Schuldrecht Besonderer Teil Vertragsverhältnisse I Univ.-Prof. Dr. Constanze Fischer-Czermak Ablauf der Vorlesung 13.10.2015 Kaufvertrag 20.10.2015 Kaufvertrag, UN-Kaufrecht, Tausch 03.11.2015 Schenkung, Verwahrung, Leihe Jeweils von 10:30 – 13:00 Uhr im U18 Vertragsverhältnisse II werden von Univ.-Prof. Dr. Christian Rabl gelesen 2 Kaufvertrag 3 Kaufvertrag Durch den Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer zur Übereignung und tatsächlichen Übergabe einer Sache und der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises (§§ 1053, 1061f ABGB) Notwendiger Inhalt: Einigung über Ware und Preis 4 Einigung – Abschlusswille • § 1054 1. Satz ABGB verweist hierzu auf die §§ 861 ff ABGB und andere allgemeine Normen des Vertragsrechts • Ware und Preis sind essentialia negotii • strittige Nebenpunkte? 5 Gegenstand des Kaufvertrags - Ware Jede Sache iSd § 285 ABGB • bewegliche und unbewegliche Sachen (Auto/Liegenschaft) • körperliche und unkörperliche Sachen (Auto/Software) • eigene und fremde Sachen • Sachgesamtheiten (Unternehmen) • künftige Sachen (Sache die erst produziert wird oder vom Verkäufer selbst gekauft werden muss (Zwischenhändler)) 6 Gegenstand des Kaufvertrags – Preis § 1054 letzter Satz ABGB • in barem Gelde – Buchgeld (§ 907a ABGB) • bestimmbar • gesetzwidrig • im Zweifel mit Umsatzsteuer • Nebenkosten 7 Form nach § 883 ABGB formfrei ausnahmsweise Formpflicht: • Kaufverträge unter Ehegatten und eingetragenen Partnern (§ 1 Abs 1 lit b NotAktsG; § 43 Abs 1 Z 11) • Erbschaftskauf (§ 1278 Abs 2 ABGB) • Kauf von GmbH Geschäftsanteilen (§ 76 Abs 2 GmbHG) • Liegenschaftskauf grds auch formfrei, aber zur Verbücherung ist eine förmliche Urkunde nach § 26 GBG erforderlich 8 Pflichten des Verkäufers - I Hauptpflicht Verschaffung von unbelastetem Eigentum und Besitz an der Kaufsache samt Zugehör 9 Pflichten des Verkäufers - II Auslegungsregeln des § 928 ABGB • Im Zweifel übernimmt der Käufer die auf einem Grundstück haftenden Lasten, sofern sie im Grundbuch ersichtlich sind • Für Schulden und Rückstände haftet stets der Verkäufer (Freistellungs- oder Depurierungspflicht) 10 Pflichten des Verkäufers - II Nebenpflichten • Sorgfältige Verwahrung bis zur Übergabe (§ 1061 ABGB) • weitere Nebenpflichten können sich aus dem Vertrag, nach § 914 aus der Natur und dem Zweck des Geschäfts sowie aus einer Verkehrssitte oder einem Handelsbrauch ergeben Verpackung der Ware, Verladung, Ausladen, Anschluss einer Waschmaschine, Ausfolgung einer Bedienungsanleitung, Einschulung 11 Pflichten des Käufers – I Hauptpflicht Kaufpreis bar oder mit Banküberweisung (§ 907a ABGB) zu bezahlen, und zwar grds Zug um Zug gegen die Übergabe und Übereignung der mangelfreien Kaufsache 12 Pflichten des Käufers – II Annahmepflicht des Käufers? Grds ist die Nichtabnahme der Kaufsache nur eine zu Annahmeverzug führende Obliegenheitsverletzung Ausnahme: der Verkäufer besitzt ein eigenständiges, bei Abschluss des Kaufvertrags erkennbares, von der Kaufpreiszahlung verschiedenes Interesse an der Abnahme (zB auf Wegschaffung der Sache) 13 Pflichten des Käufers – III Nebenpflichten des Käufers können sich aus dem Vertrag, nach § 914 aus der Natur und dem Zweck des Geschäfts sowie aus einer Verkehrssitte oder einem Handelsbrauch ergeben (zB besteht kraft Handelsbrauch die Pflicht, nicht verkaufte Emballage wieder zurückzustellen (SZ 24/344)) 14 Besondere Abwicklungsmodalitäten Ziel- oder Dauerschuldverhältnis • Sukzessivlieferungsverträge (der Verkäufer schuldet eine vereinbarte Gesamtmenge zu einem bestimmten (Stück-)Preis, wobei die Leistung in Teillieferungen erfolgen soll (zB Zeitungsabo)) • Zuleitungs- und Bezugsverträge (zB Bezug von Wasser aus dem Leitungsnetz) 15 Besondere Abwicklungsmodalitäten • Kauf auf Abruf Der Käufer hat das Recht, die Sachleistung (innerhalb eines bestimmten Zeitraumes) fällig zu stellen • Vorauszahlungskauf (Pränumerationskauf) Vorleistung der Käufers 16 Besondere Abwicklungsmodalitäten Eigentumsvorbehalt • Verfügungsgeschäft aufschiebend bedingt • Käufer wird Rechtsbesitzer mit Eigentumsanwartschaft • Publizitätslose Sicherung? Gerechtfertigt, weil das Vermögen des Käufers nicht verringert wird und der Eigentumsvorbehalt dem Zug-um-Zug Prinzip entspricht • § 1063 ABGB überholt? 17 Gefahrtragung Verweis auf die §§ 1048 ff ABGB 18 Gefahrtragung Die Preisgefahr regelt das wirtschaftliche Risiko eines zufälligen Unterganges der verkauften Sache zwischen Vertragsabschluss und Übergabe • zufälliger Untergang (oder Wertminderung um mehr als die Hälfte (§ 1048 ABGB)) • bedungene Übergabe (Fälligkeit) • wirtschaftlicher Nachteil 19 Gefahrtragung • beim Gattungskauf Bei diesem kommt es im Zeitpunkt der tatsächlichen oder bedungenen Übergabe zur Konzentration, wenn der Verkäufer eine bestimmte Sache aus der geschuldeten Gattung dem Käufer am Erfüllungsort real, im Falle einer Holschuld verbal anbietet und dieser die Sache nicht annimmt, sodass er in Gläubigerverzug gerät. • beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt Zeitpunkt der Übergabe ist maßgeblich 20 Gefahrtragung Preisgefahr • aus der Sicht des Verkäufers Der Verkäufer hat wegen des Verlustes seiner Sache keinen Anspruch auf den Kaufpreis • aus der Sicht des Käufers Der Käufer muss den Kaufpreis zahlen, ohne dass er eine Leistung erhält 21 Gefahrtragung Leistungsgefahr • aus der Sicht des Verkäufers Trägt der Verkäufer die Leistungsgefahr, muss er den Kaufgegenstand nochmals erbringen, ohne ein zweites Mal den Kaufpreis zu bekommen. • aus der Sicht des Käufers Trägt der Käufer die Leistungsgefahr, wird der Verkäufer leistungsfrei 22 Nebenabreden beim Kaufvertrag • Wiederkaufsrecht • Rückverkaufsrecht • Vorkaufsrecht • Kauf auf Probe • Verkauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers 23 Wiederkaufsrecht • Gestaltungsrecht • zweiter Kaufvertrag mit umgekehrten Parteirollen • Kaufobjekt: Liegenschaft Gattungssache? • Wiederkaufspreis (Geldentwertung?) 24 Wiederkaufsrecht • unvererblich (jur. Person?) • unübertragbar • unpfändbar • Verdinglichung möglich • nicht zulasten eines Wohnungseigentumsbewerbers (§ 38 Abs 1 Z 3 WEG) 25 Rückverkaufsrecht • Gestaltungsrecht • Verkaufsobjekt: Liegenschaft, Gattungssache und Speziessache • unvererblich • unübertragbar • Gefahrtragung • Rückverkaufsrecht als Scheingeschäft? 26 Vorkaufsrecht 27 Vorkaufsrecht • Gestaltungsrecht • Nebenabrede oder unabhängig von einem Kaufvertrag • unvererblich • unübertragbar • Kaufobjekt: unbewegliche und bewegliche Sache • Verdinglichung möglich (bei Liegenschaften) 28 Vorkaufsrecht • Vorkaufsfall • wirkliche Einlösung • Vorkaufspreis • Nebenleistungen • Beschränkungen nach dem WEG • Vorpachtrecht, Vormietrecht 29 Kauf auf Probe 30 Kauf auf Probe • bedingter Kaufvertrag • Genehmigung im Belieben des Käufers (Wollensbedingung) • Probezeit: vertraglich vereinbarte oder angemessene Frist • § 1081 ABGB: Stillschweigen gilt als Genehmigung, wenn Sache übergeben (normierte Willenserklärung) • unterscheide: „Prüfungskauf“ 31 Kauf zur Probe • unbedingter Kaufvertrag • Käufer stellt unverbindlich eine Nachbestellung in Aussicht 32 Kauf nach Probe • unbedingter Kauf • Eigenschaften des Probestücks sind zugesichert • entspricht Sache nicht der Probe: Gewährleistungsansprüche 33 Kauf mit Umtauschvorbehalt • Der Käufer kann die Sache zwar wie beim Kauf auf Probe nach Belieben zurückgeben, doch idR nur um eine andere zu erwerben. • unbedingter Kauf • Wahlrecht des Käufers aus bestimmtem Sortiment 34 Verkauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers 35 Verkauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers • aufschiebend bedingter Kaufvertrag, wenn Sache noch nicht übergeben • auflösend bedingter Kaufvertrag, wenn Sache bereits übergeben • ob Dritter „besser“ ist, entscheidet Verkäufer (Wollensbedingung) • Frist: vereinbart oder angemessen 36 Besondere Arten des Kaufs • Kreditkauf • drittfinanzierter Kauf • Spezifikationskauf • Hoffnungskauf • Erbschaftskauf 37 Kreditkauf (Kauf auf Borg) Der Kreditkauf dient dazu, dem Käufer den sofortigen Gebrauch und die Nutzung der Sache zu verschaffen, obwohl er erst später, zB in Raten, den Kaufpreis zahlt. • regelmäßig Eigentumsvorbehalt vereinbart • verlockt zu nicht leistbaren Geschäften 38 Kreditkauf (Kauf auf Borg) - VKrG ! 39 Kreditkauf (Kauf auf Borg) - VKrG Schutzbestimmungen für Verbraucher im VKrG • Anwendungsbereich §§ 1 und 4 VKrG Beträgt der Gesamtkreditbetrag weniger als € 200.- oder erfolgt die Kreditierung nur für drei Monate und fallen dabei nur geringe Kosten an, sind die §§ 4-17 VKrG nicht anwendbar (§ 4 VKrG) • relativ zwingendes Recht (§ 3 VKrG) • Informationspflichten des Verkäufers (§§ 5 ff VKrG) 40 Rücktrittsrecht des Verbrauchers nach § 12 VKrG ! 41 Rücktrittsrecht des Verbrauchers nach § 12 VKrG • innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsabschluss und Erteilung der Informationen und Vertragsbedingungen gemäß § 9 VKrG • ohne Angabe von Gründen • nur Valuta plus Zinsen zurückzuzahlen 42 Drittfinanzierter Kauf Beim drittfinanzierten Kauf wird der Kaufpreis dem Käufer nicht vom Verkäufer, sondern von einem mit diesem zusammenarbeitenden Dritten kreditiert. • Abtretungskonstruktion • Darlehenskonstruktion 43 Abtretungskonstruktion (Absatzfinanzierung) Kreditgeber (Zessionar) • Sicherungszession • Forderungskauf • vereinbarte Einlösung (§ 1422 ABGB) + Übertragung des vorbehaltenen Eigentums Verkäufer (Zedent) Ratenkauf + Drittschuldnerverständigung Käufer (debitor cessus) 44 Abtretungskonstruktion (Absatzfinanzierung) Kreditgeber Verkäufer haftet dem Finanzierer beim Kauf der Forderung nach § 1397 ABGB (Zessionar) Keine Gefahr für den Käufer, weil er die Einwendungen aus dem Kaufvertrag auch gegen den Finanzierer geltend machen kann (§ 1396 ABGB) Verkäufer (Zedent) Käufer (debitor cessus) 45 46 Darlehenskonstruktion (Konsumfinanzierung) • Kreditsumme zur Einlösung der Kaufpreisforderung (§ 1422 ABGB) an den Verkäufer ausgezahlt • Zahlung erfolgt im Auftrag des Käufers unter Kreditierung des Aufwandsersatzes nach § 1014 ABGB Kreditgeber (Zessionar) Verkäufer (Zedent) Ratenkauf + Kreditvereinbarung ist Bedingung oder Geschäftsgrundlage Käufer selbstständige Forderung aus dem Kreditvertrag (debitor cessus) 47 Darlehenskonstruktion (Konsumfinanzierung) Aufspaltungsgefahr Verkäufer (Zedent) 1. Verkäuferrechte stehen infolge der Abtretung dem Finanzierer zu Ratenkauf + Kreditvereinbarung ist Bedingung oder Geschäftsgrundlage Kreditgeber Käufer (Zessionar) (debitor cessus) 2. selbstständige Forderung aus dem Kreditvertrag oder aus § 1014 ABGB 48 Verbundene Kreditverträge Im Anwendungsbereich des VKrG • Verbraucherkredit • wirtschaftliche Einheit von Kaufvertrag und Finanzierung • Entschärfung durch den Einwendungsdurchgriff (§ 13 Abs 2 VKrG) 49 Verbundene Kreditverträge Einwendungsdurchgriff • nicht auf Leistungsstörungen beschränkt Rücktritt vom finanzierten Geschäft gilt automatisch auch als Rücktritt vom verbundenen Kreditvertrag • Rücktrittsrechte nach allgemeinem Vertragsrecht nicht erfasst • § 932 Abs 4 ABGB 50 Verbundene Kreditverträge • umgekehrter Fall zu Abs 3 • kein automatischer Wegfall des finanzierten Vertrags • binnen einer Woche ab Abgabe der Rücktrittserklärung kann auch vom finanzierten Vertrag zurückgetreten werden • Ausnahme § 13 Abs 4 l Satz, weil Vertragspartner des finanzierten Vertrags in diesem Fall meist nicht in die Finanzierung involviert ist 51 Verbundene Kreditverträge Außerhalb des VKrG • Kauf als Geschäftsgrundlage für die Finanzierung • Kauf und Finanzierung als gegenseitige Bedingung • Einwendungsdurchgriff hängt vom Parteiwillen ab • Ausschluss kann gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 ABGB sein • Analogie zu § 13 VKrG 52 Vergleich mit mittelbarem Finanzierungsleasing • ähnlicher wirtschaftlicher Hintergrund • drei Beteiligte (Händler, Leasinggeber, Leasingnehmer) • kein Vertragsverhältnis zwischen Händler und Leasingnehmer • Kaufvertrag zwischen Händler und Leasinggeber • Leasingvertrag zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer 53 Spezifikationskauf Spezifikationskauf ist der Kauf einer beweglichen Sache, bei welchem dem Käufer die nähere Bestimmung der Form, des Maßes oder ähnlicher Verhältnisse der Kaufsache vorbehalten ist. • Unterfall der Wahlschuld 54 Abgrenzung gegenüber Wahlschuld ieS • Spezifikationskauf • Wahlrecht liegt beim Käufer • Wahl innerhalb einer Gattung • Wahlschuld ieS • Wahlrecht Verkäufer oder Käufer • bei Speziesschuld Wahl zwischen verschiedenen Stücken • Wahl zwischen verschiedenen Gattungen 55 Spezifikationskauf • mindestens müssen die zu spezifizierende Menge oder deren Preis bestimmt sein • Wahlrecht des Käufers bezieht sich auf: • Formen, Abmessungen, Farben usw (Formenspezifikation) • eine von mehreren Sorten (Sortenspezifikation) 56 Verzug des Käufers beim Spezifikationskauf § 1063 ABGB verweist auf § 906 Abs 2 ABGB 57 Verzug des Käufers beim Spezifikationskauf • kein bloßer Annahmeverzug (mangels Bestimmbarkeit kann der Verkäufer nicht hinterlegen oder den Kaufpreis fordern) • Schuldnerverzug • zwei Möglichkeiten des Verkäufers: • Rücktritt unter Nachfristsetzung (Schadenersatz bei schuldhaftem Verzug) • Selbstspezifikation (Mitteilung und Frist für andere Entscheidung) • aber keine Klage auf Vornahme der Spezifikation 58 Hoffnungskauf (emptio spei) • Glücksgeschäft • Kauf der künftigen Nutzungen in Pausch und Bogen • Risiko der Quantität und Qualität • laesio enormis ausgeschlossen (§ 1268 ABGB), wenn das Missverhältnis nicht bereits Einsatz und Gewinnhoffnung betrifft • zB Kauf der zukünftigen Ernte um einen jedenfalls zu zahlenden Preis 59 Unterschiede zum Kauf einer erhofften Sache Kauf einer erhofften Sache (emptio rei speratae) Hoffnungskauf (emptio spei) 60 Unterschiede zum Kauf einer erhofften Sache • normaler Kaufvertrag • kein Glücksgeschäft • kein Quantitäts- wohl aber das Qualitätsrisiko (Verkäufer trägt das Risiko der Existenz der Sache und der Käufer muss den Preis nur unter der Bedingung des Entstehens der Sache zahlen) • zB Kauf des Fohlens einer tragenden Stute; Kauf von 200 kg der künftigen Ernte 61 Abgrenzung zum Kauf einer erhofften Sache Unterschied besteht nicht im Kaufgegenstand, sondern in der vom Parteiwillen und dem Geschäftszweck getragenen, durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Rechtsfolgenvereinbarung (Vertragsauslegung). • im Zweifel Kauf einer erhofften Sache • Vorauszahlung des Kaufpreises indiziert einen Hoffnungskauf 62 Erbschaftskauf • §§ 1278 ff ABGB • Kauf des Erbrechts zwischen Erbanfall und Einantwortung • Notariatsakt oder gerichtliches Protokoll 63