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BÜHNE
Feuer gefangen für die Theaterwelt
Filmregisseurin Bettina Oberli hat sich für ihre erste
Theaterarbeit ein umfangreiches Romanepos ausgesucht: Im Theater Basel inszeniert sie Leo Tolstois
«Anna Karenina». Ein Gespräch über den Klassiker
mit Soap-Charakter und ihre Erfahrungen als Filmerin
im Theatermilieu.
Mit ihrer neusten Regiearbeit begibt sich Bettina Oberli aufs
Glatteis. Die 40-jährige Regisseurin, die mit den Filmen «Die
Herbstzeitlosen» und «Tannöd»
Erfolge feierte, ist im eater eine
Newcomerin. «Ich habe mir lange
überlegt, ob ich ins kalte Wasser
springen soll. Mit dem erfahrenen
eaterteam fühle ich mich nun
getragen», sagt sie in einer Probenpause in der Kantine des
eater Basel.
Der Stoff hat sie überzeugt. Besonders spannend findet Oberli
an «Anna Karenina» die Protagonistin, die sich aus einer männerdominierten Welt zu befreien versucht. Ein ema, das die feingliedrige Regisseurin von ihrer
Arbeit im Filmbusiness selber
kennt, wo Regie führende Frauen
selten sind. Aufgefallen ist ihr
auch die Aktualität des Romans
aus dem 19. Jahrhundert: «Es geht
um das Grunddilemma des modernen Menschen, der aus zig Lebensentwürfen auswählen kann.»
Oberli übernimmt diesen zeitlosen Ansatz in ihrer Inszenierung,
die kein Kostümtheater werden
soll, wie sie betont. Beim Bühnenbild und bei den Kostümen
wird es nur andeutungsweise Bezüge zum 19. Jahrhundert geben.
Bettina Oberli will den «fast
soap-mässigen» Sog des Romans
auf die Bühne übertragen. Dazu
bedient sie sich der reduzierten
Fassung von Armin Petras (siehe
Box).
Mit Rapper Kutti MC
Einen besonderen Part übernimmt der poetische Berner Rapper Jürg Halter alias Kutti MC:
Er wird als Diener auf der Bühne stehen und mit seinen selbst
gedichteten, schweizerdeutschen
Texten einen Kontrast zur elitären
russischen Gesellschaft bilden.
«Kutti MC verkörpert in seiner
Rolle die schweigende Masse, die
Dienerschaft und das Volk, die
damals in der Oberschicht gar
nicht wahrgenommen wurden.»
Er gibt den Rahmen vor, in dem
«Anna Karenina» spielt: «Eine
Gesellschaft, die obsolet geworden ist und einige Jahre vor der
russischen Revolution steht», wie
Oberli anfügt.
Die Regisseurin greift im eater auf ihre Kinoerfahrungen zurück. Beim Film habe man in Sekundenschnelle die Möglichkeit,
die Perspektive zu wechseln –
etwa vom russischen Landgut
nach Moskau: «Das eater hat
zwar eine gewisse Beschränkung,
weil es nur einen Blick freigibt.
Gleichzeitig lässt es aber mit einfachsten Mitteln im Kopf der
Zuschauer Bilder entstehen»,
schwärmt sie. Die Filmerin hat
offensichtlich Feuer gefangen für
die eaterwelt.
Vorerst wird sie dennoch in ihrem gewohnten Metier bleiben:
Ihr Traum ist «eine wirklich gute
Fernsehserie», für die sie schon
Ideen habe. Zurzeit arbeitet sie
aber mit einem Co-Autor an einem Film-Drehbuch über ein
junges Bauernpaar im Jura, dessen
Beziehung das Ausmass einer griechischen Tragödie annimmt, als
sie sich in einen andern verliebt.
SUSI BODMER/EX-PRESS
Prägende Gegensätze
Bettina Oberli: Die Filmregisseurin wagt mit «Anna Karenina» den Schritt auf die Bühne
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Das Dilemma zwischen dem Bedürfnis nach Verwurzelung und
der Sehnsucht nach dem Ausbruch sind emen, die sich
durch ihr ganzes Werk ziehen.
«Tannöd», «Die Herbstzeitlosen»
oder ihr früherer Film «Im Nordwind» zeugen davon. Ihr neuster
kulturtipp 8 l 13
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TIPPS
Bühne: Bekenntnisse des
Hochstaplers Felix Krull
In seinem letzten, unvollendet
gebliebenen Roman schickt
Thomas Mann einen gerissenen Hochstapler auf Reisen.
Mit Leichtigkeit wickelt der
mittellose Felix die Reichen,
Mächtigen und Schönen um
den Finger. Regisseur Lars-Ole
Walburg hat den Schelmen roman – eine Parodie auf den
deutschen Bildungsroman –
für die Bühne bearbeitet.
als Vorlage:
Die Theaterfassung
von Armin Petras,
2008 an den Ruhrfestspielen uraufgeführt
(Szenenbild)
Drei Liebes- und Lebensentwürfe
Leo Tolstois achtteiliges Romanepos «Anna Karenina» von 1877
handelt von drei adligen, russischen Familien des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht Anna
Karenina, die mit dem Staatsbeamten Karenin eine unglückliche
Ehe führt und eine Affäre mit
dem Grafen Wronski beginnt.
Gesellschaftlich ge ächtet, findet
sie nur noch im Selbstmord die
Lösung.
Der Roman ist mit seiner universellen Frage nach dem Glück
des Einzelnen zum Klassiker
avanciert und bot Stoff für zahlreiche Filme – 2012 etwa für
«Anna Karenina» mit Keira
Knightley und Jude Law unter
der Regie von Joe Wright. Mehrfach wurde der Roman auch für
die Bühne bearbeitet. Im Theater
Basel hat man sich für die
Fassung von Armin Petras entschieden, die 2008 unter der
Regie von Jan Bosse an den
Ruhrfestspielen zur Uraufführung
gelangte (siehe Bild oben).
Petras hat das grosse Personenaufgebot auf sieben Figuren
reduziert. «Es ist ein Konzentrat
von ‹Anna Karenina› und stellt
die drei Paarkonstellationen ins
Zentrum», erklärt Regisseurin
Bettina Oberli. In ihrer Inszenierung konzentriert sie sich auf
diese drei Lebensentwürfe: Die
un glückliche Ehe, die verlogene
Ehe und die vernünftige Ehe, die
schliesslich die beständigste von
allen ist. Und über allem steht
natürlich die grosse Liebesgeschichte von Anna Karenina, die
von Anfang an unter einem
schlechten Stern steht. (bc)
Film «Lovely Louise» mit Schauspieler Stefan Kurt als 55-jähriges Muttersöhnchen und ihre
aktuelle eaterarbeit reihen
sich nahtlos in diese ematik
ein. Es sind Gegensätze, die auch
ihr eigenes Leben prägen: Aufgewachsen ist Oberli als Kind
von Entwicklungshelfern im pazifischen Inselstaat Samoa und
im bernischen Meiringen in einem offenen Elternhaus, wie sie
sagt. «Ich hatte immer das Bewusstsein, dass es noch eine an-
dere Welt gibt.» Mit 16 hat sie
das elterliche Nest verlassen und
sich nach Bern und Zürich aufgemacht, wo sie Film studierte.
Diese Leidenschaft lässt ihr
zwischen Familie und Beruf
nicht mehr viel Zeit für anderes.
Zwei Tage nach Abschluss der
Filmarbeit zu «Lovely Louise»
(ab September im Kino) hat sie
die eaterproben zu «Anna Karenina» begonnen. Die Betreuung ihrer Sechs- und Zehnjährigen teilt sie mit ihrem Gatten,
dem Kameramann Stéphane Kuthy. Und das Pendeln zwischen
ihrem Wohnort Zürich und dem
Arbeitsort Basel nutzt sie zum
Lesen. Dabei taucht sie auch mal
aus der russischen Vergangenheit
auf und widmet sich der Moderne – die Autobiografie von Steve
Jobs ist zurzeit ihre Zuglektüre.
kulturtipp 8 l 13
Babina Cathomen
Anna Karenina
Premiere: Do, 11.4., 20.00
Theater Basel
Premiere: Fr, 12.4., 20.00
Schauspielhaus Zürich
Bühne: Gelanzt, Genudelt
und Paniert
Sieben junge Theaterbegeisterte haben sich 2010 zur
freien Szene Winterthur zusammengeschlossen, um
eigene
Stücke zu
schreiben
und zu
inszenieren. Nun
feiern sie
mit der
Komödie
«Gelanzt,
Genudelt
und Pa niert» eine
weitere
Uraufführung. Sie erzählen von
Brüdern im Streit und einer
Liebe gegen jegliche Vernunft.
Premiere: Do, 18.4., 20.00
Alte Kaserne Winterthur
Weitere Auftritte:
www.freie-szene-winterthur.ch
Bühne: Der Park
Gabriel Vetter hat sich als
Slampoet einen Namen
gemacht. Nun will der neue
Hausautor des Theater Basel
zeigen, dass er Humor, Bissigkeit und Sprachakrobatik auch
in ein Theaterstück verpacken
kann. In der Uraufführung zu
«Der Park» wird die Schweiz
zum Club Med für eine gut
betuchte Kundschaft, zu
einem historischen Disneyland, abgeschottet von der Restwelt in der Krise.
Fr, 19.4., 20.00 Theater Basel
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PD
ULLSTEIN BILD/LIEBERENZ
Dient in Basel
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