Hintergrundinformationen Exorzismus 1. Was ist ein Exorzismus „Wenn die Kirche mit ihrer Autorität im Namen Jesu darum betet, dass eine Person oder ein Gegenstand vor dem Einfluss des Bösen beschützt oder seiner Herrschaft entzogen wird, handelt es sich um einen Exorzismus. In gewöhnlicher Form wird der Exorzismus im Taufritus vollzogen. Der feierliche, so genannte Große Exorzismus darf nur von einem durch den Bischof bevollmächtigten Priester vorgenommen werden.“ Katechismus der Katholischen Kirche, Kompendium, Bonn 2005, Frage 352. Die rituelle Verbannung bzw. die Vertreibung böser Mächte aus Personen, Lebewesen oder Gegenständen gibt es in verschiedenen Kulturen. Diese sollen der ganzheitlichen Reinigung und Heilung dienen. Das Wort stammt vom griechischen Begriff ‚exorkizein’ ab und bedeutet etwa ‚herausbeschwören’. 2. Der Exorzismus in der katholischen Kirche Die katholische Kirche versteht unter dem Begriff eine Bitte an Gott, den Menschen von der Macht des Bösen zu befreien. Dazu kann unter Umständen auch ein im Namen Jesu Christi an den Teufel gerichteter Befehl, den Betroffenen zu verlassen, gehören. Die Vollmacht zum Vollzug des Exorzismus leitet die Kirche aus dem Neuen Testament ab. Die Kirche unterscheidet zwischen dem kleinen Exorzismus und dem so genannten Großen Exorzismus. Beide gehören zu den so genannten Sakramentalien, d. h. sie sind von der Kirche eingesetzte heilige Zeichen. Die Befreiung vom Bösen wird im Rahmen eines kleinen Exorzismus in einfacher Form z.B. in der Taufe vollzogen. So wird bei der Kindertaufe der Schutz des Kindes vor dem Bösen und der ‚Macht des Satans’ erbeten. Bei der ersten deutschen Ausgabe der „Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche“ von 1975 wurde das entsprechende Gebet als Bitte um Befreiung (kleiner Exorzismus) bezeichnet. Die Gebete um die Befreiung vom Bösen haben im Zusammenhang der Taufe einen so genannten deprekatorischen Charakter, d.h. sie sind an Gott gerichtete Gebete. Neben dem kleinen Exorzismus existiert der Große Exorzismus, der in seiner Form von 1614 im Auftrag des Trienter Konzils (1545-1565) im Rituale Romanum als entsprechendem liturgischen Buch herausgegeben wurde. Ende Januar 1999 wurde in Rom ein neuer Ritus für den Großen Exorzismus vorgestellt, für den es bisher keine offizielle deutsche Übersetzung gibt. Das entscheidend Neue des Ritus von 1999 ist, dass der direkte (imprekative) Befehl, den vom Bösen gepeinigten Menschen zu verlassen, entfallen kann. Der Exorzismus im eigentlichen Sinn kann also nur aus einem beschwörenden Teil bestehen als Bitte an Gott, ähnlich wie bei der Taufe. Der Große Exorzismus darf nur dann angewandt werden, wenn für den Exorzisten auch mit moralischer Sicherheit feststeht, dass es sich um Besessenheit handelt und der Betroffene, wenn möglich, zustimmt. Um zu einem solchen Urteil zu gelangen, soll der Exorzist nach Möglichkeit Experten der Medizin und der Psychiatrie heranziehen. Das Gespräch mit den 2 Experten zählt im neuen Ritus zu den Kriterien, aus denen man Hinweise für eine mögliche Besessenheit zu erkennen glaubt. Der verantwortliche Umgang mit dem Exorzismus kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach kirchlichem Recht can. 1172 nur der Ortsordinarius (d. h. in der Regel der Diözesanbischof) ausdrücklich die Erlaubnis zum Exorzismus erteilen kann. Dieser kann nur von einem Priester vollzogen werden, der sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnet. 3. Das Böse Das ‚Vater unser’ als das Zentralgebet Jesu schließt mit der Bitte: „… erlöse uns von dem Bösen“. Die Existenz des Bösen, des Üblen, und nicht zuletzt des Diabolischen gehört zur menschlichen Erfahrung. Theologisch wird die Lehre vom Bösen - auch biblisch - innerhalb der Schöpfungstheologie entfaltet. Die bösen Mächte und Gewalten (vgl. Eph 1,21; Kol 2,15) repräsentieren den Aufstand und Widerstand der Welt gegen Gott und seine Ordnung. Sie verderben durch ihre freiwillige Abwendung von Gott seine gute Schöpfung. Sie suchen dem Menschen auch im Bereich des Leiblichen zu schaden, bis dahin, dass sie vom Menschen Besitz ergreifen. Das Böse ist also kein von Gott unabhängiges zweites Urprinzip der Schöpfung, was dem christlichen Glauben an Gott als dem allmächtigen Vater widerspräche. Vielmehr geht das Böse auf die Geschöpfe selbst zurück. Mit dem Auftreten Jesu werden zugleich die Macht und die Ohnmacht der bösen Geister deutlich. Besonders das Markusevangelium beschreibt das ganze Leben und Wirken Jesu als Kampf mit dem Satan (Mk 1,23-28.32-34.39; 3,22-30 u. a.). Mit Jesus aber kommt der Stärkere, der diese Mächte besiegt. In ihm bricht die Herrschaft Gottes an, weil er in der Macht Gottes die Dämonen austreibt und so diesen bösen Mächten Einhalt gebietet und die Welt heilt. 4. Der Böse Mit „Teufel“ wird in den Übersetzungen des Alten und Neuen Testaments das griechische Wort „diabolos“ („Verleumder, Entzweier, Widersacher“) wiedergegeben. In der Übersetzung des Alten Testaments findet sich das Wort nur in Weish 2,24, im Neuen Testament dagegen an 34 Stellen. Im biblischen Sprachgebrauch ist damit die Funktion des Widersachers im Verhältnis von Gott und Mensch gemeint: Der Teufel ist derjenige, der Gott und Mensch entzweien will. Seine Wirksamkeit setzt also das mit der Schöpfung von Gott her konstituierte Verhältnis des Menschen zu Gott schon voraus. In gleicher Bedeutung sprechen die neutestamentlichen Schriften auch vom Satan. Dem hebräischen Wortsinn entsprechend ist er der Feind des Menschen in seinem Verhältnis zu Gott. Der Katechismus der Katholischen Kirche, Kompendium, betont, dass mit dem Bösen im ‚Vater unser’ der Satan gemeint ist, der durch Christus schon besiegt ist. Dennoch bitten wir, 3 dass die Menschen endgültig vom Satan und von seinen Werken der Sünde befreit werden, wenn Christus in seiner Herrlichkeit am Ende der Zeiten wiederkommt. Denn das Reich Christi ist durch seinen Tod und seine Auferstehung nur anfanghaft vollendet. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Mensch die Freiheit, sich von Gott abzuwenden, wie dies nach biblischer Überlieferung Adam und Eva taten. Diese freiwillig gewählte Abwendung von Gott ist eine Urtat als Urversuchung des Menschen, die ihn als Mensch begleitet (Erbsünde). Sie geht auf die Versuchung durch den Teufel zurück, der sich selbst von Gott als Geschöpf abgewandt hat und im Menschen das Vertrauen zu seinem Schöpfer sterben lässt. Das Böse in der Gestalt des Bösen gehört damit zu den Aussagen über das Verhältnis von Gott und Welt hinzu, ist aber von der erlösenden Befreiung durch Jesus Christus als Zentrum der christlichen Botschaft aus betrachtet nur eine Rand- und Rahmenaussage. 5. Texthinweise Zum Exorzismus: „Wenn die Kirche amtlich und vollmächtig im Namen Jesu Christi um den Schutz vor den Anfechtungen des bösen Feindes und um Befreiung von seiner Macht bittet, spricht man von Exorzismus. Jesus hat ihn selbst geübt (vgl. Mk 1,25 u. a.). Auch Vollmacht und Auftrag der Kirche zum Exorzismus stammen von Jesus Christus selbst (vgl. Mk 3,15; 6,7.13; 16,17). In einfacher Form wird der Exorzismus bei der Taufe, bei der Weihe des Weihwassers u. a. gebraucht. Der feierliche, so genannte große Exorzismus darf nur mit Erlaubnis des Bischofs vorgenommen werden. Dabei ist mit Klugheit und Nüchternheit streng nach den von der Kirche aufgestellten Kriterien vorzugehen. In keinem Fall ist der Exorzismus ein Ersatz für ärztliche Bemühungen.“ Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Band 1, Bonn 1985, S. 328. „Wenn die Kirche öffentlich und autoritativ im Namen Jesu Christi darum betet, daß eine Person oder ein Gegenstand vor der Macht des bösen Feindes beschützt und seiner Herrschaft entrissen wird, spricht man von einem Exorzismus. Jesus hat solche Gebete vollzogen; von ihm hat die Kirche Vollmacht und Auftrag, Exorzismen vorzunehmen. In einfacher Form wird der Exorzismus bei der Feier der Taufe vollzogen. Der feierliche, sogenannte Große Exorzismus darf nur von einem Priester und nur mit Erlaubnis des Bischofs vorgenommen werden. Man muß dabei klug vorgehen und sich streng an die von der Kirche aufgestellten Regeln halten. Der Exorzismus dient dazu, Dämonen auszutreiben oder vom Einfluß von Dämonen zu befreien, und zwar kraft der geistigen Autorität, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat. Etwas ganz anderes sind Krankheiten, vor allem psychischer Art; solche zu behandeln ist Sache der ärztlichen Heilkunde. Folglich ist es wichtig, daß man, bevor man einen Exorzismus feiert, sich Gewißheit darüber verschafft, daß es sich wirklich um die Gegenwart des bösen Feindes und nicht um eine Krankheit handelt.“ Katechismus der Katholischen Kirche 2003, Nr. 1673. „Can. 1172 - § 1. Niemand kann rechtmäßig Exorzismen über Besessene aussprechen, wenn er nicht vom Ortsordinarius eine besondere und ausdrückliche Erlaubnis erhalten hat. 4 § 2. Diese Erlaubnis darf der Ortsordinarius nur einem Priester geben, der sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnet.“ Codex des kanonischen Rechts, Kevelaer 52001. Zum Bösen: „Die Antwort [auf die Frage nach dem Bösen] ist dem Theologen vielmehr im Evangelium vorgegeben. Die zentrale Botschaft des Evangeliums ist, dass Gott sich in Jesus Christus ein für allemal als Herr aller Wirklichkeit, als Herr über Leben und Tod, als Herr auch über alle ‚Mächte und Gewalten’ des Bösen erwiesen hat, so dass wir im Glauben die Gewissheit haben, dass Gott am Ende ‚alles in allem’ sein wird.“ W. Kasper, „Das theologische Problem des Bösen“, in: W. Kasper, K. Lehmann (Hg.), Teufel – Dämonen – Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen, Mainz 1978, S. 51. „Man muß sich nochmals erinnern, dass der Teufel trotz abgründiger Bosheit ein Geschöpf Gottes bleibt, das ursprünglich gut geschaffen ist und nicht von Anfang an schlecht ist. Auch der Teufel ist eine Kreatur, die eine geschaffene Wesensgüte bewahren und auch in seiner Natur vollziehen muß, um böse sein zu können. Auch darum ist die Verwendung von ‚personal’ im klassischen Sinne des Wortes nicht ganz verzichtbar.“ K. Lehmann, „Der Teufel – ein personales Wesen?, in: W. Kasper, K. Lehmann (Hg.), Teufel – Dämonen – Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen, Mainz 1978, S. 95. „Hinter der Entscheidung unserer Stammeltern zum Ungehorsam steht eine verführerische widergöttliche Stimme, die sie aus Neid in den Tod fallen läßt. Die Schrift und die Überlieferung der Kirche erblicken in diesem Wesen einen gefallenen Engel, der Satan oder Teufel genannt wird. Die Kirche lehrt, dass er zuerst ein von Gott erschaffener guter Engel war. ‚Der Teufel und die anderen Dämonen wurden zwar von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber selbst durch sich böse’ (4. K. im Lateran 1215, Kap. 1 ‚De fide catholica’).“ Katechismus der Katholischen Kirche 2003, Nr. 391. Bonn, den 22.11.2005 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz