnlich den USA im Jahr 1958 waren
in Deutschland 2003 zwei Drittel der
Haushalte Mitglied in einem Kundenbindungsprogramm des Lebensmitteleinzelhandels. Natürlich bietet die Technik
heute viel günstigere Wege der Datenerfassung und -verwaltung sowie der individuellen Kommunikation mit dem
Kunden als damals. Vielleicht machen sie
den entscheidenden Unterschied zwischen
dem Damals und dem Heute aus. Für die
Profitabilität unternehmenseigener CRMSysteme bleibt jedoch unverändert die Fra-
ge, welcher von zwei Effekten überwiegt:
Werden die besseren Kunden Mitglieder
des Bonusprogramms („Kundenselektionseffekt“) oder werden Mitglieder des
Bonusprogramms bessere Kunden („Kundenbindungseffekt“), die mehr kaufen
oder dem Unternehmen länger erhalten
bleiben? Diese Frage ist schwierig zu
beantworten, da die bloße Tatsache, dass
die Mitglieder eines Bonusprogramms
mehr kaufen als die Nicht-Mitglieder, kein
Nachweis des Erfolgs des Bonusprogramms ist. Kaufen ohnehin gute Kunden
durch das Bonusprogramm nicht mehr
oder dauerhafter beim Unternehmen ein,
lukrieren aber den entsprechenden Rabatt,
kann das Kundenbindungsprogramm sogar zum Verlustgeschäft für das Unternehmen werden.
Effizienzmessung mittels
Paneldaten - Ergebnisse einer
Studie aus Deutschland
In einer Langzeitanalyse von Haushaltspaneldaten mit 12.000 Einkaufsakten
transfer
repräsentativ ausgewählter deutscher
Haushalte fanden Prof. Hermann Diller
und Dr. Steffen Müller (Universität
Erlangen-Nürnberg) starke Anhaltspunkte
für den „Kundenselek-tionseffekt“. Für
drei verschiedene Handelsunternehmen einen Supermarkt, einen Drogeriemarkt
und ein SB-Warenhaus - zeigen sie, dass es
vor allem die guten Kunden des jeweiligen
Unternehmens sind, welche Mitglied des
Kundenbonusprogramms werden.
Vor allem jene Kunden, die bereits vor
dem Start des Bonusprogramms einen
überdurchschnittlich hohen Teil ihres
Bedarfs in dem entsprechenden Unternehmen gedeckt haben, werden Mitglied.
Allerdings lässt dieser Effekt mit zunehmendem Alter des Bonusprogramms nach:
Während zum Start des Bonusprogramms
vor allem die wirklich guten Kunden beitreten, gleichen spätere Eintritte mehr und
mehr dem Durchschnittskunden des
Unternehmens.
Bonusprogramm rechnet sich nur
für SB-Warenhaus
Nun schließt das nicht aus, dass aus
den guten Kunden durch das Bonusprogramm noch bessere werden, allerdings:
Für diesen Effekt findet die Studie, zumindest was den Mehrabsatz durch das
Bonusprogramm angeht, nur begrenzte
Anhaltspunkte. Zwar führte der Beitritt
zum Bonusprogramm bei allen drei untersuchten Unternehmen zu einem kurzfristigen Anstieg der Ausgaben des Neumitglieds im Handelsunternehmen. Bereits
nach drei Quartalen war von diesen Mehrausgaben jedoch teilweise nichts mehr zu
sehen.
Unter Einberechnung typischer kundenabhängiger Kosten für das Unternehmen (Administration, Bonus) rechnet sich
das Bonusprogramm nur für das SBWarenhaus, nicht jedoch für den Supermarkt und den Drogeriemarkt. Verantwortlich dafür machen die Autoren das
Fehlen bedeutender Cross-Selling-Möglichkeiten im Fall des Drogeriemarkts bzw.
das Fehlen gezielter Kommunikation mit
den Neumitgliedern des Bonusprogramms
im Fall des Supermarkts. Nur ein Bonusprogramm anzubieten, ohne mit den Mitgliedern zu kommunizieren, scheint also
zu wenig, zumindest wenn das Bonusprogramm auch Mehrabsatz hervorrufen
möchte.
Direct Mails oder unadressierte
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Werbeprospekte?
Viele Verantwortliche halten ohnehin
Erlangen detaillierter Kundeninformationen und die Möglichkeit zu personalisierter Interaktion für einen wichtigen, wenn
nicht den wichtigeren Nutzen von
Kundenbindungsprogrammen. Aber nicht
nur das Unternehmen lernt durch
Kundenbindungsprogramme, auch der
Kunde wird mit der Zeit schlauer, wie eine
Ende vergangenen Jahres im Journal of
Marketing Research veröffentlichte Studie
von Prof. Harald J. Van Heerde (Universität Tilburg) und Prof. Tammo H. A.
Bijmolt (Universität Groningen) dokumentiert. Mithilfe von Infrarot-Frequenzmessern erfassten sie zwei Jahre lang die
tägliche Zahl der Kunden in den Geschäften einer niederländischen Modehandelskette.
Weiters erfassten sie die täglichen
Ausgaben von Mitgliedern und NichtMitgliedern in den einzelnen Geschäften
und stellten fest, wie sich diese Größen in
Abhängigkeit von Preiswerbungen in
Direct Mails (an die Mitglieder des
Kundenbindungsprogramms) und in unadressierten Werbeprospekten (an alle
Haushalte im Einzugsbereiche der Geschäfte) veränderten. Sie fanden, dass
Nicht-Mitglieder zwar generell preissensibler sind als Mitglieder des Kundenbindungsprogramms, dass aber Mitglieder
ihre Einkäufe zeitlich viel besser planen
und genau lernen, wann hohe Rabatte zu
erwarten sind. Im Unterschied zu den
Nicht-Mitgliedern drosseln sie ihre Einkäufe bereits, bevor das Unternehmen
höhere Aktionsrabatte bekannt gibt, und
kaufen nach den Aktionswochen weniger.
Unadressierte Werbeprospekte
liefern positiven Ergebnisbeitrag
Ein zweiter interessanter Befund der
Studie ist, dass die unadressierten
Werbeprospekte bei den Mitgliedern des
Kundenbindungsprogramms erfolgreicher
sind als die adressierten Direct Mails:
Nach Einberechnung der Kosten bringen
die unadressierten Prospekte einen deutlich positiven Ergebnisbeitrag, der bei
einem durchschnittlichen Preisabschlag
für die beworbenen Artikel von 20% am
höchsten ist. Die Direct Mail Kampagnen
hingegen sind bei jeder Höhe des
Preisabschlags für das Unternehmen ein
Verlustgeschäft. Die Autoren vermuteten
zunächst, dass das schlechte Abschneiden
der Direct Mails an einem Wear-OutEffekt liegen könnte - immerhin erhalten
die Mitglieder des Kundenbindungsprogramms pro Jahr 14 persönlich adressierte
Zuschriften von der Modekette. Da sich
jedoch statistisch kein Anhaltspunkt für
einen solchen Wear-Out-Effekt fand,
dürfte der Vorteil der unadressierten Prospekte einfach der besseren Aufmachung
(größer, mehr Artikel) zuzuschreiben sein.
Die Mitglieder des Kundenbindungsprogramms sind für das Unternehmen leichter erreichbar - an der Kontaktqualität zu
sparen, erlaubt das im vorliegenden Fall
aber offenbar nicht.
Cross-Selling-Potentiale als
wichtige Erfolgsfaktoren von
Kundenbindungsprogrammen
Diese Ergebnisse lassen sich natürlich
nicht 1:1 auf andere Branchen und Länder
übertragen. Vielmehr zeigen sie, dass der
Erfolg von Kundenbindungsprogrammen
einerseits von der Qualität der Umsetzung
(z. B. jener der Direct Mails an die
Mitglieder) abhängt, andererseits von
einer Reihe von branchen- und unternehmensspezifischen Faktoren. Bevor man
versucht, den Kunden mittels aufwändiger
Programme an das Unternehmen zu binden, ist vor allem die Existenz von CrossSelling-Potenzialen zu prüfen, d.h. der
Möglichkeit, dem Kunden Produkte oder
Dienstleistungen zu verkaufen, die er ohne
das Kundenbindungsprogramm nicht
oder nicht beim eigenen Unternehmen
gekauft hätte. Insbesondere bei zufriedenen Kunden kann ein Kundenbindungsprogramm zu substanziellen zusätzlichen
Querverkäufen führen, wie eine noch unveröffentlichte, auf der Summer Educators´ Conference der American Marketing Association in Chicago 2006 vorgestellte Studie aus den USA zeigt.
Eigene Studien des Instituts für
Werbewissenschaft und Marktforschung
in Zusammenarbeit mit dem Institut für
BWL und Wirtschaftsinformatik der
Wirtschaftsuniversität Wien zeigen
zudem, dass zur Ausschöpfung eines solchen Cross-Selling-Potenzials zuweilen
auch eine neue Dach- oder Gemeinschaftsmarke erforderlich ist. (Marketing
ZFP, 28, 2. Quartal 2006; Journal of
Marketing Research, 42, 4, November
2005)
51
MAFO-Splitter
Wolfgang Mayerhofer
MAFO-Splitter
Dr. Wolfgang Mayerhofer, ao.Univ.Prof. am Institut für Werbewissenschaft und
Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien.
[email protected]
Die Kunst der Fragebogenerstellung am
Beispiel der Konstruktion von Skalen
Am Beispiel von drei experimentell durchgeführten Befragungen wird der
empirische Nachweis erbracht, dass der Wertebereich der verwendeten
Skala, die Verbalisierung der Endpole sowie die Anordnung von
Beurteilungsobjekten einen Einfluss auf das Ergebnis der Befragung
haben und Empfehlungen abgeleitet.
eit- und Kostendruck prägen unsere
heutige Zeit. Dies betrifft die Gesellschaft in allen Lebenslagen und zieht
sich durch Berufsleben, Alltagsleben und
Freizeit und macht auch vor der Marktforschung nicht halt. Die Studie soll kostengünstig - um nicht zu sagen billig - sein, Entscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen für Marken und Unternehmen absichern und die Ergebnisse am besten
„gestern“ vorliegen. Es darf nicht verwundern, dass vereinzelt bereits der Begriff
„quick and dirty“ fällt: „So genau will ich es
gar nicht wissen, Hauptsache ich habe die
Daten schnell!“ Bleibt zu hoffen, dass die
mahnenden Stimmen, die darauf hinweisen, dass zwar jeder Fragen aber noch lange nicht jeder Markt- und Meinungsforschungsfragen stellen kann (Dürr 2002),
sich gegen Do-it-yourself-Marktforschung
stellen (Scheffler 2002) und nachdrücklich
und anschaulich die Fallstricke von Frageformulierungen aufzeigen (Scheffler 2000),
auch entsprechend Gehör finden. Die Beurteilung der Qualität von Marktforschung
beginnt lange vor der Auswertung der Daten, will man nicht dem GIGO Phänomen
(Garbage in - Garbage out) aufsitzen, wie es
von Lachmann/Schroiff (1998) skizziert
Z
52
wird. Die Fehler, die bei der Datenerhebung gemacht werden, können auch durch
noch so aufwändige und anspruchsvolle
Auswertungstechniken nicht korrigiert
werden. Für die Beurteilung der Qualität
von Marktforschungsleistungen ist es auch
notwendig, sich nicht auf ISO-Zertifizierungen und Total-Quality-Management
(TQM) Ansätze zu verlassen, sondern andere z.B. von Noelle-Neumann (1998) diskutierte Kriterien heranzuziehen.
Neben der richtigen Formulierung von
Fragen ist die Verwendung von Skalen ein
intensiv diskutiertes Thema in Forschung
und Praxis. In diesem Zusammenhang
muss zwischen der Messung von Konstrukten, wie dies am Beispiel einer Skala zur
Messung der sozialen Verantwortung von
Unternehmen und Marken von Grusch/
Mertzbach (2006) demonstriert wird und
der Zuordnung von Zahlen zu Objekten
oder Eigenschaften meist an Hand von Ratingskalen unterschieden werden. Aber
auch bei einfachen Ratingskalen gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. Berekoven/
Eckert/Ellenrieder 2004, S. 77). Anlass für
Diskussionen liefert einerseits das von manchen Auswertungsverfahren geforderte Ska-
lenniveau (vgl. Weis/Steinmetz 2002, S.
124 und Hüttner 1997, S. 8f und S. 107ff)
und anderseits die Anzahl der Skalenstufen,
deren Verbalisierung sowie die Gerichtetheit der Skala (vgl. Malhotra/Birks 1999, S.
299). Am Institut für Werbewissenschaft
und Marktforschung wurden von 2004 bis
2006 drei Studien durchgeführt, die neben
umfangreichen inhaltlichen auch methodisch interessante Ergebnisse liefern und im
Folgenden auszugsweise vorgestellt werden.
Akzeptanz von Markenerweiterungen
Im Rahmen von Studie 1 wurden im
Zeitraum Dezember 2003 bis Jänner 2004
insgesamt 330 Personen befragt. Die umfangreichen inhaltlichen Ergebnisse zur Akzeptanz von Markenerweiterungen in zahlreichen Produkt- und Dienstleistungsbereichen können bei Mahnik/Mayerhofer
(2006) nachgelesen werden. Aufgabe des
Skalenexperiments war die Überprüfung
der Frage, ob die Verwendung einer 9-stufigen Skala von 1 bis 9 (Variante A) im Vergleich zu einer Skala von 0 bis 8 (Variante
B) zu unterschiedlichen Ergebnissen führt
(vgl. Mahnik 2004 und Abbildung 1).
transfer
Abb. 1
Skalenexperiment 1 mit unterschiedlichem Wertebereich
in rund 21% aller durchgeführten Tests zu
höheren Werten und damit zu einer besseren Beurteilung führt. Die durchgehende
Bevorzugung von Variante B zeigt sich in
der Zielgruppe Management-Nachwuchs
insbesondere bei jüngeren Männern und älteren Frauen. Für die Zielgruppe Verkaufspersonal gilt dies für alle Männer und für
Frauen der höchsten Alterskategorie. Beide
Befunde sprechen gegen Variante B und damit für eine Skala, deren niedrigster Endpunkt mit der geringeren Zustimmung verbalisiert ist (vgl. Reinauer/Seewald 2005,
S.208f und Abbildung 2).
Images von Digitalkameramarken
Verkaufspersonal unterschiedliche Skalenvarianten vorgelegt. In Variante A war die
niedrigste Skalenstufe 1 mit „trifft überhaupt nicht zu“ verbalisiert und die höchste Skalenstufe 6 mit „trifft völlig zu“. In
Variante B war es genau umgekehrt: Die Bezeichnung von Skalenstufe 1 lautete „trifft
völlig zu“ und jene von Stufe 6 „trifft überhaupt nicht zu“ (vgl. Bukovics/Falter
2005). Die Begründung für Variante A lautet, dass ein höherer Wert auch für eine bessere Beurteilung steht: das Unternehmen
bzw. die Marke ist attraktiver, vertrauenserweckender oder die Kaufwahrscheinlichkeit höher. Die Begründung für Variante B
bezieht sich auf die Schulnotenskala: Eine
bessere Note (= Beurteilung) entspricht einem niedrigeren Werte, während eine Note 5 oder 6 für ein „Nicht genügend“ und
damit für eine schlechtere Beurteilung
steht. Zusammenfassend kann festgestellt
werden, dass das Skalenniveau von Variante B (niedriger Wert = bessere Beurteilung)
Im Zusammenhang mit der Messung
von Marken- oder Unternehmensimages ist
es häufig zur Stützung der Erinnerungsleistung notwendig, die zur Beurteilung stehenden Objekte den Befragten auf einem
Blatt vorzulegen. Dies kann durch einen
neutralen Schriftzug oder, um ein facettenreicheres inneres Bild zu erzeugen, in Form
von Markenlogos erfolgen. Falls es keine
Gegenargumente gibt, wird man die Marken alphabetisch auf dem Blatt anordnen,
da dies den Befragten keinen Anlass für das
Hinterfragen der Reihenfolge der Marken
liefert. Um Reihenfolgeeffekte zu vermeiden, die in Form von Primacy- und Recency-Effekten, also der Bevorzugung der ersten und letzten Elemente, mehrfach empirisch nachgewiesen wurden, geschieht die
Vorlage meist nicht in Form von senkrechten Listen sondern durch waagrechte Anordnung der Marken auf einem Blatt. Dass
auch diese Vorgangsweise zu unerwünschten Effekten führt, zeigen die Ergebnisse ei-
Abb. 2
Skalenexperiment 2 mit unterschiedlicher Gerichtetheit
Attraktivität von Handelsunternehmen als Arbeitgeber
Im Rahmen von Studie 2 wurden im
Mai 2005 insgesamt 485 face-to-face Interviews mit Befragten aus den drei Zielgruppen Lehrlinge, Management-Nachwuchs
und Verkaufspersonal durchgeführt (Bukovics/Falter 2005). Um einen Einfluss der
Gerichtetheit der Skala auf die Beurteilung
wichtiger Erhebungstatbestände zu überprüfen, wurden jeweils zwei strukturgleichen Teilstichproben aus den beiden Zielgruppen Management-Nachwuchs und
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
53
Service
Zwei strukturgleiche Teilstichproben
wurden mit den beiden unterschiedlichen
Skalenvarianten konfrontiert. Die Ergebnisse zeigen bei einer Fülle an Erhebungstatbeständen (Kauf- und Nutzungsfrequenz, subjektiv empfundene Ähnlichkeit
von Marken, Kaufwahrscheinlichkeit,
Werbeintensität, Selbstimage der Befragten, Einstellungsmessung, usw.) einen
durchgängigen Befund: Mit Variante B (0
- 8) werden in rund 16% aller durchgeführten Tests höhere Werte erzielt. Erklärt
werden kann dies durch den Extremwert
Null, der zu einem Fluchtverhalten und damit zu einer Tendenz zur anderen Seite der
Skala führt. Dies gilt insbesondere für ältere Personen und Personen ohne
Matura/Abitur. Darüber hinaus gibt es eine geschlechtsspezifische Sensitivität, die
aber je nach Erhebungstatbestand unterschiedlich gerichtet ist. Eine Skala mit dem
Endpunkt Null sollte deshalb nur dann eingesetzt werden, wenn der Wert „0“ tatsächlich für „kaufe ich nie oder verwende ich
nie“ steht und nicht für die häufig anzutreffende Verbalisierung „trifft überhaupt
nicht zu“ (Reinauer/Seewald 2005, S. 149).
MAFO-Splitter
ner Studie. Im November und Dezember
2005 wurden 100 persönliche Interviews
mit Besitzern von Digitalkameras durchgeführt. Neben zahlreichen anderen Erhebungstatbeständen wurde auch das Image
von sieben Digitalkameramarken anhand
von Wörtern (verbal) und Bildern (nonverbal) erhoben. Zu diesem Zweck wurden den
Befragten insgesamt 24 Wortreize und 28
Bilder vorgelegt, die nominal auf eine Marke, auf mehrere Marken oder auf keine Marke zugeordnet werden konnten. Obwohl
sich die nonverbale Imagemessung in zahlreichen Anwendungsbereichen bewährt
hat, so z.B. in der Länderimageforschung
(Schweiger 1992) und zur Erhebung von
Images in zahlreichen Produktgruppen
(Mayerhofer 1995), erweist sich die Verwendung von Bildern in der Produktgruppe Kameras und Fotoapparate erneut als
nicht unproblematisch (Slach/Mayerhofer
1993). Dies äußerst sich in geringen Zuordnungen mancher Bilder auf die vorgelegten
Marken und/oder hohen Zuordnungen auf
die beiden Ausweichkategorien „weiß
nicht“ oder „trifft auf keine Marken zu“.
Um so schwer wiegender ist das Ergebnis
des folgenden Experiments zu werten. Zwei
strukturgleichen Teilstichproben wurden
die sieben Marken in unterschiedlichen Anordnungen vorgelegt: In Variante A waren
die Marken alphabetisch aufsteigend (von
Canon bis Sony) und in Variante B absteigend (von Sony bis Canon) angeordnet (vgl.
Wimmer 2006, S. 281 und Abbildung 3).
Für die starke Marke Sony und die eher
schwächere Marke Pentax wurde überprüft,
ob es durch die unterschiedliche Platzierung
zu Unterschieden in der Zuordnung von
Wort- und Bildreizen kommt. Auf beide
Marken werden in der „vorne“ Platzierung
signifikant häufiger negative Items wie z.B.
das Wort Reparaturanfällig oder das Bild
mit Pensionisten als Markenverwender und
in der „hinten“ Platzierung signifikant mehr
positive Items (Erotik, Sympathische Marke bzw. das gelungene Foto eines Hafens)
zugeordnet (vgl. Wimmer 2006, S. 197).
Abb. 3
54
Es gibt somit einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Reihenfolge der
Anordnung der Markenlogos und der Markenbeurteilung. Die Beurteilung der Marke fällt besser aus, wenn der Markenname
bzw. das Markenlogo weiter hinten angeordnet ist.
Resümee
In Studie 1 werden in rund 16% aller
durchgeführten Tests höhere Werte mit einer Skala von 0 bis 8 im Vergleich zu einer
Skala von 1 bis 9 erzielt. Erklärt werden
kann dies durch den Extremwert Null, der
zu einem Fluchtverhalten und damit zu einer Tendenz zur anderen Seite der Skala
führt. Eine Skala mit dem Endpunkt Null
sollte deshalb nur dann eingesetzt werden,
wenn der Wert „0“ tatsächlich für „kaufe
ich nie oder verwende ich nie“ steht und
nicht für die häufig anzutreffende Verbalisierung „trifft überhaupt nicht zu“. In Studie 2 sprechen alle Befunde für eine Skala,
deren niedrigster Endpunkt mit der geringeren Zustimmung verbalisiert ist und gegen eine Skala, die sich an Schulnoten orientiert und niedrigere Werte demnach eine
höhere Zustimmung zum Ausdruck bringen. Studie 3 belegt einen Einfluss der An ordnung von Marken einer Bildvorlage auf
deren Beurteilung. Der letzte Befund
spricht für die planmäßige Variation der
Beurteilungsobjekte auf der vorgelegten
Skala oder eine Randomisierung der Anordnung, wie dies bei Befragungen mit
Computerunterstützung (CAPI) oder Online Befragungen leicht möglich ist.
Literatur
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für den Absatzmarkt Österreich anhand verbaler und
nonverbaler Indikatoren unter dem Aspekt der digitalen
Revolution, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität
Wien.
Blatt mit Markenlogos zur Imagemessung
transfer
„Römerquelle“
1/1, 4c
„Wiener Städtische“
1/1, 4c
Ü BERPRÜFUNG V O N
E INFLÜSSEN
Um den Einfluss einer oder mehrerer kategorialer Größen auf eine, auf metrischem
Niveau gemessene Variable in einem Experiment feststellen zu können, wird die
Varianzanalyse eingesetzt. Vor der Anwendung dieses statistischen Verfahrens sind
folgende Fragen zu klären:
1. Zwischen welchen und wie vielen Größen wird ein Einfluss vermutet?
2. Unter welchen Vorraussetzungen ist die Anwendung der Varianzanalyse möglich?
3. Welche Alternative zur Varianzanalyse steht zur Verfügung?
MAG. FLORIAN KEUSCH
Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung
Wirtschaftsuniversität Wien
[email protected]
M it Hilfe von experimentellen Designs lassen sich fol-
Zum Heraustrennen und Sammeln
gende theoretischen Fragen statistisch überprüfen:
- Hat die Höhe der Warenplatzierung im Regal (niedrigmittel-hoch) einen Einfluss auf die verkaufte Menge?
- Beeinflusst die Gestaltung einer Anzeige (Verhältnis
von Text- und Bildelementen), die Platzierung in einem
Magazin (links/ rechts, vorne/mitte/hinten) oder beides
die Betrachtungsdauer?
Im ersten Fall spricht man von einer einfaktoriellen Varianzanalyse. Wird, so wie im zweiten Beispiel, ein Einfluss von zwei oder mehreren unabhängigen Variablen (Art
der Anzeigengestaltung und Platzierung der Anzeige) auf
eine metrische Größe (Betrachtungsdauer in Sekunden)
unterstellt, so handelt es sich um eine zwei- bzw. mehrfaktorielle Varianzanalyse. Diese Art der Varianzanalyse eignet sich besonders gut zur Prüfung von Interaktionseffekten zwischen mehreren unabhängigen Variablen. Vorraussetzung für die Anwendung der Varianzanalyse sind Normalverteilung und Varianzhomogenität in den untersuchten
Teilstichproben, sowie die Messung der interessierenden
Variablen (Betrachtungsdauer, verkaufte Menge) zumindest auf Intervallskalenniveau. Sind diese Bedingungen
nicht erfüllt, so wird als Alternative der H-Test von Kruskal
und Wallis herangezogen.
Anwendungsbeispiel
Im Dezember 2005 wurden insgesamt 100 Besitzer von
Digitalkameras mittels face-to-face-Interviews befragt.
Unter anderem wurden die Auskunftspersonen anhand
ihrer Fotografierhäufigkeit ("Wie oft fotografieren Sie im
Durchschnitt mit Ihrer Digitalkamera?") in drei Gruppen
eingeteilt. Die "Gelegenheits-Fotografierer" (n=36) benut-
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
teil7
zen ihre Digitalkammera höchstens einmal im Monat. In
der Gruppe der "Durchschnitts-Fotografierer" (n=30) greift
man mehrmals im Monat zur Kamera und die "Viel-Fotografierer" (n=27) verwenden ihre Digicams mindestens
einmal in der Woche. Im Durchschnitt gibt jeder Digitalkamera-Besitzer pro Jahr an die 62 Euro (y=61,99) für das
Fotografieren (z.B. für Kamerazubehör, Fotoausarbeitung,
Druckerpatronen, Speichermedien etc.) aus.
Mit Hilfe einer einfaktoriellen Varianzanalyse soll nun
folgende Hypothese überprüft werden:
H1: Die Häufigkeit des Fotografierens hat einen signifikanten Einfluss auf die jährlich ausgegebene Menge
an Geld für das Fotografieren mit der Digitalkamera.
In einem ersten Schritt werden nun die Mittelwerte für
die drei Gruppen der "Gelegenheits-" (y1=45,14), "Durchschnitts-" (y2=53,33) und "Viel-Fotografierer" (y3=94,07)
berechnet. Um zu überprüfen, ob die Fotografierhäufigkeit
einen Einfluss auf die monetären Ausgaben hat, werden
andere Einflüsse, die durch die Annahme in H1 nicht erfasst werden, getrennt. Dies geschieht durch Berechnung
der Abweichungsquadrate für jeden einzelnen beobachteten Wert, wobei die Gesamtabweichung SSy, der durch den
Einfluss der Fotografierhäufigkeit erklärten Abweichung
SSx plus der nicht erklärten Abweichung durch andere
Einflüsse SSerror entspricht:
n
SS y = ∑ ( yi − y ) 2 = (70 − 61,99) 2 + K = 595807,0
i =1
c
SS x = ∑ k ( y j − y ) 2 = ( 45,14 − 61,99) 2 + K = 40264,2
j =1
c
k
j
i
SS error = ∑∑ ( yij − y j ) 2 = (70 − 45,14) 2 + K = 555542,8
SS y = SS x + SS error = 40264,2 + 555542,8 = 595807,0
57
einBLICK
mit :
yi K individuelle Beobachtung
y j K Mittelwert für Kategorie j
y K Mittelwert der gesamten Stichprobe
k K Beobachtungen pro Gruppe
c K Anzahl der Gruppen
Durch eine Gegenüberstellung der durch die Fotografierhäufigkeit erklärten Abweichung SSx mit der Gesamtabweichung SSy lässt sich die Stärke des Einflusses der
unabhängigen Variable messen. In diesem Fall werden nur
knapp 7% der Abweichung der jährlichen Ausgaben für das
Fotografieren mit der Digitalkamera durch die unterschiedliche Fotografierhäufigkeit erklärt.
η2 =
SS x
40264,2
=
= 0,0676
SS y 595807,0
Abschließend wird ein Signifikanztest durchgeführt,
wobei von der Gültigkeit der Nullhypothese (es gibt keinen
signifikanten Einfluss) ausgegangen wird. Dazu wird ein
empirischer F-Wert als Verhältnis zwischen der mittleren
quadratischen Abweichung zwischen den Gruppen MSx
und der mittleren quadratischen Abweichung innerhalb der
Gruppen MSerror berechnet:
SS x 40264,2
=
= 20132,1
c −1
3 −1
SS
555542,8
MSerror = error =
= 6172,7
n−c
93 − 3
MS x
20132,1
Femp =
=
= 3,261
MS error 6172,7
H-Test von Kruskal und Wallis
Im Rahmen derselben Erhebung wurden die Auskunftspersonen gebeten, sieben Digitalkameramarken nach ihrer
Kaufwahrscheinlichkeit zu reihen. Anhand folgender
Hypothese soll geprüft werden, ob das Alter (in drei
Gruppen 15-18 Jahre, 19-30 Jahre, 31-50 Jahre) einen Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit der Digitalkameramarke Konica-Minolta hat:
H2: Ältere Personen können sich den Kauf einer Digitalkamera von Konica-Minolta eher vorstellen, als jüngere
Personen.
Sowohl die Verteilung der Antworten, als auch der Kolmogorov-Smirnov-Test zeigen, dass in diesem Fall keine
Normalverteilung vorliegt. Da auch die Erhebung der interessierenden Variable mittels Rangreihung (= Ordinalskala)
vorgenomen wurde, wird der nicht-parametrische H-Test
von Kruskal und Wallis angewandt.
Dazu wird aus den Daten der drei Gruppen eine gemeinsame Rangreihung von 1 bis 93 gebildet und die Rangsummen für die einzelnen Altersgruppen gebildet (R1=873,
R2=1708, R3=1697). Zur genauen Berechnung der
Rangwerte siehe Siegel (1997). Danach wird ein H-Wert
berechnet:
2
H=
MS x =
Der empirische F-Wert, wird mit einem tabellarischen
Wert der F-Verteilung verglichen. Dazu wird ein Signifikanzniveau von 95% (Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%)
gewählt und die Freiheitsgrade (Degrees of freedom, df)
bestimmt.
df = n − c = 93 − 3 = 90
n K Gesamtstichprobengröße
c K Anzahl der Gruppen
Da der kritische Wert aus der F-Verteilung in diesem
Beispiel mit 2,7 kleiner ist als der berechnete (3,261), kann
die Hypothese angenommen werden. Es gibt einen signifikanten Einfluss der Fotografierhäufigkeit auf die Ausgaben für das Fotografieren. Ein Vergleich der Mittelwerte
zeigt, dass "Gelegenheits-Fotografierer" (y1=45,14) und
"Durchschnitts-Fotografierer" (y2=53,33) weniger Geld
ausgeben als "Viel-Fotografierer" (y3=94,07).
58
=
k R
12
⋅ ∑ j − 3( N + 1) =
N ⋅ ( N + 1) j =1 n j
 (873)2 (1708)2 (1697 )2 
12
 − 3 ⋅ (92 + 1) = 1,09
⋅ 
+
+
92 ⋅ (92 + 1)  17
36
39 
mit :
N KGesamtstichprobengröße
R j K Rangsumme in der Gruppe j
n j KTeilstichprobengröße in der Gruppe j
Ein Vergleich des beobachteten H-Werts mit dem Wert
der entsprechenden Tabelle zeigt, dass die mit dem beobachteten Wert von H verbundene Wahrscheinlichkeit von
30% eindeutig geringer ist, als das gewählte Signifikanzniveau von 95% und H2 daher verworfen werden muss. Es
gibt also keinen signifikanten Einfluss des Alters auf die
Kaufpräferenz der Marke Konica-Minolta.
Literaturempfehlung:
Churchill, G. A./Iacobucci, D. (2002): Marketing Research.
Methodological Fundaments, Eighth Ed. Mason: Thomson
South-Western.
Siegel, S. (1997): Nichtparametrische statistische Methoden, 4., Auflage. Eschborn: Verlag Klotz.
Zikmund, W. G. (2000): Business Research Methods, Sixth
Ed. Fort Worth: The Dryden-Press.
transfer
„Standard“
1/1, 4c
Literaturservice
Rezensenten:
Mag. Robert Madas (rm), Institut für Werbewissenschaft und Marktforschung (o. Univ. Prof. Dr. Günter
Schweiger) an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Mag. Florian Keusch (fk), Österreichische Werbewissenschaftliche Gesellschaft, Wien.
Legende:
0:
+:
++:
+++:
keine Eignung
Anregungen
gute Eignung
perfekte Eignung
Waldemar PFÖRTSCH, Indrajanto MÜLLER:
DIE MARKE IN DER MARKE
Bedeutung und Macht des Ingredient Branding
Berlin, Heidelberg, New York: Springer
2006. XXII, 204 S., 68 Illus., Geb.
EUR 39,95
ISBN 3-540-30057-0
tegie. Pförtsch und Müller führen den neuen Begriff „InBranding“ ein, um Verwechslungen mit dem Co-Branding zu vermeiden. In den Grundlagen beschäftigen sich
die Autoren zunächst mit den Bedingungen sowie den
Chancen und Risiken des „InBranding“ aus Sicht der
Vorproduktehersteller und -nachfrager.
Im Mittelpunkt des Buches stehen jedoch Erfolgsbeispiele aus unterschiedlichen Branchen. Neben der Erfolgsgeschichte von Intel Inside beschreiben die Autoren ausführlich die Strategien und Branding-Umsetzungen von Marken wie Gore-Tex, NutraSweet oder Dolby
Digital. Darauf aufbauend widmen sich Pförtsch und
Müller der Markenbewertung bei „InBrands“, indem sie
die Brand Scorecard genauer beschreiben.
Die Stärke des Buches liegt in der genau Darstellung erfolgreicher Ingredient Brands und bietet somit besonders Marketing-Praktikern wertvolle Hinweise zur Einführung und Umsetzung von „InBranding“-Strategien.
(rm)
Nutzen des Buches für:
Wissenschaft:
Lehre:
Praxis:
+
++
+++
Nicholas ADJOURI, Petr STASTNY:
SPORT-BRANDING
Mit Sport-Sponsoring zum Markenerfolg
Wiesbaden: Gabler
2006. 272 S. Geb.
EUR 52,ISBN 3-409-14269-X
Pförtsch und Müller beschäftigen sich in ihrem Buch mit
der zunehmenden Bedeutung der Markenführung für
Zulieferer. Ausgehend von den theoretischen Grundlagen führen die Autoren eine Vielzahl von Beispielen aus
der Praxis an. Ziel ist es, neben der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes, vor allem eine Hilfestellung
zur Strategie-Umsetzung beim Ingredient Branding zu
geben.
Das Buch gliedert sich in acht Kapitel und führt von den
Grundlagen des Ingredient Branding über Erfolgsbeispiele bis zu Bewertung und Perspektiven dieser Stra-
60
Dass Sport und Wirtschaft in der heutigen Zeit eine immer engere Verknüpfung eingehen, ist hinlänglich bekannt und auch dass Sponsoring in vielen Bereichen des
Spitzen- aber auch des Breitensports mittlerweile gängige Praxis ist, dürfte ebenfalls keine Neuigkeit sein. Die
Autoren beschäftigen sich in ihrem Werk aber mit einem Aspekt, der über die übliche Beschreibung von
Sport-Sponsoring hinausgeht, dem so genannten SportBranding. Sie meinen damit eine Beziehung zwischen
beispielsweise einem Sportler, Verein oder Event und
einer Marke, die sich durch eine langfristige, intensive
und erfolgreiche Partnerschaft, zwischen zwei gleich-
berechtigten Partnern auszeichnet, auf Vertrauen beruht und in der gemeinsame strategische Ziele verfolgt
werden.
Das Buch ist in drei große Kapitel unterteilt, wobei anfangs die Begriffe Sport-Sponsoring und Sport-Branding
voneinander abgegrenzt werden und die Beziehung zum
Markenmanagement hergestellt wird. Teil zwei beginnt
mit einer ausführlichen Analyse der Marke FC Wacker
Tirol (österreichischer Fußballklub) und beschreibt so
Schritt für Schritt die Vorgehensweise bei der Markenanalyse im Sport. Danach werden kürzere Fallbeispiele
des Sport-Brandings in den Bereichen Event (u.a. Tour
de France), Mannschaft (u.a. Manchester United), Verband, Liga (u.a. Formel 1), Sport-Persönlichkeit (Michael Schumacher und Franz Beckenbauer) und Markenunternehmen am Beispiel Obi und Rolex dargestellt. Abschließend wird ein Leitfaden zur Umsetzung des SportBrandings in der Praxis angeboten.
Als eine besonders reizvolle Lektüre erscheint dieses
Buch für Praktiker aus Sport und Wirtschaft, die mit dem
Thema Sport-Sponsoring zu tun haben. Ohne auf eine
theoretische Fundierung zu verzichten, erklärt es auf
pragmatische Weise den Sinn einer langfristigen, fairen
und gefestigten Verbindung zwischen Sport und Wirtschaft und gibt nicht zuletzt durch die besonders anschaulichen Beispiele gute Ideen für die praktische Umsetzung.
(fk)
Nutzen des Buches für:
Wissenschaft:
Lehre:
Praxis:
+
+
+++
Anita ZEDNIK, Andreas STREBINGER:
MARKEN-MODELLE DER PRAXIS
Darstellung, Analyse und kritische Würdigung
Schriftenreihe Werbe- und Markenforschung,
Schweiger G. (Hrsg.)
Wiesbaden: DUV
2005. XV, 240 S. Mit 67 Abb. und 27 Tab., Br.
EUR 49,90
ISBN 3-8350-0063-2
transfer
Das vorgegebene Ziel dieses, als erster Band in der von
Professor Günter Schweiger herausgegebenen Schriftenreihe „Werbe- und Markenforschung“ erschienenen,
Buches ist es, erstens einen ausführlichen Überblick
über die aktuellen Marken-Modelle der Praxis zu geben,
zweitens auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen hinzuweisen und drittens
die Modelle in Hinblick auf die Methodik in der Erhebung
und der Analyse kritisch zu betrachten.
Nutzen des Buches für:
Wissenschaft:
Lehre:
Praxis:
++
++
++
Werbeforschung & Praxis 2+3/2006
Im vorliegenden Werk beschäftigt sich der Historiker und
Kommunikationswissenschafter Professor Gries mit
dem Zusammenspiel zwischen Produkten bzw. Produktkommunikation und Politik bzw. politische Propaganda. Dabei wird die Wechselwirkung der beiden Komponenten in den vergangenen 150 Jahren in Deutschland und Österreich genauer unter die Lupe genommen.
Vom offensichtlichen Missbrauch der Produktkommunikation für politische Zwecke in den Jahren des Krieges bis hin zur Produktwerbung heute, die auch dann
noch politische Dimensionen haben kann, wenn sie
nicht offen mit politischen Symbolen und Lösungen argumentiert, werden eine Vielzahl von Beispielen und
Hintergründen für die Verschmelzung von Produkten
und Politik beleuchtet.
Im ersten Teil des Buches bezeichnet der Autor Markenprodukte als Medien der Moderne, wobei Produktkommunikation mehr ist als nur einfache Produktwerbung. Über eine Verknüpfung von Produkten und deren
Geschichte kann Vertrauen in Staat und Gesellschaft geschaffen und käuflich erworben werden. Abschnitt zwei
beschäftigt sich mit Propaganda und politischem Missbrauch von Produkten und deren Kommunikation. Beginnend mit dem „deutsch-französischen ChampagnerScharmützel“, über Propaganda im ersten Weltkrieg und
zu Zeiten des Austrofaschismus bis zur „Deutschen
Werbung“ unter den Nationalsozialisten wird gezeigt,
wie gefährlich die Verschmelzung von Produkt- und Politikkommunikation sein kann. Kapitel drei behandelt die
Werbegeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und stellt einen Vergleich zwischen der Entwicklung in der BRD und DDR an.
Die Stärke des Buches liegt in der deutlichen Offenlegung der Verknüpfungen zwischen Produktkommunikation und politischer Propaganda, wobei besonders die
plakativen Beispiele aus allen Teilabschnitten des letz-
ten Jahrhunderts die (Produkt-)Geschichte gut fassbar
machen. Vor allem historisch interessierten Studenten,
aber auch Praktikern ist dieses Buch zu empfehlen.
(fk)
Nutzen des Buches für:
Wissenschaft:
Lehre:
Praxis:
+
++
++
Manfred BRUHN:
MARKETING FÜR NONPROFIT-ORGANISATIONEN
Grundlagen - Konzepte - Instrumente
herausgegeben von Diller, H. / Köhler, R.
1. Aufl., Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer
2005. 550 S., 163 Abb. s/w, 8 Tab. s/w
EUR 39,ISBN 3-17-018281-1
Service
Dazu gliedert sich das Werk in vier Teilbereiche. Zuerst
werden theoretische Aspekte zum Thema Marke und ihrer ständig steigenden Bedeutung abgeklärt. Dazu wird
unter anderem die Aufgabe der Markenführung in der
Praxis beleuchtet und definiert, was unter einem Marken-Modell zu verstehen ist. Als nächster Schritt wird
erklärt, wie bei der Recherche und Analyse der Markenmodelle vorgegangen wurde, wobei besonders auf
die daraus resultierende, äußerst umfangreiche und insgesamt 88 Marken-Modelle von 42 verschiedenen Anbietern umfassende Liste hingewiesen werden muss.
Jene 48 Modelle, zu denen ausreichend Information vorhanden war (darunter das Brand Performance System
von A.C.Nielsen/Konzept & Markt, der Brand Equity Evaluator von BBDO Consulting oder das Markensteuerrad
von Icon brand navigation), wurden anschließend nach
den Gesichtspunkten Datengewinnung, Dateninhalt und
Modelloutput zu sechs Modellgruppen zusammengefasst. Abschließend werden die einzelnen Modelle besprochen und kritisch gewürdigt.
Die besondere Stärke dieses Buches liegt sicherlich in
der äußerst ausführlichen Darstellung der in der Praxis
gängigen Marken-Modelle und der detaillierten Beleuchtung ihrer Vor- und Nachteile. Somit wird nicht nur
interessierten Studenten ein hervorragender Überblick
über das Thema ermöglicht, sondern es werden vor allem Marken-Führungskräften praktische Entscheidungshilfen bei der Wahl zwischen verschiedenen Modellen angeboten.
(fk)
Rainer GRIES:
PRODUKTE & POLITIK
Zur Kultur- und Politikgeschichte der Produktkommunikation
Wien: WUV
2006. 176 S., broschiert
EUR 14,90
ISBN 3-85114-980-7
Manfred Bruhn beschäftigt sich vor dem Hintergrund
des zunehmenden Wettbewerbs im Nonprofit-Sektor
mit der immer stärkeren Marktorientierung von Nonprofit-Organisationen. Der Autor versucht dabei, nicht
nur das klassische Marketing zu übertragen, sondern
einen ganzheitlichen Ansatz für Nonprofit-Organisationen zu finden. Ausgehend von den Besonderheiten sozialer Dienstleistungsorganisationen zeigt Bruhn anhand von vielen Beispielen die wichtigsten Aktivitäten
eines erfolgreichen Marketings für Nonprofit-Organisationen auf.
Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel und spannt darin den Bogen von der Notwendigkeit des Marketings
über die strategische Marketingplanung bis zum Marketing-Controlling im Nonprofit-Sektor. Abschließend
geht Bruhn auf die Zukunftsperspektiven des Faches
ein, indem er verschiedene Thesen diskutiert.
Im Mittelpunkt des Buches steht der Einsatz von Marketinginstrumenten für Nonprofit-Organisationen, der
durch eine Vielzahl von Beispielen verdeutlicht wird.
Bruhn stellt zwar auch empirische Ergebnisse zum Nonprofit-Marketing dar, die Stärke des Buches liegt jedoch
eindeutig in der Verknüpfung von theoretischen Grundlagen mit praktischen Anwendungen. Besonders für
Praktiker finden sich wertvolle Anregungen für eine ver-
61
Literaturservice
stärkte Marktorientierung. Für Wissenschaftler bietet
das Buch einen guten Überblick über die verschiedenen
Aspekte des Nonprofit-Marketings.
(rm)
Nutzen des Buches für:
Wissenschaft:
Lehre:
Praxis:
Fallstudien auf den Markt. Das vorliegende Arbeitsbuch
präsentiert anhand bekannter Unternehmen und Marken (z.B. Actimel, UCI Kinowelt, Maggi, Canon, Rewe,
Rapid Wien, Palmers und Manner) 19 Fälle aus der aktuellen österreichischen Marketingpraxis aus verschiedensten Bereichen.
+
++
+++
Udo WAGNER, Heribert REISINGER, Christopher
SCHWAND, Daniel HOPPE (Hrsg.):
FALLSTUDIEN AUS DER ÖSTERREICHISCHEN
MARKETINGPRAXIS 4
Wien: WUV Universitätsverlag
2006. 208 S., broschiert
EUR 21,80
ISBN 3-85114-967-X
Drei Jahre nach Veröffentlichung des dritten Bands der
„Fallstudien aus der österreichischen Marketingpraxis“
bringt das Herausgeberteam um Professor Wagner von
der Uni Wien erneut eine Sammlung von praktischen
tere Themengebiete, darunter Marktforschung, Konsumentenverhalten und Kommunikationspolitik. Jede Fallstudie beginnt mit einer einleitenden Darstellung des
Unternehmens und der Ausgangslage am Markt. Darauf aufbauend werden je nach Themengebiet unterschiedliche Praxiskonzepte der einzelnen Unternehmen
dargestellt. Jede Fallstudie wird mit einigen Fragen und
Diskussionspunkten zum behandelten Themengebiet
und dem präsentierten Beispiel abgerundet.
Die einzelnen Fallstudien decken das Feld Marketing in
seinen verschiedenen Facetten ausführlich ab und liefern teilweise sehr gute und aktuelle Beispiele, wie etwa die Neugestaltung des Markenauftritts von Palmers
oder die Kommunikationspolitik der Fairtrade-Initiative.
Besonders Studenten liefert das Buch einen anschaulichen Ausblick in die Marketingpraxis, es ist aber genauso für Praktiker zur Ideensammlung geeignet.
(fk)
Im Aufbau orientiert sich der Band an den einzelnen Teilbereichen des Marketings, die er schrittweise vor Augen führt. Grob sind die einzelnen Fälle in strategisches
und operatives Marketing unterteilt, danach in zehn wei-
Nutzen des Buches für:
Wissenschaft:
Lehre:
Praxis:
+
+++
++
Impressum
51.Jahrgang, 211. Folge
Herausgeber:
Österreichische Werbewissenschaftliche Gesellschaft
Augasse 2-6, 1090 Wien, Österreich
Tel. +43/1/313 36-4617, Fax +43/1/317 66 99
[email protected], http://www.wwg-online.at
Redaktion dieser Folge:
Deutsche Werbewissenschaftliche Gesellschaft e.V.
Bonner Straße 271, 50968 Köln, Deutschland
Tel.: +49/221/ 93 47 78-25, Fax: +49/221/93 47 78-8
[email protected]
Für die WWG:
o. Univ. Prof. Dr. Günter Schweiger (Chefredakteur),
a.o. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mayerhofer (stv. Chefredakteur),
beide Wirtschaftsuniversität Wien
Herausgeberbeirat:
Prof. Dr. H. Dieter Dahlhoff, Universität Kassl
PD Dr. Carsten Baumgarth, Universität Siegen
Prof. Dr. Arnold Hermanns, Universität der Bundeswehr, Neubiberg
Dr. Helene Karmasin, Institut für Motivforschung, Wien
Prof. Dr. Erich Kirchler, Universität Wien
Prof. Dr. Guido Kucsko, Rechtsanwalt in Wien
Prof. Dr. Wilfried Leven, Agentur + Leven + Hermann, Köln und Universität Trier
Prof. Dr. Hans-Peter Liebmann, Universität Graz
Prof. Dr. Josef Mazanec, Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Hans Mühlbacher, Universität Innsbruck
Prof. Dr. Bruce Newman, De Paul University, Chicago
Prof. Dr. Lutz v. Rosenstiel, Universität München
Prof. Dr. Bodo Schlegelmilch, Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Peter Schnedlitz, Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Günter Schweiger, Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Gerhard Speckbacher, Wirtschaftsuniversität Wien
Prof. Dr. Volker Trommsdorff, Technische Universität Berlin
Prof. Dipl. Ing. Dr. Gerhard Windischbauer, Veterinärmedizinische Universität Wien
Prof. Dr. Gerhard A. Wührer, Johannes Kepler Universität Linz
Für die DWG:
PD Dr. Carsten Baumgarth, Universität Siegen
62
/
Redaktion:
Mag. Florian Keusch
Verlag und Anzeigenverwaltung:
Österreichische Werbewissenschaftliche Gesellschaft
Postvertriebszeichen: G42362
Druck: Druckerei Berger, Horn
ISSN 1436-798-X, Copyright © 2006 WWG/DWG
Nachdruck von Beiträgen mit Quellenhinweis und gegen ein Belegexemplar nur
mit ausdrücklicher Genehmigung von WWG/DWG.
transfer
„Aussenwerbung“
1/1, 4c
Buch des Quartals
Buch des Quartals
Christian Bosch, Stefan
Schiel und Thomas Winder:
Emotionen im
Marketing
Verstehen - Messen - Nutzen
Schriftenreihe: Werbe- und
Markenforschung,
Schweiger G. (Hrsg.)
Wiesbaden: DUV
2006. XIII, 526 Seiten, 150
Abbildungen, kartoniert
EUR 59,90
ISBN 3-8350-0257-0
Das Buch „Emotionen im Marketing“
ist ein ungewöhnliches Werk in der
Wissenschaftslandschaft des Marketing. In der Einleitung erfährt der
Leser zum einen, daß es sich hierbei
um drei miteinander verzahnte Dissertationen handelt, die in Form von
drei Teilen zu einem Buch zusammengefaßt werden und sich mit verschiedenen Dimensionen des Themas
„markenrelevante Emotionen“ befassen. Dabei sind alle Dissertationen im
Rahmen eines kooperativen Forschungsprojektes der Wirtschaftsuniversität Wien mit einem Marktforschungsunternehmen entstanden
und haben letztendlich gemeinsam
das Ziel, eine valide Bilderskala zur
Messung von markeninduzierten
Gefühlen zu entwickeln.
Mit der Konzeption von Bilderskalen
wird
an
eine
altbewährte
Forschungstradition des Instituts für
Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität
Wien angeknüpft. Unvergessen sind
nach wie vor die exzellenten Studien
zur nonverbalen Imagemessung von
Län-dern, die in den 80er Jahren von
Prof. Schweiger durchgeführt worden
sind. Zum anderen ist im Vorwort des
Herausgebers zu lesen, daß sich das
Buch in erster Linie an „Marketingpraktiker in markenführenden Unternehmen“ richtet, für die emotionale
Differenzierung eine „effektive Positionierungsstrategie“ darstellt.
Prof. Dr. Andrea Gröppel-Klein,
Direktorin des Instituts für Konsumund Verhaltensforschung,
Universität des Saarlandes
[email protected]
Es wird also die hohe Erwartungshaltung geweckt, eine Arbeit lesen zu
können, die den „State of the Art“ der
Emotionsforschung beinhaltet, ein
vielversprechendes Messinstrument
entwickelt und sich zudem durch
hohe Praxisrelevanz auszeichnet.
Soviel sei an der Stelle bereits vermerkt, der Leser wird keineswegs
enttäuscht! Insgesamt handelt es sich
um ein sehr facettenhaltiges Werk,
das in den einzelnen Abschnitten mal
stärker die Bedürfnisse der Lehre,
mal die des Wissenschaftlers und mal
die der Praxis anspricht.
Der erste Teil der Arbeit (von Thomas
Winder) liefert einen sehr guten
Überblick über klassische Emotionstheorien und beschäftigt sich ausführlich mit der Konzeption von
Plutchik (1980). Zudem geht der
Autor auch auf die neurologisch
geprägte Theorie von Le Doux (1996)
ein und berichtet von der grundsätzlichen Divergenz aktivierungs- versus
kognitionsdominanter Emotionstheorien. Dieser Aspekt wird übrigens im
dritten Teil von Christian Bosch
nochmals aufgegriffen und unter dem
Stichwort „Zajonc-Lazarus“-Kontroverse vertieft behandelt und komplettiert den Forschungsstand zum Emotionskonstrukt. Ausgehend von
Plutchiks Theorie zeigt der erste Teil
auch, welche Gefühlskategorien
„markenrelevant“ sind. Dabei wurde
ein standardisierter Pool von Bildsti-
muli verwendet und erläutert, warum
dieses nonverbale Meßinstrument
den gängigen verbalen Verfahren zur
Emotionsmessung überlegen ist,
auch wenn die Konzeption einer solchen Skala sehr aufwendig ist.
Mit Hilfe einer spezifischen Variante
des Repertory Grid Verfahrens zeigt
Stefan Schiel im zweiten Teil der
Arbeit detailliert auf, wie eine branchenübergreifende Bilderskala entwickelt werden kann. Dieser Teil ist
vor allem für den praxisorientierten
Marktforscher von Interesse. Last but
not least hält die nonverbale Emotionsmessung auch den wissenschaftlichen Gütekriterienprüfungen
stand, wie im dritten Teil des Werkes
noch einmal kompetent dargelegt
wird. Dieser Teil der Arbeit zeichnet
sich zudem durch eine intensive und
sehr gelungene Beschäftigung mit
dem Prozeß der visuellen Wahrnehmung aus, eine Thematik, die bisher
- auch in der verhaltenswissenschaftlichen Marketingliteratur - vernachlässigt wurde und den Wissenschaftler sehr interessieren sollte. Somit
wird dem Leser eine Bilderskala zur
Emotionsmessung im Marketing präsentiert, deren Vorzüge theoretisch
abgeleitet und deren Eignung empirisch geprüft wurde. Diese Skala wird
in der zukünftigen Marktforschungspraxis sicherlich gewinnbringend eingesetzt werden können.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.wwgonline.at
Hinweis: Beiträge in der Rubrik „Forschung“ sind in einer Doppelblind-Begutachtung jeweils von einem Wissenschafter und einem
Praktiker bewertet und für die Veröffentlichung in transfer - Werbeforschung & Praxis empfohlen worden. Veröffentlichungen in der
Rubrik „Praxis“ sind vom Herausgeber bewertet und zur Veröffentlichung empfohlen worden. Sie müssen zur Unterscheidung vom
Autor in seinen Publikationslisten mit dem Zusatz „im Praxisteil von transfer - Werbeforschung & Praxis publiziert“ geführt werden.
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